Er hat ja immerhin die Autobahnen gebaut...

Lucas91

Neues Mitglied
Hallo liebe Forumsmitglieder.
Ich muss zusammen mit einem Klassenkameraden ein Referat halten über Hitler, den 2. Weltkrieg und die Geschichtsverdrehung der heutigen Nationalsozialisten bzw lügen und falsche meinungen über diesen Geschichtsabschnitt.

Es geht darum das wir positive aspekte des 2. Weltkrieg und der herrschaft Hitler's aufführen sollen. So wie z.B. das Standart argument "Er hat immerhin die Autobahnen gebaut/ bauen lassen." oder "Deutschland würde heute gar nicht so existieren ohne den 2. Weltkrieg."
Also Gerüchte die bestehen und meinungen und ob und wenn ja warum sie schwachsinnig sind, wenn sie das denn sind.
Und eben auch einen kleinen Einblick in die Heutzutage vertrettene Meinung der Nationalsozialisten warum der Krieg ja eigtl ganz gewesen seien soll, laut ihnen.
Und vllt auch noch ein wenig über die Meinung der Generation die das ganze noch aktiv oder passiv miterlebt haben.

Dafür bräuchte ich links/ buchtipps/ verweise auf andere Threads oder einfach eure meinung/ euer wissen.

MfG und danke für die Hilfe
Lucas91
 
Dazu gibt es das Buch
Benz, Wolfgang: Geschichtsmythen - Legenden über den Nationalsozialismus.

Dann noch hier ein bißchen was zu Legenden und Tricks der Holocaust-Leugner. Allerdings habe ich so verstanden, dass es bei euch nicht direkt um die nationalsozialistischen Verbrechen gehen soll:
Holocaust-Referenz : Zahlenspiele, Tricks und Täuschungsmanöver

Hier zu den Autobahnen als bekanntestes Beispiel für vermeintlich "positive" Folgen des Dritten Reiches:
Mythos Autobahn – Einer Legende auf der Spur | Nachrichten | hr

Was ich aus Foren-Diskussionen an weiteren solcher Beispiele nennen kann:
- Arbeitslosigkeit: Hitler habe die Arbeitslosigkeit abgebaut
- Sicherheit: Im Dritten Reich seien die Straßen sicher gewesen und es habe keine Verbrechen gegeben
- Politik für "Deutsche": Hitler habe eine Politik für die Deutschen gemacht, von den Repressionen sei nur eine Minderheit betroffen gewesen, die - so die meisten Diskussionspartner - fünf Prozent umfasst habe (immerhin sind das mehrere Millionen Menschen.
- Jugend: durch Organisationen wie die Hitler-Jugend sei eine disziplinierte Erziehung sicher gewesen und es habe einen größeren Zusammenhalt gegeben.


Für jeden Punkt (inklusive der Autobahnen) gibt es umfangreiche Argumentsammlungen; ich schlage vor, ihr entscheidet euch für einen Themenkomplex, dann kann man das noch mal in die Tiefe hinein diskutieren.

P.S:
Und eben auch einen kleinen Einblick in die Heutzutage vertrettene Meinung der Nationalsozialisten warum der Krieg ja eigtl ganz gewesen seien soll, laut ihnen.

Auch dazu gibt es im Internet viele Diskussionen, besonders um den Kriegsbeginn mit dem Angriff auf Polen 1939 und den Überfall auf die Sowjetunion 1941. Auch hier schlage ich vor, ihr legt euch erst mal auf einen bestimmten Punkt fest - es gibt massenhaft Material, so dass man scih beschränken muss.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch eine Literaturempfehlung ist das Buch: "In Auschwitz wurde niemand vergast" - 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt. Für eine Debatte mit Hardcore-Neonazis wäre es zwar etwas zu mager, aber als Einstieg für Schulzwecke ist es sehr gut geeignet.
 
Adenauer und der Rheinische Provinzialausschuss für Autostraßen, Autobahn Köln-Bonn:
NRW 2000 - Die Weimarer Zeit - Einleitung - Die Autobahn Köln - Bonn


Brüning erwähnt in seinen Memoiren 1918-1934, dass der für Juni 1932 vorgesehene Autobahnbahn insbesondere von der Reichsbahnverwaltung und von Siemens torpediert worden ist. Die Reichsbahnverwaltung habe sich auch als der große Hemmschuh bei den Reparationsgesprächen erwiesen.

Für 1932 war die Summe der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf 800 Mio. RM limitiert, ein Teil sollte für den Anschluss der Autobahn Köln-Bonn and die Ruhrverbindungsstrecken verausgabt werden. Im Ruhrgebiet war zugleich mit der Köln-Bonner-Autobahn ein größeres Netz von staatlichen Autostrecken fertig geworden. Für die notwendigen Enteignungen der überregionalen Strecken wurden Notverordnungen ausgearbeitet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Referat über die Verherrlichung des 3.Reiches, in dem man die Lügengeschichten dementieren und widerlegen soll, stellt die gesamte bisherige deutsche Vergangenheitsbewältigung seit 1945 ins Lächerliche!

Zudem sind diese Lügengeschichten nicht ausschliesslich Bestandteil der "heutigen Nationalsozialisten". Das ist Teil der liberalen Denkweise, dass man aus Kriegen und Ermordeten auch was gutes abgewinnen könne. So argumentieren auch die heutigen unzufriedenen Ossis, dass nicht alles in der DDR schlecht war. Die Relativierung von Gewalt und Unterdrückung steckt dahinter.
Jedes getötete Kind im KZ wird mit einem fertiggestellten Autobahnkilometer oder für einen Tag im heutigen Deutschland (so wie es ist) gegengerechnet und relativiert.
Das ist nicht pervers, das ist ein liberales verachtendes Menschenbild.
 
Die Relativierung von Gewalt und Unterdrückung steckt dahinter.
Gewalt und Unterdrückung exisitert überall und war kein spezifisches DDR-Merkmal




Was ihr noch reinbringen könnt, ist das die viele Neofaschisten, besonders viele Rockbands den Holocaust nicht mehr verleugnen, sondern ganz einfach die Vernichtung "geil" finden und Wiederholungen anstreben bzw. ankündigen in noch perverserer Weise. man hat anscheinend erkannt, dass das Leugnen des Holocaust nicht zieht bei der Neuwerbung von Anhängern, sondern man möchte sie in ihren Gewaltfantasien befriedigen oder anregen. Ganz interessante Aspekte. Sprich ein Umschwung im Denken vieler, nicht aller.
 
oder "Deutschland würde heute gar nicht so existieren ohne den 2. Weltkrieg."
Ohne den 2. Weltkrieg und Hitler wäre Deutschland vermutlich größer, hätte mehr Einwohner und wäre beliebter, auch bei den Deutschen. Wir hätten keine nörgelnden Ossis und keine arroganten Wessis. Ich sehe nicht ganz, wieso ein Nazi auf die Folgen des 2.WK für Deutschlands stolz sein kann? Zumal es ja genau entgegengesetzt zu den braunen Plänen lief. Es gab keinen Lebensraum im Osten und keine Alternative zu Kapitalismus oder Sozialismus, sondern beides (wenn auch nur für jeweil einen Teil).
 
Gewalt und Unterdrückung exisitert überall und war kein spezifisches DDR-Merkmal

Sag mal, wenn du irgendwo das Wort DDR liest, gehts bei dir im Kopf drunter und drüber.
Mein Absatz mit DDR ist so eindeutig, dass ich Gewalt und Unterdrückung nicht als alleiniges DDR-Merkmal beschrieb. Es war ein Beispiel meiner anprangernden Liberalität.
 
Der Autobahnbau war für Hitler ein Politikum ersten Ranges. Zitat aus der Sitzung vom 18.9.1933 (die Arbeitlosenzahlen waren durch ABM um eine Million gedrückt worden, es wurde äußerster Wert darauf gelegt, dass dieses Ergebnis auch über den bevorstehenden Winter gehalten werden kann):

"Der Reichskanzler wies auf die große psychologische Wirkung hin, die durch den Bau dieser großen Straßen erzielt würde. Eine derartige Arbeit von gewaltigem Ausmaß wirke vertrauenserweckend."

In der Kabinettssitzung wurde festgelegt, dass 1000km noch im Jahr 1933 und jeweils in den Folgejahren gebaut werden, bis die vorgesehenen 6500 km erreicht werden.

Der Reichsfinanzminister wollte den Umfang etwas abstoppen, aus Geldmangel. Dorpmüller berichtete auch, dass für die 6500 km Finanzminister Schacht bis 1939 ca. 3,6 Mrd RM zur Verfügung stellen müsse.

Akten der Reichskanzlei, Band I/2, S. 742.
 
So also erstmal danke für die zahlreichen Antworten.:winke:

Dann werd ich mal ein paar Fragen beantworten die hier gekommen sind.

Also zu Ashigaru:
Ich hab heute noch einmal nachgefragt, wie genau sich das unser Geschichtslehrer vorstellt. Er hat gemeint wir sollen über die gängigen Gerüchte machen (also Autobahnbau, das die Jugend was zu tuen hatte, das man sich sicher fühlen konnte weil überall ein helfer der Nationalsozialisten herumstand, arbeitslosigkeit wurde weniger...) und es wäre schön wenn wir auch über die heutigen Nationalsozialisten was sagen. Er hat gemeint das die es langsam aufgegeben haben den Holocaust zu leugnen. Ich habe auch einmal gelesen (auf irgendeiner seite der Nationalsozialisten, im rahmen meiner Referatssuche) das sie heute eher dazu übergehen zu sagen das der Holocaust eine gute Sache war und gerne das sog. "4. Reich" errichten wollen. Fast das gleiche hat Wieger ja auch gesagt.

Ein Referat über die Verherrlichung des 3.Reiches, in dem man die Lügengeschichten dementieren und widerlegen soll, stellt die gesamte bisherige deutsche Vergangenheitsbewältigung seit 1945 ins Lächerliche.

Ich bin sicher dass das nicht die Absicht meine Geschichtslehrers ist.
Wir sollen auch nicht alles wiederlegen und dementieren, sondern wir sollen eben auch die Kehrseite der Medaille nicht verschweigen.
Ich werde aber nicht näher eingehen da dies wohl nur eine seitenlange Diskussion nach sich zöge (zumindest ist das in anderen Foren immerso, was nur beide Seiten zeit und Nerven kostet und das Thema verdrängt).

Das Referat ist übrigens für eine 9. Klasse, der Lehrer stellt allerdings dafür hohe ansprüche.

Dann eine Frage die mich persönlich interessiert:
Die ganzen angaben (Autobahnkilometer, Kosten, Ausgaben etc. pp.) müssten doch von den Nationalsozialisten kommen, da sie die Medien beherrscht haben. Wie sicher kann man sich also seien das die Angaben nicht etwas geschönt sind zugunsten der Nationalsozialisten?

Und ihr könnt auch gerne auf andere Threads euch beziehen oder mehr Links benutzen, wenn ihr dadurch dann nich extra nochmal alles 2 mal schreiben müsst. Ich habe nur selber wenig gefunden, bei meiner Suche, weil ich auch nicht wirklich wusste wonach ich suchen sollte.

Also nochmals vielen Dank
 
Die ganzen angaben (Autobahnkilometer, Kosten, Ausgaben etc. pp.) müssten doch von den Nationalsozialisten kommen, da sie die Medien beherrscht haben. Wie sicher kann man sich also seien das die Angaben nicht etwas geschönt sind zugunsten der Nationalsozialisten?

Die zitierten Informationen aus den (internen) Akten der Reichskanzlei stammen aus den Besprechungen zwischen den Fachministerien und den Bereitstellungen der Haushaltstitel für die Deckung der Ausgaben. Hierfür waren Schuldenaufnahmen erforderlich, der Bau erfolgte also "auf Pump" der Reichsbank.
Quelle: Bundesarchiv RH 43 II/Blatt 137-139, Aktenvermerk vom 22.9.1939 des Ministerialsrates Willhuhn über eine Besprechung zur Fianzierung der Reichsautobahnen und des sonstigen Straßenbaues vom 18.9.1933

Nebenbei: bei der ersten Besprechung des "Generalrates der Wirtschaft" am 20.9.1933 geisterten 5 Mrd. RM durch die Runde, die auf 3Komma berichtigt wurden.

Interessant wäre es nun, diese Zahl ins Verhältnis zum Staatshaushalt oder zur damals bestehenden Verschuldung zu setzen.

Ein Nachtrag:

Richard Vahrenkamp, Der Autobahnbau 1933 bis 1939 und das hessische Autobahnnetz, ZHG 109 (2004), Seite 225-266
http://www.vhghessen.de/inhalt/zhg/ZHG_109/11_Vahrenkamp_Autobahn.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Lucas91 schrieb:
Er hat gemeint das die es langsam aufgegeben haben den Holocaust zu leugnen.

Ich fürchte, hier gleiten wir in den tagespolitischen Bereich ab (nicht erwünscht in diesem Forum), aber das möchte ich nicht so stehen lassen, denn m.E. liegt euer Lehrer da falsch.
Gerade in diesem Jahr gab es bei der extremen Rechten zwei Ereignisse, die zeigten, welch wichtiges Politikfeld die Holocaust-Leugnung nach wie vor darstellt:
- das eine war die Holocaust-Konferenz in Teheran, eine einseitig antiisraelische Veranstaltung, mit Holocaust-Leugnern und Antisemiten aus der ganzen Welt.
- in Deutschland der Prozess gegen Ernst Zündel, einen der weltweit bedeutendsten Holocaust-Leugner. Interessant war die Verteidigung Zündels; sein Rechtsanwalt verwendete bei den Beweisanträgen zahlreiche Argumente, die direkt der Propaganda des Dritten Reiches entsprangen.
- Dazu sei noch an die "Bombenholocaust"-Rede der NPD im sächsischen Landtag erinnert, die den Holocaust verharmloste, indem sie den Begriff auf die Bombardierungen deutscher Städte erinnert.

Dies alles zeigt, dass Holocaustleugnung nach wie vor sehr wichtig für die nationalistische Rechte ist.
Es gibt aber noch ein anderes bedeutsames Argumentationsmuster: Rechstextreme sprechen häufig von einem "Schuldkult"; der Holocaust habe gewissermaßen den Rang einer Staatsreligion oder zumindest einer Art öffentlichen Bekenntnisses. Dieser Kult diene dazu, Deutschland gewissermaßen ideologisch zu unterdrücken.
Hier werden die Geschehnisse während des Holocaust nicht direkt geleugnet, aber es wird behauptet, der Holocaust sei nur aus niederen und politisch motivierten Punkten aufgearbeitet worden. Gleichzeitig wird so versucht, die Gedenkkultur gegenüber den Opfern zu unterbinden; und indirekt steht auch der Vorwurf, die Juden würden an der Erinnerungskultur "verdienen".

das sie heute eher dazu übergehen zu sagen das der Holocaust eine gute Sache war und gerne das sog. "4. Reich" errichten wollen.

Meine Informationen beziehe ich aus dem Internet. Solche Aussagen habe ich auch erlebt - aber nur sehr selten und immer nur von einzelnen Personen. Das wäre auch politisch nicht nützlich; die meisten Rechtsextremen versuchen eher den Holocaust zu leugnen oder von ihm abzulenken, damit die nationalsozialistische Ideologie gewissermaßen "reingewaschen" wird.
 
Ich fürchte, hier gleiten wir in den tagespolitischen Bereich ab (nicht erwünscht in diesem Forum), aber das möchte ich nicht so stehen lassen, denn m.E. liegt euer Lehrer da falsch.
Gerade in diesem Jahr gab es bei der extremen Rechten zwei Ereignisse, die zeigten, welch wichtiges Politikfeld die Holocaust-Leugnung nach wie vor darstellt:
- das eine war die Holocaust-Konferenz in Teheran, eine einseitig antiisraelische Veranstaltung, mit Holocaust-Leugnern und Antisemiten aus der ganzen Welt.
- in Deutschland der Prozess gegen Ernst Zündel, einen der weltweit bedeutendsten Holocaust-Leugner. Interessant war die Verteidigung Zündels; sein Rechtsanwalt verwendete bei den Beweisanträgen zahlreiche Argumente, die direkt der Propaganda des Dritten Reiches entsprangen.
- Dazu sei noch an die "Bombenholocaust"-Rede der NPD im sächsischen Landtag erinnert, die den Holocaust verharmloste, indem sie den Begriff auf die Bombardierungen deutscher Städte erinnert.

Dies alles zeigt, dass Holocaustleugnung nach wie vor sehr wichtig für die nationalistische Rechte ist.
Es gibt aber noch ein anderes bedeutsames Argumentationsmuster: Rechstextreme sprechen häufig von einem "Schuldkult"; der Holocaust habe gewissermaßen den Rang einer Staatsreligion oder zumindest einer Art öffentlichen Bekenntnisses. Dieser Kult diene dazu, Deutschland gewissermaßen ideologisch zu unterdrücken.
Hier werden die Geschehnisse während des Holocaust nicht direkt geleugnet, aber es wird behauptet, der Holocaust sei nur aus niederen und politisch motivierten Punkten aufgearbeitet worden. Gleichzeitig wird so versucht, die Gedenkkultur gegenüber den Opfern zu unterbinden; und indirekt steht auch der Vorwurf, die Juden würden an der Erinnerungskultur "verdienen".



Meine Informationen beziehe ich aus dem Internet. Solche Aussagen habe ich auch erlebt - aber nur sehr selten und immer nur von einzelnen Personen. Das wäre auch politisch nicht nützlich; die meisten Rechtsextremen versuchen eher den Holocaust zu leugnen oder von ihm abzulenken, damit die nationalsozialistische Ideologie gewissermaßen "reingewaschen" wird.


Die Relativierung des Holocaust, indem man umständlich und unterschwellig versucht, die Opfer zu Tätern zu machen, geht allerdings weit ins konservativ bürgerliche Lager, und fällt von Zeit zu Zeit auf, dann nämlich, wenn irgendeinem Hinterbänkler der Quassel ungefiltert ausläuft. So z. B. bei der überaus peinlichen Rede von Bundestagspräsident Philipp Jenninger in den 80er Jahren. 2005 sorgte der hessische CDU Mann Hohmann für Aufsehen, als er in einer Rede darauf verwies, daß es unmöglich sei, von den Deutschen länger als "Tätervolk" zu sprechen, niemand rede von den Juden als Tätervolk, obwohl zahlreiche Juden Mitglieder der Tscheka (Vorgängerin des KGB) gewesen seien und an Greueln beteiligt waren.

Mochte Jenninger tatsächlich nicht so recht gewußt haben, was er von sich gab, so wissen rechte Populisten meist ziemlich genau, was sie sagen. Die Holocaustleugnung war Ende der 70er Anfang der 80er ein Zugpferd der Neonazis. Erich Kühnen sorgte mit Eselsmasken für Aufsehen und Schildern mit der Aufschrift "Ich Esel glaube noch, daß in deutschen KZs Juden vergast wurden". Kühnen hatte großen Erfolg in den Medien, er begriff, daß man erst bekannt werden muß, um beliebt zu werden. Doch mittlerweile gehen die Neonazis argumentativ geschickter vor. Sie leugnen in der Diskussion nicht direkt den Holocaust, sondern verweisen darauf, "daß endlich Schluß sein muß", suggerieren eine Beeinflußung durch "die Juden" und verweisen auf Menschenrechtsverletzungen und Greuel des Staates Israel. Unter sich wird der Holocaust natürlich nicht geleugnet, denn 6 Millionen Juden, und 14 Millionen Slawen, Untermenschen, Asoziale, Zigeuner, Schwule beseitigt zu haben, ist schließlich auch eine Leistung. Es waren aber leider viel zu wenige.

In Diskussionen sind manche Neonazis mitunter sogar recht eloquent, durchaus nicht dumm und keineswegs zu unterschätzen. Sie wirken sogar manchmal ganz sympathisch, machen stilistische Anleihen bei den Autonomen, sind frech und reden wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Manche Kommunalpolitiker sehen alt aus, wenn die NPD plötzlich für ein Kinderheim spendet, wenn sie Jugendliche umwerben, "etwas für die Jugend tun".

Das ist übrigens ein Pfund, mit dem Rechte seit den 60ern wuchern konnten. Die Wiking Jugend und unzählige Ableger knüpften an die HJ an. Und für Propagandazwecke ist sie als "saubere" NS Organisation geeigneter, denn sie wurde nicht wie die SS als "verbrecherische Organisation" eingestuft. Sie sagen, daß die Nazis etwas für die Jugend getan hätten, die Leute von der Straße geholt hätten, Kameradschaft gepflegt hätten. Die Jugend sei damals noch "echt begeistert" gewesen.

Sicher, die haben nicht gesagt, daß sie Stalingrad und Auschwitz veranstalten und die Deutschen trotzdem begeisert sein müssen. Sie hatten ja auch Erfolge, ohne Zweifel. Aber was war das denn für ein Reich? War das etwa ein bürgerlicher Rechtsstaat? Presse, Rede-, Versammlungs-, Vereins- und Meinungsfreiheit wurden aufgehoben. Bereits 1933 wurden in "wilden Konzentrationslagern" einige hundert Menschen ermordet. Kulturell sank Deutschland, das in der Weimarer Zeit Hochniveau hatte auf ganz erbärmliches Niveau herab. Thomas Mann, Kurt Tucholsky, Hermann Hesse, Lion Feuchtwanger, Billy Wilder, Ernst Lubitsch, Fritz Lang, Anna Seghers, Carl Zuckmayer und viele andere mußten das Land verlassen. Die blieben wie Wilhelm Feuchtwanger, Carl Orff, Erich Kästner, Gustav Gründgens waren zu Konzessionen und gelegentlich Kollaboration gezwungen. Es hagelte Berufsverbote, Nacht- und Nebelerlasse und Sondermeldungen. Im Führerstaat herrschte unglaubliches Chaos, ein fast perverses Drohnendasein, das im Krieg fast surrealistische Blüten der Drückebergerei trieb. Die Führungsschicht vom Führer Adolf Hitler über seinen "treuen Heinreich" Himmler über Göring bis hinab zum kleinen Rottenführer war durch und durch korrupt. In Sachen Sexualität und Drogen herrschte eine unglaubliche Doppelmoral. Du mußt mal in die Auschwitz online Doku reinschauen, die Ursi reingestellt hat. Da erzählt ein SS Mann, daß die Disziplin in Auschwitz unter aller Sau war. Das ging soweit, daß sich die SS Wachen besoffen ins Bett legten und das Licht ausschossen. Privat wurde unglaublich viel geraubt und geplündert. Niklas Frank, der Sohn des "Generalgouverneurs" spielte mit einem diamantbesetzten Schwert, wie er schreibt.

Gut, vielleicht gibt es immer noch Leute, die behaupten, daß man in Hitlers Reich gut leben konnte, wenn man kein Zigeuner, Jude, Freidenker, überzeugter Christ, Zeuge Jehowas, Kommunist, Untermensch, Homosexueller war, wem bürgerliche Grundrechte nichts bedeuteten und wer kulturell einen schlichteren Geschmack hatte. Aber der "deutsche Blick", der Satz "Halts Maul, sonst kommst du nach Dachau", das alles war schon in den "guten Nazijahren" angelegt. Es hat Hunderte, ja Tausende von Deutschen gegeben, die eine ironische Bemerkung, einen harmlosen Witz, eine kritische Bemerkung im Freundeskreis mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben bezahlt haben. Es wurden Menschen hingerichtet, weil sie heimlich Radio gehört oder verbotene Bücher gelesen haben.

Und die Jugend? Was haben sie für die Jugend getan? Sicher, reiten, segelfliegen, Fahrten machen, Lagerfeuerromantik mag vielfach tatsächlich "schön" gewesen sein. Aber haben sie den Jugendlichen etwa beigebracht, selbstständig zu denken, haben sie ihnen wirkliche Tugenden beigebracht wie Toleranz, Mitgefühl, Kritikfähigkeit, Eigenverantwortung? Es war Manipulation gemäß den Zielen des Systems. Flink wie Windhunde, hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder" "Jugend muß wagen", Jugend von Jugend geführt", das sind doch alles dumme Phrasen. Hitler hat ja ganz offen gesagt was er von der Jugend erwartete, daß er sie in die HJ, in die SA, in den Arbeitsdienst übernehmen wolle und die Wehrmacht das zur Weiterbehandlung übernehme, "was dann noch an Standesbewußtsein und Klassendünkel vorhanden ist". Hitler schloß dann diese frappierende Rede mit den Worten "... und sie werden nicht mehr frei, ihr ganzes Leben lang..."


"Es gab zur Nazizeit keine Verbrechen", ist natürlich totaler Blödsinn, selbst wenn man dabei die Verbrechen abzieht, die die deutsche Regierung selbst verübte. Das tat sie von Anfang an, wenn man nur an die Morde in den wilden Konzentrationslagern oder den viehischen Mord an Hitlers Duzfreund Ernst Röhm, an Kurt von Schleicher und seine Frau, Ritter von Kahr, Gregor Strasser und andere denkt. Es wurde natürlich nicht über Verbrechen und Kriminalität berichtet, denn die "Berufsverbrecher" saßen ja im KZ, wo die übelsten Subjekte als Kapos oft ein feines Leben hatten. Typen wie Oskar Dirlewanger schätzten offenbar die übelsten Typen als ihresgleichen, so daß die SS Division Dirlewanger im Grunde nichts anderes war, als eine Mordbrennerbande.

Wenn man sich Hitlers Reich, den Lebensstil seiner Würdenträger, die unglaubliche Korruption und Vetternwirtschaft, die erzwungene Provinzialität und Seichtigkeit der Kultur, die völlige Rechtlosigkeit und Behördenwillkür ansieht, dann erscheinen auch die "guten Nazijahre" weit weniger glanzvoll, als es Neonazis heute wahrhaben wollen.
 
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