Martin 69 schrieb:
Wissen ist in diesem Fall nicht vergleichbar zu (unserem Begriff von) Wissenschaft?! Der legalistische Versuch ein "Wissens-Ideal" zu beseitigen um mit "praktischem Wissen" Staat zu machen leuchtet ein. Aber wie standen die Legalisten zum Prozess der Wissensbildung und seiner (Nicht-)Inbesitznahme.
Da bin ich überfragt. Möglicherweise hat der "Prozeß der Wissensbildung" die alten Chinesen (und nicht nur die Chinesen) nicht so sehr berührt wie uns, die wir tagtäglich mit einem geradezu rasanten Prozeß der Wissensbildung konfrontiert werden.
Jedenfalls war den Legalisten bewußt, daß sie in einer Zeit des Umbruchs lebten, und nach ihrer Überzeugung war die Welt von morgen nicht mit den Rezepten von vorgestern zu regieren.
Hier muß man einfach die Gegenreaktion zum Konfuzianismus sehen, der sich besonders gerne auf die idealisierten, um nicht zu sagen mythischen Herrscher der grauen Vorzeit berief und die lernwillige Jugend dazu anhielt, die Texte uralter Urkunden und Gesänge auswendig zu lernen.
Ich will hier nicht als Verteidiger des Legalismus auftreten, aber die Forderung, die uralten Bücher aus dem Lehrplan zu streichen, sie einzusammeln und einzustampfen, hätte vor diesem Hintergrund schon eine gewisse Logik.
Wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Forderung von den Theoretikern des Legalismus überhaupt erhoben wurde.
Die Bücherverbrennung unter Qin Shi Huangdi hat nämlich nicht nur einen weltanschaulichen, sondern einen ganz konkret politischen Hintergrund. Qin Shi Huangdi war eine Gestalt vergleichbar mit Alexander dem Großen oder Napoleon: Ihm war es gelungen, innerhalb weniger Jahre alle zivilisierten Staaten der (ihm bekannten) Welt nacheinander zu erobern.
Der Unterschied war, daß es Qin Shi Huangdis überdies gelang, das entstandene Großreich so zu festigen, daß es - obwohl bereits sein Nachfolger gestürzt wurde - nicht wieder in seine Einzelteile zerfiel, sondern für Jahrhunderte Bestand hatte. Die jahrhundertealten Traditionen der bisherigen Reiche wurden in wenigen Jahren zu einem einheitlichen Ganzen umgeschmolzen. Die Rechtsprechung wurde vereinheitlicht, das Währungssystem wurde vereinheitlicht, die Schrift wurde vereinheitlicht, sogar die Wagenspurbreiten wurden vereinheitlicht.
Die Widerstände dagegen waren naturgemäß groß, gegen Oppositionelle wurde entsprechend hart durchgegriffen. In deren Reihen befanden sich zahlreiche Konfuzianer, denen natürlich die neue Staatsform völlig gegen den Strich ging. Im Zusammenhang dieser Bemühungen, die Opposition niederzuhalten, muß die Bücherverbrennung gesehen werden.
Übrigens bestehen durchaus Zweifel, ob die antikonfuzianischen Aktionen mit Bücherverbrennung und Gelehrtenmassaker tatsächlich so rabiat durchgezogen wurden. Die Quellen, die darüber berichten, wurden nämlich etwas später geschrieben - und zwar von Konfuzianern...
Ob dieses Recht logisch, stabil, gerecht, ausgewogen ist wäre dann wohl untergeordnet.
Leider kenne ich die legalistischen Texte nicht bzw. nur in winzigen Ausschnitten, aber ich meine, daß sich die Legalisten sehr wohl auf konkrete, in sich stimmige Rezepte für die neue Staatsordnung Wert legten. Das Ziel war ja eine reibungslos funktionierende Staatsmaschinerie, die notfalls von einem Trottel bedient werden konnte.