Fatih Sultan Mehmed Han

da stellt sich mir aber die Frage, welches Prestige der byzantinische Kaisertitel und damit das Kaiserreich Byzanz zu dieser Zeit überhaupt noch hatte? Über ein nennenswert großes Territorium verfügte das byzantinische Reich nicht mehr, ja man kann sagen, dass territorial das Kaiserreich schon seit 1350 keine sonderliche Rolle mehr spielte.

Die alte Pracht und damit das Prestige von Byzanz muß in seiner Hauptstadt Konstantinopel noch gut sichtbar gewesen sein. Die Größe eines eroberten Gebiets ist oft nicht so entscheidend. Wichtig für den Nachruhm, ist die Hauptstadt zu übernehmen und das tat Mehmet II.
 
Symbolisch war Konstantinopel weiterhin die Mutter aller Städte man muss nur schauen was die bulgarischen und serbischen Caren und Könige gemacht haben um Konstantinopel in die Finger zu kriegen.
 
Rena und Zoki55 haben die Frage kurz und hinreichend beantwortet. Dafür muss ich ihnen danken.

Hinzufügen möchte ich, dass Konstantinopel eine legendäre Stadt war und als uneinnehmbar galt. Mit der Eroberung Konstantinopels hat Mehmet II. einen Mythos zerstört. Dies hätte nur mit der Eroberung des Vatikans bzw. der Stadt Rom übertroffen werden können.

Damit hat die Geschichte Europas eine unumkehrbare Wendung erfahren.
 
Es gibt Historiker, die auch seine Nachfolger, zumindest einige, als Kayzer-i Rum bezeichnen aber es gibt keine zuverlässigen Quellen.

Tatsache ist, dass der türkische Herrscher osmanischer Sultan und nicht römischer Imperator war.

Die Definition, nämlich deine, des Erbe der Oströmer beruht insofern nur auf Spekulation, wie wir nicht genau genug wissen, wie weit das byzantinische Reich schon zur Zeit seiner Eroberung turkisiert war.

Das kulturelle Erbe des Byzantinischen Reichs liegt offen vor uns und ist von unzähligen Kunsthistorikern beschrieben worden. Im "Museum für byzantinische Kunst" in Berlin lässt sich das alles besichtigen.

Mit der Turkisierung und Islamisierung Kleinasiens hat das nur insofern zu tun, als diese Kunst einen raschen Tod starb - sieht man einmal von der religiösen Kunst ab, die besonders in den griechisch-orthodoxen Ländern Europa fortlebte.

So ist auch die Religion als Grundlage für deine Definition nicht ausreicht.

Wie du in einem meiner obigen Beiträge nachlesen kannst, ist die Religion lediglich ein teil der alten byzantinischen Identität. Hinzu kommtt eine ganz spezielle byzantinische Literatur, Malerei, Mosaikkunst, Bildhauerei, Schmuck- und Metallverarbeitung oder Musik, ganz abgesehen von speziellen Ausformungen des römischen Rechts - "Corpus iuris civilis" Kaiser Justinians - oder der Lebensart der griechischen Byzantiner.

Festzustellen ist, dass das Osmanische Reich zu Zeiten von Fatih kulturell europäisch ausgerichtet war, nicht gen Osten.

Das mag - wenn überhaupt - nur auf eine winzige Schicht der Elite zutreffen. Nicht aber auf die große Schar der turkstämmigen Reiterkrieger und Halbnomaden, die die anatolische Hochfläche durchzogen, oder die zahlreichen Ghazi, die türkisch-muslimischen Glaubenskrieger an den Reichsgrenzen, mit denen die Sultane während des gesamten 14.-16. Jh. Auseinandersetzungen hatten. Da gab es keine "europäische Ausrichtung".

Ganz abgesehen davon blickten die osmanischen Herrscher keineswegs nur nach Europa, sondern sehr intensiv nach Osten, wo sie ständig mit dem persischen Safawidenreich zu kämpfen hatten und im Lauf der Zeit ganz Vorderasien und Nordafrika eroberten.

Einen Vergleich mit der spekulativen Entwicklung der Byzantiner, wenn sie nicht erobert worden wären, ist wie gesagt, reine Spekulation.

Von einer solchen spekulativen Geschichte halte ich wenig. Es ist völlig ungewiss, wie sich das Byzantinische Reich ohne die türkische Eroberung entwickelt hätte.

In der Tat war das Osmanische Reich das islamische Land, das den europäischen am meisten ähnelte. Ich sage nicht, sehr ähnelte, das war er nicht aber das ähnlichste.

Man darf nicht vergessen, dass das Osmanische Reich aufgrund seiner gewaltigen Expansion die europäischen Staaten existenziell bedrohte. Die Eroberung des gesamten Balkans und der zweimalige Vorstoß nach Wien 1529 und 1683 zeigen deutlich, dass die Osmanen bis ins 17. Jh. (!) noch Pläne hatten, die Habsburger Monarchie zu überwätigen und wer weiß, wie weit sie vorgestoßen wären, wenn das gelungen wäre.

Dennoch zog das Osmanische Reich in der abendländischen Diplomatie seine Fäden und schmiedete später Bündnisse und Allianzen sowohl mit Frankreich als auch der Donaumonarchie.

Darüber hinaus war Mehmet II. ein Mensch der Renaissance und war beeinflusst von europäischen Schriften. Kurzum, wenn man eine Momentaufnahme der zweiten Hälfte des 15. Jh. macht, ist Mehmet der Kayzer-i Rum, sowohl territorial als auch kulturell.

Dass Kultur und Wissenschaft unter Mehmet II. eine Blüte erlebten, ist völlig unbestritten. Er war sowohl auf miliärischem als auch schöngeistigem Gebiet eine eindrucksvolle Persönlichkeit und schuf die Fundamente, auf denen das Osmanische Reich noch Jahrhunderte ruhte. Interessant finde ich die Tatsache, dass er trotz des muslimischen Bilderverbots einen Porträtmaler aus Venedig anforderte, der sein Konterfei malen sollte. Gentile Bellini übernahm diese Aufgabe und schmückte die privaten Gemächer des Sultans mit gegenständlichen (!) Bildern.

Diese Begebenheit zeigt sehr deutlich eine vielseitige und wissbegierige Persönlichkeit, die über den dogmatischen Tellerrand hinaussah. Und man muss Mehmet II. eine tolerante Haltung einräumen, denn an der Behandlung der christlichen Bevölkerung könnte sich mancher spanische Herrscher im Hinblick auf dortige Juden und Araber ein Beispiel nehmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Anspruch mag hohl gewesen sein. Aber war er es nicht schon vorher? Es ist ja nicht so, dass es in den letzten Jahrzehnten nur einen byzantinischen Kaiser gegeben hätte, sondern z.T. zwei, drei gleichzeitig. Wir vergessen nur gerne die, die nicht in Konstantinopel saßen, sondern in Trapezunt etc.
Ja und nein.
Nach dem Fall von Konstantinopel im 4. Kreuzzug und der Errichtung des Lateinischen Kaiserreiches erhoben zunächst zwei neue Kaiserhäuser den Anspruch, das byzantinische Kaisertum fortzuführen, nämlich die Laskariden und später Palaiologen in Nikaia und die Komnenen in Trapezunt. Später kamen noch die Angeloi in Thessalonike dazu. Thessalonike und der Großteil des Lateinischen Kaiserreichs, vor allem Konstantinopel, wurden von den Palaiologen einkassiert. Daraufhin wurden die Komnenen in Trapezunt anscheinend nervös, als nächste auf der Liste zu stehen, und verständigten sich mit den Palaiologen 1282 auf eine Sprachregelung, wonach der Kaiser in Trapezunt zwar auch ein Kaiser war, aber nur der Palaiologenkaiser in Konstantinopel der original echte offizielle römische. Der Kaiser in Konstantinopel war also fortan wieder der einzige "Kaiser der Rhomaier", während sich der Kaiser in Trapezunt nunmehr "Kaiser und Despot des Ostens, der Iberer und der Überseeprovinzen" nannte. Zur Zeit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen umfasste das Reich zwar neben dem Hauptstadtgebiet auch noch das autonome Despotat Morea auf dem Peloponnes, aber das war mehr eine Art Sekundogenitur der Palaiologen und wurde nur von einem Despoten regiert. Das von einer italienischen Dynastie regierte Despotat Epeiros gehörte ohnehin nicht zum byzantinischen Machtbereich, ebensowenig das Fürstentum Theodoro auf der Krim.
Byzantinischen Kaiser gab es somit nur einen.

da stellt sich mir aber die Frage, welches Prestige der byzantinische Kaisertitel und damit das Kaiserreich Byzanz zu dieser Zeit überhaupt noch hatte? Über ein nennenswert großes Territorium verfügte das byzantinische Reich nicht mehr, ja man kann sagen, dass territorial das Kaiserreich schon seit 1350 keine sonderliche Rolle mehr spielte.
Das Prestige war zumindest noch so groß, dass Andreas, ein Neffe von Konstantin XII., der Anspruch auf den Thron erhob und sich großspurig "Imperator Constantinopolitanus" nannte, damit in Europa hausieren gehen konnte. Er verkaufte seinen Anspruch auf den Thron für ein erkleckliches Sümmchen gleich mehrmals, nämlich zuerst an den französischen König Karl VIII. und dann an Ferdinand II. von Aragon und Isabella von Kastilien, wobei er aber von Letzteren anscheinend kein Geld erhielt. Schon davor hatte er Papst Sixtus IV. dazu gebracht, ihm Geld für eine Rückeroberung Moreas vorzuschießen, verjubelte es jedoch.

Die alte Pracht und damit das Prestige von Byzanz muß in seiner Hauptstadt Konstantinopel noch gut sichtbar gewesen sein. Die Größe eines eroberten Gebiets ist oft nicht so entscheidend. Wichtig für den Nachruhm, ist die Hauptstadt zu übernehmen und das tat Mehmet II.
Symbolisch war Konstantinopel weiterhin die Mutter aller Städte man muss nur schauen was die bulgarischen und serbischen Caren und Könige gemacht haben um Konstantinopel in die Finger zu kriegen.
Symbolisch war die Stadt auf jeden Fall noch wichtig. Nach dem Fall Konstantinopels engagierte sich Papst Pius II. für einen Kreuzzug zu seiner Befreiung. Gleich nach Amtsantritt forderte er die christlichen Fürsten Europas auf, nach Mantua zu einem Kongress zu kommen. Der Kongress fand 1459 wirklich statt, war aber ein totaler Flop, weil kaum Gesandte eintrafen. Dafür baten die Gesandten von Thomas, dem Despoten von Morea, umso eindringlicher um Hilfe. Anfang 1460 erließ Pius II. dann tatsächlich eine Kreuzzugsbulle, mit der er Kaiser Friedrich III. zum Führer ernannte. Der Aufruf verhallte jedoch ungehört, trotzdem gab Pius nicht auf und agitierte weiter. Schließlich beschloss er angesichts der Zurückhaltung der europäischen Mächte, sich selbst an die Spitze des Kreuzzugs zu stellen. 1463 fand in Rom ein neuer Kongress statt, doch auch diesmal konnte Pius nur von Burgund, Venedig und Ungarn prinzipielle Unterstützungszusagen erhalten. Er erließ eine neue Kreuzzugsbulle, starb aber bald. Aus dem Kreuzzug wurde nichts.
Faktisch war die Stadt im 15. Jhdt. jedoch schon ziemlich heruntergekommen.
 
Faktisch war die Stadt im 15. Jhdt. jedoch schon ziemlich heruntergekommen.

Sie erholte sich allerdings rasch und behielt ihre große politische und wirtschaftliche Bedeutung auch im Osmanischen Reich. Unter anderem kam es gleich nach der Eroberung zu planmäßigen Neuansiedlungen der teilweise verödeten Stadt durch die osmanische Regierung.
 
Symbolisch war die Stadt auf jeden Fall noch wichtig. Nach dem Fall Konstantinopels engagierte sich Papst Pius II. für einen Kreuzzug zu seiner Befreiung. Gleich nach Amtsantritt forderte er die christlichen Fürsten Europas auf, nach Mantua zu einem Kongress zu kommen. Der Kongress fand 1459 wirklich statt, war aber ein totaler Flop, weil kaum Gesandte eintrafen. Dafür baten die Gesandten von Thomas, dem Despoten von Morea, umso eindringlicher um Hilfe. Anfang 1460 erließ Pius II. dann tatsächlich eine Kreuzzugsbulle, mit der er Kaiser Friedrich III. zum Führer ernannte. Der Aufruf verhallte jedoch ungehört, trotzdem gab Pius nicht auf und agitierte weiter. Schließlich beschloss er angesichts der Zurückhaltung der europäischen Mächte, sich selbst an die Spitze des Kreuzzugs zu stellen. 1463 fand in Rom ein neuer Kongress statt, doch auch diesmal konnte Pius nur von Burgund, Venedig und Ungarn prinzipielle Unterstützungszusagen erhalten. Er erließ eine neue Kreuzzugsbulle, starb aber bald. Aus dem Kreuzzug wurde nichts.
Faktisch war die Stadt im 15. Jhdt. jedoch schon ziemlich heruntergekommen.
ja, niemand wollte sich ernstlich für das später so genannte Bollwerk gegen den Islam einsetzen.
symbolische Bedeutung scheint Konstantinopel für die lateinische Welt des 15. Jh. nicht mehr gehabt zu haben, jedenfalls nicht für die weltlichen Größen, wie du dargelegt hast.
für den Eroberer mag kurzzeitig der "eroberte Titel" Kaiser der Romäer eine Art Kostümierung dargestellt haben, eine Art selbst gegebenen Ehrentitels: denn faktisch war kein Kaiserreich, sondern nur eine schon verarmte ehemalige Großstadt erobert worden.

ob die symbolische Bedeutung vielleicht eher eine Bewertung der Nachwelt ist?
 
ja, niemand wollte sich ernstlich für das später so genannte Bollwerk gegen den Islam einsetzen.
symbolische Bedeutung scheint Konstantinopel für die lateinische Welt des 15. Jh. nicht mehr gehabt zu haben, jedenfalls nicht für die weltlichen Größen, wie du dargelegt hast.
Die Frage ist allerdings, ob sie nicht interessiert waren oder ob sie nicht konnten. In Frankreich war gerade erst der Hundertjährige Krieg zu Ende gegangen, in England brachen die Rosenkriege aus, Kaiser Friedrich III. hatte Probleme u. a. mit der eigenen Verwandtschaft und mit Matthias Corvinus ...
 
Die Frage ist allerdings, ob sie nicht interessiert waren oder ob sie nicht konnten. .

England und Frankreich befanden sich im 100jährigen Krieg und waren mit sich slbst beschäftigt. Das Heilige Römische Reich war ein statischer Koloss und eher auf Passivität eingestellt. In Spanien - Kastilien und Aragon - herrschten innenpolitische Probleme in bezug auf Juden und Moslems, die verfolgt wurden. Russland kämpfte mit der mongolischen Goldenen Horde, die ständig Raubzüge unternahm und Tribute forderte. Aufgestiegen war allerdings Oberitalien, dessen Stadtstaaten eine enorme wirtschaftliche Blüte erlebten.

Insofern konnte das eingekreiste Byzanz nicht auf tatkräftige Hilfe rechnen, zu der es dann ja auch nur sehr eingeschränkt kam. Die Schlacht bei Varna 1444 war ein Fiasko für das polnisch-ungarische Heer und die Venezianer und Genuesen sollen dem Sultan sogar noch bei der Überquerung des Bosporus geholfen haben.

Wirkliches Interesse am Fortbestand von Byzanz hatten nur die direkt von den Türken bedrohten Länder wie Ungarn, Bulgarien oder Serbien, die dann alle wie die Dominosteine fielen. Ansonsten waren Aufrufe des Papstes eher rhetorischer Natur.
 
Aragón war eigentlich in dieser Phase ausgesprochen expansiv. Allerdings nicht im Bereich Griechenland/Kleinasien, sondern vielmehr im Bereich des Königreichs Neapel.
 
Eine andere Frage ist ob die feudalen Staaten Europas 1453 überhaupt in der Lage gewesen wären eine Armee wie die osmanische aufzubauen.

Das osmanische System war da deutlich zentralistischer und effektiver als die Feudalstaaten Europas, wenn es darum ging Mittel und Männer für einen Krieg zu beschaffen.
 
@Dieter
teilweise haben wir ja ähnliche Ansichten und da, wo sie auseinander gehen, stehen wir nicht alleine.
Ich selbst habe die türkische Geschichte zunächst auch nur aus europäischen Quellen gekannt und erst später bin ich auch auf Quellen aus dem Balkan und aus der Türkei gekommen.
Leider muss man immer wieder feststellen, dass Quellen aus den betroffenen LÄndern, Völkern selbst meistens mit einem Hang zur Verschönerung hat und die Quellen, die früher die Leidtragenden waen, beschrieben mit einem Hang zur Verunglimpfung des früheren Feindes.
Das mag nur allzu menschlich sein aber macht eine seriöse Historiographie nicht leicht. Da kann man nur versuchen, sich durch die verschiedenen Quellen zu arbeiten und zu einer einigermaßen objektiven Beurteilung zu kommen.

So ist die Zeit der Eroberung Konstantinopels eine umstrittene. Die europäischen Länder kommen da nicht so gut weg, auch die christliche Gemeinschaft kommt da schlecht weg.
Seit der Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1212 gab es ein tiefes Misstrauen zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in Konstantinopel. Noch 1453, als Konstantinopel für die Christen verloren ging, haben die Katholische und die orthodoxe Kirche um die Bedingungen für eine Hilfe bei der Verteidigung Konstantinopels geschachert. Der Papst wollte quasi, dass die Orthodoxen ihren religiösen Irrtum anerkennen und in den Schoß der katholischen Kirche kommen. Die Orthodoxen aber wollten lieber besiegt werden, als ihren Glauben aufzugeben. So war Konstantinopel eigentlich schon verloren.

Fatih und seine Berater haben diesen Umstand sehr gut ausgenutzt und die Gelegenheit ergriffen.

Hierbei wird der Streit zwischen den europäischen Landern und dem Osmanischen Reich von der Geschichtsschreibung hüben wie drüben meistens auf die religiöse Mission beschränkt. Die Religion war aber für beide Seiten schon immer ein Instrument der Macht und der Beeinflussung des Volkes gewesen. Es wird von der westlichen Geschichtsschreibung meistens übersehen, dass auch die türkischen Sultane sehr wohl die Religion für ihre Zwecken eingespannt haben. Nicht viel anders als europäische Potentaten.
So darf man das Osmanische Reich so behandeln, als wäre es aus einer exotischen Region der Welt gekommen und hätte eigentlich nie zu Europa gehört und diese Ansicht hält bis heute an. Die Heuchelei mit der religiösen Defnition der Gemeinschaften hält noch an und betrifft alle Seiten.

Würde man jedoch die Handlungen aus der Perspektive von Macht, Einfluss und Wohlstand betrachten, würde man sehen, dass die Osmanen genau so wie die Europäer und nach den selben Prinzipien handelten und damit sich einreihen in die Liste von allen vergangenen Imperien. Alle wollten expandieren, plündern und Einfluss üben.
Würde man das trennende mal weglassen, würde man mehr Gemeinsamkeiten entdecken. Wenn man bedenkt, was die Römer gemacht haben, Karl der Große, die spanischen Inquistatoren, später die Briten und alle Möchtegerngroßmächte; wird man sehen, dass die Osmanen auch nicht anders waren.

Europäische Herrscher haben sich einen langen Titel zugelegt, je nach dem, was sie besassen oder behaupteten zu besitzen. Kaiser Soundso, König von Soundso, Herzog von hier und da usw. So hat auch Fatih seinen Titel Kayzer-i Rum völlig zu Recht getragen. Er hat sich keinen Titel angemasst, den er nicht erobert hat, ganz so wie die europäischen Herrscher.

Ich sehe mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Ich meine, 1453 hatten die Osmanen mehr mit dem oströmischen Reich gemeinsam als die Skandinavier mit den Byzantinern. Ich denke auch, man kann auch das damalige Frankreich kaum mit den Byzantinern vergleichen, von den Briten ganz zu schweigen. Über diese Unterschiede wird kaum nachgedacht, weil der Vergleich meistens nur auf die Religion reduziert wird.

Eroberer erobern nicht nur Land, sie erobern auch die Titel. So hat Fatih ganz nach der Tradition aller Eroberer gehandelt.

Gruß
 
Seit der Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1212
Genauer gesagt: 1204.

Noch 1453, als Konstantinopel für die Christen verloren ging, haben die Katholische und die orthodoxe Kirche um die Bedingungen für eine Hilfe bei der Verteidigung Konstantinopels geschachert. Der Papst wollte quasi, dass die Orthodoxen ihren religiösen Irrtum anerkennen und in den Schoß der katholischen Kirche kommen. Die Orthodoxen aber wollten lieber besiegt werden, als ihren Glauben aufzugeben.
Dennoch kam es zur Union, wenngleich ohne die erhofften praktischen Folgen. Kaiser Johannes VIII. setzte sich aktiv für ein gemeinsames Konzil ein und verständigte sich mit Papst Eugen IV. darauf. 1437-1439 tagte das Konzil in Ferrara und Florenz, und der Kaiser, sein Patriarch Joseph II. und etliche andere hohe Würdenträger des Ostens (auch aus Russland und den orientalischen Patriarchaten) nahmen persönlich daran teil. 1439 wurde schließlich die Wiedervereinigung der beiden Kirchen verkündet, stieß allerdings in Byzanz auf viel Opposition und bewirkte auch außenpolitisch eher eine Schwächung, indem diese "Wiedervereinigung" den Sultan provozierte und außerdem sich die orthodoxen Russen von Byzanz abwandten. Dennoch erreichte Kaiser Johannes VIII. sein Ziel, einen Kreuzzug zur Rettung Konstantinopels, grundsätzlich, denn 1440 proklamierte ihn Papst Eugen tatsächlich, nur endete er 1444 bei Warna in einer Niederlage, und in der Folge ging Sultan Murad am Balkan erst recht vehement vor. Aber noch im Dezember 1452 wurde unter Kaiser Koinstantin XII. die Wiedervereinigung beider Kirchen in Konstantinopel formell gefeiert.
Unterm Strich kann man sagen, es fehlte weder Kaiser Johannes VIII. noch Papst Eugen IV. am Willen zur Zusammenarbeit, bloß bei der konkreten Umsetzung haperte es. Der Kreuzzug brachte nicht den gewünschten Erfolg, sondern verschlimmerte die Lage sogar noch, und in der byzantinischen Gesellschaft und der Orthodoxie kam es zur Spaltung. König Alfons V. von Aragon und Neapel war zwar grundsätzlich einer Hilfe nicht abgeneigt, allerdings träumte er eher davon, auf diese Weise das Lateinische Kaiserreich wiederherstellen zu können, was nun wahrlich nicht im Interesse der Byzantiner war.

Europäische Herrscher haben sich einen langen Titel zugelegt, je nach dem, was sie besassen oder behaupteten zu besitzen. Kaiser Soundso, König von Soundso, Herzog von hier und da usw. So hat auch Fatih seinen Titel Kayzer-i Rum völlig zu Recht getragen. Er hat sich keinen Titel angemasst, den er nicht erobert hat, ganz so wie die europäischen Herrscher.
Allerdings kann man den Kaiser der Rhomaier nicht einfach mit dem König oder Herzog eines bestimmten Territoriums vergleichen. Das Kaisertum war nicht einfach der Besitztitel für ein bestimmtes Territorium, sodass der neue Inhaber sich einfach den Titel zulegen konnte, sondern hatte hohe ideelle Bedeutung. Der Kaisertitel beschränkte sich nicht einfach auf das 1453 noch verbliebene byzantinische Territorium um Konstantinopel und in Morea, sondern beinhaltete immer noch den Herrschaftsanspruch über das gesamte Imperium Romanum Christianum der Spätantike, zumindest in seinem östlichen Teil, so anachronistisch das mittlerweile auch war, sowie einen gewissen symbolischen Führungsanspruch in der orthodoxen Welt. Ein muslimischer Sultan konnte somit nicht so einfach diese Position übernehmen.
 
@Dieter

So ist die Zeit der Eroberung Konstantinopels eine umstrittene. Die europäischen Länder kommen da nicht so gut weg, auch die christliche Gemeinschaft kommt da schlecht weg.

Eine objektive historische Sichtweise orientiert sich an der Faktenlage. Dabei ist es unerheblich, wer "gut" oder "schlecht" wegkommt. Das Byzantinische Reich in seiner Endphase ist politisch und religionsgeschichtlich ziemlich gut erforscht.

Seit der Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1212 gab es ein tiefes Misstrauen zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in Konstantinopel.

Der Bruch zwischen orthodoxer und lateinischer Kirche erfolgte bereits im 11. Jh. Allerdings vertiefte sich der Bruch nach der Eroberung Konstantinopels durch christliche Kreuzfahrer im Jahr 1204.

Hierbei wird der Streit zwischen den europäischen Landern und dem Osmanischen Reich von der Geschichtsschreibung hüben wie drüben meistens auf die religiöse Mission beschränkt.

Das ist keineswegs der Fall. Die westlichen Historiker beschäftigen sich in ihren Publikationen sehr ausführlich mit der politischen und militärischen Geschichte des Osmanischen Reichs. Was bisher etwas vernachlässigt wurde - und zwar wegen der schlechten Quellenlage - ist die Wirtschaftsgeschichte.

So darf man das Osmanische Reich so behandeln, als wäre es aus einer exotischen Region der Welt gekommen und hätte eigentlich nie zu Europa gehört und diese Ansicht hält bis heute an. Die Heuchelei mit der religiösen Defnition der Gemeinschaften hält noch an und betrifft alle Seiten.

Das Osmanische Reich verbreitete sich über drei Erdteile und ist damit eine sowohl multikontinentale als auch multiethnische Großmacht gewesen.

Würde man jedoch die Handlungen aus der Perspektive von Macht, Einfluss und Wohlstand betrachten, würde man sehen, dass die Osmanen genau so wie die Europäer und nach den selben Prinzipien handelten und damit sich einreihen in die Liste von allen vergangenen Imperien. Alle wollten expandieren, plündern und Einfluss üben.

Das ist allerdings eine Binsenweisheit. Alle Staaten handeln außenpolitisch nach dem Aspekt der Nützlichkeit, seien es Europäer, Osmanen oder Chinesen.

Europäische Herrscher haben sich einen langen Titel zugelegt, je nach dem, was sie besassen oder behaupteten zu besitzen. Kaiser Soundso, König von Soundso, Herzog von hier und da usw. So hat auch Fatih seinen Titel Kayzer-i Rum völlig zu Recht getragen. Er hat sich keinen Titel angemasst, den er nicht erobert hat, ganz so wie die europäischen Herrscher.

Allerdings hat sich kein spanischer König jemals Sultan oder gar Kalif genannt, obwohl die christlichen Königreiche das omajjadische Kalifat Cordoba eroberten - das wäre keinem christlichen König in den Sinn gekommen. Insofern ist es absurd, wenn ein muslimischer Sultan sich "Kaiser der Römer" nennt, besonders wenn man bedenkt, welche Inhalte mit dem Begriff "Kaiser" verbunden waren.

Ich sehe mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.

Welche gebrochenen Kontinuitäten und Traditionslinien es gibt, habe ich weiter vorn schon im einzelnen beschrieben. Und deren Anzahl war beträchtlich.

Ich meine, 1453 hatten die Osmanen mehr mit dem oströmischen Reich gemeinsam als die Skandinavier mit den Byzantinern.

Das ist eine kühne Behauptung. Möglicherweise hatten die orthodoxen Byzantiner weder mit den katholischen Skandinaviern noch den muslimischen Osmanen sehr viel gemeinsam.

Ich denke auch, man kann auch das damalige Frankreich kaum mit den Byzantinern vergleichen, von den Briten ganz zu schweigen.

Natürlich sind Staaten unterschiedlich. Auch das muslimische Persien war seinerzeit nicht mit dem Osmanischen Reich vergleichbar (und ist es heute noch weniger).

Über diese Unterschiede wird kaum nachgedacht, weil der Vergleich meistens nur auf die Religion reduziert wird.

Für die Menschen des Mittelalters war die Religion ein zentraler Aspekt ihres Lebens, was sowohl für Christen als auch Muslime gilt. Insofern muss man den Aspekt der Religion berücksichtigen, vor allem dann, wenn wie bei den Kreuzzügen oder der spanischen Reconquista Glaubensinhalte im Zentrum stehen. Dass solche Auseinandersetzungen meist von Machtinteressen überstrahlt werden, zeigt die Geschichte sehr deutlich.
 
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