Flussnamen

Sepiola

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Angeregt durch eine Diskussion über tradierte romanische Namen in Bayern habe ich mir mal aus der Wikipedia-Liste die längsten Flüsse herausgesucht, die durch Ober- und Niederbayern fließen, und zur Namensherkunft vorzugsweise bei Albrecht Greule, Deutsches Gewässernamenbuch (Berlin/Boston 2014) nachgeschaut.*

Donau: vorrömisch/vorkeltisch, häufig von antiken Autoren erwähnt als Danubius oder Danuvius, z. B. Tacitus ("Rheno et Danuvio fluminibus")

Isar: vorrömisch (indogermanisch); indirekt im Itinerarium Antonini belegt: Iovisura (wohl aus "Iovis Isura")

Inn: vorrömisch/vorkeltisch; sehr häufig von antiken Autoren erwähnt als Enus (oder Aenus), z. B. Tacitus ("ripam Aeni fluminis quod Raetos Noricosque interfluit"), im Itinerarium Antonini: Ponte Aeni, auf den Peutingertafeln: Ad Enum

Amper: vorrömisch, wahrscheinlich keltisch. Indirekter Beleg im Itinerarium Antonini: Ambrae

Lech: vorrömisch, wahrscheinlich vorkeltisch (indogermanisch); bei Ptolemaios als Likias (oder Likios)

Paar: vorrömisch, vielleicht keltisch

Rott: deutsch (sehr häufiger Flussname)

Loisach: deutsch

(Große) Laber: vorrömisch, wahrscheinlich keltisch

Vils (zur Naab): wahrscheinlich germanisch

Ilm: wahrscheinlich germanisch

Vils (zur Donau): wahrscheinlich germanisch

Isen: vorrömisch (indogermanisch)

Abens: vorrömisch, wahrscheinlich keltisch

Friedberger Ach: deutsch

Alz: vorrömisch, wahrscheinlich keltisch

Langenmühlbach: deutsch

Salzach: deutsch (in römischer Zeit war der Name Ivavus)

Mangfall: deutsch

Pfreimd: germanisch

Glonn: wahrscheinlich keltisch (Die Form glana existierte sowohl im Keltischen wie auch im Germanischen)


Man sieht daraus, wie langlebig insbesondere die Namen der größeren Flüsse sind.
Die Römer, die doch einige Jahrhunderte da waren, haben keinerlei lateinische Namen hinterlassen.

* Ergänzend auch bei Harald Bichlmaier
Bichlmeier BONF 46
https://ul.qucosa.de/api/qucosa:12445/attachment/ATT-0/
(Mitunter differieren die Ansichten, was eher als "keltisch" oder als "vorkeltisch" einzustufen ist.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier noch eine Liste der zehn längsten Flüsse in den USA.
Zur Herkunft habe ich nicht wirklich recherchiert, die indianischen Sprachfamilien sind aus Wiki-Artikeln:

1 Missouri: Sioux

2 Mississippi: Algonkin

3 Yukon: Athabaskisch

4 Rio Grande: Spanisch (Lehnübersetzung indianischer Namen)

5 Colorado: Spanisch

6 Arkansas: Sioux

7 Columbia River: englisch (geht zurück auf eine Umbildung des italienischen Namens Cristoforo Colombo )

8 Red River: englisch

9 Snake River: englisch

10 Ohio: Irokesisch
 
Diese sprachwissenschaftlichen Diskussionen sind für mich immer ein Buch mit sieben Siegeln. Aber wenn ich das recht verstanden habe, ging es ja darum, aus den Flussnamen auf die Bevölkerungsgruppen Rückschlüsse zu ziehen.

Müssten lange Flüsse nicht ursprünglich mehrere Namen gehabt haben, da sie Gebiete durchqueren, die voneinander unabhängige Sprachen haben?
 
Mehrfache Namen gibt es ja nun häufig.
Alleine in Hessen all diese Flüsse namens Wetter/Wettschaft/Wohra/Werra usw, was im Prinzip alles das gleiche ist.
 
Mir fallen noch gegenteilige Beispiele ein, in denen sich zwei Flüsse, bzw. Bäche einen Namen teilen: Die Elbe und die Ems existieren als Zuflüsse zur Nordsee und als Nebenflüsse zur Eder.
Die gibt es haufenweise. Schon in der obigen Aufstellung aus Bayern haben wir genügend Beispiele:

Paar: vorrömisch, vielleicht keltisch
Parallel dazu gibt es einen gleichnamigen Bach, auch "Kleine Paar" genannt.

Rott: deutsch (sehr häufiger Flussname)
Oft auch "Rot" geschrieben

(Große) Laber: vorrömisch, wahrscheinlich keltisch
Heißt "Große", um sie von den anderen La(a)bern zu unterscheiden.

Vils (zur Naab): wahrscheinlich germanisch
[...]
Vils (zur Donau): wahrscheinlich germanisch
...

Ilm: wahrscheinlich germanisch
Gibt es auch als Nebenfluss zur Saale.

Friedberger Ach: deutsch
A(a)ch gibt es wie Sand am Meer...
 
Und die Donau ist auch nicht der einzige Fluss, der zeitgleich mehrere Namen hat(te).

Auch Namensänderungen kommen nicht plötzlich, sondern brauchen ihre Zeit - wieder ein Beispiel aus obiger Liste:
Salzach: deutsch (in römischer Zeit war der Name Ivavus)

Auf die Zeit um 798/800 geht eine Notiz zurück, wo es heißt: "ad fluvium Iuvarum, qui alio nomine dicitur Salzaha" - "beim Fluss Iuvarus, der mit anderem Namen Salzach genannt wird". Damals waren zeitgleich die alte romanische (ursprünglich wohl keltische) Bezeichnung und die moderne althochdeutsche Bezeichnung in Gebrauch.
Die Umbenennung betraf auch die Stadt Iuvavum, heute Salzburg genannt.
 
Hast du Beispiele dafür?
Mir fallen noch gegenteilige Beispiele ein, in denen sich zwei Flüsse, bzw. Bäche einen Namen teilen: Die Elbe und die Ems existieren als Zuflüsse zur Nordsee und als Nebenflüsse zur Eder.
Eigentlich hatte ich an Flüsse in Europa gedacht, aber mir fällt im Augenblick nur ein amerikanischer Fluss ein. Am La Raya-Pass in Perú entspringt der Vilcanota in der Steppe des Altiplano peruano. Der Vilcanota fließt in Richtung Norden durch das Heilige Tal (Valle Sagrado de los Incas), wo er beim Passieren der Stadt Urubamba schlagartig seinen Namen von Vilcanota in Urubamba ändert. Bei Ollantaytambo wird das Tal schmaler und fruchtbares Bauernland wird von Hoch- oder Nebelwald abgelöst, der Urubamba schlägt um Machu Picchu eine Schleife von annähernd 180° und fließt mit dem Tambo zusammen, ab hier trägt er den Namen Ucuyali, gemeinsam mit dem Marañon bildet der Ucuyali irgendwann den Amazonas und hier mündet das Schmelzwasser vom La Raya-Pass in den Atlantik.... So gesehen hätte der Fluss vier Namen, aber wenn wir ab dem Zusammenfluss mit dem Tambo nicht mehr gelten lassen, dass es sich immer noch um den Vilcanota/Urubamba handelt, zumindest der plötzliche Namenswechsel bei Urubamba wirkt ziemich unmotiviert. Vilcanota wird aus dem Aymara erklärt, wohingegen Urubamba aus dem Quechua kommt, aber eigentlich ist bis Puno die ganze Region quechuasprachig, Puno ist bi - bzw. trilingual, wenn man das Spanische mit einbezieht. Zudem hat der Vilcanota noch einen weiteren Namen: Wilkamayo.

Also: Vilcanota = Urubamba = Wilkamayo (= Ucuyali = Amazonas).
 
Unabhängig von den Lokalisierungfragen von Mattium finde ich es besonders interessant, dass über die sprachliche Entwicklung von Flußnamen auch Annahmen über die Sprachen (germanisch bzw. keltisch) getroffen werden können. Das wäre jetzt für Gebiete interessant, die nachweislich noch in den ersten Jahrhunderten vor der Zeitenwende keltisch waren und dann erst germanisiert worden sind.

Inzwischen gibt es zu diesem Thema auch ein Buch, das hatte ich allerdings noch nicht in den Händen:

Harald Bichlmeier und Stefan Zimmer, Die keltischen Flussnamen im deutschsprachigen Raum - ein keltologisch-indogermanistischer Kommentar zum Deutschen Gewässernamenbuch, Dettelbach 2022

So, jetzt habe ich das Buch in Händen. Geschrieben ist es eher für Fachleute oder zumindest sprachwissenschaftlich vorgebildete Laien. Es gibt auch einen (leider etwas mühsam lesbaren) Kartenanhang "Keltische Gewässernamen im deutschen Sprachraum", in dem zwischen "keltisch sicheren" und "keltisch möglichen"Gewässern unterschieden wird; letztere sind gestrichelt eingezeichnet, bei kurzen und/oder mäandrierenden Fließgewässern muss man schon genau hinsehen, was gemeint ist. Hier ein Ausschnitt aus Karte 1:


1721074448069.png


Dummerweise widersprechen sich Karten und Textteil immer wieder. Die Ohm ist auf diesem Kartenabschnitt beispielsweise als "keltisch sicher" gekennzeichnet, im Textteil ist dagegen zu lesen: "Die keltische Herkunft der Namen ist (etymologisch und geographisch) durchweg möglich, aber nicht zu beweisen, da es sich nur um Wurzeletymologien handelt und zudem Parallelen aus anderen sicher keltisch besiedelten Gebieten zu fehlen scheinen."

Zum Gewässernamen *gasto- (Gasteiner Ache, Gersprenz) heißt es im Text: "Gastein könnte u. U. keltischer Herkunft sein; Gersprenz bleibt ganz ungeklärt." Auf der Karte 4 ist nun die Gasteiner Ache in der Tat gestrichelt, also "keltisch unsicher", die Gersprenz (Karte 4) dagegen unverständlicherweise als "sicher keltisch" gekennzeichnet.



Dann müßten dortige Gewässernamen germanisierte, keltische Namen sein.

Dazu ein Beispiel:
"Der Flussname Tauber [...] trägt klar den weitverbreitet fortgesetzten Flussnamen urkelt. *Dubrā, ein Femininum zu urkelt. *dubro- 'Wasser', vgl. air. dobur, kymr. dwfr usw." (S. 96)
Die Cosmographia des Geographen von Ravenna hat noch die Namenform Dubra, die frühen deutschen Zeugnisse (1016 in tuberam fluuium, 1103 [Kop. 16. Jh.] Tubara) zeigen die Folgen der althochdeutschen Lautverschiebung.




Gegenüber dem Deutschen Gewässernamenbuch (Albrecht Greule) sind die Autoren deutlich kritischer mit keltischen Zuschreibungen. Greule diskutiert zu 360 Gewässernamen keltische Etymologien, von diesen werden von Bichlmeier/Zimmer

"152 als sicher bzw. wahrscheinlich keltisch und​
109 als möglicherweise keltisch anerkannt, während​
99 als wahrscheinlich oder sicher nicht keltisch gelten müssen."​
 
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