Devin Cant
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Es wäre reichlich weltfremd, für eine "echte" Entspannung in der Praxis der Verträge die Aufgabe anderweitiger, im Kern durch die globale Machtpolitik begründete Absprachen zu verlangen. Das wäre auch keine "Entspannung" mehr, sondern Seitenwechsel.
Dennoch war ein Ziel der deutschen Außenpolitik, die Bindung Großbritanniens an Frankreich/Russland zu lösen, indem man ihm u.a. in der Flottenfrage entgegen kam. Eine verbindliche Neutralitätsbekundung für einen Kriegsfall wollten die Briten allerdings nicht abgeben. Diese Haltung war verständlich, zumal Einigungen mit dem Reich erzielt werden konnten, ohne in dieser Frage nachgeben zu müssen.
Die britische "Kriegspartei" setzte zunächst einmal und als notwendige Vorbedingung den deutschen "Kriegserklärer" und Neutralitätsverletzer voraus. Leider war man in GB bis in die letzte Vorkriegszeit-Krisenwoche hinein politisch zu schwach, und damit ist vermutlich diese "Kriegspartei" gemeint, a) dem Deutschen Reich eine unmissverständliche Kriegswarnung zwecks Abschreckung zukommen zu lassen, noch b) intern direkt oder über den abhängigen Verbündeten FRA Entsprechendes an Russland.
Das britische Kabinett hat in der Julikrise lange um eine Entscheidung gerungen. Den Ausschlag hat letzten Endes der deutsche Einmarsch, übrigens ein glatter Bruch des Völkerrechts, gegeben. Sicher wäre es sehr hilfreich gewesen, wenn sich Großbritannien früher unmissverständlich erklärt hätte.
War es nicht so, dass der britische Außenminister Frankreich schon vor der deutschen Kriegserklärung zugesichert hatte, GB würde auf jeden Fall auf Seiten der Entente in den Krieg eintreten? Und ich meine, Churchill hatte auch bereits die Flotte eigenmächtig mobil gemacht, da man im Kabinett zu keiner Einigung kam. Einige entscheidende Personen der Regierung waren also zum Krieg entschlossen, mussten aber erst auf eine Begründung wie den Einmarsch in Belgien warten, bevor das Parlament zustimmen konnte.
Habe leider gerade keine Quelle zur Hand, also korrigiert mich bitte, wenn ich in einem der Punkte falsch liege.
Zudem hatte das Deutsche Reich eine Garantie für Belgiens Grenzen angeboten für den Fall, dass GB sich neutral erklären würde. Wie du sagtest, waren die britischen Zusagen an Frankreich relativ unverbindlich. Mit einer Zustimmung zu diesem deutschen Vorschlag hätte man sich also frühzeitig zu Ungunsten Frankreichs festlegen müssen. Hätte man dem Reich im Vorfeld eine deutliche Kriegswarnung zukommen lassen, hätte man andererseits im Falle eines Kriegsausbruches, unabhängig von der Beteiligung Belgiens, auf Seiten Frankreichs kämpfen müssen.
Wenn du auf die Marinekonvention zwischen Russland und Großbritannien anspielst, ist darauf hinzuweisen, das Großbritannien der Getriebene und ganz gewiss nicht der Initiator war. Nur:Großbritannien war in Fernost auf Russland angewiesen und konnte es sich nicht so ohne weiteres leisten, die Russen zu brüskieren.
Genau auf die spielte ich an. Aber wieso war GB in Fernost auf Russland angewiesen? Hatte man nicht erst zehn Jahre zuvor Japan maßgeblich bei der Eingrenzung des russischen Einflusses in jener Region unterstützt?
Das Großbritannien aber nicht bereit war, seine Partner in Stich zu lassen, das wußten die Deutschen; spätestens und endgültig seit dem Scheitern der Mission Handanes. Der britische Außenminister hatte sein Interesse an guten Beziehungen zum Deutschen Reich, aufgrund seiner veränderten Haltung, verdeutlicht. Das bedeutete aber noch lange nicht, das er dafür bereit war, seine Partner und Quasiverbündeten im Stich zu lassen. Das wäre aus britischer Sicht auch nicht gerade klug gewesen.
Wie kann man dann von einer echten Entspannung sprechen, wenn man schon davon ausgehen konnte, dass GB definitiv auf Seiten der Entente kämpfen würde? Eine Verbesserung der Beziehungen mit deutschen Zugeständnissen wäre in diesem Fall doch unnötig gewesen.