François Spirlet und Hajo Meyer - Ein Vergleich

Martas

Aktives Mitglied
Meine Schule ist bemüht direkte Kontakte zwischen Opfern des Nationalsozialismus und Schülern herzustellen. Der engagierten Arbeit einiger Lehrkräfte ist es zu verdanken, dass innerhalb der letzten zwei Jahre zwei ehemalige KZ-Insassen zu Vorträgen und Diskussionen in die Schule kamen.

Ich will hier über diese zwei ehemaligen KZ-Häftlinge berichten, die ich in der Aula meiner Schule erleben durfte.

Auf der einen Seite Hajo Meyer. Er besuchte die Schule vor ungefähr einem Jahr und wollte bzw. sollte über seine Erfahrungen aus der Verfolgung berichten.
Meyer ist Jude und wurde nach Ausschwitz deportiert.
Wir alle erwarteten einen Vortrag, auch wenn dieses Wort negativ angehaucht scheinen mag, über Erlebnisse aus dem KZ, Berichte über die Verfolgung und eine anschließende Diskussion mit uns Schülern. Was kam, war eine politische Lehrstunde in Sachen Umgang mit Israel und Palästina.
Hajo Meyer schnitt sein eigenes Leben nur kurz an, wichtige Informationen zu seinem Leben erfragten wir später selbst. Er umriss "das Schrecken" von Auschwitz, Verfolgung und Elend unvollständig und beharrte auf seiner Lehre, die er aus seinem Leben gelernt habe:

"Nie so zu werden wie die Täter"

Dieser Satz hing leider nach erstmaliger Nennung die ganze Zeit im Raum und anscheinend krampfhaft versuchte Hajo Meyer die Schüler von seiner daraus resultierenden Weltanschauung zu überzeugen:
Das Augenmerk der Welt solle Israel gelten, das er ganz offen mit dem Dritten Reich verglich. Schüler und Lehrer waren bei dieser Aussage erstaunt bis geschockt und wir begannen zu verstehen, dass die ideologischen Lehren Meyers im Vordergrund dieses Treffens stehen sollten.
Natürlich drängten wir ihn durch Fragen dazu, uns mehr von Auschwitz zu erzählen, doch Fragen zu Empfindungen, Gefühlen und Erlebnissen kommentierte er leider nur mit einem lauten Lachen und gab uns zu verstehen, dass wir das soweiso nicht verstehen würden und er uns das aus seiner Sicht so auch nicht sagen könne.

Ich muss zugeben, dass die Veranstaltung durch Hajo Meyers sich wiederholende politische Ausführungen langweilig wurde und man teilweise auch betreten und deplatziert auf das Ende wartete. Als es dann klingelte, wurde der Vortrag abgebrochen und die Begleitung Meyers (neben seiner Frau) stand auf, um sein Buch zum Verkauf anzubieten: "Das Ende des Judentums".
Nach dem Vortrag über die neuen Denkrichtungen des Buches aus dem Melzer Verlag, der wiederum den Anschein einer Verkaufsveranstaltung mit Prämien hatte, löste sich die Versammlung ungewöhnlich schnell auf.

Hierzu der Artikel aus der Ostfriesenzeitung:

Von Petra Herterich
Hajo Meyer geht mit Israel hart ins Gericht / Auschwitz überlebt

Deutschland sei mit seinem schlechten Gewissen viel zu leicht zu erpressen, kritisiert der 81-Jährige im Gespräch mit der OZ. Er diskutierte in Leer mit Oberstufenschülern.

Leer - Hajo Meyer ist ein streitbarer Jude. Einer, der nicht mit Kritik an seinen Glaubensbrüdern in Israel spart. Einer, der sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt. Einer, der jetzt in Leer war und mit Oberstufenschülern der beiden Gymnasien diskutierte : und stritt. Und am Ende beeindruckt war: "Die haben viele kluge Fragen gestellt."

Der 81-Jährige, der jetzt in den Niederlanden lebt, hat Auschwitz überlebt und daraus "seine Lektion" gelernt, wie er sagt: "Nie so werden wie die, die uns das angetan haben." Und genau das ist es, was er den Juden in Israel vorwirft: "Ich weiß, wie es ist, ausgegrenzt zu werden. Bei mir kocht das Blut, wenn ich sehe, wie Leute meines Glaubens das anderen antun."

Vor drei Monaten war er in Palästina, zusammen mit einer europäischen Delegation, der auch Ex-Minister Norbert Blüm und Rupert Neudeck, Gründer von "Kap Anamur", angehörten. "Die westlichen Völker müssen Israel an die Kandare nehmen. Der Staat ist primitiv, militaristisch und korrupt", schimpft Meyer. "Und er hält sich nicht an die Genfer Konventionen." Leider sei gerade Deutschland "erpressbar, mit seinem ewigen schlechten Gewissen", bedauert der 81-Jährige und findet: "Es wurde genug entschädigt." Kein Wunder, dass Meyer in Israel kein gern gesehener Gast ist, sein Buch "Das Ende des Judentums : Der Verfall der israelischen Gesellschaft" dort nicht verlegt wird.

Dabei empfindet er "eine wirkliche Liebe zu beiden Völkern, Israelis und Palästinensern". Meyer ist Mitglied der Bewegung "eine andere jüdische Stimme", die sich kritisch mit dem Zionismus und seinen Folgen auseinander setzt. "Man darf den Zionismus kritisieren : man muss. Das hat nichts mit Antisemitismus zu tun", ist Meyer sicher.

Das hat er auch den Schülern erzählt. Und von seiner Zeit in Auschwitz. Zehn Monate war er in dem Konzentrationslager. "Länger hätte ich auch nicht überlebt." Seinen 20. Geburtstag hat er "dort gefeiert, wenn man das sagen kann". Er erinnert sich, dass es in all dem Grauen immer noch Menschlichkeit gab. "Ein SS-Mann hat mich zu sich gerufen. Ich dachte, der bringt mich um. Aber er schenkte mir einen ganzen Stapel belegte Brote : leckere SS-Butterbrote, dick mit Wurst belegt."

Hajo Meyer und seine zwei Brüder haben überlebt. Die Eltern nicht: Der Vater starb in Theresienstadt, die Mutter beging Selbstmord.

Ostfriesen-Zeitung, 13.12.05

Der Beitrag der Schule.


Auf der anderen Seite François Spirlet.
Spirlet war Mitglied der belgischen Résistance und wurde 1943 gefangen genommen und inhaftiert.

Hier ein kurzer Lebenslauf.

Zu Anfang kam eine herzliche Begrüßung. Da der Vortrag auf französisch gehalten wurde, haben zwei Französischlehrerinnen als Übersetzer für die Lateinlernenden gearbeitet.
Der Begrüßung folgte ein kurzer Überblick, über das, was uns erwarten würde. François Spirlet plante einen kurzen Lebenslauf ein, Berichte aus den Lagern und seinen Erlebnissen und anschließend ein offenes Diskutieren mit uns.
Dieser Plan wurde auch eingehalten.

M.Spirlet hatte eine sehr ergreifende Art und schaffte es, uns in seinen Bann zu ziehen. Trotz seines hohen Alters war es laut und deutlich und sprach uns als Personen direkt an.
Besonders ergreifend waren seine Gefühle Deutschland bzw. den Deutschen gegenüber, die er uns zu schildern versuchte. So schaffte er es erst vor ungefähr 16 Jahren wieder nach Deutschland zu kommen um mit Schülern zu reden, und dabei zu erkennen, dass die Deutschen von heute ganz anders sind, als er erwartet hatte und er auch keine Unterschiede zwischen uns und den französischen Jugendlichen festestellen konnte.
Er wollte und schaffte es auch, mit uns auf einer Ebene der Verständigung zu sein.

Seinen Beitrag füllte er auch mit Filmen und Photos aus den Lagern, die einigen "Unerfahrenen" Magenprobleme bereiteten.
Er erzählte uns sein Lagerleben, berichtete über seine Gefühle, seine Beziehung zu seiner Freundin und den anderen Lagerinsassen und die Kraft, die ihm das gab.
Durch eigene Beispiele schaffte er es, das Wesen des Lagers zu vermitteln. So blieb vor allem eine Geschichte in Erinnerung, in der er erzählte, wie die Gefangen jeden Morgen in einer Reihe zum Appell antreten mussten um auf das Essen zu warten. Meist dauerte es Stunden bevor das Essen für die Gefangenen kam, davor begab sich aber immer ein grausames "Ritual":
Aus der Küche wurde ein Topf mit Kartoffeln und Fleisch nach draußen an den Gefangenen vorbeigetragen, um am Ende der Reihe an die Hunde verfüttert zu werden. Jedesmal erlebten die Insassen schrecklichen Hunger und das riesige Verlangen sich auf den Topf zu stürzen.

Eindringlich warnte uns M.Spirlet vor Faschismus und Rassismus, denn dies sei keine "deutsche Spezialität" (Er kann etwas deutsch sprechen, versteht beinahe alles).
Er nahm sich viel Zeit zur Beantwortung unserer Fragen und versuchte alles zur Zufriedenheit zu beantworten. Man merkte, dass wir als Lernende ihm wichtig waren und sein Anliegen aus tiefster Seele kam.


Mein Beitrag ist nicht objektiv. Es steht jedem frei sich ein eigenes Urteil zu bilden, denn dieser Beitrag soll nur meine Sicht der Dinge wiedergeben.

Hier der Beitrag der Schule.
 
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