Freizeitverhalten von Fabrikarbeitern anhand von Autobiographien

Wastelll

Neues Mitglied
Hi,
ich studiere Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg und beschäftige mich im Rahmen einer Seminararbeit mit dem Freizeitverhalten von Fabrikarbeitern in der Industrialisierung anhand von Arbeitermemoiren / -biographien (Quellenanalyse).
Leider ist die tatsächliche Quellendichte in der Universitätsbibliothek und den Fernleihmöglichkeiten verhältnismäßig gering.

Also meine Frage: Hat sich hier jemand mal mit einem ähnlichen Thema auseinandergesetzt? Das Problem ist, dass ich keine Primärliteratur / Quellen finde sondern bestenfalls Sekundärliteratur.

Falls Jemand eine Idee / Anregung / Hinweis oder einen kleinen Hint hat, wäre ich sehr dankbar!
 
· „Arbeiterwohnen im 19. Jahrhundert“ (PDF Datei)?
Humboldt Universität zu Berlin Fürstenwalde, im August 1998
Philosophische Fakultät III
Institut für Sozialwissenschaften
SS 1997
PS Wohnen wie gewohnt
Dozentin: Dr. Ingeborg Beer

· „Leben nach der Arbeit“, Herausgeber Hermann Giesecke ?

· „Arbeiterhaushalt im 18. Und 19. Jahrhundert“, Herausgeber Lothar Schneider
Bei allen 3 Hinweisen findet man auch weiterführende Literatur.

Wenn es hilft, dann bitte den jeweiligen Titel bei google eingeben.

Anschauliche Bilder dazu findet man auch z.B. bei H. Zille.
 
Es finden sich für die Zeit um 1900 einige Arbeiterbiographien, zB hier:
https://archive.org/details/denkwrdigkeiten01fiscgoog
https://archive.org/details/auseinemarbeite00fiscgoog
Bromme 1905:
https://books.google.de/books?id=KE...ved=0ahUKEwjknKCPq-rLAhXHExoKHalPAAsQ6AEILDAB

von Bebel:
https://archive.org/details/ausmeinemleben00bebegoog

Die Frage ist, wieviel Zeit zur Verfügung steht. Man kann zB auch daran denken, evt. Vereinsarchive aufzusuchen wegen Mitgliederlisten, Jahresberichten etc.
 
Danke für die schnellen Antworten!

Lieber Raf
Es findet sich insgesamt sehr viel zu der Wohnsituation oder der familiären Situation von Industriearbeitern; jedoch nicht wirklich die aktive Freizeitgestaltung/Feierabendgestaltung, also beispielsweise das Wirtshaus.

Leben nach der Arbeit ist eine wunderbare Sekundärliteratur, die ich mir auf jeden Fall näher ansehen werde, jedoch leider keine Primärliteratur, die sich für eine Quellenanalyse anbietet.

Auch „Arbeiterhaushalt im 18. Und 19. Jahrhundert“ hört sich vielversprechend an und ich hoffe, dass sich darin in den Verweisen einige Quellen auftun :)

Liebe silesia,
auf die „Denkwürdigkeiten und Erinnerungen eines Arbeiters“ von Carl Fischer bin ich bereits gestoßen. Sein recht kurzes Kapitel „Sonntagsbeschäftigungen“ beschäftigt sich leider ausschließlich mit Angeln (und dem damit verbundenen Spazieren).
Bei Brommel und Bebel habe ich leider bisweilen kein Inhaltsverzeichnis gefunden und werde die beiden folglich „manuell“ durchforsten müssen - hoffentlich tut sich da was auf.
Die Zeit ist leider arg begrenzt - bestenfalls 2 Wochen :/

Vielen Dank Euch beiden für die schnellen und sehr hilfreichen Antworten!!!
 
Sein recht kurzes Kapitel „Sonntagsbeschäftigungen“ beschäftigt sich leider ausschließlich mit Angeln (und dem damit verbundenen Spazieren).

Lies es vielleicht nochmal (ca. S. 68 oder so) da wird auch auf die abendliche Beschäftigung eingegangen und das Wirtshaus und das Kartenspiel spielt eine Rolle, neben dem Biertrinken.

Manchmal abends / Nachmittags auch die "Hausmusik" auf der Gitarre und das Singen für die Kinder.

Die Darstellung ist insgesamt m.E. "ungewöhnlich", wenn man sich die sozialen Verhältnisse in den industriellen Zentren ansieht. Die Darstellung wirkt auf mich so "idyllisch".

In den industriellen Zentren dagegen wurde innerhalb kurzer Zeit eine große Masse an "Fabrikarbeitern" "kaserniert". Unter teilweise schlechten Verhältnissen mit sehr gravierend negativen Auswirkungen für die Hygiene und Gesundheit.

https://de.wikipedia.org/wiki/Choleraepidemie_von_1892

In der Darstellung findet sich wenig über diese "soziale Frage" und die katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schau auch auf Vereine. Z.b. die Naturfreunde oder die Arbeitersportinternationale.

Da gibt es tatsächlich jede Menge. Der Wiki-Eintrag "Arbeitersport" allein ist ein Füllhorn an Links:

Arbeiter-Radfahrer, Arbeiter-Angler, Arbeiter-Wanderer, Arbeiter-Kegler, A-Skatler, A-Schachspieler, Arbeiter-Schützen und sogar Arbeiter-Segler.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für die schnellen Antworten!

Leben nach der Arbeit ist eine wunderbare Sekundärliteratur, die ich mir auf jeden Fall näher ansehen werde, jedoch leider keine Primärliteratur, die sich für eine Quellenanalyse anbietet.


Lieber Wastelll,

Deine Fragestellung ist aus meiner Sicht unhistorisch. Fabrikarbeiter in der Epoche der Industrialisierung hatten mangels Sozialgesetzgebung so lange Arbeitszeiten, dass für Mußestunden oder gar das Abfassen von Autobiographien idR keine Zeit blieb. Wenn sie doch einmal "freie Zeit" hatten, so wurde diese damit verbracht, sich um die Familie oder um weitere Nahrungsbeschaffung zu kümmern.

Ich denke, dass Dir dieses schlechte Thema von einem Dozenten vorgegeben wurde, weswegen Du nun ein Quellenproblem hast. So ist das meistens in der Geschichte bei induktivem Vorgehen. Ich sehe an der Fragestellung, dass jedenfalls der Themensteller keine tiefe historische Kenntnis und erst recht keine Kenntnis über die Lage der Arbeiterklasse in jener Periode haben dürfte.

Mein Rat an Dich: Melde Dich bei Deinem Dozenten und wechsle das Thema mit der o.g. Begründung -- selbstverständlich möglichst diplomatisch formuliert.

Viele Grüße
Peterchen
 
Industrialisierung

Hallo

Fabrikarbeiter in der Epoche der Industrialisierung hatten mangels Sozialgesetzgebung so lange Arbeitszeiten,

Ist so nicht ganz richtig. In England, also vdem iktorianischen England, wurde z.B. die Tagesarbeitszeit begrenzt, sowie die Wochenarbeitstage. Auch wurde Urlaub gewährt. Ein interessanter Aspekt in England, war die Gründung und von rund 200000 !!! Fußballclubs in der 2.H.des 19.Jh. Freizeit war also vorhanden und wurde, zumindest in England auch genutzt.

mfg
schwedenmann
 
Hallo



Ist so nicht ganz richtig. In England, also vdem iktorianischen England, wurde z.B. die Tagesarbeitszeit begrenzt, sowie die Wochenarbeitstage. Auch wurde Urlaub gewährt. Ein interessanter Aspekt in England, war die Gründung und von rund 200000 !!! Fußballclubs in der 2.H.des 19.Jh. Freizeit war also vorhanden und wurde, zumindest in England auch genutzt.

mfg
schwedenmann

Hallo Schwede,
die Industrialisierung in England begann im 18. Jh. Mitte des 19. Jh.s war England bereits ein voll entwickelter Industriestaat.
Freundliche Grüße
Peterchen
 
Lieber Wastelll,

Deine Fragestellung ist aus meiner Sicht unhistorisch. Fabrikarbeiter in der Epoche der Industrialisierung hatten mangels Sozialgesetzgebung so lange Arbeitszeiten, dass für Mußestunden oder gar das Abfassen von Autobiographien idR keine Zeit blieb. Wenn sie doch einmal "freie Zeit" hatten, so wurde diese damit verbracht, sich um die Familie oder um weitere Nahrungsbeschaffung zu kümmern.

Du hast natürlich absolut Recht; das Thema ist nicht besonders historisch! Der Komplex soll aber auch kulturwissenschaftlich beleuchtet werden. Die Freizeitbeschäftigungen wie Angeln, Wirtshaus oder Kirchgang werden in der Sekundärliteratur auch angeführt; allerdings wie gesagt in der Sekundärliteratur. Auf einen Quellenbeleg bin ich bisweilen nicht gestoßen. Ich werde mir nun die Autobiographien von Franz Louis Fischer, Carl Fischer, Holek Wenzel und ggf. noch Moritz Bromme zu Gemüte führen und hoffe, dass ich dort auf verwertbare Passagen stoße. Falls jemand diesbezüglich zufällig Seitenzahlen weiß, bin ich sehr dankbar - ein Inhaltsverzeichnis gibt es in den Werken nicht wirklich und die Kapitelüberschriften sind nicht besonders aufschlussreich.

Vielen Dank auf jeden Fall für die ausführlichen Antworten!
 
Hallo Wastelll,

ich finde, man kann ein historisches Thema nicht unhistorisch behandeln, wenn man damit einen wie auch immer gearteten "wissenschaftlichen" Anspruch verfolgt.

Aus meiner Sicht hatten Arbeiter bis weit ins 20. Jh. hinein so gut wie keine Freizeit. Daher rührt auch Dein Quellenproblem.

Winston Churchill, britischer Premier, antwortete im Jahre 1953 (!) seinem Hausarzt auf dessen Frage, weshalb er trotz großer gesundheitlicher Beschwerden im Amt bleiben wolle:

"Wissen Sie, ich spiele mit hohen Karten. Wenn ich Erfolg habe und wenn wir abrüsten können, könnte man dem Arbeiter etwas geben, was er noch nie gehabt hat -- Muße."

(zit. nach Sebastian Haffner, Winston Churchill, Hamburg 1967, 14. Aufl. ebd. 2014, S. 178.)

Gruß & viel Erfolg
Peterchen
 
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