Frieden als Ursache des Krieges

DrömmarnasStig

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Wie der Krieg zerstörerische Kräfte freisetzt, die letzten Endes ihn selbst zerstören, so kann der Frieden auf unterschiedlichste Art und Weise die Ursache eines Krieges sein.

Zum Beispiel dadurch, daß er die Friedliebenden davon abhält, überzeugende Verteidigungsmöglichkeite n aufrechtzuerhalten und damit potentielle Aggressoren zur Kriegsvorbereitung ermutigt.
Im Verlauf der Geschichte hat Frieden oft zum Krieg geführt, weil er demographischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen freien Lauf ließ, die das Kräftegleichgewicht störten, das den Frieden zuvor gesichert hatte.
Er fördert somit die ungleiche Entwicklung menschlicher Fähigkeiten und Mentalitäten ohne Rücksicht auf die Faktoren, die den Krieg lange verhindert haben.

So betrachteten sich die bis dahin eher friedfertigen Deutschen ab 1870 als Kriegernation, was zu einer unglücklichen Symmetrie mit Frankreich führte, das seinem martialischen Selbstverständnis erst noch entwachsen mußte.
Bismarck vertraute in der Krise dieser Jahre auf einen Sieg und entschied sich für Krieg. Die französische Regierung unter Napoleon III. aber konnte den Krieg nicht vermeiden, weil sie nicht zugeben wollte, daß Preußen längst zur stärkeren Macht geworden war.

Der Mentalitätswandel, der zu Spannungen zwischen dem tatsächlichen Status und dem Selbstverständnis eines Landes führt, muß tiefliegende Gründe haben. Das Resultat ist allerdings klar: was einst als akzeptabel galt, wird unerträglich. Zuvor ausreichendes Prestige erscheint als Demütigung. Der früher fast unmögliche Traum wird als realistisches Ziel betrachtet.
Während des langen post-napoleonischen Friedens wurde durch Eisen, Kohle und Dampfmaschinen das kriegsverhindernde militärische Gleichgewicht zwischen den Großmächten gestört.

Bis 1866 entstand ein neues, kriegstreibendes Ungleichgewicht zwischen Preußen und dem Habsburger Reich, bis 1870 zwischen Preußen und Frankreich, bis 1876 zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, bis 1894 zwischen Japan und China, bis 1898 zwischen USA und Spanien, bis 1905 zwischen Japan und Russland.

In all diesen Fällen wurde der größere Nutznießer des industriellen Wachstums so lange gestärkt, bis er nicht mehr bereit war, die vorindustrielle Teilung von Macht und Herrschaft zu akzeptieren. Jedesmal rechnete der Aggressormit dem eigenen Sieg. Jedesmal erwiesen sich diese Berechnungen als richtig.
Heute ist China ein Industrieland und fordert mehr als es besitzt, nämlich Taiwan.

Im Krieg wird die Fähigkeit, weiter Krieg zu führen, letztlich durch die Zerstörungskraft des Krieges selbst begrenzt. Das kann durch systematische Bombardierung der Industrie vollzogen werden oder durch zu hohe Verluste im Verhältnis zum natürlichen Zuwachs der Bevölkerung im wehrfähigen Alter, so wie es in vielenKriegen der Geschichte geschah.

Im Frieden jedoch verstärkt jeder menschliche Fortschritt die Fähigkeit zur Kriegsführung (ausser einer), und zwar auf asymmetrische Weise. So wird das militärische Gleichgewicht gestört, das einmal den Frieden half zu bewahren.
Wenn Frieden nicht Krieg hervorrufen würde, dann gäbe es keinen Krieg, denn Krieg kann sich ja schließlich nicht selbst unendlich fortführen.

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Einzige Ausnahme stellt ironischerweise die Atombombe dar, die den Friedensnobelpreis verdient hätte.
Die 10t-Ladungen der US-Bomber 1945 waren zweifellos von größerem Nutzen als die deutschen 2-Tonnen Ladungen von 1940.
100t oder gar 1000t wären sicherlich noch effektiver.
Thermonukleare Waffen (ca. 1 Mio Tonnen Sprengkraft) hingegen haben den Kulminationspunkt der militärischen Nützlichkeit weit überschritten.

Das Wahrnehmungsgleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen, daß sich früher erst im Laufe des Krieges einstellte (wenn die Kosten in Opfern und Wirtschaft anfielen), ist bei Atomwaffen schon vor dem Waffengang vorhanden (durch die exakte Berechenbarkeit des Auswirkungen), wodurch ein Atomkrieg bislang verhindert wurde.
 
Liebe DrömmarnasStig (= Dagmar ?),

Entschuldige, aber deinen Beitrag finde ich erschlagend.
Darf ich dir vielleicht zur Begriffsklärung und als Übersicht über die Friedensdiskussion eine kleine Lektüreliste des Institusts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Uni Hamburg ( http://www.ifsh.de/IFSH/search.php ) empfehlen:

- Ehrhart, Hans-Georg/Klingenburg, Konrad: Was heißt Peacekeeping?, Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Ausgabe 15, Mai 1994 (zu beziehen über das IFSH).
- Lutz, Dieter S. (Hrsg.): Lexikon Rüstung, Frieden, Sicherheit, München 1987 (zu beziehen über den Buchhandel).
- Jaberg, Sabine: Nichtmilitärische Konfliktbearbeitung. Möglichkeiten, Grenzen, Ansätze und Anforderungen in und für Europa, Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Ausgabe 16, Juli 1994 (zu beziehen über das IFSH).
- Matthies, Volker (Hrsg.): Frieden durch Einmischung? Der Schrecken des Krieges und die (Ohn)Macht der internationalen Gemeinschaft, Bonn 1993 (zu beziehen über den Buchhandel).
- Matthies, Volker: Immer wieder Krieg? Wie Eindämmen? Beenden? Verhüten? Schutz und Hilfe für die Menschen?, Opladen 1994 (zu beziehen über den Buchhandel).
- Siegelberg, Jens: Kapitalismus und Krieg. Eine Theorie des Krieges in der Weltgesellschaft, Münster/Hamburg 1994 (zu beziehen über den Buchhandel).

Viele Grüße
Klaus P.
 
Hmm...nach dem Lesen kam mir so ein Spruch ins Gedächtnis (keine Ahnung von wem der ist), daß "der Krieg ein heilendes Unwetter" sei. Nach der Philosophie, daß "die Welt einfach regelmäßig einen Krieg braucht" um den Acker neu gepflügt zu bekommen.
Sorry, aber selbst wenn viele Gedanken dies scheinbar logisch erscheinen lassen, wehre ich mich dagegen, daß man nicht alles für einen dauerhaften Frieden tun und auch darum kämpfen sollte. Wenn man eine Gesetzmäßig zum Krieg anerkennen würde, würde man auch das Bemühen um Frieden aufgeben.
 
ich bin der sieg
mein vater ist der krieg
der friede ist mein lieber sohn
der gleicht meinem vater schon

Erich Fried
 
Arne schrieb:
...wehre ich mich dagegen, daß man nicht alles für einen dauerhaften Frieden tun und auch darum kämpfen sollte.

Nettes Wortspiel Arne.;)

Ich möchte keiner "Gesetzmäßigkeit" das Wort reden, aber manchmal muß man wohl wirklich um den Frieden "kämpfen".
Und dieser Zustand heißt dann wohl "Krieg"...:grübel:
 
DrömmarnasStig schrieb:
Einzige Ausnahme stellt ironischerweise die Atombombe dar, die den Friedensnobelpreis verdient hätte.
Die 10t-Ladungen der US-Bomber 1945 waren zweifellos von größerem Nutzen als die deutschen 2-Tonnen Ladungen von 1940.
100t oder gar 1000t wären sicherlich noch effektiver.
.

Hier wäre aber das Wort zynistisch statt ironisch angebracht.
Die Atombomben über Japan als Lebensretter für die anderen. Na denn Prost.
Merkwürdige Dialektik :confused:
 
Zuletzt bearbeitet:
Mercy schrieb:
ich bin der sieg
mein vater ist der krieg
der friede ist mein lieber sohn
der gleicht meinem vater schon
Erich Fried

Lieber Mercy,

ich glaube nicht, dass man heute im Zeitalter der Massenvernichtungswaffen, das alles mit einem Spruch abtun kann.
Wer sich heute nicht um den Frieden bemüht, der begeht Selbstmord.:grübel:
 
Arne schrieb:
Hmm...nach dem Lesen kam mir so ein Spruch ins Gedächtnis (keine Ahnung von wem der ist), daß "der Krieg ein heilendes Unwetter" sei. Nach der Philosophie, daß "die Welt einfach regelmäßig einen Krieg braucht" um den Acker neu gepflügt zu bekommen.
Sorry, aber selbst wenn viele Gedanken dies scheinbar logisch erscheinen lassen, wehre ich mich dagegen, daß man nicht alles für einen dauerhaften Frieden tun und auch darum kämpfen sollte. Wenn man eine Gesetzmäßig zum Krieg anerkennen würde, würde man auch das Bemühen um Frieden aufgeben.

Der Gedankengang ist weder logisch, noch zu irgendetwas dienlich. Was DrömmarnasStig uns damit erzaehlen will, ist mir schleierhaft. :fs:
 
DrömmarnasStig schrieb:
Das Wahrnehmungsgleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen, daß sich früher erst im Laufe des Krieges einstellte (wenn die Kosten in Opfern und Wirtschaft anfielen), ist bei Atomwaffen schon vor dem Waffengang vorhanden (durch die exakte Berechenbarkeit des Auswirkungen), wodurch ein Atomkrieg bislang verhindert wurde.

Auch genial :yes: Die Atombombe hat einen Atomkrieg verhindert. Und Autos verhindern Autounfaelle.
 
Oder das etwas schlecht gewählte Zitat der früheren Friedensbewegung:

"Stell Dir vor es wäre Krieg und keiner ginge hin..." (... dann kommt der Krieg zu Dir. // Zitatende)

@DrömmarnasStig
dass die Deutschen vor 1870 relativ friedfertig waren, das halte ich für ein Gerücht :winke:

Nachtrag: Original Zitat:
"Stell Dir vor, es kommt Krieg und keiner geht hin - dann kommt der Krieg zu Euch! Wer zu Hause bleibt, wenn der Krieg beginnt und lässt andere für seine Sache kämpfen, der muss sich vorsehen: Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will, denn es wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat." - Bertolt Brecht


Nochmals Nachtrag:
... soviel zu Pazifismus, der leider immer wieder so ausgelegt wird, als wäre es absoluter Gewaltverzicht...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube, ich bin im falschen Film?:confused: Sollen die vorherigen Beiträge, alle den Krieg verherrlichen oder ihn als eine Notwendigkeit hinstellen? Also ohne Atombomben keinen dauerhaften Frieden?:confused:
 
William Wallace schrieb:
Das würde nur ohne Menscheit funktionieren.

janz genau... aber nichma dann, denn die tiere "kämpfen" ja auch wegn verschiedensten Dingen.

aber is ja auch nicht das Thema.

Ich versteh zwar schon, dass langer Frieden negative auswirkungen auf ein land (stichwort wehrkraft usw) haben kann, aber dass ein frieden Krieg verursacht find ich eher mal lächerlich.
 
Nachdem ich eine Bewertung mit dem Kommentar erhalten habe, ich wuerde das Thema nicht verstehen, habe ich versucht eine passendere und detailliertere Antwort darauf zu finden. Vergeblich.

Der Gedankengang des Eingangsbeitrags ist der reinste Muell.

Das Leben in Frieden hat unzaehlige Menschen vor einem gewaltsamen Tod bewahrt. Jeder Tag in Frieden ist ein Segen und ein kleiner Triumph der Humanitaet ueber die Unmenschlichkeit. Frieden kann keinen Krieg verursachen. Frieden ist das Gegenteil von Krieg. Gegenteile koennen sich nicht verursachen. Entweder, oder. Jeden Tag haben "wir" die Wahl: Krieg oder Frieden. Jeder von uns, wie auch "wir" als Kollektiv.

Jeden Tag koennte Krieg sein. Heute war in meiner Nachbarschaft Frieden.

Gottseidank. :winke:
 
Hänsel schrieb:
denn die tiere "kämpfen" ja auch wegn verschiedensten Dingen. aber is ja auch nicht das Thema.
Stimmt nicht wirklich, da Gewaltanwendung zwischen Tieren innerhalb einer Art normalerweise(!) ritualisiert ist und nicht auf die physische Vernichtung des Konkurrenten zielt ... aber wie Du schon sagtest, darum geht es ja eigentlich gar nicht ...

Mir fallen in diesem Zusammenhange immer wieder zwei Zitate ein:

1. Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln (Carl von Clausewitz, den kennt ja wohl jeder ;) )

2. Politik ist die Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitteln ( Gerhard Gundermann, denn kennen wahrscheinlich weniger ;) )

ergo:

Krieg ist die Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitteln. (Suedwester)

Und daß das oft genug hinkommt, läßt sich ja sicher gerade in diesem Forum sicher zur Genüge belegen.

Bye
Suedwester

P.S.: Danke schonmal im voraus für die "roten Bommel" :)
 
Pope schrieb:
Nachdem ich eine Bewertung mit dem Kommentar erhalten habe, ich wuerde das Thema nicht verstehen, habe ich versucht eine passendere und detailliertere Antwort darauf zu finden. Vergeblich.
Der Gedankengang des Eingangsbeitrags ist der reinste Muell.
Das Leben in Frieden hat unzaehlige Menschen vor einem gewaltsamen Tod bewahrt. Jeder Tag in Frieden ist ein Segen und ein kleiner Triumph der Humanitaet ueber die Unmenschlichkeit. Frieden kann keinen Krieg verursachen. Frieden ist das Gegenteil von Krieg. Gegenteile koennen sich nicht verursachen. Entweder, oder. Jeden Tag haben "wir" die Wahl: Krieg oder Frieden. Jeder von uns, wie auch "wir" als Kollektiv.
Jeden Tag koennte Krieg sein. Heute war in meiner Nachbarschaft Frieden.
Gottseidank. :winke:

Lieber Pope,

ich sehe es genauso wie Du. Krieg ist für mich keine Notwendigkeit. Frieden meiner Ansicht nach schon. Das scheint sich bei vielen Mitgliedern des Forums noch nicht rumgesprochen zu haben.:rolleyes:
 
DrömmarnasStig schrieb:
Wie der Krieg zerstörerische Kräfte freisetzt, die letzten Endes ihn selbst zerstören, so kann der Frieden auf unterschiedlichste Art und Weise die Ursache eines Krieges sein.

Zum Beispiel dadurch, daß er die Friedliebenden davon abhält, überzeugende Verteidigungsmöglichkeite n aufrechtzuerhalten und damit potentielle Aggressoren zur Kriegsvorbereitung ermutigt.

Auf das Abdriften vor allem in den letzten Absätzen des/der Dröm.. will ich nicht eingehen. Das sogenannte atomare "Gleichgewicht des Schreckens" habe ich erlebt: ein schrecklicher Angstfrieden, zu recht als "kalter Krieg" bezeichnet und von einem entwicklungsfrohen Frieden weit enfernt.
Und "der Atombombe den Friedensnobelpreis zu überreichen" ist nichts als zynisch.

Aber: auch wenn ich eure Bedenken teile, die Einleitung ist nicht so gewagt, wie ihr tut. Vor allem der 2. Absatz beschreibt durchwegs die Zeit bis zum Münchner Abkommen; die Appeasement-Politik der Entente bzw. Ramsey MacDonalds u. Neville Chamberlains haben das ihrige dazu getan, dass die Aggressionspolitik Hitlers auf Touren kam.

Wikipedia ist ähnlicher Meinung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Appeasement-Politik
 
ning schrieb:
Aber: auch wenn ich eure Bedenken teile, die Einleitung ist nicht so gewagt, wie ihr tut. Vor allem der 2. Absatz beschreibt durchwegs die Zeit bis zum Münchner Abkommen; die Appeasement-Politik der Entente bzw. Ramsey MacDonalds u. Neville Chamberlains haben das ihrige dazu getan, dass die Aggressionspolitik Hitlers auf Touren kam.

Es liegt ein gewisser Funke Wahrheit in der Tatsache, dass wer sich militärischer Optionen entsagt, verletzbar macht. Und auch gebe ich gerne zu, dass in Friedenszeiten Spannungen aufgebaut werden können, die in einen Krieg münden können.

ABER: Die Ursache für Krieg liegt nicht im Frieden an sich, sondern in den Ereignissen oder Umständen, die den Konflikt schüren sowie in den Handlungen und Unterlassungen der für den Konflikt massgeblichen Personen.

Haben etwa die 50 Jahre Frieden den Bürgerkrieg in Jugoslawien verursacht? Hat der Versuch, Hitler zu mäßigen den 2.WK verursacht?

Und nähmen wir an, Frieden verursache Krieg. Was wäre also die Alternative? Krieg führen, um der Ursache des nächsten Krieges zuvor zu kommen? Dauerkrieg, damit ja kein Kriegsgrund aufkommt?

Da hinkt die Logik doch gewaltig ...
 
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