JetLeechan
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Ein Mythos, der eine Beurteilung Friedrichs natürlich schwieriger macht. Schwieriger auch deshalb, weil die große Zahl der Opfer - wohl immer mit dem Beinamen "der Große" verbunden - nur mit dem Erfolg der zu beurteilenden Person gerechtfertigt werden kann.
Ich denke, gemessen an seinen eigenen Maßstäben, die aus seinen Hinterlassenschaften und seinen Korrespondenzen hervorgehen, er war ein Meister der Selbstinszenierung, ist die Beurteilung Friedrichs nicht ganz so schwierig. Friedrich schwankte stets zwischen seiner Verpflichtung den Werten der Aufklärung gegenüber, und seiner Verpflichtung der preußischen Monarchie gegenüber. Wenn sich diese beiden Zwecke konkurrierend gegenüberstanden, dann war es in der Regel der Letztere, der für ihn den Ausschlag gab.
Das wird in seiner Kriegspolitik deutlich, denn Friedrichs zahlreiche Versuche seine Angriffskriege zu legitimieren, hatten nicht nur die Nachwelt als Rezipienten in Bedacht, sondern vor allem die Aufklärer und sein eigenes Gewissen. Seine Briefe an engere Vertraute lassen einen gespaltenen Mann hervortreten, der sich gerne als eine neuen Typus, einen im Volk beliebten und von der intellektuellen Schicht anerkannten Monarchen, darstellte, welcher aber mit seinen dahingehend konträren Handungen nicht vereinbar war.
Das zeigt sich auch an Friedrichs Haltung zur Volksbildung, die er regelmäßig propagierte, in "privateren" Briefen aber als unmöglich ablehnte, weil das Volk seinen Aberglauben brauche, denn es sei zu dumm um mehr zu verstehen, als was zur unmittelbaren Bewältigung seiner alltäglichen Aufgaben notwendig sei. Illustrieren tat er dies in seinem Aufsatz über Asien.
Das er vor allem mit sich selbst rang, wird deutlich an seinen häufigen Rückgriffen auf die Unabwendbarkeit des Schicksals und seiner Metapher vom Staatenkörper, der regelmäßig von Krankheiten - d.h. Kriegen - befallen werde, wobei einem Monarchen nichts anderem übrig bliebe, als sich diesen Krenkheiten zu stellen und nach Möglichkeit seiner Kräfte zu ihrer Linderung beizutragen.
Immerhin scheint er sich nach der Katastrophe des Siebenjährigen Krieges zum ersten Mal primär um das Wohl seiners Volkes gekümmert zu haben, auch wenn sich sämtliche Wiederaufbau- und Wohlfahrtsmaßnahmen ohne Weiteres im Rahmen seiner merkantilistischen Wirtschaftspolitik interpretieren ließen.
Zusammenfassen würde ich sagen, dass Friedrichs Taten vor dem Hintergrund seiner eigenen Maßstäbe als wesentlich negativer zu beurteilen sind, als es die Tradition vermittelt. Zudem glaube ich, dass man hier auf Klassenunterschiede achten muss. Für den Adel hat er viel getan und gerade dieser den kriegerischen Tugenden eines Fürsten verschriebener Stand, musste Friedrich als großer Held erscheinen. Für die Aufklärer und das Volk, war er schon damals eine zwiespältige Figur, der man in den Jahrzehnten nach 1740 immer öfter ablehnend gegenüberstand. Es sind diese beiden Sichtweisen, die sich auch heute gegenüberstehen, wobei in der neueren Literatur vor allem letztere immer stärker wird.
Vergleicht man Friedrich ausschließlich mit den Monarchen seiner Zeit, dann rücken scheinbar unweigerlich seiner kriegerischen sowie kulturellen Errungenschaften ins Blickfeld und sein Verhältnis zu Volk und Ökonomie (als Voraussetzung für den Wohlstand eben dieser Volkes; die Kartoffel-Legende wurde bereits als solche enttarnt) treten in den Hintergrund, denn auf diesen beiden letzteren Felder unterschied er sich tatsächlich nicht so sehr von anderen. Seine eigene Darstellung jedoch zeichnen ein ganz anderes Bild seines Wesens als Herrscher und an diesem sollte man ihn ebenfalls messen.