Geschichtswissenschaft bloß Literaturwissenschaft?

@Stilicho finde ich nicht. Eine moderne Demokratie braucht nationale Grundlagen: Eine Sprache, ein einheitliche (Grund-)Wertefundament, eine einheitliche Gesetzgebung, gleiche Rechte und Pflichten, bürgerliche Freiheiten. All das wurde erst 1789 möglich.
Das ist vermutlich eine etwas andere Diskussion, aber viele moderne Demokratien haben das doch nicht alles? Die meisten föderalen Staaten kennen beispielsweise eine uneinheitliche Gesetzgebung, und selbst die gemeinsame Sprache ist nicht zwingend erforderlich. Denk nur an die sicherlich nicht undemokratische Schweiz!
 
@dekumatland

"willst du die kuriose Idee andeuten, dass Rassismus (interessanterweise klammerst du den Antijudaismus nebst beginnendem Antisemitismus aus) eine bewusste Erfindung der ästhetisch-politischen Teetische der "Nationalen" bzw. Wohlstandseliten des Kaiserreichs gewesen sei?"

Genau so muss man sich die Ursprünge der rassistischen Ideologie vorstellen. Natürlich war der Rassismus im gesamten europäischen Bürgertum anschlussfähig. Das war eine europäische, eigentlich sogar eine transatlantische Bewegung. Lies Henry Ford, lies Richard Wagner. In katholischen Milieus nicht ganz so stark wie in preotestantischen, aber genauso spürbar. Wer seinen Kant kennt und bei Darwin gelesen hat, weiß, dass da Stellen gibt, bei denen man hezutage rote Ohren bekommt. Der N. war nicht weit weg vom A.

Der Antijudaismus ist seiner Herkunft nach deutlich älter. Lies bei Schwarz-Friesel nach: Antisemitismus ist auch heute noch in linksliberalen, gut situierten Kreisen durchaus verbreitet, natürlich in der gehobenen Variante.

Die liberale Ideologie ist eng verquickt mit dem Utilitarismus, der Menschen in produktive und unproduktive, wertvolle und wertlose Individuen einteilt. Selbstverständlich ist auch das Teil bürgerlichen Denkens des 19. Jahrhunderts. Die natürliche Zuchtwahl wurde in bürgerlichen Kreisen als notwendiger Teil des Daseins angesehen.
 
Jede Zunft deckt sich zunächst einmal selbst, das ist bei Soldaten, Theologen, Juristen, Ärzten nicht anders als bei Historikern.

??? Um einen Anlass zu haben "sich selbst zu decken", muss man doch zunächst einmal etwas getan haben, dass man "decken" muss.

Die viel gepriesene Objektivität der eigenen Zunft sollten auch Geisteswissenschaftler ruhig kritisch sehen.
Wie bereits geschrieben: Die Standortbestimmung ist integraler Teil der Arbeit von Geistes- und Kulturwissenschaftlern. Das lernt jeder angehende Kultur- und Geisteswissenschaftler im Propädeutikum, dass Objektivität ein Ideal ist, dem man hinterherhechtet und nur Intersubjektivität erreicht werden kann (aber auch soll!).
 
Wie schreibt Geary so schön(S.40) : "Geschichtswissenschaft und Nationalismus wurdens eins".
@Stilicho stammt das aus dem lesenswerten Buch "Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen", 2002? Wenn ja und ich es richtig erinnere, ging es da um die Germanistik im 19.Jh., also um ihre ambivalente Rolle einerseits als bis heute taugliche Sprachwissenschaft, andererseits als Instrument zur Konstruktion der "germanischen" Herkunft der deutschen Nationalität (so ungefähr)
 
Wenn ja und ich es richtig erinnere, ging es da um die Germanistik im 19.Jh., also um ihre ambivalente Rolle einerseits als bis heute taugliche Sprachwissenschaft, andererseits als Instrument zur Konstruktion der "germanischen" Herkunft der deutschen Nationalität (so ungefähr)

Richtig, Geary 2002.
Damals gab es ja noch keine eigenständige Germanistik, diese entstand erst durch die Beschäftigung mit dem "Germanischen".
Geary beschreibt die Konstruktion der Geschichtswissenschaft mittels Philologie und deren Methoden.
Geschichtswissenschaft als Vehikel des Nationalismus, federführend Freiherr vom Stein (Monumenta Germaniae Historica), aber auch JG Fichte als Gegenpol zum durchaus erfolgreichen Napoleonismus.

Die damals aufgestellte, noch lange als Grundlage dienende Definition, dass eine Nation durch eine gemeinsame Sprache definiert sein, stellt er dabei grundsätzlich in Frage. In den meisten dieser "Nationen" musste diese Einheitssprache erst künstlich geschaffen werden und existierte bis dahin überhaupt nicht. Man definierte zB eine historische deutsche Nation über (vermeintliche) Sprachverwandtschaften, wodurch selbst Westgoten und Wandalen zu Vorläufern der "Deutschen" wurden

In Frankreich wurde diese Methodik laut Geary erst nach der Katastrophe 70/71 übernommen, mit der Schaffung von alleine 250 Lehrstühlen Philologie und Geschichte in den 1870-er Jahren. Das heutige Einheitsfranzösisch setzte sicherst im 20. Jahrhundert durch.
 
@El Quijote Ich widerspreche Dir im Prinzip ja nicht. Das eine schließt das andere nicht aus. Das ist ein ganz normales Sozialverhalten an Institutionen. Ich denke, dass gewisse Fehlentwicklungen der Gesellschaft auch von den heutigen Historikern mitgetragen wurden. Speziell das Wiederaufkeimen des Antisemitismus an Universitäten wird z.B. heruntergespielt. Jüdische Studierende beklagen sich jedenfalls lautstark. Ich meine schon, dass das auch von einem Teil der Professorenschaft mitzuverantworten ist, darunter auch Historiker. Schwarz-Friesel hat, soweit ich mich erinnere, dezidiert den Namen von Geschichtswissenschaftlern genannt. Viele Historiker sind ganz bewusst politisch. Manche bekennen sich auch direkt zu einer politischen Richtung. Die pauschale Kritik zahlreicher Geisteswissenschaftler an Israel ist meiner Meinung nach in vielen Fällen verkappter Antisemitismus.

@Stradivari Die Schweiz war und ist nicht das Paradies der Toleranz für das sie gehalten wird. Beim Eherecht war die Schweiz bis 1988 (!) ausgesprochen rückständig. Arme, Sinti und Roma wurden dort nicht gerade zimperlich behandelt. Ich sprach auch von großen Ländern. Von der Gründung der Eidgenossenschaft und der Bundesverfassung 1848 bis zu den aktuellen Wahlen wurde der Anteil der Wahlberechtigten von etwa 23 Prozent auf 65 Prozent der Bevölkerung angehoben, wobei der größte Sprung 1971 stattgefunden hat, als die Frauen erstmals wählen durften. Nicht gerade fortschrittlich. Das allgemeine Wahlrecht für Männer wurde in der Schweiz 1848 als Prinzip eingeführt - allerdings mit Einschränkungen bei der Umsetzung in den Kantonen. Konkret durften beispielsweise Armengenössige, Steuerschuldner, Konkursite, aber auch Verurteilte oder Aufenthalter nicht wählen und stimmen. Nebst diesen ziemlich verbreiteten Ausschlussfällen gab es auch kantonale Spezialitäten: Leute mit einem Wirtshausverbot durften in Bern, Schwyz, Freiburg, Solothurn und Aargau nicht wählen, im Tessin Wahlbetrüger, in Neuenburg und Genf Söldner oder in Solothurn Bettler und Landstreicher. Diese Maßnahmen galten teilweise bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Bundesgericht erklärte den Steuerzensus (Steuerzahlung in bestimmter Höhe als Voraussetzung für das Wahlrecht) erst 1915 als verfassungswidrig, gleichzeitig legitimierte es weiterhin den Ausschluss von Armengenössigen. Erst seit 1971 ist eine Verurteilung oder eine finanziell prekäre Situation kein Ausschlussgrund mehr. Fazit: Der Nationalismus hat schnellere Reformen möglich gemacht.

@dekumatland
du führst die zurecht seit geraumer Zeit abgeschaffte Eugenik an, als wäre dieser Irrweg das Maß, um alle Wissenschaft(en) zu messen - fällst du in deinem Garten sogleich den ganzen Apfelbaum, wenn er zwei-drei faule Äpfel aufweist? (das wäre gärtnerisch wie methodisch eher eine eugenische Vorgehensweise...)

Das wird auch nicht behauptet. Es wird lediglich festgestellt, dass die Geschichtswissenschaften nie hundertprozentig neutral sein werden und der Universitätsbetrieb nicht frei ist von Korrumpierungen (Stichwort "Anbiederung an den Zeitgeist"). Historiker sind am Ende eben auch nur zeitgebundene Literaturproduzenten. Muss ich das bewundern?

Beim Literaten handelt sich einerseits um eine elitäre Kategorie, da der Literat sich von keinen anderen Rücksichten leiten lässt als der Abhängigkeit von der Literatur. Der Historiker orientiert sich an den Quellen und an Forschungsmeinungen innerhalb seines Faches, ist also im Prinzip nicht weniger elitär in seiner Selbstauffassung. Eine gewisse Ähnlichkeit im Habitus existiert. Ich denke aber, dass materielle, ideologische und gesellschaftliche Abhängigkeiten die Neutralität des Urteils trotzdem eintrüben. Man kennt das von Günther Grass und Willy Brandt, Gruppe 47 etc. Ich glaube, dass man das im Abstand von 20, 30 Jahren auch von heutigen Historikern sagen wird. Es gibt keine Generation die wirklich "neutral" ist. War Fritz Fischer neutral? Heute würde ich sagen: eher nicht.

Der Irrweg besteht darin zu glauben, dass man es besser macht als frühere Generationen. Da wäre ich sehr, sehr vorsichtig. Das wäre mein eigentlicher Kritikpunkt. Verunglückte Herleitungen oder nicht: Eine allgemeine Kritik an westlichen Werten und bürgerlichen Kulturnormen wäre längst überfällig, gleich wie man Negativerscheinungen letzten Endes herleitet. Der Antisemitismus des Jahres 2025 fällt nicht vom Himmel. Diskriminierungen aller Art sind an der Tagesordnung und Populismen aller Art feiern fröhliche Urstände. Folgen einer falschen geistigen Werte- und Grundorientierung?

These: Früher waren Historiker und Literaten die Lehrväter der Nation, heute sind sie die Lehrväter der Demokratie. Wenn dem so ist: Tragen Literaten und Historiker dann Mitverantwortung an aktuellen Fehlentwicklungen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Für mich stellt sich aber die Frage, ob die lautstarke Kritik an der israelischen Regierung und deren agieren nicht als Antisemitismus gewertet wird, hier auch speziell von bestimmten Verbänden!
 
@ Ich denke, dass die Unterschiedungen Nationalismus/Imperialismus ebenfalls künstlich sind, wie das bei den meisten "-ismen" der Fall ist
Nein. Nationalismus und Imperialismus können beide nach außen hin chauvinistisch auftreten und sie können durchaus auch nebeneinenader existieren (müssen allerdings nicht), sie unterscheiden sich aber durchaus stark in ihrer Wirkung nach innen hin, weil der Nationalismus eine "horizontale" Gesellschaftsordnung postuliert, der Imperialismus hingegen eine "vertikale".

Merkmal für den Nationalismus ist, dass er in der Regel darauf hinausläuft, eine bestimmte Gruppe, nach welchen, mehr oder weniger unveränderlichen Kriterien auch immer zu definieren, diese zur Nation zu erklären und nach innen auf Grund dessen mit bevorzugten Rechten auszustatten, die sie vor jeder Gruppe, die die Merkmale, auf die sie sich geeinigt hat, nicht erfüllt, privilegiert.
Das ist beim Imperialismus in der Regel anders. In einer imperialen Ordnung, sind in der Regel die hierarchien steiler und zählt, die Gruppenzugehörigkeit innergesellschaftlich weit weniger als die Loyalität zur Obrigkeit, wesewegen sehr viel öfter, als in nationalistischen Ordnungsmodellen, Angehörige von Minderheiten, Teile der Funktionseliten des Systems stellen.


Deswegen habe ich für meinen Teil immer ein wenig ein Problem damit, einen übersteigerten Nationalismus, als politisches Leitmodell des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zu berachten, weil das dort in Reinform so eigentlich nicht vorkommt.
Russland, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich waren eher imperiale Ordnungen, in denen Nationalismus eher einen Störfaktor darstellte, dass könnte man am Vorabend des 1. Weltkriegs mit Abstrichen (sich zuspitzende Irland-Frage) vielleicht auch für Großbritannien postulieren.
Von französischer Seite waren Teile Algeriens nicht zu abhängigen Protektoraten o.ä, sondern zum Bestandteil Frankreichs selbst erklärt, so dass es zumindest dort auch eine sehr stark hierarchische Ordnung gab, und in Deutschland hat man mehr oder weniger zumindest Restelemente einer imperialen Ordnung in der Bismarck-Verfassung, dadurch, dass nach dieser nicht etwa das Volk der Souverän (mit entsprechenden Rechten) der ganzen Veranstaltung war, sondern eben der Kaiser und auf Ebene der Einzelstaaten die lokalen Fürstenhäuser.

Das sind eigentlich im Osten eher imperiale Ordnungen, im Westen mehr Hybridsysteme.

Der Nationalismus begann als Elitenprojekt der oberen 20, 30% und endete als Massenerscheinung.
Gerade nicht, der Nationalismus begann als Projekt der bürgerlichen Mittelschichten. Die adligen Eliten hatten davon in der Regel nicht so viel.

Auch die technologische Überlegenheit des Westens, ermöglicht durch die freie Wettbewerbsgesellschaft, spielte eine große Rolle.
Inwiefern kann man für das 19. Jahrhundert (insbesondere für die erste Hälfte) schon von einer freien Wettbewerbsgesellschaft sprechen?

Wir haben in Europa oder jedenfalls weiten Teilen davon, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein fortbestehende Feudallasten, prekäre Verkehrsverbindungen, die großräumigen Wettbewerb eher blockieren, wir haben zum Teil den Fortbestand wirtschaftlicher Privilegien und Monopole (z.B. hatte selbst im industriell fortschrittlichen Großbritannien die East Indya Company, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts das Monopol auf den Indien-Handel), mindestes im 1. Drittel des 19. Jahrhunderts durchaus auch noch Sklaverei (in Amerika noch darüber hinaus).


Das begünstigte den Glauben an den Erfolg des "Stärkeren" bzw. "Kompetiveren". Da viele "Reiche" und "Arrivierte" bereits damals keine besonders edle Vergangenheit hatten, wollte man sich über die "Tüchtigkeit", die besseren Werte oder eben gleich über die besseren Gene legitimieren. Im Grunde genommen ist der Rassismus des 19. Jahrhunderts nichts anderes als die Legitimationsideologie des liberalen Kapitalismus, eine ins biologistisch gedrehte christliche Prädestinationslehre, die dazu dient, Herrschaftsverhältnisse zu erklären und zu festigen.
Den Zusammenhang von Prädestinationslehre und Festigung der Herrschaftsverhältnissen, vor allem auch über zunehmend rassistische Strukturen sehe ich, aber der spielt vorwiegend für die protestantischen Länder eine Rolle, während Prädestination und Katholizismus ja eher nicht so gut zusammen gehen.

Nur das mit der edlen Abstammung, dürfte für diejenigen, die es wirtschaftlich schafften sich durchzusetzen nicht unbedingt als ein Defizit empfunden worden sein, denn der ganze großbürgerliche Liberalismus war ja eine Kampfansage an die Strukturen des ancien régime und die Bevorzugung von Abstammung vor Leistung.

Deutschland war in puncto Rassismus eine "verspätete Nation".
Kommt wahrscheinlich darauf an, wie man das definiert. Sagen wir mal Vordenker eines Protorassismus gab es ja mit Personen, wie Immanuel Kant auch in den deutschsprachigen Gebieten durchaus.

Was früher der kollektivistische Klassen- und Rassengedanke war, wird heute im Konsumismus-Hedonismus indiviualistisch fortgeführt. Ist im Prinzip auch nichts andere als die Fortsetzung des religiösen Prädestinationsgedankens. Erfolg ist Zeichen dafür, das Gott einen liebt.
Auch dem würde ich widersprechen, schlicht aus dem Grund, dass zumindest das heutige Europa in Ermangelung an ernsthafte Bindung an Christentum und im Besonderen die protestantische Ethik eigentlich keine Basis mehr für die Adapiton der Prädestinationslehre bietet.
In den USA mag das anders aussehen.
 
@Stradivari Die Schweiz war und ist nicht das Paradies der Toleranz für das sie gehalten wird. Beim Eherecht war die Schweiz bis 1988 (!) ausgesprochen rückständig. [...] Fazit: Der Nationalismus hat schnellere Reformen möglich gemacht.
Ich könnte dem jetzt entgehenhalten, dass in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, bzw. jedenfalls in Cisleithanien in der 2. Hälfte des 19. und der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts wahlrechtstechnisch ein Reformmarathon hingelegt wurde, der beim Ende des Neoabsolutismus 1860 und mit der Einführung restriktiven Zensuswahlrechts begann, und 1907 bei der Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer endete.
Das war ein enorm hohes Tempo, und eine deutlich schnellere Umsetzung, als etwa in Großbritannien, wo bis zum Ersten Weltkrieg ein Zensuswahlrecht bestand, dass sämtliche Frauen und auch einen erheblichen Teil der Männer ausgrenzte (Bewohner der Kolonien sowiso) und das obwohl Großbritannien eine viel ältere parlamentarische Tradition hatte.

Wenn man Großbritannien mit der Habsburger Monarchie vergleicht, wird man nicht umhin kommen zu konzedieren, dass das Modell Nationalstaat und Nationalismus wesentlich eher in Großbritannien vorhanden war, als im Österreichisch-Ungarischen Vielvölkerstaat.
Trotzdem schaffte, mindestens die österreichische Reichshälfte in Sachen Wahlrecht eine Modernisierung im Eiltempo, die es so in Großbritannien nicht gab.

Ich denke nicht, dass Nationalismus ein grundsätzlicher Faktor für Beschleunigung war. Wo der Ballast alterhergebrachter Traditionen einer Modernisierung im Weg stand, wie in Großbritannien, rief er kein besonders hohes Reformtempo auf dieser Ebene hervor.

Deutschland, Frankreich und auch Österreich-Ungarn profitierten in dieser Hinsicht meines Erachtens vor allem davon, dass es es heftige politische Umbrüche gab, die die Schaffung neuer Verfassungen und Reformmechanismen ermöglichten, die auf die zeitgemäßen Probleme zugeschnitten waren, während sowohl Großbritannien, als auch Russland, diese Möglichkeit zum Neuanfang im 19. Jahrhundert nicht hatten und viel mehr mit überkommenen Traditionen und alten, schwer reformierbaren Strukturen umgehen mussten.
 
@Shinigami Zunächst sollte man erst einmal feststellen, dass die Begriffe Nationalismus und Imperialismus im 19. Jahrhundert durchaus etwas anders verwendet wurden. Man assoziierte damit andere Dinge. Imperialismus war lange Zeit ein synonym für "Bonapartismus", Nationalismus existierte als Begriff kaum. Man sprach vielmehr vom "Nationalstaatsgedanken" bzw. "Nationalstaatsprinzip". Daher liegst Du mit einigen Deiner Beobachtungen nicht falsch. Das die eigenen Nationen alles andere als homogen waren und mehr Idealvorstellungen entsprachen, wussten die Menschen des 19. Jahrhunderts auch.

Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts wurde nicht in der Absicht erfunden, soziale Gruppen im Staatsinneren "abzugrenzen", sondern einen politischen Raum nach außen hin wehrhaft zu machen. Dahinter steckte der Gedanke der staatlichen Souveränität und der Wunsch, nicht zum Spielball fremder Mächte zu werden. Die ethnische Komponente ergab sich aus der Erkenntnis, dass Homogenität politische Einigkeit fördert. Das heißt aber nicht, dass das Volk in seiner Gesamtheit von vornherein Träger des Nationalstaatsgedankens war und dass Minderheiten nicht Teil der Nation sein konnten.

Das Streben nach einem starken Staat förderte bestimmte Ideale, so die der Einheitlichkeit des Staatsinneren, zu der auch die Homogenisierung der verschiedenen Volksgruppen gehörte. Durch das Umsichgreifen der Ideen von 1789 musste auch der Adel sich anpassen. Das tat er z.T. erfolgreich und bereitwillig. Er musste zumindest eine Rolle im Spiel der nationalen Kräfte einnehmen, um seine Privilegien zu bewahren. An der Beteiligung der Unterschichten konnte er kein wirkliches Interesse haben. Das war die Basis für den Pakt zwischen Adel und Bürgertum, Kapital und Herrschaft, eben für die oberen 20 bis 30 Prozent.

Im 19. Jahrhundert gab es Wettbewerb, der durch strukturelle Revolutionen ausgelöst wurde. Traditionelle Berufszweige gerieten gewaltig unter die Räder, neue Berufszweige reüssierten. Man studiere nur die Entwicklung der Textilindustrie, der Stahlindustrie, des Kleinhandwerks, der chemischen Industrie, des Bankenwesens oder die der Landwirtschaft. Hohe Geburtenraten und große strukturelle Armut auf dem Lande lieferten die Basis für ein großstädtisches Proletariat und bildeten zugleich den Grundstock für industriellen Reichtum im Bürgertum. Die soziale Sprengkraft sollte imaginär wie auch ganz real durch Expansion nach außen kompensiert werden: durch Auswanderung, Besiedlung von Kolonien, "Lebensraumbeschaffung" etc. Dass diese Expansion eine Rüstungsspirale, verstärkten Militarismus und einen forcierten industriellen Wettbewerb zur Folge hatte, ist klar. Diesen Vorgang verstehe ich unter "Imperialismus".

Über den letzten Punkt kann man trefflich streiten. Ich glaube aber schon, dass es eine europäische Leistungs- und Arbeitsethik gibt, die religiös konnotiert ist. Die Abkehr vom Christentum bedeutet nicht, dass bestimmte Mentalitätsstrukturen nicht weiter existieren. Juden und Christen sind hierzulande nach wie vor erheblich gebildeter als Muslime, selbst wenn die meisten Juden und Christen ihre eigene Religion nicht mehr aktiv pflegen. Meine Eltern und Großeltern gingen in die Kirche, wieso soll ich soviel anders sein? Die christliche Religion fällt weg, die innere Einstellung bleibt. Ob ich nun den eigenen Chauvinismus religiös-moralisch begründe oder biologistisch-materialistisch, ist im Prinzip unerheblich. Es läuft auf dasselbe hinaus.
 
@Shinigami Der Nationalstaatsgedanke war der Hebel, um Reformen leichter umsetzen zu können. Wo eine Währung existiert, eine Sprache, eine einheitliche Grenze nach außen, ein Wahlrecht, ein Militär, ein Bildungssystem etc. lässt sich ein Land leichter voranbringen. Dass das in der Realität nicht umgesetzt werden konnte, wussten die Menschen damals auch. Der Nationalismus war mehr Ideal als Wirklichkeit und hat bedingt durch äußere Entwicklungen ein anderes Gesicht angenommen. Man muss ja auch bedenken, dass man Millionen Soldaten schlecht effektiv zu den Waffen rufen kann, wenn kein gemeinsamer Nenner besteht. Die Nation hat seit 1789 nämlich auch eine eminent militärische Komponente. Ich würde allerdings vorschlagen, zum eigentlichen Thema zurückzukehren.
 
(1) Das wird auch nicht behauptet.
(2) Es wird lediglich festgestellt, dass die Geschichtswissenschaften nie hundertprozentig neutral sein werden und der Universitätsbetrieb nicht frei ist von Korrumpierungen (Stichwort "Anbiederung an den Zeitgeist").
(3) Historiker sind am Ende eben auch nur zeitgebundene Literaturproduzenten.
(4)Muss ich das bewundern?
(1) oh doch, das wurde behauptet, und zwar von dir! Oder warst du es nicht, der/die zunächst die Eugenik als Negativexempel einsetzte, um dann mit großem rhetorischem Aplomb
So viel zum Thema "saubere Wissenschaft".
hinzuschreiben, als seie damit irgendwas bewiesen?
...und jetzt zurückrudern? ...(2) dieses zurückrudern enttäuscht mich. Wozu der großspurige rhetorische Aplomb zuvor? Für nüscht???
(3) ein recht weitgefasster Literaturbegriff... nimm's mir nicht krumm, aber Demandts Geschichte der Spätantike spielt nicht in der Liga von Döblins Berlin Alexanderplatz ;) (ich weiß, es gibt Schlauköpfe, die unter dem Begriff "Text" alles vom Einkaufszettel bis zu Schillers Blankversen subsumieren...)
(4) oh wie schön, doch noch eine rhetorische Nebelkerze - ich hatte schon befürchtet, der Elan hätte nachgelassen :D

Da du auf einen meiner Einwände bzw eine meiner Rückfragen geantwortet hast, könntest du die anderen noch nachholen? z.B. #50, #59, #60
 
Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts wurde nicht in der Absicht erfunden, soziale Gruppen im Staatsinneren "abzugrenzen", sondern einen politischen Raum nach außen hin wehrhaft zu machen. Dahinter steckte der Gedanke der staatlichen Souveränität und der Wunsch, nicht zum Spielball fremder Mächte zu werden. Die ethnische Komponente ergab sich aus der Erkenntnis, dass Homogenität politische Einigkeit fördert. Das heißt aber nicht, dass das Volk in seiner Gesamtheit von vornherein Träger des Nationalstaatsgedankens war und dass Minderheiten nicht Teil der Nation sein konnten.
Du beziehst dich hier sehr stark auf die Begebenheiten in Zentraleuropa, im Besonderen den deutsch- und italienischsprachigen Raum, wo das im Hinblick auf die Klein- und Mittelstaaten sicherlich zutrifft.
Aber es entspricht nicht unbedingt der gesamteuropäischen Perspektive, denn wenn die primäre Triebfeder der Wunsch nach außenpolitischer Sicherheit und Wehrhaftmachung gewesen wäre, hätte sich dieser Gedanke innerhalb der großen Imperien Europas, die bereits sehr wehrhaft waren, nicht durchgesetzt.
Das absolutistische Frankreich und dann revolutionäre Frankreich, dass ein Vorreiter nationaler Ideen war, war seit 2 Jahrhunderten die stärkste Macht Europas und musst sicherlich nicht den Nationalismus als Abwehrreflex gegen die Gefahr entwickeln von größeren Mächten herumgeschupst zu werden.
In Frankreich waren die Implikationen am Ende des 18. Jahdhunderts eher nach innen gerichtet und lieferten vor allem eine Rechtfertigung dafür das Ständesystem zu schleifen.

Was dezidierte Absichten zur Abgrenzung im inneren des Staates angeht, wirf mal einen Blick auf die nationalistischen Strömungen innerhalb der Vielvölkerreiche in Osteuropa.

Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts konnte vieles sein.

- Er konnte eine ideologische Grundlage sein um dadurch den Untertanen durch den Staatsbürger zu ersetzen Rechte und das schleifen alter Hierarchien einzufordern.
- Er konnte eine Ideologische Grundlage sein um einen Raum zu vereinigen und zu organisieren-
- Er konnte eine Ideologie sein, die darauf abzielte einen bestehenden Zusammenhang aufzulösen mit dem Ziel kleinteiligere Raumordnungen zu etablieren.

Das hing letztendlich davon ab, wer sich seiner als Werkzeug bediente.

Das Streben nach einem starken Staat förderte bestimmte Ideale, so die der Einheitlichkeit des Staatsinneren, zu der auch die Homogenisierung der verschiedenen Volksgruppen gehörte.
Nur das der Nationalismus eben nicht immer eine Ideologie war um einen Staat zu stärken, sondern mitunter auch darauf hinauslief den Staat eher zu schwächen, nämlich dann, wenn sich der Nationalismus gegen den Staat richtete.

Nimm z.B. die Habsburgermonarchie: Der aufkommende Nationalismus der Ungarn (auch wenn der noch stark ein Elitenprojekt war) lief nicht darauf hinaus die Wiener Zentralmacht und den Habsburger Kaiser zu stärken, sondern darauf das Habsburger Länderkonglomerat zu dezentralisieren und unter jeden Versuch einer zentralisierten, neoabsolutistischen Herrschaftsausübung des Kaisers einen Schlussstrich zu ziehen.

Das wurde letztendlich 1867 erreicht, als die Zentralmacht des Kaisers mehr oder weniger abgeschaft und durch eine Aufteilung des Reiches in eher lose zusammenhängende Territorien ersetzt wurde.

Im 19. Jahrhundert gab es Wettbewerb, der durch strukturelle Revolutionen ausgelöst wurde. Traditionelle Berufszweige gerieten gewaltig unter die Räder, neue Berufszweige reüssierten. Man studiere nur die Entwicklung der Textilindustrie, der Stahlindustrie, des Kleinhandwerks, der chemischen Industrie, des Bankenwesens oder die der Landwirtschaft.
Man studiere sie aber gründlich: Z.B. wurde mit der Einführung von Gewerbefreiheit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts fast überall in Europa theoretisch die Grundlage für einen umfassenden Wettbewerb geschaffen.
In der Praxis sah das aber vielfach anders aus, weil vor Ausbau von Eisenbahn, Einführung von Dampfschiffahrt etc. wegen der hohen Transportkosten (jedenfalls auf dem Landweg) fortschrittliche Produktionsmethoden und niedrige Gestehungskosten nicht unbedingt zu handfesten Vorteilen auf Märkten gegenüber anderen Anbietern führten, weil schlechte Verkehrsanbindungen und hohe Transportkosten das alles egalisieren konnten.
In diesem Sinne waren rückständig agierende Anbieter zwar nicht mehr von Zunftprivilegien u.ä. geschützt, die es verboten bestimmte Waren auf bestimmten Märkten feilzubieten, aber immernoch dadurch dass viele Märkte für bestimmte Waren physisch nicht oder nur unter erheblichem Kostenaufwand erreichbar waren und das unterband de facto vielfach fairen Wettbewerb der Produzenten und Händler, auch wenn er auf dem Papier existierte.
In der Landwirtschaft im Besonderen im Osten, wo bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Feudallasten existierten und wo die Kosten der Bauernbefreiung, in Form der Entschädigung der ehemaligen Grundherren auf die Bauern selbst abgewälzt wurden und diese nicht selten finanziell in den Ruin trieben, kann wenigsten sin der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts von flächendeckendem einigermaßen fairem Wettbewerb nach marktwirtschaftlichen Maßstäben schon überhaupt keine Rede sein.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts änderten sich die Dinge langsam, aber für die ersten 2/3 des 19. Jahrhunderts existierte das allenfalls in Rudimenten.

@Shinigami Der Nationalstaatsgedanke war der Hebel, um Reformen leichter umsetzen zu können. Wo eine Währung existiert, eine Sprache, eine einheitliche Grenze nach außen, ein Wahlrecht, ein Militär, ein Bildungssystem etc. lässt sich ein Land leichter voranbringen.
Grundsätzlich kann man ihn so verstehen, aber wie gesagt, weite den Blick mal auf eine transnationale Betrachtung Europas im 19. Jahrhundert aus.

Die Implikationen wozu das im einzelnen dienen oder auch nicht dienen konnte, waren je nach Land sehr verschieden und für die großen Imperien Osteuropas, war das kein Hebel zum Fortschritt, sondern reines Gift, weil hier sehr heterogene Räume verwaltet und modernisiert werden mussten, die sich nicht ohne weiteres angleichen ließen.
Ein großflächiges inhomogenes Imperium lässt sich nur mit sehr flexiblen Herrschaftsmethoden einigermaßen stabil regieren und genau dieses Bedürfnis, lief den Zentralisierungs- und Homogenisierungstendenzen des Nationalismus und des Nationalstaatsgedankens zuwider.
 
@Stradivari Die Schweiz war und ist nicht das Paradies der Toleranz für das sie gehalten wird. Beim Eherecht war die Schweiz bis 1988 (!) ausgesprochen rückständig. Arme, Sinti und Roma wurden dort nicht gerade zimperlich behandelt. Ich sprach auch von großen Ländern. Von der Gründung der Eidgenossenschaft und der Bundesverfassung 1848 bis zu den aktuellen Wahlen wurde der Anteil der Wahlberechtigten von etwa 23 Prozent auf 65 Prozent der Bevölkerung angehoben, wobei der größte Sprung 1971 stattgefunden hat, als die Frauen erstmals wählen durften. Nicht gerade fortschrittlich. Das allgemeine Wahlrecht für Männer wurde in der Schweiz 1848 als Prinzip eingeführt - allerdings mit Einschränkungen bei der Umsetzung in den Kantonen. Konkret durften beispielsweise Armengenössige, Steuerschuldner, Konkursite, aber auch Verurteilte oder Aufenthalter nicht wählen und stimmen. Nebst diesen ziemlich verbreiteten Ausschlussfällen gab es auch kantonale Spezialitäten: Leute mit einem Wirtshausverbot durften in Bern, Schwyz, Freiburg, Solothurn und Aargau nicht wählen, im Tessin Wahlbetrüger, in Neuenburg und Genf Söldner oder in Solothurn Bettler und Landstreicher. Diese Maßnahmen galten teilweise bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Bundesgericht erklärte den Steuerzensus (Steuerzahlung in bestimmter Höhe als Voraussetzung für das Wahlrecht) erst 1915 als verfassungswidrig, gleichzeitig legitimierte es weiterhin den Ausschluss von Armengenössigen. Erst seit 1971 ist eine Verurteilung oder eine finanziell prekäre Situation kein Ausschlussgrund mehr. Fazit: Der Nationalismus hat schnellere Reformen möglich gemacht.
Interessant. Noch interessanter wären deine Quellen.
 
Das absolutistische Frankreich und dann revolutionäre Frankreich, dass ein Vorreiter nationaler Ideen war, war seit 2 Jahrhunderten die stärkste Macht Europas und musst sicherlich nicht den Nationalismus als Abwehrreflex gegen die Gefahr entwickeln von größeren Mächten herumgeschupst zu werden.
Das revolutionäre Frankreich, dass sich bei seinem Kampf gegen die Monarchien Europas der Levee en masse bediente?

In Frankreich waren die Implikationen am Ende des 18. Jahdhunderts eher nach innen gerichtet und lieferten vor allem eine Rechtfertigung dafür das Ständesystem zu schleifen.
Und diese Rechtfertigung war der Nationalstaatsgedanke, der als Mittel zu Legitimierung des Staates Monarchie und Gottesgnadentum ablöste.
 
Das revolutionäre Frankreich, dass sich bei seinem Kampf gegen die Monarchien Europas der Levee en masse bediente?
Das Revolutionäre Frankreich dass sich der Levée en masse bediente hatte den 1. Koalitionskrieg selbst begonnen, was gerne vergessen wird.
In diesem Sinne handelte es sich nicht um eine Maßnahme um sich gegen äußere Bedrohungen verteidigen zu müssen, zumal die Ausgehobenen Truppen nicht nur zur Verteidigung gegen außen eingesetzt wurden, sondern z.B. auch im Inneren um den Aufstand in der Vendée niederzuschlagen.

Und diese Rechtfertigung war der Nationalstaatsgedanke, der als Mittel zu Legitimierung des Staates Monarchie und Gottesgnadentum ablöste.
Zur Legitimierung der Ablösung des Gottesgnadentums ja, zur Legitimierung der Abschaffung der Monarchie erstmal nicht.
Allerdings hätte es den Nationalismus zur Abschaffung des Gottesgnadentums nicht bedurft, da hätte man sich auch auf die Ideen der Aufklärung berufen können, die mit Nation und Nationalstaat ja nicht unbedingt unmittelbar etwas zu tun hatten.


Das revolutionäre Frankreich wandelte sich sich ja zunächst in eine konstitutionelle Monarchie, die durchaus Teilweise Ideen und Elemente aus dem britischen System übernahm.
Die Legitimation um die Monarchie abzuschaffen und Louis XVI. auf die Guillotine zu schicken, lieferten der Krieg und der Versuch der Königsfamilie sich aus Frankreich heraus zu flüchten.
 
Das Revolutionäre Frankreich dass sich der Levée en masse bediente hatte den 1. Koalitionskrieg selbst begonnen, was gerne vergessen wird.
In diesem Sinne handelte es sich nicht um eine Maßnahme um sich gegen äußere Bedrohungen verteidigen zu müssen, zumal die Ausgehobenen Truppen nicht nur zur Verteidigung gegen außen eingesetzt wurden, sondern z.B. auch im Inneren um den Aufstand in der Vendée niederzuschlagen.
Ändert nichts daran, dass der Kampf für "die Nation" als Instrument genutzt wurde, die Leute zu den Fahnen zu rufen; bzw zu überzeugen, da zu bleiben, mit nur eingeschränktem Erfolg, aber auch das ändert nichts daran, dass es versucht wurde.

Zur Legitimierung der Ablösung des Gottesgnadentums ja, zur Legitimierung der Abschaffung der Monarchie erstmal nicht.
Nicht der Monarchie, aber des Gedankens, dass der König der alleinige Träger staatlicher Souveränität ist.

"Der neue Titel König der Franzosen zeigte den demokratischen Ursprung seiner Herrschaft an: Die Nation, verstanden als Gesamtheit der Bürger Frankreichs, war nun statt seiner Trägerin der Souveränität und delegierte die staatliche Gewalt auf ihn, weshalb er ihr zu Treue verpflichtet war.[21]"


Die Legitimation um die Monarchie abzuschaffen und Louis XVI. auf die Guillotine zu schicken, lieferten der Krieg und der Versuch der Königsfamilie sich aus Frankreich heraus zu flüchten.
Das waren Anlässe, sowohl die konkrete Begründung wie die legitimatorische Grundlage des neuen Staats war die Nation, zu deren Vertretern sich die Abgeordneten des Dritten Standes erklärt hatten.
 
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