Göring der "populärste" Nazi ?

balticbirdy

Ehemaliges Mitglied
Wenn man Anekdoten oder politische Witze aus der Nazizeit liest oder hört, fällt mir auf, dass es meist Hermann Göring war, der zur Zielscheibe des Volkshumors wurde, fast nie Hitler und selten andere Nazigrößen.

Warum ?

Waren es sein barockes Auftreten, seine Leibesfülle, seine offenkundige Unfähigkeit als Luftwaffenchef? Immerhin war er der einzige hochrangige Nazi, der sich noch kurz vor Kriegsende in zerbombten Städten unter die Leute traute.

Oder wurde er als "nicht so gefährlich und fanatisch" wie die anderen aus der Naziclique empfunden? Fast schon so eine Art "Vaterfigur mit menschlichen Schwächen"?

Ich weiß keine Antwort, vielleicht ihr...
 
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Sicher ein volksnäherer Typ als die übrigen Nationalsozialisten mit Schaum vor dem Mund:

Frischhauer, Willi, Ein Marschallstab zerbrach - (frühe Biographie von Göring)
Band 24 der Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte: Alfred Kube, Pour le mérite und Hakenkreuz, Hermann Göring im Dritten Reich.
 
Eine köstliche Quelle mit selbsterlebten Ereignissen zum Thema Göring sind die Memoiren des Jagdfliegergenerals Galland "Die Ersten und die Letzten".
So wie sich der dicke "Reichsjägermeister" gebärdete, das hatte z.T. surreale Züge.
 
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@silesia: Galland als Nachkriegs-Publikation würde ich mit Vorsicht lesen.

Das weiß ich schon selbst. Nazipropaganda vermag ich allerdings nicht darin zu entdecken, auch wenn Galland sicher eine Ikone gewisser Kreise ist. Ich finde man sollte da schon mündig genug sein, den richtigen Blickwinkel zu behalten.
 
Galland als Nachkriegs-Publikation würde ich mit Vorsicht lesen.

Im Untergrund 1933/34 wurde über alle gelästert, zB:
Adolf, der Mächtige; Göring, der Prächtige; Goebbels, der Schmächtige und Röhm der Verdächtige
Kollektives Gedächtnis: Johann Kluck

Mich beeindruckt bei diesen Sprüchen und Witzen immer, wie zielgenau und mit "wenig" verbalem Aufwand sie den Kern der Sache trafen. Immer wieder ein Genuss, sowas zu lesen. ;)
 
Herman Göring

The nazi number one. Wie kam Göring zu dieser Bezeichnung.

Wie stand Hitler zu Göring? Warum stand Göring zuletzt als Verräter vor Hitler dar?
 
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1) Er war der Einzige aus der obersten Führungsriege, der 1946 noch lebte und in Nürnberg auf der Anklagebank sass. Hitler,Goebbels, Himmler waren tot, Bormann "verschollen".

2) Bis kurz vor Kriegsende hatte Göring bei Hitler offenbar einen Stein im Brett. Trotz seiner offenkundigen Unfähigkeit als Luftwaffenchef (Dünkirchen, Versorgung Stalingrads, Reichsverteidigung). Obwohl sein Intimfeind Goebbels gegen ihn intrigierte. Erst wenige Tage vor Kriegsende, als Göring versuchte Hitlers Rolle zu übernehmen, weil dieser in Berlin fest sass, war das Maß voll. Hitler enthob ihn aller Ämter und erklärte ihn quasi für vogelfrei.
Auswirkungen hatte das nicht mehr, Göring ging in amerikanische Gefangenschaft.
 
Göring war als Nazi ganz zweifellos ein Paradiesvogel, und im Gegensatz zu Himmler und manch anderen, besaß er Humor und konnte über sich selbst lachen. Gelegentlich ließ er sogar mit sich reden, und es gab manche Schauspieler und Kabarettisten, die ihm ihre Freilassung zu verdanken hatten. Seine Eß- und Trinklust, seine Affinität für Orden und Titel wurde oft karikiert und glossiert. Claire walldorf trällerte:

Rechts Lametta, links Lametta und der Bauch wird immer fetter,
in den Lüften ist er Meester,
Herrmann heest er..."

Als 2. Mann des 3.Reichs war Göring Hauptkriegsverbrecher und Medienstar Nr. 1. Das ging soweit, dass er vor seiner Gefangennahme Interviews gab und allen Ernstes damit rechnete, von Eisenhower empfangen zu werden.

Um etliche Kilos leichter wirkte er nach einem Morphiumentzug auf zahlreiche Beobachter toppfit und geistig konzentrierter, als je zuvor. Er spielte zuletzt eine Rolle und versuchte, die Schuld an seinen Verbrechen zu relativieren. Göring hat alles, aber wirklich alles mitgemacht, was Hitler wollte, und er war es auch, der Heydrich mit der "Endlösung der Judenfrage" betraute. Museumsdirektoren und Juweliere fürchteten den "Reichsmarschall", denn Göring hatte die Angewohnheit, Kunstwerke, die ihm gefielen zu beschlagnahmen und rechnungen nicht zu bezahlen. Seine 2. Gattin Emmy Sonnemann soll genauso habgierig gewesen sein.

In Carinhall besaß seine Tochter Edda ein Spielhaus, das Schloss Sanssouci nachgebildet war.
 
Ich habe gelesen (wo?), dass einer seiner Subalternen im Luftfahrtsministerium Problem mit seinem "Ariernachweis", den alle Beamten bis hinunter zum Zugschaffner erbringen mussten, hatte.
Göring soll die Angelegenheit mit dem Kommentar "Wer bei mir Jude ist, bestimme ich!" vom Tisch gefegt haben.
 
Ich habe gelesen (wo?), dass einer seiner Subalternen im Luftfahrtsministerium Problem mit seinem "Ariernachweis", den alle Beamten bis hinunter zum Zugschaffner erbringen mussten, hatte.
Göring soll die Angelegenheit mit dem Kommentar "Wer bei mir Jude ist, bestimme ich!" vom Tisch gefegt haben.


„Wer Jude ist, bestimme ich“, soll Göring gesagt haben, als er Feldmarschall Erhard Milch (1892-1972) auszeichnete, der nach den NS-Kriterien ein „Halbjude“ war. Quelle: Shoa.de

Das hast du vermutlich bei Gerd Überschär, Der Nationalsozialismus vor Gericht gelesen. Der Ausspruch wird neben Göring auch Karl Lueger zugeschrieben.
 
@ursi; Das hast du vermutlich bei Gerd Überschär, Der Nationalsozialismus vor Gericht gelesen.
Nein, wenn dann in einer Erhard-Milch-Biografie Anfang der 90er. Mit dem Autor kann ich leider so auf die Schnelle nicht mehr dienen.
 
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Der Herr Meier hatte noch einige Spüche mehr auf Lager... Ich will Meier heißen, wenn nur ein feindliches Flugzeug über die deutschen Grenzen kommt.

Den Status (nicht die Bezeichnung) The nazi number one bekam er mWn durch die Erklärung Hitlers kurz vor Kriegsbeginn, als er explizit als Nummer 2 des Naziregimes benannt wurde,noch vor Hess (der bis dato als Stellvertreter Hitlers eigentlich diese Rolle hatte).
 
Heß taugte aber nicht so recht, als Hauptangeklagter. Er mimte den Spinner, als der er innerhalb der Partei ohnehin galt. An den größten Verbrechen des 3. Reichs hatte er keinen Anteil, denn 1942 war er schon Gefangener der Briten, während Göring als Befehlshaber der Luftwaffe und de fakto Wirtschaftsminister bis zu seinem Ende neben Himmler der mächtigste Mann des 3. Reichs war, und bei den Alliierten dazu als Pour le Meriteträger und Weltkriegsfliegeras über ein gewisses Renomme´ verfügte. Göring selbst spielte unter den anderen Gefangenen seinen Status als Reichsmarschall und Kriegsverbrecher Nr. 1 aus, und wurde in dieser Rolle auch akzeptiert.
Es war sozusagen Görings letzte Rolle, in der er immer wieder an amnesie litt und mit seiner Schlagfertigkeit den ankläger Jackson manchmal alt aussehen ließ. Wenn er sich auch als Opfer von Siegerjustiz präsentierte, ist seine Schuld an der Beteiligung der Ermordung und Deportation von Millionen Menschen eindeutig erwiesen worden, weshalb er durchaus nicht dazu taugt, als "guter Nazi" verherrlicht zu werden.

Trotzdem ist der "Reichsmarschall" eine schillernde Persönlichkeit und sozusagen die Traumkarriere eines Morphinisten. "Immerhin 12 Jahre gut gelebt" mit reichlich Juwelen, alte Meister und reichlich Morphium.

Sein Carinhall war eine einzige Räuberhöhle, und es ist erstaunlich, dass Hitler diese monströse Korruption durchgehen ließ, zumal sich Göring als Chef der Luftwaffe als Dilettant erwies, der dann den völlig überforderten Udet als Sündenbock antreten ließ und zuletzt seinen Piloten Kamikazeaktionen befahl. Bleibenden Einfluß hat er allerdings als Reichsforst- und Reichsjägermeister hinterlassen, und die heute in der BRD geltenden Jagd- und Tierschutzgesetze gelten seit 1934. Es haben ja viele Leute berichtet, dass ihn am Ende die Berichte von Oberforstmeister frevert über den Rothirschbestand in der Rominter Heide mehr interessierte, als die Berichte seiner Generale. Zu einem Besucher in Carinhall sagte er "gehen wir ein bisschen jagen, ´nachdem er sich zuvor überzeugt hatte, dass für die Schorfheide keine Luftwaffenwarnung vorlag.

Noch bis zum bitteren Ende, bevor er sein Anwesen in die Luft sprengte, war die Division Hermann Göring zur Sicherung von Carinhall abkommandiert. Ein Großonkel von mir war als junger Forsteleve dorthin abkommandiert. Er erzählte einmal welcher Kasernenhofdrill dort noch praktiziert wurde, während das "Großdeutsche Reich" im Chaos versank. Ein Soldat warf einmal einen schneeball nach einem Eichhörnchen worauf die gesamte Kompanie zum Strafexerzieren in voller Montur bis zum Hals in einen Teich steigen musste.
 
@Scorpio: ...die heute in der BRD geltenden Jagd- und Tierschutzgesetze gelten seit 1934.
Sein Reichsnaturschutzgesetz wurde erst 1977 durch ein entsprechendes Bundesgesetz novelliert. Von Görings "Volksnähe" zeugt auch eine in den Goebbelstagebüchern erwähnte Begebenheit (Die beiden mochten sich überhaupt nicht.). 1945, mitten im Chaos schoss er in der Schorfheide einen Wisent, um ihn den durchkommenden Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Sollen sie doch Kuchen essen...

Aber eigentlich müssten wir hier weitermachen. http://www.geschichtsforum.de/f66/goering-der-populaerste-nazi-19066/
 
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