griechisches Nationalbewusstsein

Bitte liest bei Riedel weiter, ich konnte meinen Post oben nicht editieren:


Oder S. 240: Im Kapitel : Identitätsfaktoren und Identitätswechsel:

"In den Köpfen externer Akteure, aber auch in den Eliten des Osmanischen Reiches wich die Identität einer christlichen Schicksalsgemeinschaft allmählich dem Bild ethnisch differenzierter Abstammungs- und Sprachgemeinschaften. Mit Hinweis auf Siedlungsgebiete einer bestimmten ethnischen Gruppe ließen sich in idealer Weise neue territoriale Ansprüche begründen und einfordern. Entsprechend wandelte sich die Identitätspolitik der europäischen Großmächte zugunsten der Christen auf dem Balkan allmählich in eine Identitätspolitik der ethnischen Differenz nach dem Kriterium der Sprache und Abstammung.
Dabei orientierte sich die neue Identitätspolitik der ethnischen Differenz nicht etwa an der Selbstwahrnehmung der der Bevölkerung des Balkans, die damals noch an die Religion gebunden war. Vielmehr wurde das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gemeinschaft erst mit der Unterstützung west- und mitteleuropäischer Wissenschaftler nach Südosteuropa hineingetragen."

mehr in googlebooks...Sehr erhellend ist in diesem Zusammenhang die westl. Kartographie der Zeit, die teilweise völlig unwissenschaftlich, ja manchmal gar willkürlich, oder an den Interessen der Großmächte gebundene territoriale Grenzen der Ethnien, Sprachen, Kulturen zog, die keinesfalls ein getreues Abbild der örtlichen Gegebenheiten zeigten, oftmals auch nur auf sehr vagen Schätzungen beruhten. So werden Grenzen der Identität auch inkonsequent gezogen; ist es einmal die Sprache als Abgrenzung, ist es ein anderes mal die Konfession. Besonders auch die Farbgebung ist interessant. Interessant auch die Kongruenz der der Karten vor der Berliner Konferenz, mit den tatsächlich gezogenen Grenzen nach der Konferenz...

Heute finden wir leider diese inzwischen public domain-Karten in der Wiki wieder, wenn sich dort die "Völker" in der Abstammungsfrage die "Belege" um die Ohren hauen...

Also, es ging nicht um die Selbstwahrnehmung im Prozess der Identitätskonstruktion, sondern um Macht. Und wie ich schon öfters besonders bei den Muslimen gelesen hatte, spielte auch bei den Christen die Religon der wichtigste Faktor der Identität bis ins 19. Jh. hinein.

Ich kann es nur betonen: Hütet euch vor Rückprojektionen! :)

Byebye, und Shalom.
 
Zuletzt bearbeitet:
wich die Identität einer christlichen Schicksalsgemeinschaft allmählich dem Bild ethnisch differenzierter Abstammungs- und Sprachgemeinschaften.
Das kann aber doch nur dann geschehen sein, wenn diese "Abstammungs- und Sprachgemeinschaften" bereits (und dann auch im Sinne von Selbstwahrnehmung) bereits vorhanden gewesen sind. Daß hier eine Schwerpunktverlagerung eintrat, will ich nicht einmal bestreiten, nur wurde eben nichts neues erschaffen bzw. "konstruiert", sondern das Vorhandene politisch instrumentalisiert, um genau dieses
Mit Hinweis auf Siedlungsgebiete einer bestimmten ethnischen Gruppe ließen sich in idealer Weise neue territoriale Ansprüche begründen und einfordern.
zu erreichen.

Sehr erhellend ist in diesem Zusammenhang die westl. Kartographie der Zeit, die teilweise völlig unwissenschaftlich, ja manchmal gar willkürlich, oder an den Interessen der Großmächte gebundene territoriale Grenzen der Ethnien, Sprachen, Kulturen zog, die keinesfalls ein getreues Abbild der örtlichen Gegebenheiten zeigten, oftmals auch nur auf sehr vagen Schätzungen beruhten.
Dann mußt du ja über korrekte Karten bzw. Informationen verfügen, wenn du die damaligen Kenntnisse derart in Frage stellst. Du kennst meine Vorliebe für derartiges Kartenmaterial, lieber lynxxx, könntest du mir einige korrekte zeigen, bitte?

So werden Grenzen der Identität auch inkonsequent gezogen; ist es einmal die Sprache als Abgrenzung, ist es ein anderes mal die Konfession. Besonders auch die Farbgebung ist interessant.
Von welchen unterschiedlichen Karten sprichst du? :confused:

Interessant auch die Kongruenz der der Karten vor der Berliner Konferenz, mit den tatsächlich gezogenen Grenzen nach der Konferenz...
Da hast du wohl andere Karten als ich gesehn... :grübel:

Also, es ging nicht um die Selbstwahrnehmung im Prozess der Identitätskonstruktion, sondern um Macht.
In der Politik geht und ging es letztlich immer um Macht. Diese "Identitätskonstruktion" ist aber doch gerade die Politisierung der Selbstwahrnehmung ethnischer Identität.

Ich kann es nur betonen: Hütet euch vor Rückprojektionen!
Ebenso wie vor Projektion des eigen gewünschten Weltbildes auf vorhandene Gegebenheiten. ;)
 
Dann mußt du ja über korrekte Karten bzw. Informationen verfügen, wenn du die damaligen Kenntnisse derart in Frage stellst. Du kennst meine Vorliebe für derartiges Kartenmaterial, lieber lynxxx, könntest du mir einige korrekte zeigen, bitte?
Ich habe momentan keine Karten im Kopf, aber worauf ich mich beziehe steht hier, als ein Beispiel:
http://img182.imageshack.us/img182/5649/kartograhpiepw7.jpg

Von welchen unterschiedlichen Karten sprichst du? :confused:
Siehe Seite 239, 240, usw.
In der Politik geht und ging es letztlich immer um Macht. Diese "Identitätskonstruktion" ist aber doch gerade die Politisierung der Selbstwahrnehmung ethnischer Identität.
Selbstwahrnehmung war nicht ethnisch. Reiseberichte, Gesandschaftsreisen, Forschungsreisen, usw. zeigten dieses.

EDIT:

Ich möchte dazu auch auf diese alten Threads verweisen, Post 2:
http://www.geschichtsforum.de/f42/h...chfolgestaaten-des-osmanischen-reiches-15768/


siehe auch dieses Buch :
Bibliographisches Handbuch der ... - Google Buchsuche
aus diesem Thread:
http://www.geschichtsforum.de/f42/interessante-dokumente-ebooks-und-artikel-13930/
oder dieses Dokument:
EUROPEANIZATION AND THE SETTLEMENT OF ETHNO-TERRITORIAL CROSSBORDER CONFLICTS - THE CASE OF THE WESTERN BALKANS
aus dem gleichen Thread.

Und so weiter.
Ich erzähle hier keinen "Käse"... auch wenn es vielleicht für einige neu ist... ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Oder S. 240: Im Kapitel : Identitätsfaktoren und Identitätswechsel:
"In den Köpfen externer Akteure, aber auch in den Eliten des Osmanischen Reiches wich die Identität einer christlichen Schicksalsgemeinschaft allmählich dem Bild ethnisch differenzierter Abstammungs- und Sprachgemeinschaften. Mit Hinweis auf Siedlungsgebiete einer bestimmten ethnischen Gruppe ließen sich in idealer Weise neue territoriale Ansprüche begründen und einfordern. Entsprechend wandelte sich die Identitätspolitik der europäischen Großmächte zugunsten der Christen auf dem Balkan allmählich in eine Identitätspolitik der ethnischen Differenz nach dem Kriterium der Sprache und Abstammung.
Dabei orientierte sich die neue Identitätspolitik der ethnischen Differenz nicht etwa an der Selbstwahrnehmung der der Bevölkerung des Balkans, die damals noch an die Religion gebunden war. Vielmehr wurde das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gemeinschaft erst mit der Unterstützung west- und mitteleuropäischer Wissenschaftler nach Südosteuropa hineingetragen."

Warum so kompliziert ?
Woran macht sich beim einfachen, ungebildeten Volk ein gemeinsames Bewusstsein fest ?

M.E. durch Sprache, Religion, durch Volkssagen, Volkslieder, Tänze, Volksdichtungen, etc., wodurch gemeinsame Geschichte weitergetragen wird und mit denen man sich von den anderen Völkern differenziert. Mit denen bestimmte Ereignisse, wie vergangene Kriege, Niederlagen, Siege, volkstümlich weitergetragen werden.

Ein ungebildeter griechischer Bauer wird sicherlich nichts von antiker Geschichte gewusst haben, aber er hätte dir was vom "versteinerten König" sagen können, der in der Agia Sofia auf seine "Erweckung" wartet um das "blonde Volk" (gemeint sind die Griechen der Antike und letztlich meint man im übertragenen Sinne das Griechentum im allgemeinen) in die Freiheit zu führen.

Oder er könnte dir Volkslieder oder in Liedform gebrachte Gedichte vortragen, mit denen alte und aktuelle Ereignisse der Romäer/Griechen weitergegeben wurden. Die tiefe Religiösität der einfachen Menschen und die i.W. intakt gebliebene orthodoxe Kirche hat, was die Erinnerungen und die Identitätsbildung der Griechen angeht, immer einen großen Einfluss gehabt während der Osmanenzeit. Sicherlich war sie stockkonservativ, ein Fortschrittshinderniss und letztlich immer dem Sultan untertan, aber dennoch hat sie durch die Erhaltung der Religion und Sprache das Überleben eines einheitlichen Volks-Bewusstseins Hilfe geleistet.

Es gab nicht nur die Griechen innerhalb des Osm. Reiches, es gab sehr viele Auslandsgriechen, die unter günstigeren Umständen Zugang zu Bildung, Aufklärung und neuen Ideen hatten. Es gab schon immer große griechische Gemeinden in Italien, insbesondere in Russland, aber auch in Westeuropa. Dies waren z.T. Handelsniederlassungen griech. Reeder oder Handelshäuser, oder auch einfach Menschen, die geflüchtet oder weggezogen sind. Und es gab einige Gebiete (wie die Ionischen Inseln, Korfu z.B.) die noch nie von Osmanen besetzt wurden und daher stark von den Ideen Westeuropas (insbesondere Italiens und Frankreichs) beeinflusst wurden.
Schlussendlich wären noch die vielen Seeleute der griechischen Inseln zu erwähnen, die ab dem 18. Jahrhundert (?) einen Teil der Handelsströme von und nach dem Osm. Reich mit Ihren Schiffen beförderten und so in Kontakt mit dem restlichen Europa kamen.
Insbesondere während der napoleonischen Kriege bekam die Schiffahrt der griechischen Inseln einen großen Aufschwung, da sie durch Kontrabande und Schmugelware reich wurden (Waren gingen nach Frankreich, die englische Blockade war eben doch nie so effektiv wie man meinte).

Ich erwähne das alles, um darzustellen, dass das Bild etwas differenzierter ist, als nur die Aussage eines ausländischen Reisenden oder ein Dissertation einer sicherlich klugen Frau, die aber dennoch nur an der Oberfläche kratzt.

Im übrigen war und ist es -trotz Gastfreundschaft- Tradition, Fremde nicht den wirklichen Einblick in die eigene Gedankenwelt zu gewähren. Man speist sie mit netten, freundlichen und herzlichen Worten ab, aber die wirklich wichtigen Dinge behält man für seinesgleichen.
Eine wichtige Eigenschaft übrigens, um in einer repressiven Theokratie zu überleben

Dies in aller Kürze.
 
Zuletzt bearbeitet:
Selbstwahrnehmung war nicht ethnisch.
Na gut, fein. Stattdessen war sie, wie du darlegtest, religiöser Natur (Hervorhebungen von mir):
Identität einer christlichen Schicksalsgemeinschaft (...) Selbstwahrnehmung der der Bevölkerung des Balkans, die damals noch an die Religion gebunden war.

Ok, Gemeinschaft der Christen (im Osm. Reich) als Identität. Wie erklärst du dir bei fehlender ethnischer Selbstwahrnehmung das Entstehen der diversen authokephalen Kirchen auf dem Balkan? :confused:

Und den "Käse" nimmst du mir hoffentlich nicht allzu übel. :friends:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zurück
Oben