Ich habe es wegen seiner Grammatik genannt, die sich genauso weit vom stark flektierenden PIE entfernt hat wie Englisch.
Da muß ich Dir freilich recht geben: Bei einem Vergleich zwischen Englisch und Farsi, der sich ausschließlich auf die Grammatik stützen müßte, täten sich die Sprachwissenschaftler sehr schwer. Zumindest von den in anderen Sprachen gut demonstrierbaren "typisch indoeuropäischen" Deklinations- und Konjugationsformen sind nur noch Rudimente vorhanden.
Ja, zB. Oder man kennt die Vorläufersprachen. Farsi und Englisch sind genau solche Sprachen.
Was jedoch an der grundlegenden Methodik nichts ändert. Auch beim Vergleich zwischen Altpersisch und Altenglisch müssen lautliche Gesetzmäßigkeiten untersucht werden, bevor eine fundierte Aussage zum Verwandtschaftsverhältnis gemacht werden kann. Natürlich wird ein Sprachwissenschaftler sich lieber auf die älteren Sprachstufen stützen, weil er dann diejenigen Gesetzmäßigkeiten, die auf neuere Entwicklungen zurückgehen, ignorieren kann. Das erleichtert ihm die Arbeit, ändert jedoch nichts am methodischen Vorgehen.
Ein Wortvergleichsalgorithmus funktioniert hier deswegen ganz gut, weil man sich auf einen Kernwortschatz beschränkt (Verwandte, Körperteile, kleine Zahlen), die seltener ausgetauscht werden....
Daher legt ja auch Greenberg großen Wert auf den Vergleich eines Kernwortschatzes, der erfahrungsgemäßig selten ausgetauscht wird. Wie eindrücklich die Ähnlichkeiten auch bei einer sehr entfernten Verwandtschaft zwischen zwei Einzelsprachen sein können, zeigt der Vergleich des von Dir genannten Farsi mit dem Deutschen ebenso wie mit dem modernen Englischen: "pedar" = "father" / "madar" = "mother" / "baradar" = "brother" / "dochtar" = "daughter".
Was sich ergibt, wenn man zwei Einzelsprachen aus dem Greenbergschen Massenvergleich herauspickt, möchte ich anhand der beiden Indianersprachen Lenca und Xinca demonstrieren. In
Language in the Americas hat Greenberg zwar nicht die kompletten Wortlisten (die Worteinträge dort gehen in die Hunderttausende) veröffentlicht, sondern sich auf eine Auswahl beschränkt, wobei ich davon ausgehe, daß es sich bei dieser Auswahl um Beispiele handelt, die seiner Meinung nach besonders aussagekräftig sind.
Unter diesen "aussagekräftigen" Beispielen finde ich gerade drei (in der Liste sind es nominell vier, da die Begriffe "neck" und "chest" zwei verschiedene Begriffe bilden), die einen direkten Vergleich zwischen Lenca und Xinca ermöglichen. Nach Campbell sind diese Sprachen nicht miteinander verwandt, nach Greenberg gehören sie nicht nur zur amerindischen Makrofamilie, sondern innerhalb dieser Makrofamilie sogar zur selben Gruppe:
Lenca "thala" ("neck" = Nacken) - Xinca "tatli" ("chest" = Kasten, Brustkasten)
Lenca "asha"/"asa" ("hair" = Haar) - Xinca "susi" ("beard" = Bart)
Lenca "mangiar"/"mangin" ("work" = Arbeit), Xinca "myka" ("work" = Arbeit)
Nach meiner Einschätzung liegen diese Beispiele (die sich in Laut und Bedeutung z. T. doch sehr stark unterscheiden) noch unterhalb der Ähnlichkeiten, die man bei reinem Zufall erwarten würde. Und, wie gesagt, hier handelt es sich nach Greenbergs Klassifikation sogar noch um zwei Sprachen aus derselben Unterfamilie!
Auch phonetische Aspekte werden selten zugrunde gelegt. Hyok hat dies schon am Beispiel der Indianersprachen deutlich gemacht. Dies hat natürlich methodische Gründe. Meist liegen dem Stammbaumforscher nur Schriftproben vor, manchmal wohl auch etwas unklar transkribiert! Bei ausgestorbenen Sprachen hat man sowieso kaum Ahnung, wie ein Wort wohl ausgesprochen wurde.
Wobei der phonetische Aspekt gegenüber dem phonologischen zweitrangig ist. Wenn die alten Römer bei der Schreibung ihrer Wörter konsequent zwischen den Buchstaben X und U unterschieden, läßt sich das phonologisch ganz gut auswerten, auch wenn man nicht weiß, wie ein X oder ein U denn nun ganz genau ausgesprochen wurde.
Phonologische Unklarheiten treten natürlich bei Schriftproben auf, die ein der Sprache Unkundiger angefertigt hat, und der dann Unterscheidungen macht, die für seine Muttersprache gelten, für die aufgezeichnete Sprache jedoch unerheblich sind - während er andererseits Unterschiede überhört, die es in seiner Muttersprache nicht gibt, die jedoch in der aufgezeichneten Sprache wesentlich sind. Da im allgemeinen die Muttersprache des Aufzeichnenden bekannt ist, läßt sich das Ausmaß der Unschärfen einkalkulieren.
Schwierig wird es, wenn wir eine Schriftprobe haben, die auf einen Sprecher zurückgeht, der kein Muttersprachler war, die aufgezeichnet wurde von einer zweiten Person, die kein Muttersprachler war und schließlich gedruckt bzw. herausgegeben wurde von einer dritten Person, die ebenfalls kein Muttersprachler war. Solche Aufzeichnungen sind dann natürlich von sehr zweifelhaftem Wert. (Ein Beispiel habe ich einmal anhand des im 16. Jhdt. bezeugten Krimgotischen erläutert:
http://www.geschichtsforum.de/246690-post173.html )