Hatte Hitler eine Vorstellung wann "sein" Krieg beginnen sollte?

InNeum

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Hallo,

war der Überfall auf Polen aus der Sicht Hitlers der Beginn "seines" großen Krieges oder hat er den Überfall eher als isolierte Aktion gesehen, abgesichert durch den Vertrag mit Stalin und nicht damit gerechnet, dass GB und Frankreich Deutschland den Krieg erklären? Falls dem nicht so ist: Hatte Hitler selbst eine grobe Vorstellung wann er seine Eroberungsziele umsetzen will?

Ich kann mich ganz dunkel erinnern mal gelesen zu haben, dass Hitler einem hohen Militärangehören gegenüber angegeben haben soll in den Jahren 1942 bis 1944 mit dem Krieg beginnen zu wollen. Das letzte mal, dass ich etwas zum Dritten Reich gelesen habe ist nun aber auch schon 15 Jahre her (die Biografie von Kershaw).

Grüße,
Ingo
 
Ich kann mich ganz dunkel erinnern mal gelesen zu haben, dass Hitler einem hohen Militärangehören gegenüber angegeben haben soll in den Jahren 1942 bis 1944 mit dem Krieg beginnen zu wollen.
Das dürfte ungefähr hinkommen, wobei der angepeilte Termin mit dem vorraussichtlichen Stand der Rüstungen begründet wurde.
Hitler wollte den Krieg ursprünglich in dem Moment beginnen, in dem Deutschland den größtöglichen rüstungstechischen Vorsprung haben würde.

Allerdings dürfte fraglich sein, ob in dieser Hinsicht das angepeilte Zeitfenster überhaupt jemals realistisch war, weil die extrem schnelle, forcierte Aufrüstung Deutschlands das Land überforderte, sowohl in finanzieller Hinsicht, als auch bei den Rohstoffen. Außerdem fingen nach dem "Münchner Abkommen" die Westmächte verstärkt an Rüstungsbemühungen umzusetzen, so das fraglich erscheinen muss, ob Deutschland in Sachen Rüstungsvorsprung später tatsächlich besser dargestanden haben würde.

Es mögen aus Sicht Hitlers noch andere Faktoren dazu beigetragen haben, sich möglicherweise vom ursprünglich angepeilten Zeitfenster zu verabschieden und die eigenen Eroberungskriegsvorstellungen beschleunigen zu wollen.

Sowohl dass Nachgeben der Westmächte in Sachen Österreich und Tschechoslowakei, als auch das Bekannt werden des Großen Terrors in der Sowjetunion, dem ein Großteil der höheren Armeeoffiziere zum Opfer fiel, mögen durchaus Ereignisse gewesen sein, die Hitler dazu bewogenn haben könnten, Vorteile bereits in einem früheren Losschlagen zu sehen.
 
Ich hatte das so in Erinnerung, dass Hitler nicht mit einem eingreifen der westalliierten rechnete beim Überfall auf Polen und der Krieg wegen die SU für die Zeit danach geplant war.

Hatte man denn in Deutschland konkrete Informationen über den Rüstungsstand in Westeuropa?
 
Die deutsche Führung war davon ausgegangen, dass mit den vorhandenen Kräften das militärische Potenzial der UDSSR in wenigen Wochen zerschlagen werden konnte. Es war nicht zuletzt diese Einschätzung, die dazu geführt hat, das die Anstrengungen zur restlosen Ausschöpfung des deutschen und eroberten Potenzials nur halbherzig unternommen worden waren.

Als die Wehrmacht am 22.Juni 1941 die Grenzen der Sowjetunion überschritt, war die militärische Führung davon überzeugt, wenn schon nicht im materiellen Bereich, so doch in der operativen Führungskunst eine kriegsentscheidende Überlegenheit einzusetzen zu können.

Man war noch ganz "besoffen" von dem überraschend schnellen Sieg gegen Frankreich.

Hitler war sich darüber im Klaren, das Großbritannien und die USA sich in einem bündnisähnlichen Verhältnis befanden.
Das weitaus größere Kräftepotenzial der faktisch miteinander verbundenen Seemächte, die über die Hilfsquellen des größten Teils der Erde verfügten und den deutsch beherrschten Raum Kontinentaleuropas im Westen und Süden von den überseeischen Verbindungen abschnitten, musste dem Krieg bei längerer Dauer eine Wendung zuungunsten Nazideutschlands geben.
Die äußerste zeitlich Grenze , bis zu der sich dieses Übergewicht der angelsächsischen Mächte noch nicht wesentlich auf die strategische und operative Bewegungsfreiheit Deutschlands auswirkte, weil die Aufrüstung der USA erst Mitte 1940 begonnen hatte und der Vorsprungs Deutschland auf dem gebiet der Heeresrüstung nicht so schnell aufzuholen war, lag bei Mitte 1942.

Das war die Überlegung Hitlers und bis dahin wollte er eine grundlegende Veränderung der politischen und strategischen Situation in Europa herbei führen. Hitler war sich darüber im Klaren, wenn der Krieg den Charakter eines Abnutzungs- und Materialkrieges annahm, ganz im Stil des Ersten Weltkrieges, das dies zur vollständigen Niederlage Deutschlands führen musste.

Großadmiral Raeder hatte Hitler eindringlich vor einem Zweifrontenkrieg gewarnt. Andere militärische Führer wollen Hitler unter Vieraugen gewarnt haben, so beispielsweise der Chef des OKW Keitel.
 
Nur vier Tage nach seiner Ernennung zum Reichskanzler hatte Hitler am 3. Februar 1933 vor den ranghöchsten Offizieren der Reichswehr über die gewaltsame Eroberung von "Lebensraum im Osten" gesprochen. Voraussetzung dafür war ein Krieg gegen Polen. Die deutsche Bevölkerung müsse von nun an auf einen Krieg eingestellt werden, forderte Hitler von der deutschen Presse einen Tag nach dem "Novemberpogrom" von 1938
Quelle: Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Kapitel: Zweiter Weltkrieg
 
Der Krieg ist Teil der sozialdarwinistischen Ideologie der Nazis gewesen, er musste irgendwann kommen. Hitler wäre ein früherer Zeitpunkt lieber gewesen, Er hätte auch am liebsten gegen die Tschechoslowakei schon Krieg geführt. Wir kritisieren heute die Appeasementpolitik (zu Recht), aber ohne sie wäre der Krieg nur früher gekommen. Sie hat ihn nur verzögert, aber nicht verhindert.

Hitler war sich darüber im Klaren, das Großbritannien und die USA sich in einem bündnisähnlichen Verhältnis befanden.
Das weitaus größere Kräftepotenzial der faktisch miteinander verbundenen Seemächte, die über die Hilfsquellen des größten Teils der Erde verfügten und den deutsch beherrschten Raum Kontinentaleuropas im Westen und Süden von den überseeischen Verbindungen abschnitten, musste dem Krieg bei längerer Dauer eine Wendung zuungunsten Nazideutschlands geben.
Die äußerste zeitlich Grenze , bis zu der sich dieses Übergewicht der angelsächsischen Mächte noch nicht wesentlich auf die strategische und operative Bewegungsfreiheit Deutschlands auswirkte, weil die Aufrüstung der USA erst Mitte 1940 begonnen hatte und der Vorsprungs Deutschland auf dem gebiet der Heeresrüstung nicht so schnell aufzuholen war, lag bei Mitte 1942.
Sicher, die USA haben die Briten beliefert usw. Aber - keine Tagespolitik, nur ein Vergleich - so wie derzeit nicht sicher ist, wie sich die USA ab Januar 2025 im Ukrainekrieg verhalten werden, weil im Herbst Wahlen anstehen, war auch keineswegs gesichert, dass die USA auf britischer Seite in den Krieg eintreten würden. es war ja Japan, dass die USA angriff und Hitler, der darauf als Verbündeter Japans den USA den Krieg erklärte. Sicher auch, damit deutsche U-Boote amerikanische Frachter, die kriegswichtiges Material nach GB brachten angreifen könnten. Aber es gab in den USA durchaus eine starke deutsch- und nazifreundliche "Gemeinde", die einige prominente Vertreter hatte.
 
Der Krieg ist Teil der sozialdarwinistischen Ideologie der Nazis gewesen, er musste irgendwann kommen. Hitler wäre ein früherer Zeitpunkt lieber gewesen, Er hätte auch am liebsten gegen die Tschechoslowakei schon Krieg geführt.
Aber nicht, weil er den Krieg, zumal mit den Westmächten zu diesem Zeitpunkt unbedingt wollte, sondern weil er eigentlich die gesamte CSR schlucken bzw. de facto unter eigene Kontrolle bekommen wollte und nicht bloß die deutschsprachigen Randgebiete.

Was natürlich sowohl im Hinblick auf die tschechische Industrie, als auch im Hinblick darauf näher an die UdSSR zu rücken, um einen Zugang für einen künftigen Landkrieg dort zu haben insoweit aus Hitlers Logik und Zielvorstellung heraus Sinn ergab.

Hier dürfte Hitlers Frust eher dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass er seinen eigentlichen Zielen nur minimal näher rückte, als dem Umstand, dass es noch keinen Krieg gab.
 
als auch im Hinblick darauf näher an die UdSSR zu rücken, um einen Zugang für einen künftigen Landkrieg dort zu haben
Wie das denn? Die Tschechoslowakei hatte nicht einmal eine gemeinsame Grenze mit der Sowjetunion. Mit Ostpreußen (das freilich auch keine gemeinsame Grenze hatte) reichte das Deutsche Reich fast so weit an die Sowjetunion heran wie über die Tschechoslowakei. Für einen Landkrieg war die Kontrolle über Polen (sei es als besetztes Land, sei es allenfalls als Verbündeter) aber so oder so unumgänglich.
 
Wie das denn? Die Tschechoslowakei hatte nicht einmal eine gemeinsame Grenze mit der Sowjetunion. Mit Ostpreußen (das freilich auch keine gemeinsame Grenze hatte) reichte das Deutsche Reich fast so weit an die Sowjetunion heran wie über die Tschechoslowakei. Für einen Landkrieg war die Kontrolle über Polen (sei es als besetztes Land, sei es allenfalls als Verbündeter) aber so oder so unumgänglich.
Natürlich ging es nicht ohne Polen entweder zu besetzen oder als Verbündeten ins Boot zu.

Mit der Kapartoukraine konnte sich aber ein Zugang direkter nach Rumänien ergeben und das war deutlich näher an den wirtschaftlich interessanten Gebieten der UdSSR drann, als Ostpreußen und von dem her keine so ganz uninteressante Position, wenn man auf der Rechnung hatte, dass Deutschland vom rumänischen Öl abhängig sein würde und dass dementsprechend es nicht unwahrscheinlich war, dass Rumänien in eine Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion mit hineingezogen würde.
 
Für die deutsche Kriegführung im Zweiten Weltkrieg war Rumänien von zentraler Bedeutung. Ohne das rumänische Öl wären die weitreichenden Operationen der Wehrmacht in den ersten Kriegsjahren überhaupt nicht möglich gewesen. Daher hin von dem deutsch-rumänischen Verhältnis die strategische Bewegungsfreiheit Deutschlands ab.

Das Münchener Abkommen von 1938 war von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Auf deutscher Seite neigte man dazu in dem Sinne zu interpretieren, dass sich die Westmächte nicht nur wirtschaftlich sondern auch politisch an den Fragen OSt- und Südosteuropas desinteressiert gezeigt und diese Gebiete als deutsche Interessensphäre anerkannt hätten.

Die Art und Weise, ich spiele auf dem Schiedsspruch an, wie die ungarischen Ansprüche gegenüber der Tschechoslowakei befriedigt wurden, schienen diese Neigung zu bestätigen.

Auch von der rumänischen Regierung wurde das Münchener Abkommen als Wendepunk der europäischen Politik betrachtet, der eine Neuorientierung der rumänischen Außenpolitik notwendig machte. Schon am 29.September, die Konferenzergebnisse waren noch gar nicht bekannt, suchte der rumänische Hofmarschall Flondor im Auftrage Urdareannus den deutschen Gesandten auf, um ihm den Wunsch König Carols mitzuteilen, die Beziehungen zu Deutschland enger als bisher zu gestalten. Das war der Anfang.
 
Die deutsche Propaganda berauschte sich ja schon bei dem Erreichen des Hauptziels des Revisionismus: Österreich.
Was dabei übersehen wird, das es wichtige Motive für den "Anschluß" wirtschaftlich und wehrwirtschaftliche Engpässe waren, welche die Aufrüstung mit sich gebracht hatte. Schon 1937 zeichneten sich Deckungslücken im Rohstoffbedarf der Wehrmacht ab. Österreich war auch wichtig, wegen seiner "freien" Industriekapazitäten, Devisen und Arbeitskräfte von Interesse. Auch in den Augen Hitlers war die Alpenrepublik ein nicht unwesentlicher Mosaikstein im Ablauf der geplanten wirtschaftlichen und militärstrategischen Expansion.

Auch bei der brutalen "Zerschlagung" der Tschechoslowakei wurde Beute gemacht. Panzer, Flugzeuge, Geschütze, Gold, Devisen etc. Und natürlich wurden auch hier die industriellen Kapazitäten der deutschen Rüstung dienstbar gemacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hitler hatte dem Marineoberbefehlshaber Raeder nach 1935 versichert, dass es erst 1945 zu einem Krieg gegen Großbritannien kommen würde. Raeder hatte zwei Szenarien entwickelt:

Bei einem früheren Kriegsbeginn wäre der Aufbau einer U-Boot-Flotte sinnvoll, welche schnell zu realisieren war um damit die britische Insel vom Nachschub abzuschneiden.

Bei einem späteren Krieg war der Aufbau einer Schlachtflotte nebst den erforderlichen weiteren Einheiten (Flugzeugträger, Kreuzer, Zerstörer und Trossschiffe) die Lösung. Nur damit ließ sich die Seeherrschaft gegenüber Großbritannien erringen.

Da Hitler Raeder gegenüber keinen Kriegsbeginn gegen Großbritannien vor 1945 versichert hatte, setzte die Kriegmarine den Z-Plan um. Das Ergebnis war dann, dass die Kriegsmarine 1939 mit einer Mini-Flotte ohne ausreichende Anzahl an U-Booten in den Krieg zog.
 
Hallo,

war der Überfall auf Polen aus der Sicht Hitlers der Beginn "seines" großen Krieges oder hat er den Überfall eher als isolierte Aktion gesehen, abgesichert durch den Vertrag mit Stalin und nicht damit gerechnet, dass GB und Frankreich Deutschland den Krieg erklären? Falls dem nicht so ist: Hatte Hitler selbst eine grobe Vorstellung wann er seine Eroberungsziele umsetzen will?

Ich kann mich ganz dunkel erinnern mal gelesen zu haben, dass Hitler einem hohen Militärangehören gegenüber angegeben haben soll in den Jahren 1942 bis 1944 mit dem Krieg beginnen zu wollen. Das letzte mal, dass ich etwas zum Dritten Reich gelesen habe ist nun aber auch schon 15 Jahre her (die Biografie von Kershaw).

Grüße,
Ingo
Hitler jedenfalls wollte den Krieg zu jedem Preis und ihn selbst als Führer führen.
Er glaubte, dass ihm kein langes Leben beschieden sein werde, und hatte auch daher Interesse bei erster als günstig empfundenen Gelegenheit den Krieg zu beginnen.

Bereits im Jahr der Machtergreifung 31.1.1933 verdoppelt sich der Anteil der Rüstung am Bruttosozialprodukt (1,5% auf 3,2%)
Das steigert sich dann bis 1938 auf 18%.

Es braucht Jahre bis man eine Volkswirtschaft auf Kriegswirtschaft umstellt, und entsprechend ist ein Rüstungsvorsprung vorteilhaft um Krieg zu beginnen. Und der Vorsprung selbst kann ja nur über kurze Zeit erhalten bleiben.

Sicher darf man davon ausgehen, dass Hitler die erste große Chance sein Vorhaben ins Werk zu setzen 1938 bei der "Sudetenkrise" sah,
und dass er sehr erbost über seinen "Triumph" in München war. Sinngemäß: "der Saukerl [Chamberlain] hat mir den Einmarsch Prag versaut.

(Und das 3. Reich verlor fast ein Jahr Vorsprung, insbesondere bei der Luftwaffe.)
 
Ich meine der Kampf gegen die UdSSR (Krieg gegen die UdSSR) war bereits in seinem Buch „Mein Kampf“ angezeigt.
 
Apropos „Mein Kampf“...
Hitler war ja in Landesberg/BL BY im Knast.
Er war aber nur vom 01.04.1924 – 20.12.1924 dort. Er wurde ja auf Bewährung vorzeitig entlassen. Er hatte ja 5 Jahre bekommen.
01.04.1924 – 20.12.1924 = 8 Monate, 2 Wochen, 5 Tage.

Interessant ist für mich das er (A.H.) von Frau Helene Bechstein, die Ehefrau des berühmten Pianoherstellers Edwin Bechstein, die Schreibmaschine (Reiseschreibmaschine des USA-Herstellers Remingtom) bekam und das Frau Winifred Wagner geb. Williams, verheiratet Wagner (mit Sohn Siegfried) das Papier (es war wohl eine größere Menge) für dieses Machwerk lieferte.
 
@Ralf.M

Die Gemeinde heißt Landsberg am Lech, nicht Landesberg. Ja, Hitler schrieb bzw diktierte von einem Ringen um Lebensraum im Osten, richtig konkret "Krieg gegen Sowjetunion" stand natürlich nicht drin soweit ich weiß.

Ich habs aber auch nie gelesen, nur mal die Stelle mit "Hausmaus zu Hausmaus, Feldmaus zu Feldmaus" nachgeblättert weil ich nicht glauben konnte das so ein Vollquark in dem Buch steht :D
 
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