Hexenjagden gab es nicht nur in der frühen Neuzeit …

Du schreibst von der spanischen Inquisition

Ich schreibe von der Inquisition. Das mit "Rom" hast Du "überlesen"? Inquisitoren wurden grundsätzlich von Rom entsandt bzw. ernannt; die Spanische Inquisition hatte allerdings eine gewisse Sonderstellung - sie wurde de facto von der spanischen Krone kontrolliert, der von ihr vorgeschlagene Großinquisitor wurde formal vom Papst ernannt.

Da Dein Beitrag sich um "Glaubensabfall" dreht, ging ich davon aus, dass auch Du die Inquisition im Sinn hattest.


Ich werde das Gefühl nicht los, dass es bei der Wikipedia Autoren gibt, die die Rolle der Fürstbischöfe - und -äbte bei den Hexenverfolgungen kleinreden wollen, obwohl sich die katholische Kirche selbst – und da vor allem die Dominikaner! – inzwischen zu ihren diesbezüglichen Sünden bekannt hat.
Es ist immer empfehlenswert, sich nicht auf Wikipedia allein zu stützen. Ich werde allerdings das Gefühl nicht los, dass Du den Wikipedia-Autoren unredliche Motive unterstellst, weil Du Dir einfach nicht vorstellen kannst, dass es Leute gibt, die sich für den Stand der Forschung interessieren, ohne auf propagandistischer Mission zu sein. Deine Vorstellung über die Rolle der Fürstbischöfe und -äbte dürfte jedenfalls etwas antiquiert sein:
 
Teufelspakt war ein Glaubensabfall: Man kann nicht Christus anbeten und gleichzeitig den Teufel. Und es war der Teufel, der den Schadenszauber befahl – der Mensch war nur das ausführende Organ. Oder anders gesagt: Hätte er oder sie sich nicht den Teufel ergeben und ihn angebetet, hätten sie auch keinen Schadenszauber bewirkt.

Bei Leugnung der Teufelsbuhlschaft untersuchte man sie z.B. nach (unempfindlichen) Muttermalen. War da nichts zu finden, war auch das ein Werk des Teufels, also musste gefoltert werden. Überstand jemand die Folter, dann wurde auch das als Hilfe des Teufels angenommen: So begründete man Folterungen über mehrere Tage und Wochen und Monate, was eigentlich verboten war. Darin sieht man, dass der Bund mit dem Teufel das eigentliche Verbrechen darstellte.

Wer gestand, mit dem Teufel im Bunde zu sein, der wurde auf dem Scheiterhaufen zuerst erdrosselt und dann verbrannt, wer aber nicht gestand, wurde lebendig verbrannt. Das vertrug sich nicht mit der Bestimmung, dass für eine Verurteilung zwingend ein Geständnis gehörte. Aber was sind schon Bestimmungen wert, wenn jemand wie der Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn an jedem Dienstag Hexen brennen sehen will.

Ohne Geständnis ließ sich auch keine Verurteilung rechtfertigen, und ohne Verurteilung gab es auch keine Hinrichtung. Immer wieder gab es Fälle, dass Angeklagte bis zuletzt nicht gestanden, dass sie freikamen und sogar Verfolgungen kippten oder beendeten.
In Nördlingen war die Kronenwirtin Maria Holl mehrfach gefoltert worden.
Sie hatte auch mal gestanden- ihre Geständnisse aber immer wieder widerrufen, und zuletzt war sie standhaft geblieben, obwohl die Frau keinen heilen Knochen mehr im Leib hatte, so hatte Maria Holl bis zuletzt nicht gestanden.

Ihre Verwandten in Ulm setzten den Rat von Nördlingen unter Druck, und so musste die Kronenwirtin zuletzt frei gelassen werden. Maria Holl konnte mangels Geständnis nicht verurteilt werden. Holl galt in der Stadt nach wie vor als Hexe, viele Nördlinger müssen vor ihr Angst gehabt haben, größere vermutlich als vor Caspar Pfolmer, dem Meister Hans von Nördlingen. Holl überlebte alle ihre Peiniger und starb in Nördlingen.

Auch bei anderen Verfolgungswellen in anderen Städten gab es immer wieder Fälle, dass Angeklagte standhaft blieben. In Rheinbach hatte der Hexenkommissar Franz Bürmann die ehemalige Bürgermeister-Witwe Christina Böffgen so massiv gefoltert, dass sie dabei drauf ging.

Es kam immer wieder vor, dass einzelne Angeklagte nicht gestanden und am Ende sogar eine Hexenverfolgung zum Kippen oder gar zum Ende brachten.

Maria Holl gestand nicht, sie kam davon, und durch Druck aus Ulm hörten die Hexenprozesse in der Freien Reichsstadt Nördlingen auf.
Wie schon erwähnt war es in Lemgo Maria Rampendal, die resolute Frau eines Barbiers die sich an das Reichskammergericht wandte und die letzte Welle in Lemgo stoppte.

Etwa 10 % der Bevölkerung 200 Frauen und einige Männer waren in mehreren Wellen in Lemgo dem Hexenwahn zum Opfer gefallen. Lemgo hatte etwa 2000 Einwohner.

In Bamberg dürften es sogar etwas mehr gewesen sein, da ging fast der gesamte Stadtrat samt dem 2. Bürgermeister drauf.

In Bamberg war es Barbara Schwarz, der Wirtin zur Gans gelungen, standhaft zu bleiben. Sie war gefoltert worden, hatte aber nicht gestanden. Nicht nur das! Ihr gelang die Flucht aus dem Gefängnis, und zerschunden schlug sie sich bis Regensburg durch, wo gerade der Reichstag tagte. Schwarz warf sich dem Kaiser zu Füßen und bat um ein gerechtes Verfahren. Auf Druck von Kaiser und Reichstag endeten die Verfolgungen in Bamberg.

In diesen Städten kam es ab einem bestimmten Punkt dazu, dass Verfolgungen kippten. Die ersten Prozesswellen in Würzburg waren unter Philipp Adolf von Ehrenberg noch von der Bevölkerung begrüßt worden.

Bei den Verfolgungen in Würzburg und Bamberg da war der Hauptvorwurf immer wieder Schadenzauber, das "Verderben der Frucht", da ging es immer wieder ganz konkret um Klima- und Erntekatastrophen in den Jahren 1618-21. Da wird erwähnt, dass in Franken die Weinernte futsch war und erfror, dass sich das Laub im Frühjahr Schwarz verfärbte, dass die "Frucht verdorben" wurde, da wird konkret "Hagel und Wetter machen" als Anklagevorwurf erwähnt.
 
Echter von Mespelbrunn war Fürstbischof und damit auch ein Mann der Kirche genauso wie Johann Gottfried von Aschhausen, Philipp Adolf von Ehrenberg, Franz von Hatzfeld, Franz von Ingelheim, Philipp von Greiffenklau, Johann von Schönenberg*, Wolfgang von Hausen**, Johann Christoph von Westerstetten (Zitat: Während seiner Amtszeit sind von 1613 bis 1630 im Hochstift Eichstätt mindestens 199 Hexenprozesse und 176 Hinrichtungen von 150 Frauen und 26 Männern wegen Hexerei nachweisbar.), Martin von Schaumberg, Johann Konrad von Gemmingen, Johann Adam von Bicken***, Johann Schweikhard von Cronberg, Johann Christoph von Freyberg-Eisenberg, Friedrich Förner, etc.

Sie waren in der Mehrzahl Fürstbischöfe oder -äbte, manche “nur” Bischöfe. Deren Treiben konnte erst durch höhere Stellen wie z.B. vom Reichskammergericht oder Reichshofrat beendet werden. Quelle: historicum.net


* Obwohl unter Verantwortung des Johann von Schönenberg die schlimmsten Hexenverfolgungen in Kurfürstentum Trier stattfanden, erwähnt die deutsche Wikipedia nur seine Verdienste um die Eindämmung der Hexenprozesse. Und zu Hexenprozessen selbst wird nur gesagt – Zitat:

In diesem Kontext kam es im Trierer Land auch zu schrecklichen Hexenverfolgungen, die jedoch ein konfessionsübergreifendes und zeitbedingtes Phänomen darstellten.

Das ist nicht falsch, aber eben entschuldigend, schließlich war von Schönenberg derjenige, der die Verfolgung der Hexen (und der Protestanten und der Juden) angeordnet hatte.


** Ebenfalls quasi entschuldigend steht in Wikipedia auch zu Wolfgang von Hausen Zitat:

Während seiner Amtszeit fanden im Jahre 1588 die ersten Hexenprozesse in Ellwangen statt. Aus seiner Amtszeit stammen aber auch mehrere Baudenkmäler.

Auch das ist nicht falsch, aber eben nicht die ganze Wahrheit. Wie es in Ellwangen unter seiner Führung – und der seiner Nachfolger – zuging, erfährt man erst unter Hexenprozesse in Ellwangen – Zitat:

Während der Regierungszeit der Fürstpröpste Wolfgang von Hausen (1584–1603), Johann Christoph I. von Westerstetten (1603–1613) und Johann Christoph von Freyberg-Eisenberg (1613–1620) wurden 1588 und 1611 bis 1618 ungefähr 450 Personen hingerichtet, viele auf dem Scheiterhaufen. Das waren etwa die Hälfte der Ellwanger Frauen und jeder sechste Mann.


*** Zitat aus Wikipedia zu Johann Adam von Bicken: Das Bild des jungen, auf Sicherung und Ausbau des katholischen Bekenntnisses bedachten Kurfürsten ist dadurch stark getrübt, dass er Bestrebungen zur Hexenverfolgung nachgab. Der Erzbischof ließ nämlich, wie sein Nachfolger Johann Schweikhard von Cronberg, Hunderte Hexenprozesse in Kurmainz durchführen. Von 1601 bis 1604 fanden unter Kurfürst Johann Adam von Bicken im ganzen Hochstift 650 Hinrichtungen vermeintlicher Hexen statt.

Das mit dem Nachgeben ist wohl ein Witz, denn wäre er zu den Hexenprozessen quasi gezwungen gewesen, hätten in Mainz nicht so viele Menschen auf dem Scheiterhaufen brennen dürfen – es gibt ja Beispiele von Fürsten, die Hexen eben nicht oder nicht solchem Umfang verfolgen ließen.

Im Hochstift Fulda war einiges los - in den Jahren 1603-1606 wurden dort ca. 260 Personen verbrannt, in der Mehrzahl Frauen, (in anderen Dokumenten steht die Zahl 250 oder 270), aber zu lesen ist dort nur ein lapidarer Satz - Zitat: Den Hexenverfolgungen im Hochstift Fulda fielen ca. 250 Menschen zum Opfer.

250 Menschen sind dort innerhalb von 3 Jahren verbrannt worden, und da steht nur ein Satz darüber. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es bei der Wikipedia Autoren gibt, die die Rolle der Fürstbischöfe - und -äbte bei den Hexenverfolgungen kleinreden wollen, obwohl sich die katholische Kirche selbst – und da vor allem die Dominikaner! – inzwischen zu ihren diesbezüglichen Sünden bekannt hat.

Man muss sich schon die einzelnen Verfolgungen genau anschauen, und auch die Personen. In Bamberg war Fürstbischof Georg Fuchs von Dorheim verantwortlich. Fuchs von Dornheim war wie viele dieser Geistlichen im Geiste der Gegenreformation geprägt, Fuchs von Dornheim glaubte fest an Hexen, hatte Angst vor ihnen. Er galt aber eher als schwache Persönlichkeit.

Die Verfolgung wurde schon unter Fuchs Vorgänger Johann Gottfried I. von Aschhausen unter Fuchs von Dornheim aber nochmal gesteigert. Die treibende Kraft war aber Weihbischof Friedrich Förner, der öffentlich predigte und zur Verfolgung aufrief.

Förner und Dornheim lagen seit langem im Clinch mit dem Rat der Stadt. Förner erkannte, die Hexenverfolgung auch als Chance, den Rat zu entmachten. Der Bürgermeister Johannes Junius und Georg Haan hatten die Prozesse kritisiert. Sie mussten dann auch dran glauben. Förner und die Hexenkommissare scherten sich nicht um Recht und Gesetz.


Bei den Verfolgungen in Kurtrier war vor allem Weihbischof Peter Binsfeld verantwortlich und die treibende Kraft. Als Hexentheoretiker war Binsfeld und seine Schrift Von der Bekantnuß der Zauberer und Hexen war bedeutender fast noch, als der Hexenhammer.
Ein kurfürstlicher Beamter und Vertrauter von Johann von Schönenburg, Dietrich Flade, der Doktor der Jurisprudenz war und ein Gegner der Prozesse, fiel selbst der Verfolgung und Binsfeld zum Opfer. Da man ihm nicht nur Zauberei anhängen wollte, beschuldigte ihn Binsfeld, er habe von Schönenberg vergiften wollen.
 
Deine Vorstellung über die Rolle der Fürstbischöfe und -äbte dürfte jedenfalls etwas antiquiert sein:
So, so, meine Vorstellung über die Rolle der Fürstbischöfe und -äbte sei jedenfalls etwas antiquiert? Ich lese aber aus dem dir gebrachten Link etwas anderes - Zitat:

Die geistlichen Gebiete machten lediglich etwa 15 Prozent des Alten Reiches aus, doch gerade auf diese entfallen rund 40 Prozent aller belegten Hexerei- und Zaubereiprozesse.

Das spricht dafür, dass die geistlichen Fürsten mit den Hexen rigoroser verfuhren als die weltlichen. Hat das vielleicht doch damit zu tun, dass Teufelsanbetung als Glaubensabfall interpretiert wurde, was für geistliche Fürsten größere Bedeutung haben könnte als für die weltliche?

Zuletzt noch ein Zitat aus dem von dir gebrachten Link:

Der Einfluss der bischöflichen Zentralregierung, den die frühere Forschung nachdrücklich betonte, wurde zwar relativiert, aber nicht negiert. Hervorgehoben wurde die oft konfliktbeladene Dynamik zwischen geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, Kirchenfürsten und Landständen, Zentralstaat und Gemeinde oder Stadt- und Dorfkommune. Inwieweit es Sonderfaktoren gab, kann erst ein Vergleich zwischen geistlichen und weltlichen Verfolgungsregionen offenlegen.

Daraus entnehmen ich: Einen solchen Vergleich gibt es bis heute nicht. Aber irgendwann werden wir wohl erfahren, warum es in den geistlichen Herrschergebieten überproportional häufig zu Hexenprozessen kam.
 
So, so, meine Vorstellung über die Rolle der Fürstbischöfe und -äbte sei jedenfalls etwas antiquiert?

Da werde ich gern etwas konkreter:


Daher nimmt es nicht wunder, dass der Fürstbischof von Würzburg, Julius Echter von Mespelbrunn, ein großer Ketzerverfolger und Rekatholisierer, erklärte, er wolle an jedem Dienstag Hexen brennen sehen.

Diese Erklärung wurde Echter von einem anonymen Flugblatt in den Mund gelegt. Das hättest Du auch bei Wiki nachlesen können.

Und seine Gerichte lieferten ihm auftagsgemäß, was blieb ihnen auch übrig.

Eine faktenfreie Behauptung, die dem Quellenbefund widerspricht:

Die Unterlagen der Zent Remlingen, der bisher einzige bekannte Provenienzbestand einer Zent mit nennenswertem Umfang, ermöglichen erstmals einen genauen Blick auf das Agieren von Gemeinden, Zentgericht und Würzburger Zentrale in den Hexenprozessen der späten Echterzeit. Das Ergebnis: Die Initiative zu den Verfahren kam jeweils aus den Gemeinden, und die Würzburger Juristen unter Julius Echter unterbanden die Prozesse zwar nicht vollständig, grenzten sie aber ein. Nach den Remlinger Unterlagen gab es im Hochstift Würzburg auch in den späten Echter-Jahren keine von oben initiierte oder gesteuerte Hexenverfolgung. Dies widerspricht der gängigen, sich auf Gerolzhofen stützenden Forschungsmeinung zu den späten Echterjahren diametral.
[...]
Was können wir als Fazit festhalten? Nach derzeitigem Kenntnisstand sind aus den ersten 27 Jahren der Regentschaft des Fürstbischofs keine Hinrichtungen wegen Hexerei bekannt. Die überlieferten Verfahrensunterlagen zeigen einen gleichartigen Ablauf der Verfahren: Denunziationen aus dem Dorf wurde mit einem ordentlichen Verfahren begegnet, das mit Freispruch bzw. in einem Fall mit Landesverweisung endete. Das Hochstift Würzburg war von 1573 bis 1600 nach derzeitigem Kenntnisstand prozessarm und hinrichtungsfrei. Ganz anders das auch in der Wissenschaft verbreitete Bild vom Hexenbrenner Julius Echter, für das ich hier Lyndal Ropers „Hexenwahn“ beispielhaft analysiert habe. Die Überzeugung, dass dem so sei, führt zu Urteilen wie „für den katholischen Bischof Echter gehörte die Hexenjagd zu den selbstverständlichen Aufgaben [seines] Berufs.“ Eine Aufgabe, der er 27 Jahre lang nicht nachkam, könnte man anmerken. Die Vorstellung vom Hexenbrenner war und ist offenbar so stark, dass bei Echter elementare Regeln im Umgang mit den Quellen nicht beachtet werden.
 
So kannte Heinrich Kramer wahrscheinlich die Schriften von Nicolaus Eymerich, obwohl die für Verfolgung von Ketzern geschrieben waren. Aber für Eymerich waren Hexen auch Ketzerinnen - siehe oben -, also war es für Kramer leicht, die dortigen Anleitungen zu übernehmen.

Kramer wird sicher Eymerichs Schriften gekannt haben; er nennt ihn zwar nicht namentlich, setzt sich aber mit den "Meinungen" spanischer Inquisitoren aus dem Dominikanerorden auseinander, insbesondere mit der Meinung, Hexen, Weissager und Totenbeschwörer seien grundsätzlich als Ketzer zu behandeln und fielen daher in jedem Fall in die Zuständigkeit der Inquisition. Kramer ist gegenteiliger Meinung (!) und verwendet erhebliche Mühe darauf, Eymerich und seine spanischen Kollegen zu widerlegen, wobei er den individuellen Tatbestand der Ketzerei sehr eng definiert.

Kleine Kostprobe, O-Ton Kramer in moderner deutscher Übersetzung:
"... also frommt es, gewisse Meinungen anderer Inquisitoren in verschiedenen Reichen Spaniens vorzuführen und sie – immer unbeschadet der Ehrfurcht vor ihnen, da wir in einunddemselben Orden, dem der Prediger, dienen – zu erschüttern, damit man in den Einzelheiten eine desto klarere Einsicht habe.
Es ist also ihre Meinung, daß alle Hexer, Weissager, Nigromantiker, kurz, unter welche Art von Wahrsagungen sie gehören, und zwar soweit sie einmal den heiligen Glauben angenommen und bekannt haben, dem Gericht der Inquisitoren derart unterstellt sein sollen, daß in den drei Stücken, die dem Kapitel Multorum querela im Anfang de haer. in Clemen. vermerkt werden, weder der Inquisitor ohne den Bischof, noch der Bischof ohne den Inquisitor vorzugehen habe [...]
Die Inquisitoren haben sich nicht einzumengen, außer bei einem Verbrechen der Ketzerei, und zwar ist es zu dem nötig, daß jenes Verbrechen offenkundig ist. Das ergibt sich aus dem oft zitierten c.accusatus und § sane.
Steht dies fest, dann wird weiter argumentiert: Wenn jemand etwas begeht, was er ohne die Sünde der Ketzerei begehen kann, so ist er, wie schwer und ungeheuerlich das auch immer ist, doch noch nicht als Ketzer zu beurteilen, mag er auch zu bestrafen sein. Daraus folgt, daß, wenn jemand nicht als ein Ketzer zu beurteilen, sondern als Übeltäter zu bestrafen ist, der Inquisitor sich nicht einmischen darf; aber er darf einen solchen nach dem Wortlaut des Canon seinen Richtern zur Bestrafung überlassen.
Steht dies wiederum fest, so folgt, daß sich bezüglich aller von den Glossatoren, Kanonisten und Theologen beigebrachten Punkte, wie die Dämonen anrufen, ihnen opfern etc., wie oben berührt worden ist, die Inquisitoren nicht einmengen dürfen, sondern sie ihren Richtern überlassen müssen, wie oben, ausgenommen wenn derlei aus der Sünde der Ketzerei hervorgegangen ist.
Steht dies wiederum fest, so wird mit den unten bezeichneten Argumenten und Gründen bewiesen, da die vorgenanten Dinge sehr oft ohne die Sünde der Ketzerei geschehen können, in welchem Falle die derartiges Tuenden nicht für Ketzer zu halten oder zu verdammen sind."

Dabei geht Kramer so weit, auch einen Pakt mit Dämonen nicht für identisch mit dem Tatbestand der Ketzerei zu erklären:

"Und in derselben Weise (ist zu handeln) von denjenigen, welche den Dämon anbeten und ihm opfern. Denn wenn sie das in dem Glauben tun, in den Dämonen sei etwas Göttliches, oder in dem Glauben, daß ihm der Kultus der Latrie darzubringen sei, oder daß sie auf jeden Fall infolge der Darbringung eines solchen Kultus erlangten, was sie vom Teufel fordern, ohne daß Gottes Verbot oder auch Zulassung entgegen stände, so wären solche Leute Ketzer. Aber wenn sie das tun, ohne vom Dämon so zu denken, sondern (in dem Wunsche), auf Grund irgend eines Paktes mit dem Dämon durch jene (Handlungen) leichter von ihm zu erreichen, was sie beabsichtigen, so sind solche (Leute) der Natur der Sache nach keine Ketzer, mögen sie auch schwer sündigen."​

Und sogar bei der "Ketzerei der Hexen" könne die Kirche, im Unterschied zu anderen Ketzereien, sich heraushalten und die Sache den bürgerlichen Gerichten überlassen:

"Es scheint auch, daß in der Ketzerei der Hexen, wenn auch nicht in anderen Ketzereien, auch die Diözesanen selbst ihre Rolle beim Erkennen und Urteilen auf dem bürgerlichen Forum abzutreten imstande sind; einmal, wie in den Argumenten berührt wird, weil dies Verbrechen der Hexen nicht rein geistlich, sondern im Gegenteil wegen der zeitlichen Schädigungen, die (von den Hexen) angetan werden, mehr bürgerlich ist, dann auch, weil man sieht, daß besondere Gesetze zur Bestrafung der Hexen bezüglich des ganzen Herganges der Bestrafung herausgegeben worden sind.
Es scheint endlich, daß dieser Hergang sehr viel zur Ausrottung der Hexen und zur größten Erleichterung der Ordinarien dienen würde, wenn ein in der Öffentlichkeit zu fürchtender Richter da ist [...]"​

Wer den ganzen diesbezüglichen Sermon durchlesen will, 3. Teil, Seiten 1-30:
 
Vielen Dank, @Sepiola, für den Link auf die deutsche Übersetzung des Hexenhammers.

Aber hier zitierst du Robert Meier
… Nach derzeitigem Kenntnisstand sind aus den ersten 27 Jahren der Regentschaft des Fürstbischofs keine Hinrichtungen wegen Hexerei bekannt. …
Ich frage mich, was soll diese Relativierung, denn aus den folgenden 17 Jahren seiner Regentschaft, dürften mindestens 200 angebliche Hexen verbrannt worden sein – vielleicht waren es sogar deutlich mehr. Das reicht, um ihn als Hexenverbrenner zu apostrophieren. Oder bist du anderer Meinung?
 
Wenn es darum geht, @muck, ob ein Fürstbischof besonders eifriger Hexenverfolger war, spielt die Zahl der Verurteilungen während seiner Regierungszeit schon eine wichtige Rolle. Und da liest sich eine Untersuchung, die nur seine ersten 27 Jahre betrachtet, schon wie eine Relativierung an, zumal es ja bekannt ist, dass die Hexenverfolgung erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts richtig Fahrt aufnahm.

Und aus der Tatsache, dass dieser Fürstbischof sich die Prozessakte kommen ließ und dazu Bemerkungen schrieb, kann man schließen, dass er die 200 Todesurteile für richtig befunden hatte, denn er hatte zuvor laut Robert Meier manche Urteile auch angezweifelt und Nachforschungen angeordnet. Jedenfalls kann man hier nicht sagen: Das wären nur seine Untergebende gewesen, er selbst wusste von nichts.
 
Das sollte damit auch nicht angedeutet werden. Aber man kann die Hexenverfolgungen eben nicht nur auf kirchliche Lehrmeinungen reduzieren, wenn dieser Kirchenfürst fast drei Jahrzehnte lang kein besonderes Interesse an Hexen hatte. Hätte es einen religiösen Imperativ gegeben, ein päpstliches Diktat, dann hätte Echter von Mespelbrunn doch keine Zeit damit verlieren dürfen, nach seiner Erhebung sich ans Werk zu machen? @Sepiola hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Hexenverfolgungen ihren Ursprung in sozialen und wirtschaftlichen Phänomenen vor Ort hatten.

Dem hast Du entgegengehalten, dass Hexenverfolgungen in den geistlichen Fürstentümern verhältnismäßig häufig vorgekommen seien, und dass eben doch die Theologen den Startschuss gegeben hätten. Damit diese These tragfähig wird, müsste man aber erst mal überprüfen, ob der Zusammenhang nicht eher geographischer und ökonomischer Natur war, d.h. ob nicht die Hexenverfolgungen ihren Schwerpunkt in Gebieten hatten, die halt zufällig geistliche Fürstentümer waren. Dafür, dass Du den Zusammenhang überschätzt, spricht schon mal die vielfach diskutierte Beobachtung, dass die Katholische Kirche jenseits der Alpen die Hexenprozesse eher bremste als förderte.

Du hast immer noch nicht erklären können, wie die Kirche, die Du als monolithische Organisation behandelst, zeitgleich für und gegen Hexenverfolgungen gewesen sein kann. Du betrachtest einen Julius Echter nur als Kirchenmann, aber er hatte zwei Hüte auf, Mitra und Fürstenhut. Es ist zu fragen, ob er nicht eher den Fürstenhut aufhatte, als er die Hexenverfolgungen vorantrieb.

Schau Dir die räumliche Verteilung der geistlichen Fürstentümer an, ihr geographischer Schwerpunkt liegt im heutigen Nordbayern und am Rhein. Gerade dort, wo die konfessionelle Grenze verlief und ohnehin immer Ärger und wirtschaftliche Probleme herrschten.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Deine Deutung kann durchaus richtig sein. Wenn aber mehrere mögliche Ursachen existieren, kann man sich nicht einfach auf eine festlegen und die anderen außer Acht lassen.

Ebenfalls erklärungsbedürftig ist noch ein Umstand: Die geistlichen Fürstentümer waren im Endeffekt Abklingbecken für nachgeborene Adelssöhne, viele erhielten ihre Weihen nie oder nur der Form halber, sie lebten und regierten ganz und gar weltlich, was insbesondere der Mönch aus Eisleben ja so wortgewaltig verdammt hat. Ich sehe wenig Sinn darin, a priori religiösen Fanatismus anzunehmen, nur weil ein Fürst sich Bischof nannte.
 
Ich habe – wie in letzter Zeit immer – nur wenig Zeit. Aber eben habe ich ein Dokument gefunden: Erik Midelfort sagt in seinem Aufsatz Witchcraft and Religion in Sixteenth-Century Germany: The Formation and Consequences of an Orthodoxy im Archiv für Reformationsgeschichte, 1971-12, Vol.62 (jg), p.266-278, u.a. - Zitat (Fettschreibung durch mich):

In the German Southwest, for example, a careful count of all known trials between 1560 and 1670 yields several interesting conclusions. We know that Protestant regions conducted at least 163 trials and executed at least 620 persons. At the same time, Catholic regions conducted some 317 trials and executed at least 2328 persons. In terms of severity, in other words, Protestant regions executed 3.9 persons per trial while Catholic regions were nearly twice as severe, executing 7.4 persons per Panic.
(…)
The difference between Catholic and Protestant regions becomes really clear only with the year 1600. Until the end of the sixteenth century Catholics conducted trials that were only 20 to 30 per cent more severe than Protestant trials of the same period. In the seventeenth century, however, the Catholic rate of executions per Panic actually climbed from 6 to 8.6. At the same time, however, the Protestant rate dropped from 4.5/panic to 3.5/panic.
(…)
For reasons like these, Catholic and Protestant legists after 1540 came increasingly to view the essence of witchcraft as allegiance to the devil. The emergence of this kind of view in the Saxon Constitutions of 1572, and in most other German ordinances in the later sixteenth century, has often been taken as the high tide of witchcraft delusion and a departure from the sound principles of the Carolina. Actually it is more appropriate to say that this shift in theory was a logical, even sensible, extension of the Carolina.


Ich lese daraus: Der (Un)Glaube der Hexen spielte bei der Hexenverfolgungen eine zunehmende Rolle, selbst die Carolina wurde angepasst. Aber es scheint so zu sein, dass nur die Fürstbischöfe härter durchgegriffen haben, nicht so die weltlichen Fürsten. Und wenn ein Historiker wie Robert Meiewr hingeht und nur die Zeit bis 1600 betrachtet - und vor allem kein Wort über die Zeit danach verliert -, dann denke ich schon, dass der Vorwurf der Relativierung berechtigt ist.
 
Es ist zu fragen, ob er nicht eher den Fürstenhut aufhatte, als er die Hexenverfolgungen vorantrieb.

Es ist zu fragen, ob er überhaupt die Hexenverfolgungen vorantrieb. Dass er auch nur in einem einzigen Prozess die treibende Kraft gewesen wäre, dafür sehe ich bislang keinen belastbaren Beleg. Der einzige "Beleg" ist die durch nichts unterfütterte Behauptung in einer anonymen Tübinger Flugschrift. Dagegen sind zahlreiche Fälle belegt, in denen Echter in seiner Eigenschaft als Landesherr Haftentlassungen anordnete, den Einsatz der Folter unterband oder die Vorlage beweiskräftiger Indizien verlangte.

Eine exorbitante Verfolgungswelle gab es nur in einem einzigen der 35 Würzburger Gerichtsbezirke, das war die Zent Gerolzhofen. Sollte man annehmen, dass Echter sich in einem einzigen Gerichtsbezirk "ausgetobt" hat und in den anderen 34 Bezirken eine eher mäßigende Linie verfolgt hat?

Auch zu den Vorgängen in der Zent Gerolzhofen hat Meier die Quellen untersucht:

In seinem Fazit hält er folgendes fest:

"Nicht im Rahmen des Üblichen war die verfolgungstreibende Aktivität des Zentgrafen Valentin Hausherr. Er nutzte seine Machtposition vor Ort aus. Gut möglich, dass der auffällig hohe Anteil der Frauen und der hohe Anteil der Wohlhabenden an den Opfern hier eine Ursache haben. Hausherr war zudem juristisch so beschlagen, dass die Juristen der Würzburger Kanzlei und Bischof Julius Echter sich trotz eindeutiger Hinweise nicht entschließen konnten, die Verfahren zu unterbinden. Sie müssen geglaubt haben, was Hausherr ihnen berichtete."​

Auch in Gerolzhofen hat Echter zumindest in einem Fall eine Haftentlassung angeordnet:
"Echter schickte den Licentiaten Vitus Zyrer nach Gerolzhofen, um den Fall zu untersuchen. Ergebnis war ein umfangreiches Dossier Zyrers unter dem Titel 'Vom centgraven eingefürte mißgebreuch'. Am 16. August ordnete Echter an, Frau Mohr aus der Haft zu entlassen und sie in eine Art Hausarrest zu nehmen, im Oktober bestätigte Georg Mohr die Haftentlassung seiner Frau."​

Vorwerfen könnte man Echter, dass er nach Erhalt des Dossiers nicht sofort weitere Untersuchungen über die Amtsführung des Zentgrafen durchführen ließ. Erst zwei Jahre später wurde Hausherr das Handwerk gelegt. Er wurde wegen Rechtsbeugung und Korruption verhaftet und nahm sich in der Haft das Leben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wenn ein Historiker wie Robert Meiewr hingeht und nur die Zeit bis 1600 betrachtet - und vor allem kein Wort über die Zeit danach verliert

... dann hast Du erneut in Urteil gefällt, ohne Dich über die Faktenlage in Kenntnis zu setzen. Robert Meier hat eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht, in denen er sich auch mit den Prozessen der Zeit nach 1600 beschäftigt. Dieser eine zitierte Aufsatz befasst sich schwerpunktmäßig mit den Jahren vor 1600, daraus kann man dem Autor wohl kaum einen Strick drehen.

Dass er in diesem Aufsatz "kein Wort über die Zeit nach 1600" verliert, ist abermals größtmöglicher Unsinn. Du hast weder den Aufsatz gelesen noch hast Du überhaupt das bisschen Text zur Kenntnis genommen, das ich in meinem Beitrag zitiert habe, da werden nämlich sehr wohl einige Worte über die Zeit nach 1600 verloren. Ich zitiere nochmal, mit Lesehilfe:

Die Unterlagen der Zent Remlingen, der bisher einzige bekannte Provenienzbestand einer Zent mit nennenswertem Umfang, ermöglichen erstmals einen genauen Blick auf das Agieren von Gemeinden, Zentgericht und Würzburger Zentrale in den Hexenprozessen der späten Echterzeit. Das Ergebnis: Die Initiative zu den Verfahren kam jeweils aus den Gemeinden, und die Würzburger Juristen unter Julius Echter unterbanden die Prozesse zwar nicht vollständig, grenzten sie aber ein. Nach den Remlinger Unterlagen gab es im Hochstift Würzburg auch in den späten Echter-Jahren keine von oben initiierte oder gesteuerte Hexenverfolgung. Dies widerspricht der gängigen, sich auf Gerolzhofen stützenden Forschungsmeinung zu den späten Echterjahren diametral.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Aspekt kommt mir in dieser Diskussion stets zu kurz:

Die Suche nach Sündenböcken hat natürlich einen befriedenden Charakter; die Gemeinschaft legt ihre Konflikte auf Kosten von Individuen bei (nicht selten in Gestalt einer Ingroup-Outgroup-Dynamik). Gerade in Krisenzeiten kann es dem Herrscher daher nützen, den Volkszorn sich gegen "Hexen", "Fahrende" oder wen auch immer entladen zu lassen.

Aber es kann doch unmöglich im Interesse eines mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Herrschers sein, eine Situation entstehen zu lassen, in der er sich prinzipiell dem Druck des Kollektivs beugen und jedes arme Schwein dem Scharfrichter überlassen muss, auf das irgendein Dämlack gezeigt hat. Denn früher oder später könnte auch ein Günstling des Herrschers denunziert werden, und mehr noch, das Kollektiv könnte sich seiner Macht bewusst werden.

Verfolgungswellen "von unten" sind insofern sinnvoller.
 
Dass er in diesem Aufsatz "kein Wort über die Zeit nach 1600" verliert, ist abermals größtmöglicher Unsinn. Du hast weder den Aufsatz gelesen noch hast Du überhaupt das bisschen Text zur Kenntnis genommen, das ich in meinem Beitrag zitiert habe, da werden nämlich sehr wohl einige Worte über die Zeit nach 1600 verloren. Ich zitiere nochmal, mit Lesehilfe:

Die Unterlagen der Zent Remlingen, der bisher einzige bekannte Provenienzbestand einer Zent mit nennenswertem Umfang, ermöglichen erstmals einen genauen Blick auf das Agieren von Gemeinden, Zentgericht und Würzburger Zentrale in den Hexenprozessen der späten Echterzeit. Das Ergebnis: Die Initiative zu den Verfahren kam jeweils aus den Gemeinden, und die Würzburger Juristen unter Julius Echter unterbanden die Prozesse zwar nicht vollständig, grenzten sie aber ein. Nach den Remlinger Unterlagen gab es im Hochstift Würzburg auch in den späten Echter-Jahren keine von oben initiierte oder gesteuerte Hexenverfolgung. Dies widerspricht der gängigen, sich auf Gerolzhofen stützenden Forschungsmeinung zu den späten Echterjahren diametral.
"Einige Worte" ist gut! Meier bezieht sich hier explizit auf Remlingen als „der bisher einzige bekannte Provenienzbestand einer Zent mit nennenswertem Umfang.“ Soll wohl heißen, die anderen waren nicht so umfangreich? Und was soll das beweisen? Daher frage ich mich abermals, wo die 200 Todesurteile herkamen, die in der Regierungszeit des Fürstbischofs verkündet worden waren? Davon, und das meinte ich, schreibt er kein Wort. Alles was er in dem zitierten Aufsatz schreibt, liest sich wie eine Verteidigungsschrift zu Ehren von Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn.

Dass die Anzeigen der Hexerei aus der Bevölkerung kamen entschuldigt Echter genauso wenig wie die Tatsache, dass irgendein Untergebener zu eifrig oder gar regelwidrig bei der Sache war. Der Fürstbischof hatte die Macht, der ganzen Hysterie ein Ende zu bereiten, aber er tat das nicht, obwohl es andere Fürstentümer gab, die sich nicht haben hinreißen lassen und keine oder nur wenige Verurteilungen zugelassen haben. Es galt auch damals schon: Wie der Herr, so das Gescherr.

Es ist zu fragen, ob er überhaupt die Hexenverfolgungen vorantrieb. Dass er auch nur in einem einzigen Prozess die treibende Kraft gewesen wäre, dafür sehe ich bislang keinen belastbaren Beleg.
So, so, du siehst bislang keinen belastbaren Beleg. Ich dagegen schon. Den allersten Prozess in Gerolzhofen, dem viele anderen folgten, wurde von Fürstbischof nicht nur gutgeheißen, sondern tatkräftig unterstützt.*

Robert Meier schreibt dazu in Historisches Jahrbuch 135 (2015), Alles anders als gedacht? Bischof Julius Echter und die Hexenverfolgung – Zitat (Fettschreibung durch mich):

Der Pfarrer von Frankenwinheim meldet im November 1615 dem Zentgrafen, ihm sei berichtet worden, die Margaretha Weingartsmann habe nach der Kommunion eine Hostie ausgespien. Diese Information setzt das Verfahren in Gang. Zentgraf Hausherr hört Zeugen und vernimmt die Weingartsmann. Sie gesteht, und Hausherr berichtet die Sache nach Würzburg. Echter ordnet daraufhin an, die Weingartsmann zu inhaftieren und zu verhören. Damit begann eine Prozesswelle, die durch den Einsatz der Folter zu Geständnissen, zur Nennung immer weiterer Verdächtiger und schließlich zu den schrecklichen Bränden von Gerolzhofen führte. Der Zentgraf entwickelte dabei eine beträchtliche Eigeninitiative bis hin zu Inhaftierungen auf eigene Faust. Das Vorgehen wurde allerdings „von oben“ unterstützt. Julius Echter stärkte den Zentgrafen und das Gerolzhöfer Gericht in ihrem Tun, er akzeptierte die Geständnisse und Beweise aus Gerolzhofen und ordnete den Einsatz der Folter an.

* Ich benutze hier wie Meier auch das Wort "unterstützt", aber wenn ein Fürst den Einsatz der Folter anordnet, ist das keine Unterstützung mehr, sondern ein Befehl, den ein Amtmann (Zentgraf) auszuführen hat. Dabei sollte wir nicht vergessen, welche Folgen das hatte: Margaretha Weingartsmann hat erstmal nur gestanden, die Hostie ausgespien zu haben - zweifellos ein Frevel. Aber nach der Anordung des Fürstbischofs wurde sie auch gefoltert und nannte dann Mitverschwörerin.
 
"Einige Worte" ist gut! Meier bezieht sich hier explizit auf Remlingen als „der bisher einzige bekannte Provenienzbestand einer Zent mit nennenswertem Umfang.“ Soll wohl heißen, die anderen waren nicht so umfangreich? Und was soll das beweisen?

Das soll heißen, dass die Akten der Zentgerichte größtenteils verschollen sind. Es ist nun einmal so, dass Akten in Verwaltungsbehörden im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte ausgesondert werden, irgendwann reicht der Platz in der Altregistratur nicht, und Kisten mit alten Akten, für die sich hundert Jahre lang kein Mensch interessiert hat, landen im Altpapier. Insbesondere wenn eine Behörde aufgelöst wird, wird aussortiert: Welche Akten werden für die Arbeit der Nachfolgebehörde benötigt, was wird nicht mehr gebraucht?

Idealerweise landet alles, was nicht mehr gebraucht wird, in einem Archiv, wird dort geordnet, registriert und säuberlich in Findbüchern verzeichnet. Oft fehlt es aber an Personal, und es werden lediglich Kisten eingelagert, in der Hoffnung, dass irgenwann jemand da ist, der viel Zeit und nichts besseres zu tun hat, als den Inhalt zu sortieren.
In der Realität erlebt man noch ganz andere Dinge:
Ich habe schon Archivbestände gesichtet, die in einem Privathaus eingelagert waren, da hat man einen Raum angemietet. Das war im Dorf, einen Gemeindearchivar gab es nicht. Was von den Bestände heute noch existiert, weiß ich nicht.
In einem anderen Fall habe ich Akten aus dem frühen 19. Jahrhundert in einer Behörde studiert. Diese Akten hätten längst an ein Archiv abgegeben werden sollen, aber sie lagen halt immer noch in der Behörde rum. Fünf Jahre später wollte ich die Akten noch einmal einsehen, da stellte sich heraus, dass das Amt (eine Nebenstelle) zwischenzeitlich aufgelöst war, das Gebäude war leer, die Akten waren an die Zentrale abgegeben worden, die Akten zu den aktuellen Fällen waren wohl noch vorhanden, aber was mit den Akten des 19. Jahrhunderts passiert war, konnte niemand beantworten. Dieser Bestand gilt seither als verschollen.
Mein Großvater war in jungen Jahren als Azubi oder Praktikant in einer Gemeindeverwaltung tätig. Als "Souvenir" durfte er ein paar alte Schriftstücke mitnehmen. Die stammten aus den Jahren um 1700!

Was mit den Akten der Würzburger Zentgerichte passiert ist, kann ich nicht sagen. Die ersten Aktenverluste können schon im Dreißigjährigen Krieg vorgekommen sein, die Remlinger Akten wurden damals nach Frankfurt evakuiert. Das Fürstbistum Würzburg wurde 1802 säkularisiert, die Zentgerichte wurden 1809 aufgelöst. Vermutlich ist bei dieser Gelegenheit ein erheblicher Teil der Bestände "entsorgt" worden. Die Remlinger Akten waren davon nicht betroffen, weil sie noch in Wertheim lagerten, wo sie wahrscheinlich schlicht vergessen worden sind:

Abschließend sei noch die Frage angesprochen, wieso sich die Unterlagen der Würzburger Zent Remlingen aus der Echterzeit in der Überlieferung der Löwenstein-Wertheimer befinden, die heute im Staatsarchiv Wertheim aufbewahrt wird. Die Antwort gibt ein Akt aus dem Jahr 1636. Würzburg fordert darin die Rückgabe von „Centlade, Bücher und Akten“, die Wertheim in der Zeit der schwedischen Besetzung Frankens aus Remlingen entfernt habe. Wertheim antwortete, die eigenen Kanzleiakten seien „hincinde distrahirt und noch zur zeit nicht völlig beigebracht“ – das Wertheimer Archiv war nach Frankfurt evakuiert worden. Man versicherte Würzburg aber, die Zentsachen sollten „uffs fleißigst uffgesucht“ und dann dem Zentgrafen ausgehändigt werden. Dieser Versicherung sind anscheinend keine Taten gefolgt, so dass die Unterlagen des Remlinger Zentgerichts erst in unseren Tagen wieder ans Licht kamen. Möglicherweise als einziger Bestand eines Würzburger Zentgerichts, der in nennenswertem Umfang überliefert ist.

In Wertheim sind wohl auch Fragmente anderer Gerichtsbezirke (auch aus Gerolzhofen) gelandet, aber bei weitem nicht in vergleichbarem Umfang.
Die Akten der fürstbischöflichen Kanzlei werden zu einem erheblichen Teil heute im Staatsarchiv Würzburg verwahrt. Was dort zu finden ist, ist also der Teil des Schriftverkehr zwischen den Zenten und der Zentrale, der in der Zentrale aufbewahrt worden ist. Die eigentlichen Ermittlungs- und Gerichtsakten sind jedoch offensichtlich nicht ins Würzburger Archiv gelangt.

Was Du damit bewiesen haben möchtest, musst Du Dir selber beantworten.



Daher frage ich mich abermals, wo die 200 Todesurteile herkamen, die in der Regierungszeit des Fürstbischofs verkündet worden waren?
Der größte Teil der Todesurteile kam aus der Zent Gerolzhofen. Meinen diesbezüglichen Beitrag hast Du wohl gar nicht gelesen?

Davon, und das meinte ich, schreibt er kein Wort.

Was Du meinst, ist, dass Du kein Wort davon gelesen hast.

Das kommt davon, dass Du den Aufsatz nicht gelesen hast.


Ich zitierte ein paar Textschnipsel, wieder mit Lesehilfe:

Die Wahrnehmung der letzten Jahre gründet dabei vor allem auf einer Prozesswelle im Würzburger Gerichtsbezirk (Zent) Gerolzhofen.
[...]
Ohne die Echter fälschlich zugeschriebenen Prozesse stammen sämtliche Verfahren der Echterzeit in Ropers Buch ausschließlich aus den Jahren 1616 / 1617 und ausschließlich aus der Zent Gerolzhofen – das „Paradigma Gerolzhofen“ regiert den Text. Gerolzhofen war aber nur eine von 35 Würzburger Zenten, und aus den 34 anderen gibt es keine Hinweise auf eine vergleichbar intensive Prozesswelle.
[...]
Die Wahrnehmung der Vorgänge in Gerolzhofen ist geprägt von Jägers in der vorigen Fußnote genannten Publikation aus dem Jahr 1834. Aus ihr stammt auch die immer wieder genannte Zahl von 261 Opfern in den Jahren 1616 – 1619, die vermutlich zu hoch ist. In Gerolzhofen gibt es zwei Sonderfaktoren: 1. Einen die Verfolgung treibenden Zentgrafen und 2. Die Nähe zur benachbarten Bamberger Zent Zeil, in der es 1616 ebenfalls zu einer schweren Prozesswelle kam. Eine Studie zur Gerolzhöfer Verfolgung ist durch den Verf. in Vorbereitung.

(Tatsächlich ist zu Lebzeiten Echters mit ca. 140 Opfern zu rechnen, wie Du offensichtlich wieder mal nicht nachgelesen hast.)

So, so, du siehst bislang keinen belastbaren Beleg. Ich dagegen schon.

"Die treibende Kraft", um die geht es hier, war Zentgraf Hausherr, das kannst Du dem zitierten Abschnitt mit Leichtigkeit entnehmen.

Echters Entscheidungen zum weiteren Verfahren basierten auf dem Beweismaterial, das ihm der Zentgraf vorlegte.


Was also geschah in Gerolzhofen und was sind die Besonderheiten der Gerolzhöfer Prozesse? Zunächst muss betont werden, dass die Verfahren im Rahmen des Üblichen abliefen: Ausgangspunkt waren Denunziationen aus der Bevölkerung, und Verurteilungen erfolgten wie immer in Franken aufgrund von Wetterzauber und Schadenszauber gegen Mensch und Vieh. Dabei wurden keine anderen Kriterien angelegt als in anderen Würzburger Zenten auch. Insbesondere lassen sich keine besonderen Anweisungen aus Würzburg erkennen, nach Hexen zu suchen oder sie gezielt zu verfolgen. Als Kommunikationszentrum des Hexereidiskurses "von unten" konnte die Badestube von Gerolzhofen ausgemacht werden.

Nicht im Rahmen des Üblichen war die verfolgungstreibende Aktivität des Zentgrafen Valentin Hausherr. Er nutzte seine Machtposition vor Ort aus. Gut möglich, dass der auffällig hohe Anteil der Frauen und der hohe Anteil der Wohlhabenden an den Opfern hier eine Ursache haben. Hausherr war zudem juristisch so beschlagen, dass die Juristen der Würzburger Kanzlei und Bischof Julius Echter sich trotz eindeutiger Hinweise nicht entschließen konnten, die Verfahren zu unterbinden. Sie müssen geglaubt haben, was Hausherr ihnen berichtete.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dabei wurden keine anderen Kriterien angelegt als in anderen Würzburger Zenten auch. Insbesondere lassen sich keine besonderen Anweisungen aus Würzburg erkennen, nach Hexen zu suchen oder sie gezielt zu verfolgen.
Hier widerspricht sich Meier teilweise selbst, denn in dem Aufsatz, den ich gestern zitierte, schrieb er – Zitat:

Julius Echter stärkte den Zentgrafen und das Gerolzhöfer Gericht in ihrem Tun, er akzeptierte die Geständnisse und Beweise aus Gerolzhofen und ordnete den Einsatz der Folter an.

Dazu von dir kein Wort.

Um noch einmal auf die Folter zurückzukommen: Sie konnte ausdrücklich für jene Personen angeordnet werden, die der Ketzerei oder der Hexerei beschuldigt wurden, wobei seit der Bulle „Super illius specula“ des Papstes Johannes XXII. die Zauberei wie Ketzerei zu ahnden war.


Um uns nicht im Kleinklein zu verzetteln, schlage ich vor, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dazu ist es zunächst notwendig zu klären, wie es überhaupt zu Hexenverfolgungen kommen konnte.

Meine Version dieser Geschichte ist diese:

In der Bibel gibt es mehrere Stellen (2Mose 22,17, 3Mo 20,6; 3Mo 20,27; 5Mo 18,10; 1Sam 28,9; Mal 3,5), in denen gesagt wird, dass man Zauberer oder vielmehr Zauberinnen, Wahrsager, Totenbeschwörer oder Hellseher nicht leben lassen sollte. Das kann man eindeutig als göttlichen Auftrag an den Menschen verstehen.

Daraus baute Augustinus seine Theorie des Teufelspaktes: Dem Teufel bereite es regelrechte Freude, mit seinen Gehilfen, den Dämonen, Menschen zum bösen Tun zu verleiten. Durch den Pakt mit dem Teufel erhalten Menschen die Möglichkeit, sich in Tiere zu verwandeln und Wetter- oder andere Schadenszauber zu betreiben.

Glücklicherweise ließ sich die Kirche zunächst davon nicht beeinflussen – hielt die Zauberei für einen Aberglauben.

Aber in der Zeiten der Hochscholastik griff Thomas von Aquin auf Augustinus zurück und entwickelte daraus die Lehre von einer Gegenkirche. Demnach herrschte Teufel als gefallener Engel mit Duldung Gottes über einen Dämonenstaat. Seinen Anhängern unter den Menschen verleihe der Teufel übernatürlich Kräfte, mit deren Hilfe sie in der Lage versetzt werden, ihre Mitmenschen schädigen zu können. Der Pakt werde durch Geschlechtsverkehr mit männlichen oder weiblichen Dämonen (incubi und succubi) bekräftigt, aus dem sogar Teufelskinder hervorgehen könnten. Mit dem Pakt mit dem Teufel war der Abfall vom christlichen Glauben vollzogen – sie wurden zu Ketzern.

Und den Ketzern unterstellte die Kirche magische Praktiken, Teufelsanbetung, Opferung von Neugeborenen und wollüstige Ausschweifungen. All dies geschehe in den nächtlichen Versammlungen, auf denen der Teufel in Tiergestalt erscheine – das war wohl die Keimzelle für die spätere Vorstellung des Hexensabbats.

Aus Schadenszauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und geheimen Versammlungen kristallisierte sich ein neuer Verbrechenstatbestand heraus: Das crimen magiae (Verbrechen der Zauberei), das als crimen exceptum (außerordentliches Verbrechen) die Aufmerksamkeit der Inquisitoren geradezu verlangte.

Konsequenterweise ordnete der Papst Johannes XXII. (im Jahr 1326) an, dass Schadenszauber nach Bestimmungen für Ketzer verfolgt und zu ahnden sei.

Wiederum als Konsequenz daraus, folgten Verfolgungen der Zauberer in Südfrankreich (1320-1350), seit der Wende zum 15. Jahrhundert auch in der Schweiz gegen "Teufelsbündler" und "Hexensekten" ebenso wie in Südfrankreich, Nordspanien, französischen Alpen, Savoyen, Burgund, in der Mitte des Jahrhunderts auch vereinzelt in Lothringen und in der Erzdiözese Trier.

Der Begriff Hexe erscheint in einem deutschen Gerichtstext erstmal 1419 in Luzern, während sie in Frankreich sorciere heißen und in Italien strega. Der Auftauchen dieser neuer Bezeichnungen bezeugt einen Wahrnehmungs- und Substanzwechsel zu dem ehemaligen Begriff Zauberer bzw. Zauberin, die ja alleine handelten. Hexen handelten aber als Mitglieder einer großen Verschwörung – ihnen wurde zur Last gelegt: Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenszauber, die von allen Hexen gemeinsam begangen wurden. Und weil eine Verschwörung notgedrungen aus mehreren Komplizen bestehe, musste, um den Namen dieser Komplizen zu erfahren, gefoltert werden.

Und es war nicht allein des Kramers Hexenhammer, es gab auch andere Theologen, die Ähnliches über Hexen schrieben: Johannes Nider, Nicolas Jacquer, Johannes Hartlieb. Aber Hexenhammer war tatsächlich ein Hammer ohnegleichen. Dabei schrieb Kramer im dritten Teil seines Buches, dass Inquisitoren nur dann gegen Hexen vorgehen sollten, wenn es einen Bezug zu Ketzerei gebe. Und sie sollen von Amts wegen – aufgrund einer Denunziation – den Prozess einleiten, am besten in einem summarischen Ketzerinquisitionsprozess.

Es gab natürlich auch Stimmen, die gegen diesen Unsinn anschrieben (Agrippa von Nettesheim, Erasmus von Rotterdam, Johann Weyer). Einige Städte (z.B. Nürnberg) folgten diesen Kritikern, aber wie wir wissen setzten sich leider die Befürworter der Hexenverschwörung durch; dazu zählen Jean Bodin, Martin del Rio, Nicolas Remy oder auch Peter Binsfeld, die sich alle auf Hexenhammer direkt oder indirekt beriefen.

Die Carolina vertrat in dieser Sache eine verhältnismäßig milde Position: Todesstrafe gab es nur bei erwiesenem Schadenszauber. Dazu brauchte man 2 glaubwürdige Zeugen oder ein Geständnis des Angeklagten - auch solche durch Folter erzwungene. Aber die Carolina galt nicht überall. Viel wichtiger waren die städtischen oder fürstlichen Regelungen. Die erste Territorialgesetzgebung, die nicht nur den Schadenszauber, sondern auch den Teufelspakt mit der Todesstrafe belegte, war die Kursächsische Kriminalordnung von 1572.

Die römische Inquisition war in Sachen Hexen zurückhaltend. Es gab hohe Hürden, so musste eine tatsächliche Schädigung vorliegen, die nicht auf eine natürliche Weise erklärt werden konnte. Eine Denunziation, die einem weltlichen Gericht genügte, um einen Verfahren zu eröffnen, genügte der (kirchlichen) Inquisition nicht.

Aber den Anfang machte die Kirche mit ihren Theologen Augustinus und Thomas von Aquin. Ohne ihren Lehren wäre es wahrscheinlich nicht zu dieser Tragödie gekommen.

Das ist mein Resümee zu diesem Komplex. Es wäre schön, wenn wir uns darauf einigen könnten. Und wenn nicht, geht die Diskussion halt weiter. In diesem Fall sollte man mir natürlich sagen, was an dieser Zusammenstellung konkret falsch sei.
 
Hier widerspricht sich Meier teilweise selbst, denn in dem Aufsatz, den ich gestern zitierte, schrieb er – Zitat:

Julius Echter stärkte den Zentgrafen und das Gerolzhöfer Gericht in ihrem Tun, er akzeptierte die Geständnisse und Beweise aus Gerolzhofen und ordnete den Einsatz der Folter an.

Dazu von dir kein Wort.

Dazu habe ich folgendes geschrieben, das scheint Dir "entgangen" zu sein:

Echters Entscheidungen zum weiteren Verfahren basierten auf dem Beweismaterial, das ihm der Zentgraf vorlegte.

Es hat sicher keinen Sinn, sich mit Dir über vermeintliche "Widersprüche" zu unterhalten, die Du in Texten gefunden zu haben meinst, die Du nicht einmal gelesen hast.

Die Carolina vertrat in dieser Sache eine verhältnismäßig milde Position: Todesstrafe gab es nur bei erwiesenem Schadenszauber. Dazu brauchte man 2 glaubwürdige Zeugen oder ein Geständnis des Angeklagten - auch solche durch Folter erzwungene. Aber die Carolina galt nicht überall. Viel wichtiger waren die städtischen oder fürstlichen Regelungen.

Die Carolina galt grundsätzlich auch im Fürstbistum Würzburg. Es kam auch nachweislich vor, dass die Anwendung der Folter von den örtlichen Verantwortlichen unter Berufung auf die Carolina gefordert wurde, von Würzburg jedoch abgelehnt wurde. Es wird wohl durchaus eine Rolle gespielt haben, wie geschickt die vor Ort wirkenden Zentherren und Amtmänner ihre Forderungen juristisch begründeten.
 
Aber in der Zeiten der Hochscholastik griff Thomas von Aquin auf Augustinus zurück und entwickelte daraus die Lehre von einer Gegenkirche. Demnach herrschte Teufel als gefallener Engel mit Duldung Gottes über einen Dämonenstaat. Seinen Anhängern unter den Menschen verleihe der Teufel übernatürlich Kräfte, mit deren Hilfe sie in der Lage versetzt werden, ihre Mitmenschen schädigen zu können. Der Pakt werde durch Geschlechtsverkehr mit männlichen oder weiblichen Dämonen (incubi und succubi) bekräftigt, aus dem sogar Teufelskinder hervorgehen könnten. Mit dem Pakt mit dem Teufel war der Abfall vom christlichen Glauben vollzogen – sie wurden zu Ketzern.

Und den Ketzern unterstellte die Kirche magische Praktiken, Teufelsanbetung, Opferung von Neugeborenen und wollüstige Ausschweifungen. All dies geschehe in den nächtlichen Versammlungen, auf denen der Teufel in Tiergestalt erscheine – das war wohl die Keimzelle für die spätere Vorstellung des Hexensabbats.

Aus Schadenszauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und geheimen Versammlungen kristallisierte sich ein neuer Verbrechenstatbestand heraus: Das crimen magiae (Verbrechen der Zauberei), das als crimen exceptum (außerordentliches Verbrechen) die Aufmerksamkeit der Inquisitoren geradezu verlangte.
Schließt du daraus, dass jeder Vorwurf des Schadenszaubers auch mit dem Vorwurf des Teufelspakets einhergegangen sei?
 
Zurück
Oben