@ Treibsand
Ich habe jetzt mal extra geschaut, wie man wohl auf die irrige Annahme kam, die Hinrichtung des Königs nutze dem Kampf gegen die Konterrevolution (v.a. im eigenen Land).
Sehr gern bezog man sich in der sozialistischen Geschichtsschreibung (oder tut es noch immer (?)) auf die polemischen Reden oder Petitionen, welche in dem Konvent vorgebracht wurden.
So erklärten die
48 Sektionen von Paris vor dem Sturm auf die Tuilerien:
"Die Macht, die Ludwig XVI. übertragen wurde, damit er die Freiheit bewahre, bewaffnete sich, um diese zu zerstören. (...) Das Haupt der Exekutive ist das erste Glied in der Kette der Konterrevolution. ..."
*
Man könnte freilich sagen, dass dies erstmal nur den Sturz des Königs rechtfertigen sollte, aber im Prinzip kann man genau das Gleiche, ja in gesteigertem Maße in einer Erklärung von Jacques Roux vom 1. Dezember 1792 wiederfinden. Er stand ja bekanntlich an der Spitze der Sansculottes und demonstrierte mehrfach mit diesen vor dem Konvent, um die Ziele seiner Anhänger zu erreichen.
Roux:
"Die Könige sind des Todes würdig von dem Augenblicke an, da sie das Licht der Welt erblicken. Welche Strafe muß nicht der erleiden, dessen Ruchlosigkeit die eines Medici und Nero übertrifft, wenn man nur an die Metzeleien in Nancy, Montauban und Nîmes, in den Kolonien ... auf dem Marsfeld denkt ...
Entweder fällt Louis' Kopf oder wir werden uns unter den Trümmern der Republik begraben. ..."
**
Wenn, dann mag man Lafayette für das Massaker auf dem Marsfeld verantwortlich machen, aber so könnte man nach und nach alle Anschuldigungen wahrscheinlich entkräften.
Auch
Robespierre meinte sicher damit, dass Louis das Haupt der Konterrevolution sei, als er in der Anklagerede gegen den König im Dezember 1792 behauptete:
"Besser daß Ludwig stirbt, als Hunderttausende von guten Bürgern! Ludwig muß sterben, damit das Vaterland lebe!"
***
In dem Zusammenhang würde ich die Behauptung sehen, dass Louis XVI die Konterrevolution angeführt habe.
Im Grunde hatte sich die Gesellschaft, um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen, schon durch die Aufgabe der grundlegenden Vorrechte des Adels tiefgreifend verändert. Die Hinrichtung des Königs wurde aber fast als noch ein epochaleres Ereignis angesehen, mit welchem man die Bindung an einen Jahrhunderte alte Tradition kappte. Wie Jacques Roux schien scheinbar einigen eine Republik nur mit der Hinrichung des Königs möglich.
Zitate aus:
* Walter
Markov: "Die Revolution im Zeugenstand" Band 1 Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig, 1982
S. 225
** Joe H. Kirchberger „Die Französische Revolution - Eine Chronik in Daten und Zitaten“ Manfred Pawlak Verlag - 1992 - Herrsching
S. 119
*** ebenda
S. 119