Hinrichtung des Königs 1793 zur Bildung einer neuen Gesellschaft notwendig?

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Schüler

Gast
Hallo,

Ich suche nach Quellen und Materialien zur Erarbeitung der Leitfrage:

"War die Hinrichtung des Königs 1793 zur Bildung einer neuen Gesellschaft notwendig?"

Ich hoffe ihr könnt mir weiterhelfen, bei Google konnte ich nichts finden. Schonmal danke im Vorraus.
 
Quellen sind wohl schwierig, man kann wahrscheinlich nur die Behauptungen der Ankläger hernehmen, welche für den Tod des Königs votierten. Ich hatte schon mehrfach gelesen, einige Revolutionäre wären der Meinung gewesen, dass die Hinrichtung des Königs der Konterrevolution den Wind aus den Segeln nähme(das Gegenteil war dann aber der Fall).
 
Das habe ich auch so in Erinnerung. Aber notwendig war Louis' Exekution wohl wirklich nur in der Argumentation seiner Gegner, sie hatte keinen praktischen politischen Nutzen, sondern einen rein symbolischen und somit propagandistischen Wert. So wie andere Schauprozesse eben auch. Immerhin wurde er ja offiziell nicht als König, sondern als Bürger Capet hingerichtet.
Was die Konterrevolution betrifft bzw. das Eingreifen benachbarter Monarchien, war ja Marie Antoinette ein weitaus gefährlicherer Faktor, schließlich hatte sie auch aktiv versucht, ihre Familie zu militärischem Eingreifen zu ermutigen. Wenn es nur danach ging, hätte man sie wohl noch vor dem König hinrichten müssen.
 
Was die Konterrevolution betrifft bzw. das Eingreifen benachbarter Monarchien, war ja Marie Antoinette ein weitaus gefährlicherer Faktor, schließlich hatte sie auch aktiv versucht, ihre Familie zu militärischem Eingreifen zu ermutigen. Wenn es nur danach ging, hätte man sie wohl noch vor dem König hinrichten müssen.
Vielleicht.

Aber ich glaube wirklich stichhaltige Beweise für einen erfolgreichen Verrat durch Marie Antoinette gab es nicht. Daran erkennt man m.E. auch wie stümperhaft diese Revolutionäre vorgingen - im Prozess gegen Louis XVI war es das Gleiche. Die Hauptpunkte gegen ihn, waren von Louis leicht mit dem Hinweis auf seine Rechte und Pflichten als König entsprechend der jeweiligen Verfassung zu entkräften. Hätte es damals eine publikumswirksame royalistische Presse gegeben, so hätte man den Prozess leicht gegen die Ankläger instrumentalisieren können.
 
Speziell in Frankreich war ja über Jahrhunderte der Machtkampf verschiedener
Fürsten-bzw. Adelsfamilien um die Krone und Privilegien die Normalität.
Mit dem König würde keineswegs der Adel als Machtfaktor ausgeschaltet werden können.

Da hätte die Liquidation von Louis keineswegs den Kristallisationspunkt
des Widerstandes gegen die Revolution beseitigt -es gab deren genug.
ZB. auch die thronfolgeberechtigten Brüder und Verwandten , welche
bereits ins Ausland geflohen waren und damit unerreichbar für die Guillotine.

Louis Hinrichtung kann also nur der Demonstration der revolutionären Macht und damit der Motivierung der Revolutionsanhänger genutzt haben.
Vielleicht hat man auch die Verfestigung des Zuisammenhalts der verschiedenen Revolutionsparteien /gruppen im Auge gehabt -
Motto:mitverantwortlich = mitgehangen bei Misserfolg ?
 
@ Treibsand

Ich habe jetzt mal extra geschaut, wie man wohl auf die irrige Annahme kam, die Hinrichtung des Königs nutze dem Kampf gegen die Konterrevolution (v.a. im eigenen Land).

Sehr gern bezog man sich in der sozialistischen Geschichtsschreibung (oder tut es noch immer (?)) auf die polemischen Reden oder Petitionen, welche in dem Konvent vorgebracht wurden.

So erklärten die 48 Sektionen von Paris vor dem Sturm auf die Tuilerien:

"Die Macht, die Ludwig XVI. übertragen wurde, damit er die Freiheit bewahre, bewaffnete sich, um diese zu zerstören. (...) Das Haupt der Exekutive ist das erste Glied in der Kette der Konterrevolution. ..."
*

Man könnte freilich sagen, dass dies erstmal nur den Sturz des Königs rechtfertigen sollte, aber im Prinzip kann man genau das Gleiche, ja in gesteigertem Maße in einer Erklärung von Jacques Roux vom 1. Dezember 1792 wiederfinden. Er stand ja bekanntlich an der Spitze der Sansculottes und demonstrierte mehrfach mit diesen vor dem Konvent, um die Ziele seiner Anhänger zu erreichen.
Roux:

"Die Könige sind des Todes würdig von dem Augenblicke an, da sie das Licht der Welt erblicken. Welche Strafe muß nicht der erleiden, dessen Ruchlosigkeit die eines Medici und Nero übertrifft, wenn man nur an die Metzeleien in Nancy, Montauban und Nîmes, in den Kolonien ... auf dem Marsfeld denkt ...
Entweder fällt Louis' Kopf oder wir werden uns unter den Trümmern der Republik begraben. ..."
**

Wenn, dann mag man Lafayette für das Massaker auf dem Marsfeld verantwortlich machen, aber so könnte man nach und nach alle Anschuldigungen wahrscheinlich entkräften.

Auch Robespierre meinte sicher damit, dass Louis das Haupt der Konterrevolution sei, als er in der Anklagerede gegen den König im Dezember 1792 behauptete:

"Besser daß Ludwig stirbt, als Hunderttausende von guten Bürgern! Ludwig muß sterben, damit das Vaterland lebe!"
***

In dem Zusammenhang würde ich die Behauptung sehen, dass Louis XVI die Konterrevolution angeführt habe.

Im Grunde hatte sich die Gesellschaft, um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen, schon durch die Aufgabe der grundlegenden Vorrechte des Adels tiefgreifend verändert. Die Hinrichtung des Königs wurde aber fast als noch ein epochaleres Ereignis angesehen, mit welchem man die Bindung an einen Jahrhunderte alte Tradition kappte. Wie Jacques Roux schien scheinbar einigen eine Republik nur mit der Hinrichung des Königs möglich.

Zitate aus:
* Walter Markov: "Die Revolution im Zeugenstand" Band 1 Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig, 1982
S. 225
** Joe H. Kirchberger „Die Französische Revolution - Eine Chronik in Daten und Zitaten“ Manfred Pawlak Verlag - 1992 - Herrsching
S. 119
*** ebenda
S. 119
 
In dem Zusammenhang würde ich die Behauptung sehen, dass Louis XVI die Konterrevolution angeführt habe.

Im Grunde hatte sich die Gesellschaft, um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen, schon durch die Aufgabe der grundlegenden Vorrechte des Adels tiefgreifend verändert. Die Hinrichtung des Königs wurde aber fast als noch ein epochaleres Ereignis angesehen, mit welchem man die Bindung an einen Jahrhunderte alte Tradition kappte. Wie Jacques Roux schien scheinbar einigen eine Republik nur mit der Hinrichung des Königs möglich.

Das spielt mit Sicherheit alles mit hinein in die letztendliche Liquidation
des Louis .
Vielleicht einer der gemeinsamen Nenner zwischen Girondisten und Jakobinern und den anderen Fraktionen.
Was mich immer wieder erstaunt ,ist, das es trotz Aufklärung ; Bekanntheit
der griechischen Staatsmodelle, trotz der amerikanischen Revolution
nicht gelang , ein solides Staatswesen zu etablieren.
Genau das spielte dann Napoleon in die Hände , ein neuerliches autokratisches Staatsmodell zu etablieren.
 
Das spielt mit Sicherheit alles mit hinein in die letztendliche Liquidation
des Louis .
Vielleicht einer der gemeinsamen Nenner zwischen Girondisten und Jakobinern und den anderen Fraktionen.
Was mich immer wieder erstaunt ,ist, das es trotz Aufklärung ; Bekanntheit
der griechischen Staatsmodelle, trotz der amerikanischen Revolution
nicht gelang , ein solides Staatswesen zu etablieren.
Genau das spielte dann Napoleon in die Hände , ein neuerliches autokratisches Staatsmodell zu etablieren.
Ich denke, gerade über das Schicksal des Königs und der Monarchie war man sich zwischen Girondins und Montagnards sehr uneinig. Ganz richtig hatten die führenden Girondins vermutet, dass ein Umsturz der Monarchie das zur Folge haben würde, was sie unter Anarchie verstanden. Der 10. August und die Septembermorde sollten dieser Befürchtung Recht geben.

Genauso richtig erkannten die Girondins, dass der Tod des Königs, wenn darüber nicht per Volksentscheid abgestimmt wurde, von gewissen Teilen des Volkes als eine scheußliche Tat der Extremisten erachtet werden würde.


Ich habe den Eindruck, dass die Extremisten, auf royalistischer wie auf "jakobinischer" Seite zu sehr das Handeln bestimmten und daher Frankreich nicht zur Ruhe kam und sich daher kein Staatswesen etablieren konnte, welches Du meinst. Im Grunde waren die einzigen, welche dafür plädiert hätten, im Juni 1793 gestürzt worden und hatten sich vordem nicht geschickt genug gezeigt, um die antidemokratischen Extremisten beider Lager auszuschalten - der Versuch die Montagnards zu integrieren ging ja eher nach hinten los.
Das Direktorium, wiewohl mit Barras und Carnot aus Mittelsmännern des Terreur besetzt, hatte versucht, eine ähnlich mildernde Rolle wie die Girondins zu spielen. Doch vermochte auch das Direktorium wegen seiner inneren Zerrissenheit und den Lagerkämpfen, und nicht zuletzt scheiternd wie die Girondins an den Extremisten, nicht, Frankreich grundsätzlich zusammen zu schweißen.
Das Ganze ist eigentlich sehr spannend. Wenn man anschaut wie zerrissen Frankreich innenpolitisch war und wie auf der anderen Seite auf den Revolutionsfesten und dergleichen Einstimmigkeit zu demonstrieren versucht wurde.
 
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