Historische Romane

... Über die Ostgotenkönige ist ohnehin nicht genug bekannt, um genau über ihren wahren Charakter Bescheid zu wissen. Natürlich braucht ein Roman interessante Charaktere. Aber das macht es nicht notwendig, wesentliche historische Ereignisse zu verdrehen und z. B. die Könige Ildibad und Erarich gleich ganz zu unterschlagen oder Witigis auf der Flucht sterben zu lassen.
Aus ihren Handlungsweisen und dem, was Prokop berichtet kann man schon auf die Charaktere schließen. Mit Erarich hast Du recht, der wurde unterschlagen, aber Ildibad ist in der Person Hildebad versteckt, wenn auch mal wieder abweichend zur Realität.
 
Das stimmt natürlich, aber bei der Erstellung eines seriösen Literaturlexikons studiert der Verfasser des Artikels verschiedene Publikationen, verwertet sie für seine Definition und wägt jedes Wort sorgfältig ab. Der Verfasser der Definition in Wikipedia hat sich wahrscheinlich nicht so viel Mühe gemacht.

Für den Augenblick finde ich die von Wikipedia gelieferte Definition ausreichend.
 
Du weißt doch selber, dass man manchmal sogar gegen derlei Unsinn, bei dem man gar nicht darauf käme, dass dieser für realhistorisch gehalten werden könnte, wie des Da Vinci Codes, andiskutieren muss.
Mich wundert ja, dass den Film "Inglourious Basterds" noch niemand für eine Darstellung historischer Ereignisse gehalten hat ...
 
Ich denke es ist grundsätzlich ein schweres, bis unmögliches Unterfangen über historisch bekannte Persönlichkeiten einen perfekten historischen Roman zu schreiben.
Eines wird immer auf der Strecke bleiben
a) historische Genauigkeit
b) Unterhaltungswert

Warum das so ist? Wenn es mir um absolute Genauigkeit geht, wäre eine Biographie besser, aber die liesst sich halt oft nicht so unterhaltsam. Wenn ich den Leser unterhalten will, dann kann ich das nicht allein mit Fakten. Spannung entsteht für mich durch Überraschung, eben auch durch neue Ideen und Betrachtungsweisen, die sich die Frage stellen : Und was wenn es nicht so war, wie erzählt wird? Was wenn das Bild absichtlich verfälscht wurde?
Wenn ich Alexanders Bio genau kenne, wie soll mich da ein Roman, der sich strikt und allein an die Fakten hält überraschen und unterhalten? Andererseits muss ich mir im Klaren sein, dass bekannte Biographien auch nicht in jedem Fall die 100%ige Wahrheit wiedergeben müssen, bzw. eventuell nur einen Teil davon.

Auch offizielle Biographien von Zeitgenossen entstanden oft mehr durch Hörensagen, oder als Auftragsarbeiten, die einem bestimmten Zweck unterstanden. Eine gewisse Skepsis bleibt, zumindest bei mir.

In einem Roman kann ich neue Wege beschreiten, den Charakter von einer unbekannten Seite zeigen, die ich in einer Biographie nicht beleuchten kann. Das birgt andererseits die Gefahr, sich zu vergaloppieren. Und ich muß hier, u.U. auf Kosten der Fakten, eine Erklärung für meine Betrachtungsweise liefern. Der Roman erlaubt mir, was eine wahrhafte Biographie nicht zulässt. Aber es ist in jedem Fall meine Aufgabe als Autor, wenn ich die bekannten Gefilde verlasse, dies dem Leser auch deutlich zu machen, damit er die pure Story, meinetwegen auch Charakterarbeit, nicht für bare Münze oder gar Fakten hält.

Was den historischen Roman angeht, halte ich es mit Sir Walter Scott und Benedikte Naubert, die sich weniger bekannte Persönlichkeiten, oder Nebenfiguren der Geschichte als Protagonisten auswählten, da sie hier ohnehin freier in der Erzählung waren. Aber auch dies birgt Vor- und Nachteile.
 
Zuletzt bearbeitet:
Michael Duncans schöner Podcast "The History of Rome" (englisch) befasst sich in den Episoden 75-77 mit Domitian, so ausführlich, weil er sich (wie er selber sagt) gerade intensiv mit Domitian beschäftigt hatte. Natürlich ersetzt der Podcast kein ernsthaftes Quellenstudium, aber die Beleuchtung Domitians erscheint mir sehr differenziert im Vergleich zum seit Sueton konventionellen Bild des letzten Flaviers.

Das ist sicher ein guter Tipp!
Ich müsste aber, fürchte ich, jedes zweite Wort nachschlagen, und das wäre etwas zeitaufwändig. :rotwerd: (Schreibe das nur, um nicht ignorant zu erscheinen).
Also: Später, wenn ich groß bin, lese ich es. ;)
Jetzt werde ich mal nachlesen, was Hildegard Temporini („Die Kaiserinnen Roms“) über die Flavier schreibt.
 
Beim Lesen des Kapitels über die Flavier ist mir klar geworden, wie sehr Lion Feuchtwanger mein Bild dieser Kaiser geprägt hat. Romanstoff bietet diese Epoche nun wahrlich!
Sehr beeindruckend hat er Titus und Berenike beschrieben - überhaupt ist mir Band 2 der Josephus-Trilogie ("Die Söhne") besonders gut in Erinnerung geblieben. Damit möchte ich noch einen Hinweis auf einen wirklich hervorragenden Roman über die Zeit (aber auch darüber hinaus) loswerden.
 
Ich finde die Josephus-Trilogie auch gut. Teilweise gefällt mir aber die moderne Sprache Feuchtwangers nicht so gut. Meiner Meinung nach passt es nicht in die Römerzeit, dass sich alle mit "sie" ansprechen. Auch die Anrede Majestät für den Kaiser gehört in eine spätere Epoche.
 
Hmnja, ich würde hier gerne das "einen wirklich guten Roman" betonen und das "über diese Zeit" kleiner schreiben. Lion Feuchtwanger war ein hervorragender Romancier, von dem sich 98% der heutigen "historischen Romanautoren" 2% seines erzählerischen Könnens wünschen sollten, aber zum einen sind sie sowenig historisch wie eben die heutige Durchschnittsliteratur*, zum anderen kommen wir wieder mächtig vom Thema ab.

*der Unterschied ist: L. F.s Bücher sind/waren politisch und sozial relevant im Gegensatz zum eskapistischen Kokelores des heutigen Mainstreams.
 
Ja, das stimmt.
Und da jetzt das Thema besser passt: :)
Ich bin durchaus für eine relativ moderne Sprache der „historischen“ Romanfiguren - in der Josephus-Trilogie hat mich die „Sie“- Anrede und „Exzellenz“ und dergleichen aber auch irritiert, zumindest am Anfang.

Möchte kein „so sollte es sein“ formulieren – verlasse mich auf mein Bauchgefühl beim Lesen. Manches gefällt, manches ist erträglich, und manches nervt.
Genervt hat mich so mancher Ausdruck von Figuren in dem Roman „Der Medicus des Kaisers“, wie die Bemerkung von Lucilla, der Tochter Marc Aurels, ihr Vater hätte wieder mal „die Philosophen-Nummer abgezogen“. Da mag bei jedem Leser die Schmerzgrenze woanders liegen.
Schwierig, geradezu riskant finde ich es, eine der damaligen Zeit angemessene Sprache rekonstruieren zu wollen. Ich würde von sowas die Finger lassen – rein gefühlsmäßig.
 
Genervt hat mich so mancher Ausdruck von Figuren in dem Roman „Der Medicus des Kaisers“, wie die Bemerkung von Lucilla, der Tochter Marc Aurels, ihr Vater hätte wieder mal „die Philosophen-Nummer abgezogen“. Da mag bei jedem Leser die Schmerzgrenze woanders liegen.
Schwierig, geradezu riskant finde ich es, eine der damaligen Zeit angemessene Sprache rekonstruieren zu wollen. Ich würde von sowas die Finger lassen – rein gefühlsmäßig.
Der Medicus des Kaisers hat mir persönlich, vom ganzen Schreibstil her nicht besonders gefallen.
Sicher kann man heute nicht mehr in der Ausdrucksweise der Antike schreiben aber zu neuzeitlich sollte für mich die Wortwahl der Akteure nicht klingen. Das stört mich dabei, mich in die Zeit zu versetzen. Abenso finde ich es daneben, wenn ein römischer Kaiser (weiß leider nicht mehr in welchem Roman) in eine Nektarine beißt, die ja erst im 20. Jh. gezüchtet wurde oder einen Truthahn isst, der vor der Entdeckung Amerikas in Europa unbekannt war.
@ Marcia, kennst Du den Roman "Die Gefährtin des Kaisers" in dem die Hauptfigur Caenis, die Geliebte des Vespasian die Hauptfigur ist. Ein kleines Buch , aber unterhaltsam geschrieben.
 
Das Buch ist gut. Geschrieben von Lindsey Davis. Wobei ihre Romane um Marcus Didius Falco von der Sprache oder dem benehmen her recht modern sind. Trotzdem unterhaltsam.

Apvar
 
@ Marcia, kennst Du den Roman "Die Gefährtin des Kaisers" in dem die Hauptfigur Caenis, die Geliebte des Vespasian die Hauptfigur ist. Ein kleines Buch , aber unterhaltsam geschrieben.

Nein, kenne ich noch nicht - aber da ihr es empfehlt, kann ich mich wohl mal daran wagen. Danke für den Tipp!
 
Pompeji von Robert Harris, Die Säulen der Erde und Das Tagebuch des Roger von Lunel sind hier meine Favorien. Cornwell konnte mich nie begeistern, ist aber natürlich im oberen Bereich.
 
Es gibt ja viele historische Romane die das mittelalterliche England behandeln, z.B. die Bücher von Rebecca Gablé. Aber es gibt für meinen Geschmack etwas wenig über das Mittelalter in Deutschland/HRRDN. Bisher habe ich mir folgende Bücher von Deana Zinßmeister vorgemerkt:

Die Gabe der Jungfrau
(Kurpfalz um 1525 zur Zeit der Bauernkriege)

Das Hexenmal
(Thüringen 1617: fünf Einzelschicksale kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg; u.a. Hexenverfolgung)
-> im November erscheint die Fortsetzung "Der Hexenturm"

Hat jemand von Euch diese beiden Bücher gelesen und könnt ihr sie empfehlen? Gibt es andere gut recherchierte historische Romane über das deutsche Mittelalter?
 
Kennt jemand die Werke von Tilmann Röhrig? Haben dessen Werke Qualität? Oder handelt es sich um die übliche, überdekorierte Fließbandliteratur?
 
Ich habe hier "Wie ein Lamm unter Löwen" von Röhrig, muss aber gestehen, dass ich es nicht fertig gelesen habe. Der Anfang ist gut gelungen, allerdings flacht die Story nach den ersten 100-200 seiten doch ab und dann vergeht mir bei dem Buch rasch die Lust, was aber auch am Thema liegen kann. Guelfen/Staufer usw, ist nicht so meine Welt.
 
Jedenfalls fand ich folgende Statements in einem Interview etwas merkwürdig ...
Tilman Röhrig: Ich schreibe nicht einfach einen historischen Roman. Ich erfülle mir von Roman zu Roman einen großen Plan. In einer Zeit der Spezialisten - hervoragende, wissende Menschen eines schmalen, abgegrenzenden Fachgebietes - befürchte ich, dass die Kenntnis des Ganzen, des großen Entwicklungsbogens verloren geht. So schreibe ich über die entscheidenden Wendepunkte, Kreuzwege der europäisch und deutschen Geschichte. Natürlich will und muss ich genauestens recherchieren. Von den dann erworbenen hundert Prozent fließen letztlich nur zwanzig Prozent in den Roman, um den Leser nicht mit Wissen zu ersticken. Allerdings achte ich darauf, dass möglichst alle Fakten, Umstände und Kleinigkeiten stimmen. Der Leser soll sich getrost auf meine genauigkeit verlassen können.

Tilman Röhrig: Schauen Sie in meine Homepage. Dort habe ich eine Geburtsanzeige meines jüngsten Kindes veröffentlich. Am Pfingsmonatg bin ich nach dreijähriger 'Tragezeit' mit dem neunen Roman 'niedergekommen'. Die Handlung führt in die Wirren und Umwälzungen des fünften Jahrhunderts. Der Leser muss sich auf den ersten 'Weltkrieg' zwischen Ost und West einstellen (Schlacht auf den katalaunischen Feldern 451), er begleitet den Aufstieg und Fall des Hunnenkönigs Attila, erlebt den Niedergang des römischen Reiches, die Dekandenz am Kaiserhof zu Ravenna, weiß nach der Lektüre mehr über die Burgunder als ihm das Niebelungenlied zu singen vermag, und er darf meine Goldrun durch den Roman begleiten, die Verlassene, die Geliebte, die verzeifelt um ihr Glück ringende Frau. Unerbittlich scheint das Gesetz des Königshauses ...
Ich muss hier innehalten. Freuen Sie sich auf 740 Seiten Leben im 5. Jahrhundert
aus Literaturschock: Interview mit Tilman Röhrig
 
Ist ja logisch, dass er nicht alle Fakten in den Roman einbauen kann. Es soll ja kein Geschichtsbuch werden. Hauptsache ist doch, dass alles was er dort schreibt auf Fakten beruht und historisch korrekt ist.
 
Ich hab einiges an Kritiken über ihn gelesen, das meiste war positiv. Der Grund meiner Frage ist dass sein neues Buch "Caravaggios Geheimnis" im Rahmen des Festivals Alter Musik in Innsbruck gelesen wird. Und die Alte Musik Innsbruck steht musikalisch für TOP-Qualität - da werden sie ja sonst keinen Schrott zulassen denke ich mal....

Aber Feedback ist nie schlecht - lesen werd ichs sowieso (Rom um 1600 ist meine Zeit.....)
 
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