Historische Romane

.. Einen Senarius konnte ich überhaupt nicht finden. Ich bezweifle auch, dass jemand so hieß, denn das ist das Synonym für den jambischen Trimeter.
Trotzdem hieß der gute Mann so, er war ein Freund des Faustus und Ennodius, wurde schließlich Comes patrimonii.


Auch der "mündige" Leser braucht eine Entscheidungsgrundlage bzw. Hintergrundinformationen, um sein Urteil fällen zu können. Wenn er nicht genug über die Goten weiß, nimmt er dem Romanautor trotzdem alles ab.
Alles schön und gut, aber Du strebst eine Perfektion an, die es in den seltensten Fällen geben wird. Als ich mit 11 das erste Mal E.K.u.R. las, war es für mich ein Roman, der in der Vergangenheit spielte – nicht mehr. Dass es die meisten Personen wirklich gegeben hatte, ging mir erst auf, als die Namen in meinem Schul-Geschichtsbuch auftauchten. Danach habe ich mich in der Stadtteilbibliothek umgesehen. Viel gab es da nicht, aber es reichte, Realität von Roman zu unterscheiden. Wäre mein Interesse nicht geweckt worden, hätte ich den Romanstoff trotzdem nicht als geschichtliche Realität angesehen. Und so geht es wahrscheinlich den Durchschnittslesern: es ist ein spannendes Buch und mehr wollen sie gar nicht. Ist es Dir noch nie passiert, dass Du jemand über den historischen Hintergrund aufklären wolltest und denjenigen interessiert das gar nicht? Mir schon.

Schon die alten Römer waren mehr an dramatischer Spannung der Geschichtsschreibung interessiert, als an der Richtigkeit der Story. Zitat Marcus Fabius Quintilianus (35 – 96 n. Chr.): „Es ist nämlich die Geschichtsschreibung der Dichtung am Nächsten, gewissermaßen ein Gedicht ohne Verse, sie wird zum Erzählen verfasst, nicht zum Beweise und alles, was in ihr dargestellt wird, gilt nicht der Rüstung zur Tat und einem gegenwärtigen Kampfgeschehen, sondern der Erinnerung der Nachwelt und dem Ruhm des begabten Erzählers“. (Katalog Varusschlacht – Konflikt)
 
Was Du da über die antike Geschichtsschreibung schreibst, ist schon richtig - wenngleich es auch in der Antike schon Kritiker wie Polybios gab, denen die historische Genauigkeit sehr wohl am Herzen lag. Sogar Livius übte Kritik an den übertriebenen Schilderungen des Valerius Antias. Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute kann es sich kein Historiker mehr erlauben, seine Geschichtsdarstellung zwecks höheren Unterhaltungswerts zu verfälschen.

Zu Historienromanen haben wir offenbar einen unterschiedlichen Zugang. Ich habe mit 17 einen Roman "Der Makedonier" von Nicholas Guild über das Leben Philipps II. von seiner Geburt bis zu seinen ersten Jahren als König gelesen, also über die Zeit, ehe er Makedonien zur Hegemonialmacht in Griechenland machte. (Obwohl es also hauptsächlich um Philipps Jugend geht, war das aber kein Jugendbuch, wie man an den eingestreuten Sexszenen erkennen kann.) Über diese frühen Jahre Philipps ist auch wenig bekannt, und ich habe mich beim Lesen immer gefragt, was wohl wahr ist und was erfunden. Seither habe ich einiges über Philipps Anfänge herausgefunden und erkannt, dass sich der Autor offenbar sehr wohl an alle bekannten Fakten gehalten hat. Beim Rest frage ich mich aber trotzdem noch, ob er den erfunden hat oder ob er sich dabei auch auf Fakten stützt, die ich noch nicht entdeckt habe. So oder so: Dieser Roman hat sehr mein Bild des jungen Philipp geprägt. Sollte also der Roman doch in Teilen historisch unkorrekt sein, dann wäre mein Philipp-Bild auch falsch.
Kurz gesagt: Wenn ich einen Historienroman lese, erwarte ich sehr wohl, eine halbwegs korrekte Darstellung zu bekommen.
 
@ Ravenik, ein Roman ist in allererster Linie ein Kunstwerk und darf als solches auch einige künstleriche Freiheiten haben. Um möglichst korrekt über historische Tatsachen zu lesen gibt es andere Literatur. Wer einen Roman nur nach Tatsachen zerpflückt, bringt sich selbst um das Lesevergnügen.
 
Grundsätzlich hast Du ja recht, aber wer vorgibt, in seinem Roman historische Ereignisse zu schildern und dann Erfundenes erzählt, der führt seine Leser in die Irre. Natürlich steht es jedem frei, eine gute Geschichte zu erfinden, aber dann soll er nicht historische Personen dafür missbrauchen, sondern offen dazu stehen, dass er einen Fantasy-Roman verfasst hat.
 
Grundsätzlich hast Du ja recht, aber wer vorgibt, in seinem Roman historische Ereignisse zu schildern und dann Erfundenes erzählt, der führt seine Leser in die Irre. Natürlich steht es jedem frei, eine gute Geschichte zu erfinden, aber dann soll er nicht historische Personen dafür missbrauchen, sondern offen dazu stehen, dass er einen Fantasy-Roman verfasst hat.
Jeder Roman besteht zu einem Teil aus der Fantasie des Schriftstellers, sonst wäre es nichts weiter als ein Bericht. Wenn man solch hohe Maßstäbe wie Du ansetzt, so dürfte überhaupt keine historische Gestalt in einem Roman vorkommen. Da ja nicht alles was eine Persönlichkeit gesagt oder getan hat schriftlich niedergelegt wurde, muß die Fantasie zwangsläufig bemüht werden. Die Historie bildet nur den Rahmen für das Buch. Sicher sollten keine groben Fehler enthalten sein . Wir können ja auch gar nicht so sicher sein, dass alles was uns aus der Geschichte überliefert wurde absolut wahr ist .Auch die Alten besaßen schon eine blühende Fantasie.
Ein Roman ist nichts weiter als eine Kunstform.
 
Da muss man differenzieren: Dass der Autor eines Historienromans einiges erfinden muss, um ihn lebendig und nachvollziehbar erzählen zu können, ist klar. Allerdings sollte er sich darauf beschränken, Lücken in der Überlieferung zu schließen. Er sollte sich aber an diejenigen Fakten halten, die bekannt sind.

Beispiel:
Überliefert ist: Der König A heiratet 1076 seine Frau, zeugt 1081 ein uneheliches Kind, führt 1084 Krieg gegen B und wird 1087 von seinem Neffen vergiftet.
Nicht überliefert ist, wer die Mutter des unehelichen Kindes war und wie er sie kennengelernt hat, und wieso er vergiftet wurde.
Okay ist es, wenn der Autor des Historienromans eine (realistisch geschilderte!) Liebesgeschichte zwischen dem König und der Mutter des Kindes erfindet, und wenn er sich ein Motiv für den Mord einfallen lässt.
Nicht okay ist es, wenn der Autor des Historienromans schreibt, dass der König im Krieg gegen B den Heldentod starb, oder dass er von seiner Frau aus Rache für die Affäre vergiftet wurde.

Dass man auch manche Überlieferung anzweifeln muss, stimmt leider auch. Aber da Wahrheit und Dichtung zu trennen, ist die Aufgabe der modernen Geschichtsschreibung. Es kann jedenfalls keine Rechtfertigung dafür sein, die Geschichte noch weiter zu verfälschen.
 
Ich sehe das ähnlich wie Ravenik. Es steht außer Frage, dass es historische Wahrheit und poetische Wahrheit gibt. Z.B. ist Peter Kranz (der Hitlerjunge, der Traudl Junge durch die feiernden sowjetischen Soldaten führt und später ein Fahrrad besorgt) in Der Untergang eine erfundene Figur.
Das Problem ist, dass es durchaus Leute gibt, die nicht zwischen historischer und poetischer Wahrheit zu unterscheiden wissen. Da kommen dann Fragen nach der Historizität des Fluchs der Karibik oder ob die Vandalen Wikingerschiffe hatten oder jemand möchte die Werke von Robert Langdon lesen und glaubt in Rosslyn Chapel irgendwelche versteckten Hinwiese zu finden.
Wie ist nun Peter Kranz zu bewerten? Der Film Der Untergang beginnt und endet mit einem Zeitzeugeninterview mit Traudl Junge. Dies erweckt beim Zuschauer den Eindruck höchster Authentizität. Genauso, wie ein Professorenroman gewisse Erwartungen beim Leser weckt. Solche Dinge suggerieren So ist es gewesen. Und deshalb kann ich die Probleme, welche dies mit sich bringt, verstehen.
 
Wenn ein Autor einen guten historischen Roman schreiben will, dann braucht er nicht nur handwerkliches Geschick, er muss er sich auch an das Exposé halten. Und das Exposé ist in diesem Fall die geschichtliche Überlieferung. Wie er das Ganze dann ausschmückt ist seine Sache.

Wenn ein Napoleon oder Löwenherz im Roman in direkter Rede spricht, dann sind die Worte natürlich keine 1:1-Überlieferung, sondern immer die Erfindung des Autors. Wenn er es gut macht, dann wirken solche Sätze (und damit die Story) plausibel; wenn Napoleon "okay" sagt, eher weniger.

Ähnlich ist es mit historischen Schilderungen. Ob König Kunibert VII. lieber schwarze oder braune Gewänder getragen hat, ist herzlich egal. Wenn aber historische Tatsachen aus späteren Jahrhunderten einfließen (wie es mich im "Medicus" immer wieder gestört hat), dann ist der "historische" Roman voll danebengegangen.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Entstehungszeit des Romans. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1890 ist anders geschrieben als einer von 1940 oder 2010. Das sollte man bei der Bewertung eines Romans berücksichtigen.

Dann kommt noch das Land des Autors dazu: Ist es ein US-Amerikaner oder nicht? Ein US-Amerikaner schreibt nämlich anders als ein Europäer, besonders bei historischen Sachen. Während Schilderungen aus der amerikanischen Geschichte normalerweise mit entsprechenden Fakten unterlegt sind, ist bei Romanen, die in Europa (oder anderen Kontinenten) spielen, häufig historisches oder geografisches Unwissen festzustellen. *)

Hinzu kommen bei US-Autoren gerade in letzter Zeit immer mehr Anflüge von political correctness und neuzeitlichem Denken. Wenn Romanfiguren früherer Jahrhunderten reden, denken und handeln wie jemand aus dem 21. Jh, dann ist das nervig! **) Diese Eigenart kommt bei europäischen Autoren auch, aber glücklicherweise nicht zu häufig vor.

Im Übrigen stimme ich den Ausführungen Quijotes und Raveniks zu.

---------------------

*) Kleine Anekdote am Rande: Als ich vor ein paar Jahren mit einem amerikanischen Buchhändler darüber sprach, dass der Autor XY den Schwarzwald in den Raum München gelegt hat, antwortete er: "Das weiß hier eh' kein Mensch, warum sollte es der Autor wissen?"

**) In einem Bürgerkriegsroman, der also in den 1860er Jahren spielt, schimpfte ein Südstaatler über die "damned Afro-Americans" !!! Er hat zwar seine Sklaven gepeitscht, war aber immer politisch korrekt...
 
Wer verteilt eigentlich die "Etiketten" an die Romane, ob sie "Historische Romane" sind, oder nicht?
Das sind doch in der Regel vermutlich die Verlage und die wollen verkaufen!

Würde jemand kaufen, wenn auf dem Cover nur stehen würde: "Ein Roman, der in die Zeit X, Menschen aus unserer Zeit versetzt..."? Gewiss nicht, oder?!

Romane sind eben immer zuerst einmal Romane, gleich welche Ansprüche man an die Ausarbeitung der historischen Rahmenbedingungen stellt. Romane leben in erster Linie von Charakteren, denn die sprechen Leser zuerst einmal an. Je mehr Zeit in Rahmenbedingungen gesteckt wird, desto weniger ausgefeilter sind meist die Charaktere… Daher auch die (logische) Tendenz, dass Romanfiguren immer etwas zu „modern“ für die Zeit sind, in der sie angesiedelt sind.

Für mich ist es ein Zeichen für einen recht gelungenen historischen Roman, wenn man sich hinterher fragt, ob es tatsächlich so gewesen sein könnte und nicht schon bei oberflächlicher Recherche feststellt, dass es eben „nur“ ein Roman gewesen ist.

@Film „Der Untergang“
Dass dieser Film (Film, nicht Buch – mit seinen viel eindringlicheren Möglichkeiten) „dokumentarischer“ wirken muss, ist klar. Hier kommt eine Zeitzeugin ins Spiel, die eine historische Person ist und noch lebt! Da können besondere Maßstäbe angelegt werden.

Ein Buch mit dem Titel „Ich, Alexander [der Große] habe erlebt“ – erweckt mit seinem Titel ebenfalls einen „Anspruch“ auf höchste Authentizität. Dass diese aber nicht erfüllt werden kann, da Alexander bereits mehr als 2000 Jahre tot ist, muss jedem Leser klar sein. Ein Tatsachenbericht ist hier nicht einmal denkbar.
 
Die Erstentscheidung, ob ein Roman ein "historischer Roman" werden soll, fällt aber trotzdem der Autor. Wenn er beginnt, einen Roman über Pyrrhos von Epiros zu schreiben, dann legt er damit fest, dass er über eine historische Persönlichkeit schreibt. Wenn dann der Roman mit dem Titel "Pyrrhos" in den Handel kommt, dann erwartet der geschichtskundige Leser einen Roman über diesen König, egal ob der Buchhändler ihn ins Regal "Historienromane" oder sonstwohin gestellt hat. In dem Moment, in dem sich der Autor also entscheidet, über eine reale Person oder reale Ereignisse zu schreiben, übernimmt er meiner Meinung nach eine gewisse Verantwortung gegenüber seinen Lesern. Denn die meisten, die einen Roman "Pyrrhos" kaufen, werden sehr wohl erwarten, einen Roman über diesen König vorzufinden und nicht bloß Fiktion.
 
Ein sehr interessantes Thema!

Ein Buch mit dem Titel „Ich, Alexander [der Große] habe erlebt“ – erweckt mit seinem Titel ebenfalls einen „Anspruch“ auf höchste Authentizität. Dass diese aber nicht erfüllt werden kann, da Alexander bereits mehr als 2000 Jahre tot ist, muss jedem Leser klar sein. Ein Tatsachenbericht ist hier nicht einmal denkbar.

Die Erzählperspektive, die in diesem Fall besondere Nähe erzeugt, macht auch besonders deutlich, dass es sich um Fiktion handelt.

Nun kann aber auch ein solcher Roman sehr gut recherchiert sein. Beispiel "Ich zähmte die Wölfin" (Lebenserinnerungen des Kaisers Hadrian) - der französische Originaltitel sagt, so viel ich weiß, weniger über die Erzählperspektive aus. Für mich ist das ein wirklich beispielhafter Roman, wegen der akribischen Vorarbeit der Autorin, aber nicht nur deswegen.
 
Sind wenigstens die ausführlichen Fußnoten dabei, die oft dazu dienen, die historischen Hintergründe zu erläutern?

Aber es ist nicht die Schuld von Ebers, sondern des Verlags, dass man seine Vorrede weggelassen hat. Zumindest Ebers hat sich Mühe gegeben, seine Leser vor historischen Irrtümern zu bewahren.
....
Dass es Cethegus wirklich gab, wusste ich gar nicht. ...

Ja, ja das Vorwort. Es kommt eben immer darauf an, welche Ausgabe man in die Hand bekommt. Das von Ebers inkl. Fußnoten fehlt ja in der meinigen, dafür habe ich jetzt mein Taschenbuch-Exemplar wieder zur Hand von "Ein Kampf um Rom". Und da steht sehr wohl ein Vorwort von Dahn drin:
Die wissenschaftlichen Grundlagen dieser in Gestalt eines Romans gekleideten Bilder aus dem 6. Jh. enthalten meine in folgenden Werken niedergelegten Forschungen:
Die Könige der Germanen [...]
Prokop von Cäsarea. Ein Beitrag zur Historiographie der Völkerwanderung und des sinkenden Römertums. Berlin 1865

Aus diesen Darstellungen mag der Leser die Ergänzungen und Veränderungen, welche der Roman an der Wirklichkeit vorgenommen, erkennen.

In der Geschichte umspannen die hier erzählten Ereignisse einen Zeitraum von fast dreißig Jahren: dieser musste aus naheliegenden Gründen abgekürzt oder doch in seiner Dauer verschleiert werden.

Völlig frei erfunden ist die Gestalt des römischen Helden der Erzählung, des Cethegus Cäsarius.

Das Werk ist 1859 in München begonnen, in Italien, zumal in Ravenna, weitergeführt, und 1876 in Königsberg abgeschlossen worden.
Und noch was:
so manche Autoren schreiben unter einem Pseudonym. Wenn Du also nicht weißt, dass derjenige eigentlich Historiker ist, legt Du vermutlich nicht so hohe Maßstäbe an.
 
Doch, eigentlich schon. Sobald sich jemand anmaßt, einen Historienroman zu schreiben, erwarte ich von ihm, dass er seinen Stoff ernstnimmt und nicht bloß als Grundlage missbraucht, damit er sich keine eigene Geschichte einfallen lassen muss, aber dann nach Belieben abweicht. Außerdem waren weder Dahn noch Ebers echte Historiker.

Aber aus dem von Dir zitierten Vorwort geht hervor, dass Dahn seinen Cethegus offenbar nicht an den von Dir erwähnten Konsul angelehnt hat.
Außerdem ist Dahns Vorwort versteckte Eigenwerbung: Der Leser muss die genannten Werke kaufen, wenn er tatsächlich herausfinden will, was am Roman Wahrheit und was Fiktion ist.
 
Roman, nicht Historische Abhandlung

Die Erzählperspektive, die in diesem Fall besondere Nähe erzeugt, macht auch besonders deutlich, dass es sich um Fiktion handelt.

Nun kann aber auch ein solcher Roman sehr gut recherchiert sein. Beispiel "Ich zähmte die Wölfin" ...

Das ist sicher richtig. Mein Beispiel mit einem Alexander-Titel ist mit Absicht eben besonders direkt gewählt!

Die Erstentscheidung, ob ein Roman ein "historischer Roman" werden soll, fällt aber trotzdem der Autor. Wenn er beginnt, einen Roman über Pyrrhos von Epiros zu schreiben, dann legt er damit fest, dass er über eine historische Persönlichkeit schreibt. Wenn dann der Roman mit dem Titel "Pyrrhos" in den Handel kommt, dann erwartet der geschichtskundige Leser einen Roman über diesen König....

Der Zusammenhang ist schon klar. Unter geht leider immer der wichtigste Begriff: Roman!
Ein Roman ist immer zuerst Literatur.
Schau einmal in Wiki unter dem Stichwort „Historischer Roman“. Die Einleitung ist:

Ein historischer Roman ist ein fiktionales Prosawerk, dessen Handlung in einer historischen Zeit spielt.
Da haben wir es doch: fiktionales Prosawerk!


Es gibt natürlich auch einen differenzierenderen Ansatz, wie hier zu finden:
Historische Romane
Beim historischen Roman kann man aber nochmals zwischen den Gegebenheiten differenzieren. Es gibt historische Romane, welche ausschließlich auf Nachforschungen beruhen und deren Personen alle tatsächlich existiert haben.

Im nicht allzu krassen Gegensaz dazu stehen die Romane, welche teils aus reelen und zum anderen Teil aus fiktiven Personen bestehen. Dennoch ist dann das Bild der historischen Realität nicht getrübt. Die intensiven Nachforschungen und Auseinandersetzungen mit der Materie haben ja dennoch statt gefunden.

Fiktive Personen dienen meist dazu, das Geschehene zu verdeutlichen. Denn manch einer hat wohl Probleme mit dem Geschehen in historischen Romanen, was nur verständlich ist. Wir leben in einem anderen Zeitalter und gerade wenn wir sehr weit in der Geschichte zurückgehen müssen, fällt es uns schwer, bestimmte Dinge nachzuvollziehen, was wohl zum größten Teil an unserer veränderten Gesellschaftsstruktur liegt.
Die meisten historischen Romane arbeiten mit fiktiven Figuren, eben damit sie sich eine allzu intensive Ausrichtung nach bekannten Persönlichkeiten sparen können und den Stoff freier bearbeiten können. Dadurch wird oft genug die geschichtliche Persönlichkeit in den Hintergrund gedrängt. Typische, vielleicht sogar bekannte Beispiele dafür sind etwa „Der Greif“ (von Gary Jennings), wo letztlich der Geschichtsverlauf „in Wirklichkeit“ von der erfundenen Persönlichkeit gestaltet wird. Ein übles Werk – meiner Ansicht nach. In die gleiche Kerbe schlägt der „Weltbestseller“ von Bernard Cromwell „Das Letzte Königreich“, wo sein fiktiver Held erst die historischen Ergebnisse Alfreds des Großen von England maßgeblich erwirkt hat. Dabei hat er einen knöchernen und einfachen Erzählstil von einem Massenschreiber als Autor! Die ganzen populären Bücher mit Titeln wie „Die Wanderhure..“; „Die Tochter des Salzsieders“ dagegen lassen eher „moderne“ Personen in einem ausgemalten Geschichtsfeld agieren. Das sind typische Vertreter von „Historischen Romanen“. ...wobei zumindest der Autor etwa seinen Roman "Die Päpstin" ebenfalls für einen historischen Roman hält...
Wie das Ganze auch ausgehen kann, zeigt die Oper „Aida“ von Verdi, der für seine Handlung das doch letztlich rein fiktive Szenario des damals angesehenen Ägyptologen Auguste Ferdinand Francois Mariette zugrunde legte. War das etwa ein Professorenroman? Immerhin war der für seine Raubgrabungen unter Einsatz von Sprengstoff „verdienstvoll“ gewordene Mann, zeitweilig Zweiter Kurator (für die ägypt. Abteilung) im Louvre und später Direktor des Altertümerdienstes von Ägypten (lt Wiki)! Als ich mir Aida in der Arena von Verona angesehen habe, war mir vorher klar worauf ich mich eingelassen hatte. Aber dennoch ist Aida, aufgeführt in diesem Rahmen gewiss sehens- & hörenswert! Geschichtlich darf ich das überhaupt nicht bewerten wollen…

Kurz: Der „Historische Roman“ ist ein riesiger Sack in dem sich sowohl Perlen finden, als auch ausgesprochener, „geschichtlicher“ Auswurf. Als geschichtlich Interessierte werden wir wohl vieles schlecht bewerten, was Andere als gelungene Romane bezeichnen würden.
Auch der beste Roman, der sich extrem stark an Fakten hält, wird immer Fiktion enthalten. Ein Roman kommt ohne Fiktion nun mal nicht aus^^
 
Zuletzt bearbeitet:
...
Aber aus dem von Dir zitierten Vorwort geht hervor, dass Dahn seinen Cethegus offenbar nicht an den von Dir erwähnten Konsul angelehnt hat.
Außerdem ist Dahns Vorwort versteckte Eigenwerbung: Der Leser muss die genannten Werke kaufen, wenn er tatsächlich herausfinden will, was am Roman Wahrheit und was Fiktion ist.
Der echte Cethegus soll gotenfreundlich gewesen sein.

@Eigenwerbung:
Warum nicht, heute ist das auch selbstverständlich.
Wer Interesse hat, kauft sie, wer nicht --- der hat sich eben vom Roman gut unterhalten lassen und will nicht mehr wissen. Außerdem hätte Dahn noch mal ein halbes Buch schreiben müssen, um die Abweichungen zu erklären.
 
@ tejason:
Ich schätze Wikipedia zwar grundsätzlich, aber als Quelle für Definitionen würde ich es nie verwenden. Womöglich hat sich die der Schreiber selbst ausgedacht...
Übrigens kann ein Historienroman durchaus fiktional sein, ohne dass ich etwas dagegen habe - nämlich dann, wenn Personen und Handlung fiktiv sind und bloß in einer historischen Umgebung angesiedelt werden, wie z. B. in den meisten Teilen von Freytags "Die Ahnen" oder in Tolstois "Krieg und Frieden". Problematischer wird es schon bei "Aida": Zwar sind Handlung und Personen ebenfalls fiktiv, allerdings könnte der Umstand, dass dort Könige vorkommen, den Zuschauer doch zur Annahme verleiten, dass ein historisches Ereignis gezeigt wird. Wirklich problematisch wird es aber erst, wenn es um reale Personen und Ereignisse geht wie eben in "Ein Kampf um Rom".

Was im langen Zitat über "Historische Romane" steht, passt auf einen Roman wie die beiden Romane über Alexander den Großen von Gisbert Haefs, in denen im Mittelpunkt fiktive Personen in Alexanders Umfeld stehen. Die realen Personen wie Alexander handeln auch wie in der Realität. Die beiden Romane mochte ich zwar wegen ihres hohen Esoterikgehaltes nicht so übermäßig, aber vom geschichtlichen Standpunkt aus fand ich sie in Ordnung. Nicht angesprochen wird im Zitat der Fall von "Ein Kampf um Rom", nämlich dass reale Personen fiktiv agieren.

@ Ostrogotha:
Du bedenkst aber nicht die negativen Auswirkungen: Im Film "U-571" wurde es dem Vernehmen nach (ich habe ihn nicht gesehen) so dargestellt als ob die Amerikaner im 2. WK Enigma erbeutet haben. Jetzt glauben bestimmt Mio. Zuschauer, dass es wirklich die Amerikaner waren.
Oder der Roman "Die Päpstin": Die Masse der Leser wird jetzt glauben, dass es sie wirklich gab.
Auch wer nichts über Geschichte erfahren will, sondern sich nur gut unterhalten - etwas bleibt ja dann doch hängen. Was passiert, wenn Filme oder TV-Serien die Wahrheitstreue zugunsten einer interessanteren Geschichte opfern, konnte ich vor einigen Monaten in einem anderen Forum lesen, wo eine Nutzerin schrieb, dass Heinrich VIII. von England seine Schwester mit dem greisen König von Portugal verheiratet habe. Das hatte sie eindeutig aus der Serie "Die Tudors", wo es so dargestellt wurde. Es stimmt aber nicht, keine seiner Schwestern war mit einem König von Portugal verheiratet. Die, die später wie in der Serie Charles Brandon heiratete, war zuvor in Wahrheit mit dem (allerdings auch deutlich älteren) König von Frankreich verheiratet. Die andere (die in der Serie gleich ganz unterschlagen wurde) war mit dem König von Schottland verheiratet. Aber "dank" der Serie dachte die Nutzerin, dass es so war wie in der Serie dargestellt. Das passiert eben, wenn Romane oder Filme vorgeben, geschichtliche Ereignisse darzustellen, sich dann aber nicht daran halten.
 
@ tejason:
Ich schätze Wikipedia zwar grundsätzlich, aber als Quelle für Definitionen würde ich es nie verwenden. Womöglich hat sich die der Schreiber selbst ausgedacht...
Sicherlich! Bei dieser, extrem das fiktive Element betonenden Definition konnte ich aber nicht widerstehen.

Ich verlange von historischen Romanen in erster Linie einen weitgehend stimmigen, historischen Hintergrund. Dazu sollten Eigenheiten der Epoche plastischer werden. Historische Persönlichkeiten als Handlungsträger zu verwenden, wie bei "Ein Kampf um Rom" ist eine Gradwanderung, weil zwischen Fiktion und Historie kaum noch zu unterscheiden ist, ohne sich intensiv mit dem Thema zu befassen.
Dieser Roman verwischt stark einige Grenzen. Ich denke das fiktive Element ist hier besonders deutlich, weil man gerade den handelnden Gotenkönigen jeweils ein dominierendes "Etikett" anhaften kann, das für sich genommen fast schon zu Holzschnittartig ist, um für historisch genommen zu werden. Durch weitere Eigenschaften werden trotzdem "Personen" aus den Männern!
Für Witiges würde ich die alles dominierende Eigenschaft "Pflichtgefühl" hervorheben. Für seine Pflicht gibt er alles auf, sogar seine geliebte Frau...
Totila ist der emotionale, stürmische Charakter, gepaart mit außergewöhnlichem Charisma. Eine Eigenschaft, die zu Dahns Zeiten ganz besonders geschätzt wurde. Natürlich muss er eine Römerin lieben - und gewinnen, die Cethegus einst nahe stand...
Teja ist der Mann der Ehre und Schicksal besonders hoch hält und mit Mut auch in den sicheren Untergang geht ohne zu weichen. Er zertrümmert die von Cethegus heiß geliebte Statue von dessen Ahn Julius Caesar und reizt ihn mehrfach besonders.
Amalasuintha ist die gebildete Römerfreundin, deren Ahnenstolz und Herrschsucht sie in die Fänge von Cethegus treibt...
e.t.c.
Derart "reine" Charaktere sind idealistisch und damit eher realitätsfern, was Dahn durch lebendige Schilderung und weitere Eigenschaften bemäntelt und die Geschichte damit interessant hält - und durchaus lesenswert...
 
Das, was Du schreibst, ist ja auch okay, damit habe ich kein Problem. Über die Ostgotenkönige ist ohnehin nicht genug bekannt, um genau über ihren wahren Charakter Bescheid zu wissen. Natürlich braucht ein Roman interessante Charaktere. Aber das macht es nicht notwendig, wesentliche historische Ereignisse zu verdrehen und z. B. die Könige Ildibad und Erarich gleich ganz zu unterschlagen oder Witigis auf der Flucht sterben zu lassen.
 
Schau einmal in Wiki unter dem Stichwort „Historischer Roman“. Die Einleitung ist:
Ein historischer Roman ist ein fiktionales Prosawerk, dessen Handlung in einer historischen Zeit spielt.
Da haben wir es doch: fiktionales Prosawerk!

Ich glaube, dagegen hat auch niemand angeschrieben. Natürlich ist ein Roman ein fiktive Prosa. Das ist auch bei Romanen, in welchen einfache Personen die Hauptrolle innehaben, kein Problem. Aber wenn diese Romane im Kontext historischer Persönlichkeiten eine Rolle spielen, dann verlangen sie geradezu eine gute und ausgiebige Recherche. Ich habe vor einigen Jahren z.B. Tanja Kinkel gelesen, Mondlaub. Dieses Buch spielt in Spanien mit Schwerpunkt auf dem Krieg von Granada von 1482 - 1491/92. Darin taucht dann plötzlich ein rachsüchtiger Geist auf (hier verlässt das Buch dann die strenge Geschichte), der sich wiederum auf eine historische Person bezieht, die 1066 in Granada ermordet wurde, den jüdischen Großwesir Joseph ben Naghrella. Dieser rächt sich nun an der arabischen Nasridendynastie für etwas, was realhistorisch die berberische Ziridendynastie ihm angetan hat, mehr als 400 Jahre nach seinem Ableben. Ganz abgesehen von der Frage ob eine Geistergeschichte noch in einen historischen Roman gehört, sind solcherlei Ungenauigkeiten doch irgendwie störend. Wie Ravenik schon richtig schrieb: Nicht jeder Leser ist in der Lage zwischen Fiktion und Historizität zu unterscheiden. Du weißt doch selber, dass man manchmal sogar gegen derlei Unsinn, bei dem man gar nicht darauf käme, dass dieser für realhistorisch gehalten werden könnte, wie des Da Vinci Codes, andiskutieren muss. Und die Leute sind dabei schwer zu überzeugen, denn sie haben es ja in einem veröffentlichten Buch gelesen.

Kurz: Der „Historische Roman“ ist ein riesiger Sack in dem sich sowohl Perlen finden, als auch ausgesprochener, „geschichtlicher“ Auswurf. Als geschichtlich Interessierte werden wir wohl vieles schlecht bewerten, was Andere als gelungene Romane bezeichnen würden.
Auch der beste Roman, der sich extrem stark an Fakten hält, wird immer Fiktion enthalten. Ein Roman kommt ohne Fiktion nun mal nicht aus^^

Wie gesagt, das ist kein Problem. problematisch wird es dort, wo Fakt und Fiktion nicht mehr zu trennen ist, der Autor - und zwar nicht als literarisches Spiel sondern im vollen Ernst - das ganze als Tatsachenbehauptung verkauft.

Ich schätze Wikipedia zwar grundsätzlich, aber als Quelle für Definitionen würde ich es nie verwenden. Womöglich hat sich die der Schreiber selbst ausgedacht...

Irgendjemand muss immer eine Definition ausdenken, das ist also nicht das Problem, sofern die Definition stimmig ist. Schlage drei verschiedene literaturwissenschaftliche Lexika auf und du wirst vermutlich drei verschiedene Definitionen vom Historischen Roman finden.

Übrigens kann ein Historienroman durchaus fiktional sein, ohne dass ich etwas dagegen habe - nämlich dann, wenn Personen und Handlung fiktiv sind und bloß in einer historischen Umgebung angesiedelt werden, wie z. B. in den meisten Teilen von Freytags "Die Ahnen" oder in Tolstois "Krieg und Frieden". Problematischer wird es schon bei "Aida": Zwar sind Handlung und Personen ebenfalls fiktiv, allerdings könnte der Umstand, dass dort Könige vorkommen, den Zuschauer doch zur Annahme verleiten, dass ein historisches Ereignis gezeigt wird. Wirklich problematisch wird es aber erst, wenn es um reale Personen und Ereignisse geht wie eben in "Ein Kampf um Rom".

Ein von mir nun schon wiederholt angebrachtes Bsp. für einen Hist. Roman, der das Problem gut löst, das ist Die Brücke von Alcántara von Frank Baer. Der erklärt in seinem Nachwort, woher er seine Informationen hat, was er dazu erfunden hat und in welchen Punkten er aus Gründen der Fiktion oder aus Gründen der historischen Analyse vom Forschungsstand abweicht.
 
Irgendjemand muss immer eine Definition ausdenken, das ist also nicht das Problem, sofern die Definition stimmig ist. Schlage drei verschiedene literaturwissenschaftliche Lexika auf und du wirst vermutlich drei verschiedene Definitionen vom Historischen Roman finden.
Das stimmt natürlich, aber bei der Erstellung eines seriösen Literaturlexikons studiert der Verfasser des Artikels verschiedene Publikationen, verwertet sie für seine Definition und wägt jedes Wort sorgfältig ab. Der Verfasser der Definition in Wikipedia hat sich wahrscheinlich nicht so viel Mühe gemacht.
 
Zurück
Oben