Ich war der Meinung, vieles, das wir heute noch von den antiken Griechen und den Römern kennen, sei über arabische und persische Quellen überliefert. Sehe ich das falsch?
Das lateinische Schrifttum ist im MA viel rezipiert worden, da bedurfte es keiner persisch-arabischen Überlieferung. Richtig ist, dass das europäische Mittelalter, was die griechischen Quellen anging, am Tropf der Araber hing und auf die kommentierten Übersetzungen aus dem Griechischen ins Arabische zurückgreifen mussten. Das änderte sich aber in der Renaissance. Seit dem 13. Jhdt. greift man wieder auf die griechischen Urtexte zurück, die wiederum vom ostkirchlichen Mönchstum bewahrt wurden.
Wie will man heute auseinanderhalten, was von wem stammt, wenn wir mittelalterliche Abschriften auswerten, die vorgeblich die Wiedergabe alter Originale sind? Sollten sie getreulich abgeschrieben haben, wäre dies löblich. Allein mir fehlt der Glaube. Woraus will man den Unterschied erkennen, ob christliche Schreiber im Mittelalter oder vielleicht auch schon in der Antike, Jesus nur aufgewertet oder zusätzlich in das Werk eingearbeitet haben?
Es ist ja nicht so, dass die Verfasser alle Jesus aufgewertet hätten. So gibt es eine Stelle bei Sueton, die deutlich macht, dass Sueton zwar von Christus mal etwas gehört hat, aber keine Vorstellung hatte, wer Christus ("Chrestos") eigentlich war. Dieser Fehler wäre einem christlichen Interpolator nicht passiert. Desweiteren ist die Geschichtswissenschaft eine Textwissenschaft, die Quellenkritik besteht z.B. u.a. in einem ganz bedeutenden Teil darin, dass man die Quellen aufgrund von Worten, grammatischen Strukturen, Schreibweisen und Entlehnungen, aufgrund von
stemmata (Stammbäume der Textüberlieferungen) und Bibelzitate auf Interpolationen, Abschreibefehler u.ä. untersucht.
Das mittelalterliche Latein war eben nicht mehr das klass. Latein (Bsp. Verb in Zweitstellung (Mittellatein) oder Endstellung (klass. Latein) des Satzes; Verwendung des AcI (klass. Latein) oder des
quod als Subjunktion 'dass' (Mittellatein; im klassischen Latein gibt es auch
quod, dort ist es aber ein Demonstrativpronomen)). Man kann daher heute ziemlich genau Interpolationen von den Originaltexten unterscheiden.
Alternativ könnt man nach Römischen Quellen fahnden, die sich mit frühen Christen beschäftigen. Da stellt sich dann die Frage, ob dort überhaupt von Bedeutung war, ob Jesus eine reale Person oder nur ein Hirngespinst der Christen war. Ich denke, fremde Götter und dergleichen wurden von den Römern in der Regel als real betrachtet.
Wie gesagt Sueton ist so eine Quelle. Das Problem ist aber, dass er Christus nur durch Gerüchte kennt, also letztendlich wieder nur sehr indirekt über Christen. Er hat die Information, dass es da diesen Aufrührer gab. Irgendwo in der Kette der Information vor ihm wird ein Christ einem Nichtchristen von Christus erzählt haben.
Gibt es eigentlich im chinesischen Raum Abschriften oder Berichte von Diplomaten aus dieser Zeit? Es gab doch wohl damals schon regelmäßige Kontakte.
Selbst die Quellen über chinesisch-römische Direktkontakte sind derart unsicher, dass nicht wirklich gesichert ist, ob es sich bei den entsprechenden Gestalten in den chinesischen Qn. tatsächlich um Römer handelt, bzw. in den römischen Qn. tatsächlich um Chinesen.