Hier mal eine genauere Übersetzung des englischen Textes für die Interessierten:
Wie die portugiesischen Juden (Marranos) England retteten
M. Lopes Azevedo
Im letzten Jahr wurde in England der 350. Jahrestag der Wiederzulassung von Juden nach ihrer Ausweisung im Jahr 1290 begangen. Im Jahr 1656 überzeugte Rabbi Menasseh ben Israel aus Amsterdam - als Sohn eines neuchristlichen Nagelhändlers als Manuel Dias Soeiro in Portugal geboren, Oliver Cromwell davon, daß es gerecht und profitabel sei, Juden die Rückkehr nach England zu gestatten. Obwohl Cromwells förmliches Ersuchen im Parlament nicht durchkam und Manasseh als gebrochener Mann starb, erwarben die Juden dennoch das Recht, in England zu leben, zu arbeiten und ihrem Glauben nachzugehen, und zwar nach der allgegenwärtigen englischen Tradition des juristischen Präzedenzfalles (die Verhaftung und Beschlagnahme des Eigentums von Antonio Rodrigues Robles wurde mit der Begründung aufgehoben, daß er kein spanischer Katholik, sondern portugiesischer Jude gewesen sei - England hatte sich seinerzeit im Krieg mit Spanien befunden). Gemäß dieses Präzedenzfalles waren Juden in England sicher.
Portugal und England haben die längste Allianz der Welt, die 1386 mit der Heirat Joaos I. von Portugal mit einer Cousine Richards III. begann. Philippa war die Tochter John of Gaunts, des Duke of Lancaster. Die Heirat zementierte die Allianz gegen einen gemeinsamen Feind, Kastilien. Während es allgemein gut bekannt ist, daß England Portugal vor der napoleonischen Invasion rettete, wurde die Errettung Englands durch schlaue Juden verschwiegen. Bis vor kurzem wurde angenommen, daß es zwischen 1290 und 1656 keine Juden in England gegeben habe, aber der anerkannte Historiker Cecil Roth deckte in seiner History of the Jews in England auf, daß sich portugiesische Juden manchmal als Katholiken oder Protestanten (Marranos) ausgaben und während der Regierungszeiten Heinrichs VIII. und Elisabeth I. in England lebten.
Im Jahr 1492 wurden die sephardischen Juden (d.h. iberische Juden im Gegensatz zu den Ashkenazim aus Deutschland/Polen, vgl Obadiah Vers 20 bezüglich einer biblischen Referenz zu den Sepharden) aus dem neu geschaffenen Spanien vertrieben. Portugal, bereits für über 300 Jahre eine geeinte Nation, schloß sich dem nicht an, obwohl König Manuel, von seiner zukünftigen spanischen Schwiegermutter unter Druck gesetzt, im Dezember 1496 den Sephardim befahl, Portugal binnen zehn Monaten zu verlassen. Der König hatte jedoch nie die Absicht, seine kreativsten und gebildetsten Untertanen gehen zu lassen. Unter Einsatz krummer Methoden - wie z.B. Kinder unter 14 Jahren ihren Eltern wegzunehmen und sie in christlichen Familien aufwachsen zu lassen - zwang der König cirka ein Fünftel der Bevölkerung zum Christentum. Diejenigen, die Widerstand leisteten, wurden in Lissabon einfach an den Haaren zum Taufbecken geschleift, während sie auf versprochene Schiffe warteten, die nie eintrafen. Eine Handvoll, unter ihnen Abraham Zacuto, der Astronom des Königs, der nautische Tafeln aufstellte, nach denen Vasco da Gama den Seeweg nach Indien fand, konnte fliehen.
Der König nahm an, daß die Gezwungenen oder Anousim innerhalb einer Generation assimiliert würde. Er versprach sogar, sich 20 Jahre lang um ihre privaten religiösen Praktiken nicht zu kümmern und erweiterte diesen Zeitraum später noch. Die Marranos jedoch waren nur nach außen hin Katholiken, blieben im Herzen Juden und befolgten jüdische Glaubensvorschriften bis ins 20. Jahrhundert hinein, obwohl es 300 Jahre lang die Verfolgung durch die Inquisition gab. Die Ausweisung aus Spanien 1492 verursachte großes Leid und Entwurzelung, und einen erheblichen Anstieg der jüdischen Immigration nach Portugal, wie schon von Samuel Usque in Consolidation for the Tribulations of Israel beschrieben, das 1553 im portugiesischen Ferrara erschien; ein grundlegendes Werk der portugiesischen Literatur. 1506 führten fanatische Dominikanermönche einen aufgehetzten Mob durch die Straßen von Lissabon und es gab drei Tage der Zerstörung und Plünderung, bei denen 2000 bis 4000 Neuchristen getötet wurden, da man ihnen die Schuld an jeglichem Unglück im Land zumaß. Als Reaktion darauf ließ der König die Dominikanermönche hängen und hob die gegen Neuchristen erlassenen Reisebeschränkungen auf. Bald gab es einen stetigen Strom reicher und gebildeter Marranos von Portugal nach Antwerpen, Hamburg, Amsterdam, Bordeaux, Rouen, Leghorn [da fehlt mir der deutsche Name], Neapel, Bristol, London und Dublin, bevor sie im 17. Jahrhundert in die Neue Welt gingen.
Im Jahr 1512 ermöglichte das Monopol im Pfefferhandel dem Handelshaus Mendes die Eröffnung einer Filiale in Antwerpen. Die Erbin des unermeßlichen Reichtums, die kürzlich verwitwete Dona Gracia Mendes alias Beatrice de La Luna (die Senhora), die meistbewunderte Frau bei den Marranos (vgl. The Woman who defied Kings von Andree Brooks), kam 1537 auf ihrer Flucht aus Lissabon zu ihrem Schwager Diogo Mendes nach Antwerpen. Mendes hatte einen Agenten in England und finanzierte nicht nur Heinrich VIII., sondern auch Joao III. von Portugal (den Großvater Karls), Sultan Suleiman den Prächtigen und Ercole II., Herzog von Ferrara. Heinrich VIII. intervenierte 1532 persönlich zugunsten von Diogo, als Karl V. diesen in Antwerpen wegen jüdischer Glaubensausübung verhaften ließ.
Diogo Mendes Agent in den Häfen Southampton und Plymouth war entscheidend an der Bildung einer kleinen, aber lebendigen Gemeinde in Bristol beteiligt, die regelmäßig im Geheimen religiöse Versammlungen im Haus eines Alves Lopes abhielt. Eines ihrer Mitglieder, Dionisio Rodrigues, verfügte über angesehene Kunden bei Hofe und war früher Hofarzt in Portugal. Er wurde durch die Inquisition in Lissabon verbrannt. Im Jahr 1540 wurde Gaspar Lopes, ein Cousin von Diogo Mendes, in Mailand verhaftet und kompromittierte die kleine Gemeinde in Bristol.
1542 ordnete der Oberste Gerichtshof die Verhaftung gewisser fremder Kaufleute und die Beschlagnahme ihres Besitzes an. Trotz der Intervention seitens der Regentin der Niederlande flohen viele, obwohl einige Marranos in London verblieben, darunter Martin und Francisco Lopes, Onkel mütterlicherseits von Michel Montaigne. Während der Regierungszeit Edwards VI. lebte die Gemeinde von Bristol wieder auf, unter ihnen war auch der Chirurg Antonio Brandao von Santarem, ein Neffe des berühmten Autors und Mediziners Amatus Lusitanus (Joao de Rodrigo de Castelo Branco). Beatrice Fernandes, die Frau des Dr. Henriques Nunes, führte in ihrem Hause geheime religiöse Versammlungen durch.
Infolge der gegen die Reformation gerichteten Aktionen unter Maria verstreuten sich die angeblichen Katholiken jedoch wieder. Die Handelsexpansion unter Königin Elisabeth I. und der Sturz des Katholizismus förderte eine neue Ära. Die Marranos kamen mit etwa Hundert oder mehr Mitgliedern nach London zurück. Jorge Anes (als Ames anglisiert) und seine Familie hatten seit 1521 in London gelebt. Einer seiner Söhne war Kommandeur einer englischen Garnison in Irland, wo er bis zum Major aufstieg. Ein anderer Sohn, Dunstan, war Lieferant der Königin. Ihre Schwester Sarah heiratete Rodrigo Lopes, der Hofarzt war. Er wurde als erster Arzt an das St. Bartholomew-Krankenhaus berufen. Leider geriet er in eine politische Intrige zwischen Spanien und Dom Antonio, der Ansprüche auf den portugiesischen Thron erhob (ein Sohn des Neuchristen Violante Gomes) und wurde am 7. Juni 1594 zu Unrecht wegen Hochverrat in Tyburn gehängt. Während der viermonatigen Verhandlung erreichte der Antisemitismus einen Höhepunkt; so wurden Gerüchte veröffentlicht, daß die Juden angeblich die St. Paul's-Kathedrale kaufen und in eine Kirche umwandeln wollten! Cecil Roth stellt Parallelen zwischen Marlowes "Jew of Malta" und Shakespeares Shylock und dem Schicksal von Lopes her.
Die Marranos von London - unter ihnen der Schiffsmagnat und parlamentarische Waffenlieferant Antonio Fernando Carvajal aus Fundao, Francisco Lopes D'Azevedo, der Agent der Familie Spinoza und die Brüder Lopes - waren nach außen hin Protestanten, sammelten aber Gelder für eine geheime Synagoge in Antwerpen. Sie führten geheime religiöse Versammlungen in der Nähe des Tower in London durch. Aufgrund eines weitreichenden Netzwerkes familiärer Bindungen konnten die Marranos Handelswege zwischen der Neuen und der Alten Welt aufbauen, insbesondere im Handel mit Zucker, Holz, Kaffee und Tabak, aber auch im Handel mit Edelsteinen und Gewürzen aus dem Orient. London übernahm von Lissabon die Rolle als Diamantenzentrum der Welt (vgl. The Coffee Trader and Conspiracy of Paper von David Liss und The First Global Village, How Portugal Change the World von Martin Page).
Um 1585 befand sich das protestantische England im Krieg mit dem katholischen Spanien, das Portugal 1550 annektiert hatte. Der spanische König erhob Ansprüche auf die Krone seines Verwandten, als der unverheiratete portugiesische Monarch in der Schicksalsschlacht von Alcacer Quibir in Marokko fiel. Die vereinte Krone hatte Bestand bis 1540. Philip II. von Spanien, ein frommer Katholik, der von Elisabeth I. verschmäht worden war, wollte unbedingt den Wunsch des Papstes erfüllen und den Katholizismus in England wieder etablieren. Die Vorbereitungen für eine massive Invasion begannen.
Hector Nunes war der um 1520 geborene Sohn neuchristlicher Eltern, nach der Zwangstaufe, aber vor dem Einsetzen der Inquisition in Portugal. Er studierte an der Universität von Coimbra, natürlich als Katholik, und legte 1543 das Examen in Medizin ab. Inzwischen hatte die Inquisition ihr monströses Werk aufgenommen, insbesondere in Evora. Er floh sofort nach England, um sich seiner Familie anzuschließen. Zunächst mit Handel befaßt, wurde er schließlich vom Royal College of Physicians zugelassen und 1562 sogar zum Zensor des College gewählt. Er wurde ein sehr gesuchter Arzt und behandelte unter anderem Personen wie Lord und Lady Burleigh und Sir John Penott, Lord Deputy von Irland.
Bald versorgte er Burleigh und die Minister der Königin Elisabeth, vor allem ihren Ersten Sekretär Walsingham, mit Informationen über spanische Heeres- und Marinebewegungen. Nunes Großhandel war eine perfekte Tarnung für seine Spionageaktivitäten. Der listige Nunes korrespondierte sogar mit Philip dem Katholischen. Er verfügte über ein breites Netzwerk an Informaten, darunter seinen Schwager in Madrid, der später verhaftet wurde. Roth merkt an, daß Nunes für die Regierung so wichtig war, daß der Oberste Gerichtshof vor seinen Gläubigern schützte. Er wurde zum Sonderkommissar für Versicherungsfälle ernannt. Er erfuhr gegenüber den anderen portugiesischen Händlern eine Vorzugsbehandlung.
Am 30. Mai 1588 stach die "unbesiegbare" Spanische Armada mit cirka 140 Schiffen, 25.000 Mann und 180 Priestern von Lissabon aus in See, um England zu besetzen. Sie wollten England im Namen des Katholizismus erobern und den Protestantismus ausrotten. Sie hatten den Segen des Papstes. Es war dem Kommandeur der spanischen Flotte jedoch nicht bekannt, daß eines der aus Lissabon abgehenden Schiffe von Nunes mehr an Bord hatte als nur Salz und Feigen. Es wird behauptet, daß Nunes gerade zu Tisch saß, als er die Nachricht über das Auslaufen der Armada erhielt. Er unterbrach die Mahlzeit, erhob sich und eilte unmittelbar zum Haus von Walsingham, um die Nachricht zu überbringen. England war auf die spanische Invasion vorbereitet. Weniger als 70 spanische Schiffe mühten sich nach Hause. Nicht nur war England gerettet worden, sondern der Sieg über die "unbesiegbare" spanische katholische Armada hatte auf Jahre hinaus entscheidene militärische, politische und religiöse Bedeutung. Die Macht des Papstes und der katholischen Kirche war gebrochen und der Weg für Manassehs Eingabe bei Cromwell, dem Lord protector des Commonwealth von England, Schottland und Irland, offen.