Für Deine These problematisch ist jedoch, dass die Leuge erst ab den Adoptivkaisern in Gebrauch kommt. Zumindest ist sie für uns ab dann fassbar. Sie ist auch ein regionales Maß.
Für die Germania Magna unter Augustus dürfte die Verwendung der Leuge eher zu verneinen sein, weil:
- wir uns rund 100 Jahre vor der Zeit befinden, für welche die Leuge für uns fassbar wird
- das römische Militär vom Euphrat bis zur Tyne wohl ein einheitliches Längenmaß verwendet hat. Schließlich wurden Legionen in entfernte Teile des Römischen Reiches verlegt und hätten dann die Maßeinheiten wechseln müssen
Kurzum, Du solltest nicht von Leugen sondern von römische Meilen schreiben. Demnach wären die Distanz in Deiner Theorie 15 römische Meilen.
Man muss sich fragen, warum die Leuga überhaupt eingeführt wurde. Als einzige logische Erklärung scheint mir, dass dieses Streckenmaß bei der lokalen Bevölkerung schon gebräuchlich war und zwar schon vor der römischen Okkupation. Auch Mommsen kam zu dieser Vermutung:
"Auf einem Gebiet tritt uns eine sehr merkwürdige Erscheinung gallischen Wesens entgegen. Das gallische Wegmaß, die
leuga (Linie) gleich 1 1/2 Millien, findet sich auf älteren Meilensteinen nicht. Auf diesen sind alle Entfernungen in "Millien" (
millia passuum) angegeben. Unter Severus wurden in Gallien die Meilensteine nach Leugen berechnet. Woher kommt dieses ganz vereinzelte und ungewöhnliche Hervortreten nationaler Eigentümlichkeiten? Wenn man vor einem solchen Problem steht, fängt man an zu raten und zu phantasieren: sollte die Erhebung des Clodius Albinus, der ja eine Zeit lang Mitregent von Severus war, damit in Verbindung stehen? Es ist nicht undenkbar, dass seine gewissermaßen nationale Erhebung die Wiederherstellung dieser der Sache nach stets bestehenden Einrichtung auch offizielll versucht haben sollte. Das Publikum wird immer nach Leugen gerechnet haben, solche Vorstellungen sitzen außerordentlich fest und lassen sich nicht so leicht verbannen, und es wäre nicht unmöglich, dass die Regierung nach der Niederwerfung des Aufstandes dies beibehalten hätte."
[Theodor Mommsen: Römische Kaisergeschichte.- Hg. Barbara und Alexander Demandt, C. H. Beck, 1992]
Dafür, dass es sich tatsächlich um ein altes keltisches Maß gehandelt haben könnte spricht auch, dass z.B. Lyon und Macon offenbar schon in vorrömischer Zeit bestanden.
Einen interessanten Spezialfall stellt Rätien dar. Obwohl hier anders als in Teilen Galliens und der Germania die Leuga nicht eingeführt wurde, findet man dennoch die typischen 10-Leugen-Abstände auf der von den Alpen über Augsburg nach Norden führenden Straße. Auch das könnte ein Indiz für eine schon bestehende Nutzung dieses Maßes durch die keltische Urbevölkerung sein.