IG Die Kreuzzüge *1

Ist eine Art von "Putativnotwehr" gemeint?;)
Als Amalrich 1163 König wurde, stellte Saladin noch keine Gefahr dar. Ich meine, man sollte die Idee einer "friedlichen Koexistenz" nicht von vornherein ausschließen bzw. die Gründe näher betrachten, warum niemand an sie glaubte (glauben wollte).

Natürlich weis ich das zwischen Amalrich und Saladin noch einige Zeit lag. Dennoch war Ägypten ein Machtfaktor der, sobald unter einer gefestigten Regierung stehend, eine Bedrohung für die Existenz der Kreuzfahrerstaaten werden konnte.
Eine friedliche Koexistenz mit dem Damoklesschwert im Nacken wäre das gewesen. Einen Nachbarn zu haben der jederzeit dazu in der Lage gewesen wäre durch Palästina zu marschieren sobald zwischen den Reichen erste Verstimmungen auftretten. Nichts anderes passierte in den 80er Jahren des 12. Jahrhunderts.

jschmidt schrieb:
Eine Politik, die sich von ihrem ursprünglichen (religiösen, defensiven) Motiv abgelöst hat zugunsten einer weltlichen, aggressiven Eroberungspolitik.

Eine Festigung der fränkischen Herrschaft durch die Eroberung Ägyptens könnte man allerdings ebenfalls als Maßnahme zur besseren Verteidigung Jerusalems auslegen.
 
Damoklesschwert im Nacken
Man kann aber darüber streiten, wo das D. "saß": Amalrichs Feldzüge nach Ägypten ab 1163 waren ja auch deswegen in ihren Erfolgschancen beeinträchtigt, weil das syrische D. in Nacken war.

Eine Festigung der fränkischen Herrschaft durch die Eroberung Ägyptens könnte man allerdings ebenfalls als Maßnahme zur besseren Verteidigung Jerusalems auslegen.
Auch das könnte man. Aber bei dem - noch zu untersuchenden - Verweis auf Ägyptens Funktion als "Kornkammer des islamischen Welt" sind ja auch ganz andere Assoziationen möglich in Richtung: Kornkammer weg, Islam weg usw.
 
Zuletzt bearbeitet:
Notfalls drüber abstimmen lassen!;)
Nein, also ich meinte, wenn es bei Mayer so steht muss der Aufsatz falsch gelegen haben, Tyerman sagt auch '53 also wird das richtig sein.

Das Zitat ist in der deutsch Fassung identisch. Um mal das Zangenbild aufzunehmen: Man hätte ja auch Nur ed-Din, der seit 1154 in Damaskus war, von Norden (Byzanz) und Süden in die Zange nehmen können, mindestens so lange, wie es in Ägypten drunter und drüber ging.

Die militärische Schlagkraft der Kreuzfahrerstaaten, auch unter mithilfe von Byzanz war, denke ich, dafür nicht ausreichend. Umgekehrt war es ja der Fall, Nur ad-Din konnte ständig Scharmützel im Norden veranstalten und gleichzeitig Ägypten attackieren.

Wo allerdings die Gefahr eines Zangenangriffs für die Muslime bestand war von Nubien aus. Nubien war christlich, anscheinend gab es dort, zeitlich nach Amalrich, Bestrebungen Ägypten zu attackieren. Saladin hatte Nubien daher mehrfach angegriffen und stark geschwächt. Anscheinend bestanden keine (guten) Kontakte zwischen Kreuzfahrern und Nubiern sonst wäre ein ein Angriff auf Ägypten eventuell auch geglückt.

Das steht in der Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter von Labib, S. 47.

Man kann aber darüber streiten, wo das D. "saß": Amalrichs Feldzüge nach Ägypten ab 1163 waren ja auch deswegen in ihren Erfolgschancen beeinträchtigt, weil das syrische D. in Nacken war.
Genau so sehe ich das auch, wie obendrüber beschrieben.

Eine friedliche Koexistenz mit dem Damoklesschwert im Nacken wäre das gewesen. Einen Nachbarn zu haben der jederzeit dazu in der Lage gewesen wäre durch Palästina zu marschieren sobald zwischen den Reichen erste Verstimmungen auftretten. Nichts anderes passierte in den 80er Jahren des 12. Jahrhunderts.
Ich glaube nicht das den Kreuzfahrerstaaten eine größere Gefahr von Ägypten gedroht hätte, wären die internen Probleme nicht gewesen. Die Kreuzfahrer bildeten ja eine Art Puffer zwischen Schiiten/Fatimiden und den , ja Vorläufern der Sunniten. Genau da setzt ja Amalrichs Überlegung an, würde Ägypten "sunnitisch" wäre Jerusalem eingekreist. Eine friedliche Koexistenz wäre durchaus im Bereich des Möglichen gewesen solange man den Gegensatz Shi'a - Sunna (oder wie das geschrieben wird, bin kein Islamexperte) hatte war man relativ sicher. Nur dieser Gegensatz war in der fatimidischen Krise und den Vorstößen Nur ad-Dins nach Ägypten in Gefahr ausgelöscht zu werden. Wie es dann ja auch kam.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch das könnte man. Aber bei dem - noch zu untersuchenden - Verweis auf Ägyptens Funktion als "Kornkammer des islamischen Welt" sind ja auch ganz andere Assoziationen möglich in Richtung: Kornkammer weg, Islam weg usw.

Das zu untersuchen wird natürlich schwierig. Bei dem bereits erwähnten Labib steht dies auf Seite 53. Aber islamische Quellen lassen Schlüsse in die "Kornkammer weg, Islam weg"-Richtung zu.

Saladin hatte ich ja bereuts genannt: "Das die Franken den Zugang zum Roten Meer erobern wollten, ist die schlimmste Gefahr für den Islam aller Zeiten gewesen." Zitiert nach Labib.

Bei Ibn al-Furat habe wir diese Stelle, Ibn al-Furat: Tarikh al-Duwal wa’l-Mluk, in: Ayyubids, Mamlukes and Crusaders. Selections from the Tarikh al-Duwal wa’l-Muluk (Band 2), hg. Von U. und M. C. Lyons und J. S. C. Riley-Smith, übersetzt von U. und M. C. Lyons, Cambridge 1971, S. 15f.:
„[...]Die Franken [...] kamen nach Damietta und sahen das es leer von Menschen war und das die Tore offen waren. Einen Trick vermutend machten sie halt und gingen nicht hinein. Dann, nach einer langen Zeit des Wartens, waren sie sich sicher das die Muslime es verlassen hatten und das es niemanden gab der sie hindern konnte. Sie gingen also hinein und nahmen die Stadt ein ohne das ein Schlag geführt wurde, und alles was sie hatte nahmen sie in Besitz [...] Dieses unglückliche Ereignis war ein großes und unvergleichliches Desaster. [...] Als die Leute in Kairo, Fustat und anderer Teile davon hörten, überkam sie große Angst und sie waren sicher, dass die islamische Sache in Ägypten verloren ward, besonders da der Sultan (al-Malik al-Silah) ernstlich krank war und lange Zeit nicht in der Lage war sich zu bewegen.
Als die Truppen und die Leute von Damietta Ushmus Tannah (Ort an dem der Sultan lagerte nachdem er die Nachricht vom Angriff der Franken bekam) erreichten und die Nachricht den Sultan erreichte, wurde dieser der wütend über die Männer von Banu Kinana (Stamm aus Nordafrika der unter den Fatimiden und später auch Ayyubiden für die Ägypter kämpfte; sie verließen aus Angst vor monatelanger Belagerung Damietta)) und befahl sie zu hängen. Sie sagten: „Was haben wir falsch gemacht? Was konnten wir tun nachdem die Truppen des Sultans und die Emire geflohen waren und das Arsenal niedergebrannt hatten?“ Wie auch immer, sie wurden alle gehängt.“

 
Ich glaube nicht das den Kreuzfahrerstaaten eine größere Gefahr von Ägypten gedroht hätte, wären die internen Probleme nicht gewesen. Die Kreuzfahrer bildeten ja eine Art Puffer zwischen Schiiten/Fatimiden und den , ja Vorläufern der Sunniten.
Das ist für mich ein schwer einzuschätzender Faktor, einfach weil ich die islamistischen "Konfessionen" nicht richtig durchschaue.
Die Moslems in Ägypten (ab 642) waren von Haus aus Sunniten (das "Volk der Tradition"), die aus 969 dem Maghreb gekommenen Fatimiden waren Ismaeliten, allerdings fast ausnahmslos sehr tolerant, was die Religionsausübung betraf; das kam lange Zeit auch den Katholiken, Kopten und Juden im Machtbereich zugute. Die Zengiden/Ayyubiden wiederum....

Anscheinend bestanden keine (guten) Kontakte zwischen Kreuzfahrern und Nubiern sonst wäre ein ein Angriff auf Ägypten eventuell auch geglückt.
Ebenso begrenzt sind meine Informationen über Nubien (Helmolts Weltgeschichte, Bd. 3, S. 149 ff.). Richtig ist aber wohl, dass sie Jakobiter und also religionsmäßig den Orthodoxen näher waren. Ähnliches gilt für die Kopten.
Ich erwähne das deswegen, weil die römisch-katholischen Kreuzfahrer bei der Auswahl derer, die sie erschlugen, nicht wählerisch waren. Runciman (S. 684) nennt zwei Ereignisse, denen Kopten zum Opfer fielen: in Bilbeis am 04.11.1169 ("schauerlicher Massenmord"), in Tanis einige Tage später ("die gleichen Schreckensszenen", Kopten als Hauptleidtragende).
Ja, so war'ns, die alten Rittersleut'...
 
Eine friedliche Koexistenz wäre durchaus im Bereich des Möglichen gewesen solange man den Gegensatz Shi'a - Sunna (oder wie das geschrieben wird, bin kein Islamexperte) hatte war man relativ sicher.

?

JetLeechan schrieb:
Nur dieser Gegensatz war in der fatimidischen Krise und den Vorstößen Nur ad-Dins nach Ägypten in Gefahr ausgelöscht zu werden. Wie es dann ja auch kam.

Das bestätigt eigentlich vielmehr meine Aufassung das Amalrich dafür sorgen wollte das es eben nicht dazu kommen sollte das sich Syrien und Ägypten unter einer Fahne einen, eben indem er einer anderen Macht zuvorkommen wollte und Ägypten zuerst eroberte. Wie sich herrausstellte konnten die Fatimiden Nur ed-Dins Zugriff nicht wiederstehen.

Darauf zu hoffen das Ägypten unter einer längeren Herrschaft der Fatimiden aufgrund der inneren Spaltung des Islams den Kreuzfahrern eine gewogenere Haltung eingenommen hätte erscheint mir eher waghalsig, vor allem wenn man die schon seit Generationen andauernde Schwäche der Fatimidenkalifen bedenkt deren Fall nur eine Frage der Zeit sein konnte.
 
Das ist für mich ein schwer einzuschätzender Faktor, einfach weil ich die islamistischen "Konfessionen" nicht richtig durchschaue.
Die Moslems in Ägypten (ab 642) waren von Haus aus Sunniten (das "Volk der Tradition"), die aus 969 dem Maghreb gekommenen Fatimiden waren Ismaeliten, allerdings fast ausnahmslos sehr tolerant, was die Religionsausübung betraf; das kam lange Zeit auch den Katholiken, Kopten und Juden im Machtbereich zugute. Die Zengiden/Ayyubiden wiederum....
Die Fatimiden waren schiitischen Glaubens, sie erkannten die 4 Nachfolger Mohammeds nicht als rechtmäßig an, sondern erst wieder den Mann von Mohammeds Tochter Fatima. Im Gegensatz dazu erkannten die anderen die Nachfolger als rechtmäßig an.
Heute spricht man ja vom Gegensatz zwischen Schiiten und Sunniten, allerdings hatten sich die Sunniten zu dieser Zeit noch nicht formiert, d.h. man kann noch nicht von Sunniten sprechen, daher versuchte ich auch den Begriff zu vermeiden.
Ebenso begrenzt sind meine Informationen über Nubien (Helmolts Weltgeschichte, Bd. 3, S. 149 ff.). Richtig ist aber wohl, dass sie Jakobiter und also religionsmäßig den Orthodoxen näher waren. Ähnliches gilt für die Kopten.
Ich erwähne das deswegen, weil die römisch-katholischen Kreuzfahrer bei der Auswahl derer, die sie erschlugen, nicht wählerisch waren. Runciman (S. 684) nennt zwei Ereignisse, denen Kopten zum Opfer fielen: in Bilbeis am 04.11.1169 ("schauerlicher Massenmord"), in Tanis einige Tage später ("die gleichen Schreckensszenen", Kopten als Hauptleidtragende).
Ja, so war'ns, die alten Rittersleut'...
Ist ja auch nicht so wichtig, ich wollte es bloss erwähnt haben. Ansonsten könnte der Eindruck entstehen nur die Christen wären unter Zugzwang gewesen und die berüchtigte "Zangenbewegung" wäre nur eine Bedrohung für die Christen gewesen, auch die Moslems sahen sich einer sogearteten Gefahr ausgesetzt. Wenngleich sie, aufgrund der schlechten Kommunikation zwischen Lateinern und Nubiern wohl eher als gefühlte Gefahr einzustufen ist.
Was ich damit sagen wollte war, schon seit längerem gibt es um Palästina und Syrien einen Konflikt zwischen Sunniten (wieder falsch das Wor aber der Einfachheit halber nenn ich sie jetzt einfach so) und Schiiten. Das fatimidische Palästina wurde von des sunnitischen Seldschuken erobert. Dann als die Ersten Kreuzfahrer kamen wieder zurückerobert. Später kommen die sunnitischen Zengiden und es gibt wieder Streit zwischen Sunniten und Schiiten. Während dieser Zwiespalt in der islamischen Welt herrschte wäre mE. eine friedliche Koexistenz der Kreuzfahrer mit den Muslimen möglich gewesen, da es niemals zu einer Zusammenarbeit gekommen wäre und man beide hätte gegeneinander ausspielen können.

Das bestätigt eigentlich vielmehr meine Aufassung das Amalrich dafür sorgen wollte das es eben nicht dazu kommen sollte das sich Syrien und Ägypten unter einer Fahne einen, eben indem er einer anderen Macht zuvorkommen wollte und Ägypten zuerst eroberte. Wie sich herrausstellte konnten die Fatimiden Nur ed-Dins Zugriff nicht wiederstehen.

Darauf zu hoffen das Ägypten unter einer längeren Herrschaft der Fatimiden aufgrund der inneren Spaltung des Islams den Kreuzfahrern eine gewogenere Haltung eingenommen hätte erscheint mir eher waghalsig, vor allem wenn man die schon seit Generationen andauernde Schwäche der Fatimidenkalifen bedenkt deren Fall nur eine Frage der Zeit sein konnte.
Eben, aber ohne die schwäche der Fatimiden? Da wären die Kreuzfahrer das Zünglein an der Waage gewesen. Aber das ist natürlich nur Spekulation.
Aber wir sind uns ja einig das die reale Situation ein Eingreifen Amalrichs in Ägypten unabdingbar gemacht hatte.
 
Nein, also ich meinte, wenn es bei Mayer so steht muss der Aufsatz falsch gelegen haben, Tyerman sagt auch '53 also wird das richtig sein.

Aber bitte! Wir wissen doch, dass auch in der Wissenschaft vielfach voneinander abgeschrieben wird - was kein Vorwurf ist! - ein Prof von mir nannte Zahlen von 70 - 90 %, die in einer Arbeit abgeschrieben sind, was zehn bis dreißig Prozent übrig lässt für den Eigenteil (und er meinte damit nicht Studierendenarbeiten sondern Arbeiten von akademischen Berufshistorikern). Datierungen, die zwischen der christlichen und der islamischen Welt vorgenommen werden, sind manchmal etwas schwierig. Das liegt u.a. daran, dass das Mondkalenderjahr kürzer ist, als das Sonnenkalenderjahr. Deshalb überschneiden sich die Jahre notwendigerweise, und die Jahre wandern. Es gibt eine Formel, wie man das Jahr islamischer Zeitrechnung in christliche Zeitrechnung umrechnen kann:[FONT=&quot] AD = AH-(3AH/100) + 622
Allerdings ist das nur eine Annäherung. Wenn man genaue Daten hat, greift man besser auf die

Wüstenfeld-Mahler'schen Vergleichungs-Tabellen zur muslimischen und iranischen Zeitrechnung mit Tafeln zur Umrechnung orient-christlicher Ären

zurück. Die sind zuletzt von Berthold Spuler und Joachim Mayr 1961 aktualisiert worden (Wiesbaden).
[/FONT] Ich kenne da einen Fall aus al-Andalus, wo eine Burgbelagerung (Aledo) nach christlichen Quellen 1089, nach muslimischen Quellen 1088 stattfand. Die beste Quelle zum Ereignis - von einem der teilnehmenden Belagerer verfasst - datiert leider gar nicht. Vor 100 Jahren vermutete man noch, dass diese Burgbelagerung 1090 stattgefunden habe (da war aber auch die Quellenlage zum Ereignis miserabel!), inzwischen streitet man sich in Spanien nur noch um die Jahre '88 und '89, wobei bezeichnenderweise die Arabisten die '88er-Datierung und zumindest Teile der nichtarabistisch gebildeten Historiker die '89er-Datierung verfechten.

Die Kreuzfahrer bildeten ja eine Art Puffer zwischen Schiiten/Fatimiden und den, ja Vorläufern der Sunniten.
Wieso Vorläufer? Die Sunniten gab es seit der Spaltung der Muslime in Sunniten und Shi'iten, also im Prinzip seit dem Tod Alis, dem vierten rechtgeleiteten Kalifen.

"Das die Franken den Zugang zum Roten Meer erobern wollten, ist die schlimmste Gefahr für den Islam aller Zeiten gewesen." Zitiert nach Labib.

Ich glaube, hier ist Herr Labib einfach nicht objektiv.
- Auch in den Kreuzfahrerstaaten lebten noch eine Menge Muslime, dies wäre in Ägypten nicht anders gewesen.
- Der Islam hatte schon damals an Ausbreitungsgebiet von Pakistan bis zum Senegal. Was hätte es diese Gebiete wirtschaftlich gekratzt, wenn Ägypten plötzlich wieder christlich beherrscht gewesen wäre?

Das ist für mich ein schwer einzuschätzender Faktor, einfach weil ich die islamistischen "Konfessionen" nicht richtig durchschaue.
Ich bitte hier um eine korrektere Begriffsverwendung:
Muslimisch
betrifft die Gläubigen.
Islamisch betrifft die Religion.
Islamistisch ist eine religiös-politische, meist radikale und fallweise gewaltbereite Erneuerungsidee des Islam.
 
Ich glaube, hier ist Herr Labib einfach nicht objektiv. ... Der Islam hatte schon damals an Ausbreitungsgebiet von Pakistan bis zum Senegal. Was hätte es diese Gebiete wirtschaftlich gekratzt, wenn Ägypten plötzlich wieder christlich beherrscht gewesen wäre?
Gegen das "glauben" ist nichts einzuwenden. Aber welche konkreteren, "objektiven" Angaben sind denn geeignet, Labibs Hypothese zu widerlegen?

Ob sein Szenario realistisch ist oder nicht, kann schwer eingeschätzt werden. Unbestritten ist wohl, dass Ägypten - speziell Alexandria - eine eminent wichtige Rolle für den Handel innerhalb der islamischen Welt und mit christlichen und sonstige Gebieten hatte. Gerade auch seine Bedeutung als Knotenpunkt für den doch sehr intensiv genutzten Handelsweg von Nordafrika durchs Rote Meer nach Südarabien bis hin nach Indien darf man nicht gering veranschlagen. Auch das "Kornkammer"-Argument ist zwar einer näheren Untersuchung wert, deswegen aber noch lange nicht als erledigt anzusehen.

Dass es die islamische Welt nicht "gekratzt" hätte, wäre Ägypten verloren gegangen, halte ich schon aus diesem Grunde für keine plausible Aussage - religiöse und militärische Aspekte mal ganz außer Acht gelassen.
 
Fellmeth hat mal Untersuchungen angestellt zum Thema Handel von Getreide im alten Rom.Zunächst einmal raten die Agrarschriftsteller, auf Verkaufsproduktion angelegte Agrarbetriebe im näheren Umkreis der Städt anzusiedeln. Und - so sagt er - der archäologische Befund bestätige dies als Usus. Die meisten römischen Landgüter befanden sich in einem Umkreis von weniger als 20 km von den Städten entfernt.
Fragt sich, warum? Auch darauf hat Fellmeth eine Antwort: bei über 20 km lohnt sich kein Fußweg mehr, weil der Verkäufer wichtige Arbeitszeit auf dem Hof verliert und Ochsengespanne verbrauchen zu viel Nahrung. Lohnenswert ist allemal der Transport per Segelschiff, da hier verhältnismäßig wenig Energie für den Transport großer Mengen aufgewendet werden muss.
Wir können das - aufgrund gleicher oder sogar eher primitiverer Fortbewegungstechnik - auf den arabischen Raum des Mittelalters übertragen, Fernhandel über Land lohnt sich nur für Luxusgüter!
Sicher, mit dem Nil hatte Ägypten natürlich immer eine wichtige Wasserstraße. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass im Atlas genauso fruchtbare Täler zu finden sind, wie das Beeka-Tal (welches natürlich im Konfliktbereich mit den Kreuzfahrerstaaten lag) eines der fruchtbarsten Gebiete des fruchtbaren Halbmonds war, mit bis zu drei Fruchtfolgen pro Jahr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber bitte! Wir wissen doch, dass auch in der Wissenschaft vielfach voneinander abgeschrieben wird - was kein Vorwurf ist! - ein Prof von mir nannte Zahlen von 70 - 90 %, die in einer Arbeit abgeschrieben sind, was zehn bis dreißig Prozent übrig lässt für den Eigenteil (und er meinte damit nicht Studierendenarbeiten sondern Arbeiten von akademischen Berufshistorikern). Datierungen, die zwischen der christlichen und der islamischen Welt vorgenommen werden, sind manchmal etwas schwierig. Das liegt u.a. daran, dass das Mondkalenderjahr kürzer ist, als das Sonnenkalenderjahr. Deshalb überschneiden sich die Jahre notwendigerweise, und die Jahre wandern. Es gibt eine Formel, wie man das Jahr islamischer Zeitrechnung in christliche Zeitrechnung umrechnen kann:[FONT=&quot] AD = AH-(3AH/100) + 622
Allerdings ist das nur eine Annäherung. Wenn man genaue Daten hat, greift man besser auf die
[/FONT]
Die Zahlen sind ja nun aber in mehreren Quellen so überliefert und Mayer ist ja bekannt für seinen Eifer sich jedes Fitzelchen Quelle vorzunehmen, von daher geh ich auf jeden Fall von Mayers Glaubwürdigkeit aus.

Wieso Vorläufer? Die Sunniten gab es seit der Spaltung der Muslime in Sunniten und Shi'iten, also im Prinzip seit dem Tod Alis, dem vierten rechtgeleiteten Kalifen.
Mein Prof hat das mit solchem Nachdruck erwähnt das ich es als gegeben erachtete, tatsächlich bin ich kein Orientalist und nahm es daher hin. Ich werde um Aufklärung bitten.

Ich glaube, hier ist Herr Labib einfach nicht objektiv.
- Auch in den Kreuzfahrerstaaten lebten noch eine Menge Muslime, dies wäre in Ägypten nicht anders gewesen.
- Der Islam hatte schon damals an Ausbreitungsgebiet von Pakistan bis zum Senegal. Was hätte es diese Gebiete wirtschaftlich gekratzt, wenn Ägypten plötzlich wieder christlich beherrscht gewesen wäre?
Labib scheint dort aber Saladin zu zitieren und ein Blick in andere arabische Quellen, scheint diese Furcht die man in der islamischen Welt davor hatte Ägypten zu verlieren, auch zu belegen. Siehe ibn-Furat den ich bereuts erwähnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich wollte noch einmal kurz auf die Ägyptenfeldzüge amalrichs zurückkommen. Ich war gerade nochmal im Quellenraum und habe mir die Geschichte Saladins von ibn Shaddad angeschaut.
Dort heißt es auf Seite 42:
"Sie [muslimische Truppen] machten sich [...] auf den Weg und kamen gleichzeitig mit den Franken in Ägypten an. Shawar arbeitete zusammen mit den Franken und allen Ägyptern gegen Asad al-Din. Es gab viele Auseinandersetzungen und harte Schlachten, und dann zogen sich die Franken aus Ägypten zurück, und das tat auch Asad al-Din. Der Grund für den Abzug der Franken war das Nur al-Din seine Truppen in ihre Länder entsandte, wo sie Munaytira [ist eine Region im heutigen Libanon] einnahmen."

Auch bei Willhelm von Tyrus haben wir diese Erwähnung wenn ich mich recht erinnere. Es zeigt sich also dass das "Unternehmen Ägypten" für die Franken durch das bereits erwähnte "Damokles-Schwert" in Syrien kein glückliches Ende fand.
 
Fellmeth hat mal Untersuchungen angestellt zum Thema Handel von Getreide im alten Rom.
F. hat sehr viel darüber geschrieben - welche Schrift ist hier konkret gemeint?

Wir können das - aufgrund gleicher oder sogar eher primitiverer Fortbewegungstechnik - auf den arabischen Raum des Mittelalters übertragen, Fernhandel über Land lohnt sich nur für Luxusgüter!
Ich finde diese Analogie über 1000 Jahre hinweg ziemlich gewaltsam und bezweifle, ob Fellmeth dafür etwas hergibt. (Gut, dass wenigstens die Möglichkeit des Handels über See nicht gänzlich ausgeschlossen wird.)

Selbst wenn der Hinweis auf die Fortbewegungstechnik stimmen sollte, müssten noch andere ökonomische Faktoren in Betracht gezogen werden. Beispielsweise könnten sich auch die Bedürfnisse von Menschen in 1000 Jahren geändert haben, damit die Nachfrage, damit das Angebot. Differenziertere Argumente sind deshalb herzlich willkommen.

Das gilt auch für die fruchtbaren Täler im Atlas und das Beeka-Tal. Ich lese das Argument so, dass ein Wegfall der ägyptischen Anbauflächen anderwärts ohne weiteres hätte kompensiert werden können. Irgendwelche Daten dazu?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Mekka und Medina jetzt verhungert wären glaube ich aucht nicht. Aber Ägypten war nunmal der Knotenpunkt der islamischen Welt. Pilger aus Nordafrika mussten durch Ägypten, der Handel mit Spanien, Italien, Nord- und Mittelafrika musste zwangsläufig durch Ägypten ablaufen da das Mittelmeer und die sysrischen Küsten von den Christen beherrscht wurden. Ibn Shaddad gibt dafür zB Saladin wieder, der gesagt haben soll: Auf dem Wasser können wir der Christen nicht schlagen; wegen der Überlegenheit der christlichen Flotten. [Von mir paraphrasiert]. Das der Seeweg um Afrika herum eine stark befahrene Handelsstrasse war können wir wohl ausschließen.
Ägypten hatte zudem ja nicht nur seine Anbauflächen, sondern importierte Nahrungsmittel in großen Mengen auch aus Europa.
Wenn also die Kreuzfahrer Ägypten erobert hätten wäre die islamische Welt in zwei Teile gespalten worden, der Handel wäre nach christlichen Regeln abgelaufen und da war doch sicher zu befürchten das die Nahrungsmittellieferungen zumindest gedrosselt worden wären, was wiederum ein Notversorgung in Krisenzeiten, zB. Hungersnöten, schwierig gemacht hätte. Das schreibt auch Labib so, da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt, es ging darum das etwa in den 1170er wohl eine Hungersnot im Higaz herrschte, und Saladin, um seine Macht auf diese Region auszuweiten, angeboten haben soll es mit Getreide etc. zu beliefern damit diese Not überstanden werden konnte. Die Lieferungen wurden scheinbar beibehalten was nicht nur zu einer Stabilisierung der Situation sondern auch zu einer generellen Verbesserung geführt haben soll.
Schließlich müssen auch Soldaten bzw. Söldner ernährt werden ohne die sich das Land nicht hätte verteidigen können. Und da wäre der Verlust der ägyptischen Nahrungsmittellieferungen dann doch schmerzlich vermisst worden, auch wenn Higaz jetzt nicht komplett verhungert wäre.

Zitat aus Labib nochma, S. 14:
NachIbn zulaq's Darstellung war Ägypten, vom handelspolitischen Standpunkt aus betrachtet, der Mittelpunkt der Welt. Aus al-Qulzum wurden Waren zwischen dem Roten Meer und dem indischen Ozean bis nach chnia verschifft. Von Tinnis, Damiette und Pelusium fuhren Schiffe nach Kreta, Sizilien, Byzanz und dem Magreb bis nach Tanger. Von Oberägypten führten Karawanenstraßen nach Nubien, dem Land der Bega, Äthiopien und übers Meer nach Higaz und dem Yemen.^Ibn Zulaq, fol.20b Im Anschluß hieran legt ibn Zulaq die witschaftlichen Vorzüge Ägyptens im Vergleich zu Bagdad dar. Die Produkte und Stoffe Ägyptens deckten nicht nur den Bedarf seiner Bewohner; sie würden auch nach dem Higaz ausgeführt, besonders zur Zeit der Pilgerfahrten. So fänden ägyptische Nahrungsmittel den weg in jedes islamische Land. Ägypten versorge im Notfall auch Syrien mit Nahrungsmitteln, während Bagdad, bzw. der Irak, nicht einmal den Bedarf seines eigenen Volkes decken könne.^Ibn zulq, fol. 21b."
 
Zuletzt bearbeitet:
Labib scheint dort aber Saladin zu zitieren und ein Blick in andere arabische Quellen, scheint diese Furcht, die man in der islamischen Welt davor hatte, Ägypten zu verlieren, auch zu belegen. Siehe ibn-Furat den ich bereuts erwähnte.

Es mag ja sein, dass Ibn Furat das so dramatisch geschildert hat, allerdings muss man das auch so sehen, dass die arabischen Quellen sehr stark zu Dramatik neigen. Welches Mitteilungsinteresse hatte Ibn Furat?
 
Es mag ja sein, dass Ibn Furat das so dramatisch geschildert hat, allerdings muss man das auch so sehen, dass die arabischen Quellen sehr stark zu Dramatik neigen. Welches Mitteilungsinteresse hatte Ibn Furat?
Ibn al-Furat war Historiker des 14. Jahrhunderts, sein Interesse war wohl mehr privater Natur, abgeschrieben hat er von ibn Wasil, der Zeitzeuge der Einnahme Damiettas war, aber est mit einigen Jahren Verspätung geschrieben hat.
Festzuhalten bleibt aber das die Bedeutung Ägyptens für die islamische Welt auch bei anderen arabischen Historikern, zu verschiedenen Zeiten, herausgestellt wird. ZB. bei al-Maqrizi, und dem genannten ibn-Zuluq, abu Sama und auch bei ibn Khaldun.

Es war Abu Sama (abd ar-rhaman ben isma'il) den Labib da zitiert, der wiederum Saladin die Worte in den Mund legte, dass die größte Gefahr usw.

Eine weitere Sache beschreibt ibn Shaddad, S.48 in seiner Darstellung der Geschichte Saladins: "[...] und das der Sultan selbst nach Askalon gehen würde um es zu schleifen, aus Angst das die Franken es intakt erobern, die Garnison zerstören und es nutzen um Jerusalem zurückzuerobern und unsere Kommunikation mit Ägypten abzuschneiden."

Wie also schon erwähnt würde die "schnelle" Kommunikation zwischen Arabien und Nordafrika abbrechen wäre es christlisch, und damit wären gemeinsame Aktionen nur noch sehr unorganisiert möglich. Während nach der Konsolidierung seiner Macht, in Ägypten und Syrien, Saladin keine Probleme damit hatte Arabien, Nordafrika und Syrien in Verbindung zu halten.
 
Zuletzt bearbeitet:
F. hat sehr viel darüber geschrieben - welche Schrift ist hier konkret gemeint?

Fellmeth, U.: "Eine wohlhabende Stadt sei nahe..." Die Standortfaktoren in der römischen Agrarökonomie im Zusammenhang mit den Verkehrs- und Raumordnungsstrukturen im römischen Italien. St. Katharinen 2002.

Ich finde diese Analogie über 1000 Jahre hinweg ziemlich gewaltsam und bezweifle, ob Fellmeth dafür etwas hergibt. (Gut, dass wenigstens die Möglichkeit des Handels über See nicht gänzlich ausgeschlossen wird.)

Selbst wenn der Hinweis auf die Fortbewegungstechnik stimmen sollte, müssten noch andere ökonomische Faktoren in Betracht gezogen werden. Beispielsweise könnten sich auch die Bedürfnisse von Menschen in 1000 Jahren geändert haben, damit die Nachfrage, damit das Angebot. Differenziertere Argumente sind deshalb herzlich willkommen.

Wieso? Anbau kann man fast überall betreiben, der arabische Raum besteht nicht nur aus Wüste, die Flusstäler sind sehr fruchtbar und manche Oasen können ganze Städte ernähren. Der Transport ist, wie ich oben schon schrieb, im wesentlichen gleich oder schlechter als bei den Römern (keine Wagen, Kamele und Esel Haupttransportmittel). Es lohnte sich daher kaum, Agrarprodukte weit zu transportieren, wenn nicht über den Fluss- oder Seeweg. Das würde aber wiederum nur für die Bevölkerung an der Küste oder an den Flüssen nützlich sein.

Das gilt auch für die fruchtbaren Täler im Atlas und das Beeka-Tal. Ich lese das Argument so, dass ein Wegfall der ägyptischen Anbauflächen anderwärts ohne weiteres hätte kompensiert werden können. Irgendwelche Daten dazu?

Nein, das Argument hast Du falsch verstanden. Ich behaupte, dass Ägypten als Kornkammer des arabischen Raums keine wesentliche Bedeutung hatte, da die Landschaften sich selbst versorgen konnten (und mussten, siehe oben Transportkosten).
Die natürlichen Niederschläge des fruchtbaren Halbmonds und Bewässerungstechnik der Araber (handasa ar-rī) haben einiges dazu beigetragen.
 
Wie also schon erwähnt würde die "schnelle" Kommunikation zwischen Arabien und Nordafrika abbrechen wäre es christlisch, und damit wären gemeinsame Aktionen nur noch sehr unorganisiert möglich. Während nach der Konsolidierung seiner Macht, in Ägypten und Syrien, Saladin keine Probleme damit hatte Arabien, Nordafrika und Syrien in Verbindung zu halten.

Naja, das würde voraussetzen, dass es möglich gewesen wäre, sämtliche Land- und Seerouten zu kontrollieren. Das gelingt heute nicht und damals wäre es erst recht nicht gelungen.
Außerdem war der islamische Raum ja kein monolithischer Block, wie das hier suggeriert wird. Da braucht man gar nicht auf das islamische Glaubensschisma zurückzugehen zwischen Sunna und Shi'a, da reichen die ethnischen Konflikte (Berber versus Araber, Türken (*räusper* Seldschuken) versus Araber, Kurden gegen Araber, arabische Stämme untereinander) vollkommen aus. Das sunnitische Kalifat wurde zwar fast überall anerkannt, hatte aber politisch nichts zu melden. Man brauchte es eher für die - meist nachträgliche - Legitimation des einen oder anderen fait accompli.
 
Es lohnte sich daher kaum, Agrarprodukte weit zu transportieren, wenn nicht über den Fluss- oder Seeweg.
Sie argumentieren an mir vorbei, ich habe meinen Hinweis nicht auf Agrarprodukte eingeschränkt. Oder hat sich womöglich der gesamte Handel darauf beschränkt?

Ich behaupte, dass Ägypten als Kornkammer des arabischen Raums keine wesentliche Bedeutung hatte...
Für Quellenhinweise bin ich, wie immer, dankbar.
 
Wenn also die Kreuzfahrer Ägypten erobert hätten wäre die islamische Welt in zwei Teile gespalten worden, der Handel wäre nach christlichen Regeln abgelaufen und da war doch sicher zu befürchten das die Nahrungsmittellieferungen zumindest gedrosselt worden wären, was wiederum ein Notversorgung in Krisenzeiten, zB. Hungersnöten, schwierig gemacht hätte.
Das wäre zwar in der Theorie vielleicht möglich gewesen, aber insbesondere die italienischen Handelsstädte haben hier mehrfach gezeigt, dass sie ihre Handelspolitik über die "gemeinsame Idee" stellten. (Literaturangabe liefere ich nach, es ging um Bauholz.)
 
Zurück
Oben