In welchem Turm wohnte Veleda?

ob die mittelalterlichen Quellen wie die Edda Aufschluß über die Verhältnisse rund 1000 Jahre vorher [sic] geben, ist recht zweifelhaft.

Ich sprach keineswegs nur von der Edda, sondern auch anderen Quellen und Personen, von denen oben die Rede ist.

Dass allerdings die Römer eine einflussreiche Frau, die zum Aufstand der Bataver angestachelt hatte, festnahmen, kann keine Verwunderung auslösen.
 
Dass allerdings die Römer eine einflussreiche Frau, die zum Aufstand der Bataver angestachelt hatte, festnahmen, kann keine Verwunderung auslösen.
ich finde schon, dass das Verwunderung auslöst: denn das kam ja nicht alle Tage vor (ja genau genommen kam das wohl nur einmal vor - Veleda)

zu den Quellen verweise ich weiterhin auf den Sonderband des RGA
 
ich finde schon, dass das Verwunderung auslöst: denn das kam ja nicht alle Tage vor (ja genau genommen kam das wohl nur einmal vor - Veleda)

Wer gegen Rom intrigierte, wurde festgesetzt, sofern man des Verursachers habhaft werden konnte. Veleda ist lediglich deshalb bekannt, weil es eine mächtige Frau in Germanien war, was sicherlich eine Seltenheit in dieser männerdominierten Gesellschaft bedeutete. Hätte es viele Veledas gegeben, so hätte man die nach entsprechenden Vergehen gegen Rom gleichfalls unschädlich gemacht - da hatten die Römer bekanntlich keinerlei Skrupel.
 
Diese Frauen scheinen ihre Position und ihr Ansehen ihrem persönlichen Charisma verdankt zu haben.
Charisma? Ich denke, wir sollten bei der natürlichen Erklärung bleiben, die schon Georg Wislicenus vor 165 Jahren gegeben hat, nämlich dass hier eine bestimmte pyschophysische Disposition zum Tragen kam, deren Wurzeln darin zu sehen sind, dass die Deutschen jener Zeit "besonders keusch und sittenrein und deshalb [sic] kräftig geschildert (werden)".

Im Zusammenhang mit dem Wirken von Veleda stellt der Autor dar [1], dass ein Überschuß an Kraft "oft in den Männern jenen Ueberreiz von Thatendrang (erzeugte), den man im deutschen Norden (Dänemark und Schweden) die Berserkerwuth nannte [...].
Dieselbe Ueberfülle brachte in ihrer Ueberreizung bei Mädchen und Frauen jene wunderbare Gabe zum Vorschein, die noch jetzt bisweilen vorkommt und Magnetismus genannt wird [...] Solche Menschen haben die Gabe des sogenannten Hellsehens, wobei sie gleichsam alles Körperliche durchschauen, Heilmittel für sich und Andere angeben und dergleichen, ja etwas Zukünftiges voraussagen. Mag ein solcher Zustand bei uns mehr Abspannung der Nerven sein, so war er damals, wo keine Nervenschwäche stattfand, wohl mehr höchste Anspannung und Ueberfülle der Körperkraft. Kurz, es kam in alten Zeiten unter den deutschen Frauen [...] oft solche Sehergabe vor und deshalb, aber auch überhaupt, wegen des tiefen sittlichreinen Gemüths, verehrten unsere Vorfahren die Frauen als Wesen, denen etwas Göttliches inwohne." [2]
[1] Darstellungen aus der deutschen ... - Google Books
[2] Reste dieser Verehrung finden sich bisweilen noch in Geschichtsforen.
 
Charisma? Ich denke, wir sollten bei der natürlichen Erklärung bleiben
Vielleicht liegt hier ein Missverständnis vor: Ich habe mit "Charisma" nichts Übernatürliches gemeint, sondern einfach im Sinne einer charismatischen Persönlichkeit.

In der wissenschaftlichen Literatur habe ich auch keinen Hinweis auf die Art dieses Turmes gefunden.
In einem Roman wurde der Turm einmal als übriggebliebener römischer Wachturm aus augusteischer Zeit beschrieben.
Felix Dahn stellte ihn sich offenbar gar als eine Art Baumhaus vor, zumindest beschrieb er ihn im Roman "Die Bataver" so.
 
un poco scherzando :)

Charisma? Ich denke, wir sollten bei der natürlichen Erklärung bleiben, die schon Georg Wislicenus vor 165 Jahren gegeben hat, nämlich dass hier eine bestimmte pyschophysische Disposition zum Tragen kam, deren Wurzeln darin zu sehen sind, dass die Deutschen jener Zeit "besonders keusch und sittenrein und deshalb [sic] kräftig geschildert (werden)".
...das erinnert mich ein wenig an die verblüffenderweise in der ersten Hälfte des 6. Jhs. auftauchende Wikingerprinzessin Haralda -- in Dahns Kampf um Rom ;)=)

Die Sittenreinheit dürfte - abgesehen davon, dass sie in der lat. Literatur ein Topos war - im 19. Jh. eine Art gelehrter Wunschprojektion gewesen sein...
 
Die Frage ist,ob man die Rolle der Priester/innen und Seher/-innen bei den Germnen nicht allgemein unterschätzt- die politische Macht lag ,wenn ich mir die Geschenisse rund um die Herrmannsschlacht und andere Ereignisse sowie die Sagas ansehe, ja gerade nicht in den Händen einer religiösen Priesterkaste sondern in denen der Stammes- und Clanführern,die primär aus der Kriegerkaste stammten- die Priesterkaste lieferte als "Führungshilfspersonal" eher die religiöse Begleitmusik dazu .

Daher stehe ich auch der Veledageschichte und insbesondere der ihr zugedachten Rolle bei den Aufständen eher skeptisch gegenüber.
M.e. gehörten Weissagungen zum psychologischen Theaterdonner vor jeder größeren militärischen Aktion, ohne für die tatsächliche Ausführung relevant zu sein, vermutlich waren die immer positiv und die wenigen Seher/innen die das Glück hatten,daß ihre Propheterei mit dem Ergebnis übereinstimmte, wurden dann halt bekannter.
Wobei bei den antiken Schilderungen sicherlich auch die Orakelgläubigkeit der Römer eine Rolle spielte.
 
Die Frage ist,ob man die Rolle der Priester/innen und Seher/-innen bei den Germnen nicht allgemein unterschätzt [?] - die politische Macht lag ,wenn ich mir die Geschenisse rund um die Herrmannsschlacht und andere Ereignisse sowie die Sagas ansehe, ja gerade nicht in den Händen einer religiösen Priesterkaste sondern in denen der Stammes- und Clanführern,die primär aus der Kriegerkaste stammten- die Priesterkaste lieferte als "Führungshilfspersonal" eher die religiöse Begleitmusik dazu .

Daher stehe ich auch der Veledageschichte und insbesondere der ihr zugedachten Rolle bei den Aufständen eher skeptisch gegenüber.
M.e. gehörten Weissagungen zum psychologischen Theaterdonner vor jeder größeren militärischen Aktion, ohne für die tatsächliche Ausführung relevant zu sein,(...)
du meinst sicher überschätzt, oder verstehe ich was falsch?
 
Die Frage ist,ob man die Rolle der Priester/innen und Seher/-innen bei den Germnen nicht allgemein unterschätzt- die politische Macht lag ,wenn ich mir die Geschenisse rund um die Herrmannsschlacht und andere Ereignisse sowie die Sagas ansehe, ja gerade nicht in den Händen einer religiösen Priesterkaste sondern in denen der Stammes- und Clanführern,die primär aus der Kriegerkaste stammten- die Priesterkaste lieferte als "Führungshilfspersonal" eher die religiöse Begleitmusik dazu .
Das klingt zu sehr nach organisierter Religion in einem wenig organisierten Sozialsystem (Stammesgesellschaft). Man kann natürlich davon ausgehen, dass die Clanführer einen Krieg erwogen haben, bevor sie zu Veleda gegangen sind. Die "politische" Entscheidung ist also tatsächlich woanders gefallen oder zumindest vorgeprägt worden. Es muss aber Gründe gegeben haben, warum Veleda dann trotzdem noch gefragt wurde. Ihr Wort muss also durchaus einiges Gewicht gehabt haben.

Übrigens: Wenn ich mich recht erinnere, schreibt Tacitus gar nicht, dass Veleda den Bataveraufstand ausgelöst oder angestiftet habe. Er schreibt bloß, sie hätte den germanischen Kriegern einen großen Sieg geweissagt.

Meiner Ansicht nach gibt es einige Indizien dafür, dass es bei den Germanen solche "weisen Frauen" gab. Das fängt mit Matronenkulten an und hört mit den Nornen der Mythologie auf. Ich weiß, die Nornen gehören zur nordischen Mythologie und betreffen eine spätere Zeitstellung. Das deutet aber darauf hin, dass unter diesen Völkern die Frauen eine andere Stellung hatten als im römischen Reich. Vielleicht fand Tacitus die Veleda-Geschichte ja bloß deshalb so erwähnenswert.

MfG
 
Man kann natürlich davon ausgehen, dass die Clanführer einen Krieg erwogen haben, bevor sie zu Veleda gegangen sind. (...)
Übrigens: Wenn ich mich recht erinnere, schreibt Tacitus gar nicht, dass Veleda den Bataveraufstand ausgelöst oder angestiftet habe. Er schreibt bloß, sie hätte den germanischen Kriegern einen großen Sieg geweissagt.
Ich bin davon überzeugt, dass die Heerführer die Entscheidung, ob sie friedlich oder kriegerisch dem mächtigen Nachbarn (röm. Imperium) gegenüber treten, nicht von Weissagungen (egal ob von weisen Frauen oder entsprechend beruflich tätigen Herren) abhängig machten - - wäre das nämlich bekannter Usus gewesen, hätte der mächtige Nachbar mit den german. Auguren/innen diplomatisch verhandelt und wir wüssten dann davon.

Das deutet aber darauf hin, dass unter diesen Völkern die [besser: einige] Frauen eine andere Stellung hatten als im römischen Reich. Vielleicht fand Tacitus die Veleda-Geschichte ja bloß deshalb so erwähnenswert.
ich habe in [...] eine Änderung vorgeschlagen - ohne diese kommt mir der Satz etwas übertrieben vor; was Tacitus betrifft, so konnte dieser auch neckisch über german. Frauen witzeln (sed et proxima pars pectoris patet - Germania)
 
Das fängt mit Matronenkulten an und hört mit den Nornen der Mythologie auf. Ich weiß, die Nornen gehören zur nordischen Mythologie und betreffen eine spätere Zeitstellung.
Da die Nornen deutlich den griechischen Moiren und den römischen Parzen entsprechen, kann man in ihnen wohl ein indogermanisches Erbe sehen. Man kann also wohl durchaus wagen zu vermuten, dass die antiken Kontinentalgermanen auch zumindest ähnliche Vorstellungen gehabt haben könnten.

Ich bin davon überzeugt, dass die Heerführer die Entscheidung, ob sie friedlich oder kriegerisch dem mächtigen Nachbarn (röm. Imperium) gegenüber treten, nicht von Weissagungen (egal ob von weisen Frauen oder entsprechend beruflich tätigen Herren) abhängig machten - - wäre das nämlich bekannter Usus gewesen, hätte der mächtige Nachbar mit den german. Auguren/innen diplomatisch verhandelt und wir wüssten dann davon.
Immerhin berichtet auch Caesar davon, dass sich Ariovist einer Schlacht lange Zeit entzog, weil die Frauen durch Lose und Weissagungen von einer Schlacht vor Neumond abrieten. Taktisch war das Zögern sinnlos und eher nachteilig.
 
Immerhin berichtet auch Caesar davon, dass sich Ariovist einer Schlacht lange Zeit entzog, weil die Frauen durch Lose und Weissagungen von einer Schlacht vor Neumond abrieten. Taktisch war das Zögern sinnlos und eher nachteilig.
das überzeugt mich nicht von einer den Quellen nicht zu entnehmenden Sonderstellung weiser germanischer Frauen, Seherinnen, Priesterinnen usw.

es gibt ein paar wenige Quellen über Jahrhunderte verstreut (Caeser hast Du gerade erwähnt, Tacitus´ Veleda, die haliurunnae bei Iordanes und noch ein paar andere), aber das ist zu wenig um wirklich aussagekräftig zu sein.

auch die wenigen vor der Wikingerzeit und eo ipso vor der Niederschrift der Edda überlieferten Götternamen und thophoren Namen erlauben keine sonderlich weitreichenden Schlüsse - - ernüchternd hierzu der Sonderband germanische Religionsgeschichte des RGA
 
Soweit ich mich erinnere sind die frühen belegten Götter eher weiblich und mit Flüssen verbunden( aktuell dazu Rudolf Simek http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Simek )
Dies sagt zwar wenig über die Priesterschaft aus, außer dass die weiblichen Elemente in den frühen religiösen Konzepten dominieren.
So wie ich das sehe, weiblich (Natur/Wachstum) ändert sich während der VWZ zu männlich (Kriegerkasten). Die typischen nordisch/ germanischen Götter (Odin/Thor) treten erst recht spät auf. Karl Hauck hat dies versucht an Hand von Amuletten zu belegen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Hauck
Vielleicht spielen sich da ganz gut das germ. Söldnerwesen wieder…?!
 
Priesterinnen und Seherinnen der Germanen sind ein altes Topos.
Erstmals beim Zug der Kimbern und Teutonen berichtete Strabon über weissagende Priesterinnen der Kimbern und Teutonen berichtet, die aus dem Blut geopferter Kriegsgefangener die Zukunft lesen.
Danach taucht das Thema der weissagenden Frauen in unterschiedlichen Spielarten immer wieder auf. Etwa in der Germania oder die riesige Frau an der Elbe, die dem Drusus weissagt und diesen zur Umkehr bewegt. Gerade im letzten Fall der Riesin von der Elbe dürfte Märchen und Geschichte durchaus vermengt sein.
Germanische Seherinnen tauchen relativ häufig in den antiken Quellen. Eine wahrscheinlich vollständige Liste gibt es hier im Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Ein interessanter Punkt ist, dass nicht nur die Barbaren, sondern auch immer wieder römische Kaiser und Feldherrn den Weissagungen germanischer Frauen Glauben schenkten.

Ganz aus der Luft gegriffen dürften die Seherinnen wohl nicht sein, auch wenn sie in der Arminius-Story fehlen, aber kann ja auch nicht Maßstab aller Dinge sein. Germanische Seherinnen gab es wirklich, über ihren genauen Einfluß lässt sich streiten.

Eine weitreichende politische Rolle wie im Falle Veledas dürfte jedoch die Ausnahme gewesen sein. Als Ausnahmepersönlichkeit wird sie auch beschrieben. Türme dürften ebenfalls eine architektonische Ausnahmeerscheinung sein. Der Lebensstil einer Veleda dürfte von der gewöhnlicher Germaninnen genauso verschieden sein, wie der einer Pythia von den Griechinnen.
Das Motiv der "Jungfrau im Turm" ist im Abendland weit verbreitet. Bekannte Fälle sind Danae aus der griechische Mythologie und Rapunzel aus Grimm's Märchen.
Die Frage ist nur wer sich einst der Archetypen und Topen bedient hat, die römischen Autoren oder die Seherin selbst. Die Sache mit dem Turm kann genauso gut gezielte Inszenierung der Seherin selbst sein wie ein literarischer Topos der Autoren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Germanische Seherinnen tauchen relativ häufig in den antiken Quellen. Eine wahrscheinlich vollständige Liste gibt es hier im Reallexikon der germanischen Altertumskunde.
...von den Kimbern bis zu Iordanes haljiurunnae verstreichen aber einige Jahrhunderte, und was für diese namentlich aufgelistet wird an Seherinnen (inklusive anonymer Nennungen von solchen) ist doch recht schmal, wie man in deinem Link nachlesen kann...
...kommt nun noch hinzu, dass aufgrund altenglischer Glossen und einer spätlateinischen Nennung (ae. helrune, got. haljarunna), welche beide erst Jahrhunderte nach Tacitus entstanden sind (vom Zeitpunkt des verfassens der ae. Quelle mal ganz abgsehen), gemutmaßt wird, wie es um diese Frauen bestellt war, so ist das doch insgesamt sehr dürftig - wir haben nicht mehr als vereinzelte, gewiß rätselhafte Splitter, die vielleicht ahnen lassen, dass da mal was war, die aber nicht viel greifbares hergeben.

...wie so oft zu Themen, welche "germanische Reigion" in irgendeiner Weise streifen: der ernüchternde Sonderband das RGA
 
Ich glaube, Du siehst das ein bisschen überskeptisch. Wir haben immerhin Tacitus' Schilderung in der "Germania" sowie mehrere Einzelbeispiele aus einem Zeitraum von zwei Jahrhunderten, von den Kimbernkriegen bis Domitian. Wenn man bedenkt, dass wir über die Germanen aus den römischen Quellen generell nicht so übermäßig viel wissen, ist das eigentlich eine ganze Menge.
 
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