Indogermanische Sprachen und die Vielfalt ihrer Völker

Dagegen würde ich als Wörter die typischer Weise zum Sprachsubstrat gehören (also zur aufnehmenden Sprache) solche Wörter zählen, die Konzepte bezeichnen, die schon vor dem Kontakt mit Zugezogenen bekannt gewesen sein müssen.

Vorsicht! Der Begriff des Substrats (genau wie der des Adstrats und des Superstrats) ist in der Sprachwissenschaft und insbesondere in der Historiolinguistik schon besetzt. Ein sprachliches Substrat ist die Hinterlassenschaft einer aufgegebenen Sprache in der übernommenen Sprache, unter der Voraussetzung, dass die aufgegebene Sprache die Sprache einer militärisch bzw. politisch unterlegenen Klasse war. Das Superstrat ist hingegen die Hinterlassenschaft einer aufgegebenen Sprache in der übernommenen Sprache, unter der Voraussetzung, dass die aufgegebene Sprache die Sprache der militärisch bzw. politisch beherrschenden Klasse war.
So ist z.B. das Wort Karre < lat. carrus < kelt. carros ein Substrat aus dem Keltischen oder frz. guarde < frk. wardja ein Superstrat aus dem Germanischen/Fränkischen
 
Vorsicht! Der Begriff des Substrats (genau wie der des Adstrats und des Superstrats) ist in der Sprachwissenschaft und insbesondere in der Historiolinguistik schon besetzt. Ein sprachliches Substrat ist die Hinterlassenschaft einer aufgegebenen Sprache in der übernommenen Sprache, unter der Voraussetzung, dass die aufgegebene Sprache die Sprache einer militärisch bzw. politisch unterlegenen Klasse war. Das Superstrat ist hingegen die Hinterlassenschaft einer aufgegebenen Sprache in der übernommenen Sprache, unter der Voraussetzung, dass die aufgegebene Sprache die Sprache der militärisch bzw. politisch beherrschenden Klasse war.
So ist z.B. das Wort Karre < lat. carrus < kelt. carros ein Substrat aus dem Keltischen oder frz. guarde < frk. wardja ein Superstrat aus dem Germanischen/Fränkischen

Führt diese Herangehensweise nicht fast zwangsläufig zum Zirkelschluss? Man versucht über die Kategorisierung der Sprache u.a. die Machtverhältnisse rekonstruieren, die zu Sprachübernahmen führten, setzt andererseits Kenntnisse eben dieser Machtverhältnisse beim Kategorisieren voraus?
 
Man versucht über die Kategorisierung der Sprache u.a. die Machtverhältnisse rekonstruieren, die zu Sprachübernahmen führten, setzt andererseits Kenntnisse eben dieser Machtverhältnisse beim Kategorisieren voraus?
Nein, das wäre in der Tat absurd.
Führt diese Herangehensweise nicht fast zwangsläufig zum Zirkelschluss?
Das das obige nicht geschieht, ist die Gefahr des Zirkelschlusses nicht gegeben.
Wir wissen nun mal, dass garde aus dem Germanischen ins Französische und Karre/carro/car aus dem Keltischen über das Lateinische in die europäischen Sprachen gekommen ist. Deshalb können wir hier zweifelsfrei sagen, dass es sich um ein Superstrat bzw. ein Substrat handelt. Dies geht aber natürlich nur, wenn man die politischen Verhältnisse kennt.
Beim Indoeuropäischen geht man gemeinhin, wegen des großen Verbreitungsgebietes dieser Sprache davon aus, dass es andere Sprachen überschichtet hat. Deren Trümmer nennen wir Substrate bzw. dort wo die Altsprache erhalten blieb, sprechen wir, wenn in dieser indoeuropäische Elemente erhalten sind von indoeuropäischen Super- oder Adstraten (etwa beim Lexikon lateinischen Ursprungs im Deutschen, Baskischen oder Arabischen).
Man könnte aber auch von einem langsamen Einsickern indoeuropäischer Sprechergruppen ausgehen, ohne dass diese so etwas wie eine politische Herrschaft ausübten; die Krux an solchen Theorien ist, dass dann sehr viel schwieriger zu erklären ist, warum dass Indoeuropäische sich haben durchsetzen können, da die Sprecher dann ja über Jahre bis Jahrzehnte eher isolierte Kleingruppen innerhalb fremdsprachiger Großgruppen ohne besonderes Prestige gewesen wären. Das Indoeuropäische wäre dann nur eine Nähesprache gewesen, die man innerhalb der Familie gesprochen hätte, die Sprecher des Indoeuropäischen wären in der Diglossie gewesen, nicht ihre Umgebung. Denkbar schlechte Voraussetzung für eine Ausbreitung des Indoeuropäischen.
Andere Theorien gehen von einer Synthese verschiedener Sprachen aus, die letztlich dann zur indoeuropäischen Sprachfamilie durch gegenseitige Entlehung führte, aber auch diese Theorien können nicht wirklich überzeugen, da sie letztlich auf einer ganzen Reihung von Zufällen basieren.
 
nun, Karre ist ein Beispiel für "irren wäre auch möglich"
Warum soll der "Carros" der Kelten über die Römer nach Germanien gekommen sein?
Kelten und Germanen standen in Handelsbeziehungen, somit ist es doch recht unwahrscheinlich, das die Germanen diesen Begriff erst kennenlernten, als die Römer die Kelten "besiegt" hatten und mit den Germanen in Kontakt kamen. Wenn nicht alle 3 die Karre/Carros/Carrus als IE schon kannten?? Dies jetzt zu unterscheiden/belegen ist wohl doch in allen 3 möglichen Fällen schwer.
 
nun, Karre ist ein Beispiel für "irren wäre auch möglich"
Warum soll der "Carros" der Kelten über die Römer nach Germanien gekommen sein?
Kelten und Germanen standen in Handelsbeziehungen, somit ist es doch recht unwahrscheinlich, das die Germanen diesen Begriff erst kennenlernten, als die Römer die Kelten "besiegt" hatten und mit den Germanen in Kontakt kamen. Wenn nicht alle 3 die Karre/Carros/Carrus als IE schon kannten?? Dies jetzt zu unterscheiden/belegen ist wohl doch in allen 3 möglichen Fällen schwer.

Und den anderen wichtigen Punkt hat Rena schon angeführt. Es wurden und werden ständig neue Wörter erfunden, um Dinge zu benennen, die es noch nicht gab oder die man noch nicht kannte. Da werden z.B. zwei IE-Sprecher, die 3000 km auseinander wohnen, nicht das gleiche Wort für ein Tier erfinden, das neuerdings in ihrem Lebensraum aufgetaucht ist. Das bedeutet dennoch eben nicht, dass dieses Wort aus einer vorherigen dort gesprochenen Sprache übernommen wurde, also kein IE-Wort ist.
 
Wenn nicht alle 3 die Karre/Carros/Carrus als IE schon kannten??
diese Frage ist nur dann sinnvoll, wenn man unterstellt, dass Kelten, Römer und Germanen noch zusätzlich urindoeuropäisch sprechen konnten - aber diese Annahme, dass die eine über 1000 Jahre ältere Sprache noch konnten, ist ziemlich unsinnig :pfeif:

in diesem speziellen Fall wird sicherlich die Etymologie des kelt, röm. und ahd. Lexikons genügend abgeklopft worden sein, um diese Übernahme(n) schlüssig darzustellen.
 
Das passt doch unheimlich gut zur sonstigen Kaffeesatzleserei in diesem Thread. :fs:

Kaffeesatzlesen ist kurzweiliger als Blockposterwettkampf und Hausaufgabenhilfe :)

Nein, das wäre in der Tat absurd.

Das das obige nicht geschieht, ist die Gefahr des Zirkelschlusses nicht gegeben.
Wir wissen nun mal, dass garde aus dem Germanischen ins Französische und Karre/carro/car aus dem Keltischen über das Lateinische in die europäischen Sprachen gekommen ist. Deshalb können wir hier zweifelsfrei sagen, dass es sich um ein Superstrat bzw. ein Substrat handelt. Dies geht aber natürlich nur, wenn man die politischen Verhältnisse kennt.
Beim Indoeuropäischen geht man gemeinhin, wegen des großen Verbreitungsgebietes dieser Sprache davon aus, dass es andere Sprachen überschichtet hat. Deren Trümmer nennen wir Substrate bzw. dort wo die Altsprache erhalten blieb, sprechen wir, wenn in dieser indoeuropäische Elemente erhalten sind von indoeuropäischen Super- oder Adstraten (etwa beim Lexikon lateinischen Ursprungs im Deutschen, Baskischen oder Arabischen).
Wenn es nur um Auswahl des sprachwissenschaftlichen Fachbegriffs geht, sind solche Annahmen harmlos. Vielleicht hängen die SWS einfach an ihren Begriffen, mich haben die Überschichtungen schon immer etwas gestört.
Wie du schon sagst, muß man die politischen Verhältnisse kennen, um zweifelsfrei feststellen zu können, welcher Begriff der richtige ist.
Bei den IE-Einzelsprachen mag es Beispiele aus geschichtlicher Zeit geben, auf die das zutrifft. Bei den romanischen Sprachen ist selbst mir sofort klar, dass keltisch/gallisch in Frankreich das Substrat und lateinisch das Superstrat ist, stimmt das so? Oder nicht, weil romanisch ja eine Folgesprache des lateinischen ist.
Die politischen Verhältnisse der Römerzeit sind aber bekannt und so wissen wir, dass es nicht so sehr die technische und militärische Überlegenheit war, die in einigen Gebieten, nicht in allen, zur sehr allmählichen Übernahme der lateinischen Sprache führte.

Das alles aber wissen wir von der Frühphase der IE-Sprache nicht.
Man könnte aber auch von einem langsamen Einsickern indoeuropäischer Sprechergruppen ausgehen, ohne dass diese so etwas wie eine politische Herrschaft ausübten; die Krux an solchen Theorien ist, dass dann sehr viel schwieriger zu erklären ist, warum dass Indoeuropäische sich haben durchsetzen können, da die Sprecher dann ja über Jahre bis Jahrzehnte eher isolierte Kleingruppen innerhalb fremdsprachiger Großgruppen ohne besonderes Prestige gewesen wären.
Auf den ersten Blick ein ungewohntes Szenario, muß es deshalb unwahrscheinlicher sein? Das Einsickern der Hebräer in der Levante könnte ein Beispiel sein für ein sehr langes Nebeneinander von Sprachen.


Das Indoeuropäische wäre dann nur eine Nähesprache gewesen, die man innerhalb der Familie gesprochen hätte, die Sprecher des Indoeuropäischen wären in der Diglossie gewesen, nicht ihre Umgebung. Denkbar schlechte Voraussetzung für eine Ausbreitung des Indoeuropäischen.
Wäre es denkbar, dass in schriftlosen Zeiten mit überwiegender Selbstversorgungswirtschaft ein kleinräumiges Nebeneinander von verschiedenen Sprachen, nicht nur von Dialekten über viele Generationen bestehen bleiben konnte?
Wann bildet sich automatisch eine lingua franca und müssen die alle sprechen oder nur einige aus jeder Sprachgruppe?

Kann es sein, dass wir uns von den frühen Schriftzeugnissen täuschen lassen, was die wirkliche Verbreitung der Sprachen betrifft. Schrift wurde zuerst zur Dokumentation und Buchhaltung verwendet. Wo es dafür keinen Bedarf gab, bei den selbstversorgenden Bauern auf den Dörfern z.B. wurde vielleicht ganz anders gesprochen und nichts aufgeschrieben.
 
Das abklopfen der Lexika dürfte schwerfallen ;-)
aber am wahrscheinlichsten ist hier die ziemlich gleichzeitige Übernahme durch Römer und Germanen. Und das ziemlich bald nach der Erfindung durch die Kelten. Die dürften ihre carros nämlich von Italien bis zur Nordsee gezogen haben.
 
Das abklopfen der Lexika dürfte schwerfallen ;-)
aber am wahrscheinlichsten ist hier die ziemlich gleichzeitige Übernahme durch Römer und Germanen.
ich bin guter Dinge, dass die histor. Sprachwiss. lateinische, keltische und germanische (*protogerm., got., ahd. etc) Vokabeln aufgrund der Lautwandelgesetze und aufgrund der vorliegenden Quellen recht genau zeitlich einschätzen kann, d.h. an der kelt.-lat.-german. Reihenfolge der Übernahme hab ich da eigentlich keine Zweifel -- diese Wissenschaft besteht ja nicht nur und einzig aus Spekulationen :winke:
 
Wäre es denkbar, dass in schriftlosen Zeiten mit überwiegender Selbstversorgungswirtschaft ein kleinräumiges Nebeneinander von verschiedenen Sprachen, nicht nur von Dialekten über viele Generationen bestehen bleiben konnte?
Wann bildet sich automatisch eine lingua franca und müssen die alle sprechen oder nur einige aus jeder Sprachgruppe?
wäre vielleicht denkbar, aber gerade in Zeiten mit wenig simultanen Kommunikationstechniken (keine Schriftlichkeit usw) müsste doch gerade die Sprache umso wichtiger sein?!
dass nur wenige eine lingua franca sprechen können müssen, halte ich für eher unwahrscheinlich: wieso sollte sich diese durchsetzen?
irgendwie spricht die weite Verbreitung des ie nicht so für kleinräumige Vielsprachigkeit bzw. lange kann es diese nicht gegeben haben
 
Wäre es denkbar, dass in schriftlosen Zeiten mit überwiegender Selbstversorgungswirtschaft ein kleinräumiges Nebeneinander von verschiedenen Sprachen, nicht nur von Dialekten über viele Generationen bestehen bleiben konnte?
Wann bildet sich automatisch eine lingua franca und müssen die alle sprechen oder nur einige aus jeder Sprachgruppe?

Kann es sein, dass wir uns von den frühen Schriftzeugnissen täuschen lassen, was die wirkliche Verbreitung der Sprachen betrifft. Schrift wurde zuerst zur Dokumentation und Buchhaltung verwendet. Wo es dafür keinen Bedarf gab, bei den selbstversorgenden Bauern auf den Dörfern z.B. wurde vielleicht ganz anders gesprochen und nichts aufgeschrieben.

Ich halte das sogar für sehr gut denkbar. Selbst in nicht schriftlosen Zeiten. Das Einsickern der Hebräer hast du schon erwähnt. Ein ähnliches Szenario aus neuerer Zeit zeigen Länder wie Marokko: Ein natürlich nicht immer problemloses, nicht immer friedliches, aber die meiste Zeit funktionierendes Nebeneinander von Arabern, sesshaften Berbern und nomadischen Berbern. Dazu sind noch französisch und spanisch im Sprachgebrauch.
Gerade für die Frühzeit sollte man Vorstellungen von einheitlichen "Völkern" in fest umrissenem "Volksgebiet" endlich über Bord werfen.
Schrift war häufig einer Elite vorbehalten, sei es eine politische oder eine gesellschaftliche. Archäologische Funde können auch meist nur Eliten beschreiben - von einfachen Bauern ohne Grabbeigaben und in Holzhütten bleibt nicht viel. Zudem ist auch einfach die Zahl der überlieferten Artefakte zu gering, um Rückschlüsse auf eine ganze Gesellschaft ziehen zu können.
 
Erst mal zur carros-Diskussion: Leute, es ist unerhbelich, ob der Karren gleichzeitig ins Lateinische und ins Germanische entlehnt wurde oder über das Lateinische ins Germanische. Wichtig ist, dass er bei Mutter Latein und ihren romanischen Töchtern ein keltisches Substrat bildet. Darum ging es bei dem Beispiel.

Wenn es nur um Auswahl des sprachwissenschaftlichen Fachbegriffs geht, sind solche Annahmen harmlos. Vielleicht hängen die SWS einfach an ihren Begriffen, mich haben die Überschichtungen schon immer etwas gestört.

Weil hier der sprachwissenschaftliche Begriff in einer Nuance anders verwendet wird, als er eigentlich meint. Bei den Überschichtungen ist immer von Völkern die Rede. Wenn die Sprachwissenschaft dagegen von einem Sub-, Super- oder Adstrat (also einer Nebenschicht) spricht, sind damit Sprachphänomene gemeint.

Bei den IE-Einzelsprachen mag es Beispiele aus geschichtlicher Zeit geben, auf die das zutrifft. Bei den romanischen Sprachen ist selbst mir sofort klar, dass keltisch/gallisch in Frankreich das Substrat und lateinisch das Superstrat ist, stimmt das so? Oder nicht, weil romanisch ja eine Folgesprache des lateinischen ist.

Nicht ganz. Die Sprache selbst ist das Stratum. Im Französischen gibt es ein kleines deutsches Adstrat, z.B. Kindergarten, im Deutschen gibt es ein weitaus ausgeprägteres Adstrat, z.B. die Verben auf -ieren.
Zwei Sprachen also, die nebeneinander existieren und sich gegenseitig durch Lehnwortschatz (und z.T. vielleicht auch durch Grammatik) beeinflussen.
Super- und Substrate bezeichnen Hinterlassenschaften aus Sprachen, die - nach einer Periode der Diglossie - verschwunden sind. Die Adstratsprache kann natürlich nachträglich auch verschwinden.

Zum Rest später.
 
Beim Indoeuropäischen geht man gemeinhin, wegen des großen Verbreitungsgebietes dieser Sprache davon aus, dass es andere Sprachen überschichtet hat. Deren Trümmer nennen wir Substrate bzw. dort wo die Altsprache erhalten blieb, sprechen wir, wenn in dieser indoeuropäische Elemente erhalten sind von indoeuropäischen Super- oder Adstraten (etwa beim Lexikon lateinischen Ursprungs im Deutschen, Baskischen oder Arabischen).

Solche vorindoeuropäischen Substrate haben sich bekanntlich in einigen IE Sprachen erhalten. So z.B. im Griechischen, Spanischen oder Indo-Arischen. Oft stellt sich das ganze aber auch verwickelt dar. So gibt es im Französischen ein gallisches Substrat und ein fränkisches Superstrat, das letztlich vom gallo-romanischen Sprechlatein der unterworfenen Bevölkerung überschichtet wurde.

Auf jeden Fall kann man anhand solcher sprachlichen Überschichtungsvorgänge gut erkennen, welche Sprachen sich gegenüber einer alteingesessenen Bevölkerung durchgesetzt haben - oder auch nicht!

Man könnte aber auch von einem langsamen Einsickern indoeuropäischer Sprechergruppen ausgehen, ohne dass diese so etwas wie eine politische Herrschaft ausübten; die Krux an solchen Theorien ist, dass dann sehr viel schwieriger zu erklären ist, warum dass Indoeuropäische sich haben durchsetzen können, da die Sprecher dann ja über Jahre bis Jahrzehnte eher isolierte Kleingruppen innerhalb fremdsprachiger Großgruppen ohne besonderes Prestige gewesen wären. Das Indoeuropäische wäre dann nur eine Nähesprache gewesen, die man innerhalb der Familie gesprochen hätte, die Sprecher des Indoeuropäischen wären in der Diglossie gewesen, nicht ihre Umgebung. Denkbar schlechte Voraussetzung für eine Ausbreitung des Indoeuropäischen.

Die Theorie eines allmählichen Einsickerns kleinerer indoeuropäischer Sprechergruppen hat durchaus etwas für sich, besonders dann, wenn man Invasionen und waffentechnische Überlegenheit solcher Gruppen für unwahrscheinlich hält. Wie du aber richtig sagst stellt sich dann die Frage, warum die autochthone Bevölkerung eine solche Sprache übrnehmen sollte, die kein besonderes Prestige hätte. Die Möglichkeit eines gewaltsamen Eindringens indoeuropäischer Gruppen bleibt also nach wie vor eine Möglichkeit, die Ausbreitung indoeuropäischer Sprachen zu erklären.

Andere Theorien gehen von einer Synthese verschiedener Sprachen aus, die letztlich dann zur indoeuropäischen Sprachfamilie durch gegenseitige Entlehung führte, aber auch diese Theorien können nicht wirklich überzeugen, da sie letztlich auf einer ganzen Reihung von Zufällen basieren.

Wenn es sich dabei um ein überschaubares Gebiet handeln würde, käme eine solche Erklärung sicher in Betracht. Aber ein Raum von Europa bis Nordindien und Westchina kann meines Erachtens auf diese Weise nicht indoeuropäisiert worden sein.
 
es gibt ja Gegenden mit buntem Wechsel von slawischen und germanischen Ortsnamen (ich meine jetzt nicht die speziell sorbische Gegend um Bautzen) - im Mittelalter wird es dort sicher zweisprachig von Dorf zu Dorf gewesen sein, aber nach und nach wurde die slaw. Sprache aufgegeben. Z.B. in der Umgebung von Meißen, die gewiß vorher (frühes MA) slaw. besiedelt war. Ich weiß, dieser Vergleich hinkt gewiß gewaltig, aber mich bringt das auf folgende Idee: bei einer friedlichen Koexistenz mehrerer Sprachen kann es doch auch den Grund geben, sich für diejenige zu entscheiden, die mehr Zugang zu Sicherheit, Ressourcen und "techn. Fortschritt"ermöglicht - also quasi "für mich ist es besser, nicht mehr Abodrit sondern salischer Untertan zu werden"
Das allerdings setzt voraus, dass es 1. ein zivilisator. Gefälle gibt und dass 2. grundsätzlich die Möglichkeit der Integration in die attraktivere Gruppe von beiden Seiten aus besteht (also mal salopp gesagt, dass der Indoeuropäer dem benachbarten Finnugrer nicht "ätsch, du bleibst draußen" sagt).

Grenzen sind, so weit mir bekannt, im Mittelalter keine festen eindeutigen Linien gewesen - vermutlich war das in vorgeschichtlicher Zeit nicht anders: sofern nicht gerade kriegerischer Zoff war, dürfte es sowohl größere Übergangs- und Mischzonen gegeben haben, als auch sehr dünn besiedelte Bereiche.
 
Zuletzt bearbeitet:
es gibt ja Gegenden mit buntem Wechsel von slawischen und germanischen Ortsnamen (ich meine jetzt nicht die speziell sorbische Gegend um Bautzen) - im Mittelalter wird es dort sicher zweisprachig von Dorf zu Dorf gewesen sein, aber nach und nach wurde die slaw. Sprache aufgegeben. Z.B. in der Umgebung von Meißen, die gewiß vorher (frühes MA) slaw. besiedelt war.

Die slawischen Ortsnamen jenseits der Elbe-Saale-Linie sind leicht erklärbar. Nach Abzug der germanischen Stämme der Burgunder, Vandalen Goten u.a. im Rahmen der Völkerwanderung entstand ein nahezu siedlungsleeres Gebiet, in das seit dem 5./6. Jh. westslawische Gruppen nachrückten. Germanische Restgebiete wurden dabei slawisiert. Damals entstanden die slawischen Siedlungsnamen, die nach Besetzung dieses Raums durch deutsche Fürsten und Siedler seit dem 12. Jh. fortbestanden.

Es gab also eine Abfolge verschiedener Herrschaftsträger und nachdem deutsche Siedler in diese Gebiete strömten, wurden die Slawen rasch germanisiert - auch wenn es noch bis in die frühe Neuzeit vereinzelte slawische Inseln gab.

Von einer friedlichen Koexistenz kann also nur sehr begrenzt die Rede sein, denn die slawischen Stämme der Abodriten, Liutizen u.a. haben sich gegen die Eroberung der Gebiete jenseits von Elbe und Saale kräftig - wenn auch vergeblich - gewehrt. Ohne einen slawischen Staat oder eine slawische politische Dominanz als Grundlage hatte die slawische Bevölkerung allerdings keinen Bestand. Sie wurde nicht vertrieben, sondern "eingedeutscht", um dieses missverständliche Wort einmal zu benutzen. Insofern beruhen all diese Vorgänge doch auf einer machtpolitischen Überlegenheit.
 
Die slawischen Ortsnamen jenseits der Elbe-Saale-Linie sind leicht erklärbar.
ich weiß - und ich schrieb ja auch, dass mein Vergleich hinkt (nebenbei gab es slaw.-germ. besiedelte Gebiete, in denen es lange Zeit friedlich zuging) -- darum ging es auch gar nicht, sondern um die Überlegung, ob kleinräumig verschiedene Sprachen koexistieren können, aber eine davon (die attraktivste, siehe vorherigen Beitrag) peu a peu übernommen wird. Die einfachsten Vorstellungen hierfür sind demografisch oder militärisch (die Mehrheit dominert die Miniderheit, letztere assimiliert sich - der Sieger setzt sich durch, auch weil er bevölkerungsstark ist (Eroberer UND Siedler)) - aber es muss ja nicht immer und permanent kriegerisch zugegangen sein, und eine demografische Explosion von sich ausbreitenden Völkermassen scheint mir eher ein literarischer Topos zu sein.
--aber wie gesagt, das waren nur Überlegungen ins Blaue hinein.
 
ich weiß - und ich schrieb ja auch, dass mein Vergleich hinkt (nebenbei gab es slaw.-germ. besiedelte Gebiete, in denen es lange Zeit friedlich zuging) -- darum ging es auch gar nicht, sondern um die Überlegung, ob kleinräumig verschiedene Sprachen koexistieren können, aber eine davon (die attraktivste, siehe vorherigen Beitrag) peu a peu übernommen wird.

Genau das ist ja mit der slawischen Sprache jenseits von Elbe und Saale passiert. Nachdem deutsche Fürsten die Herrschaft übernommen hatten und deutsche Siedler nach Ostdeutschland strömten, wurde die deutsche Sprache zur Amts- und Gerichtssprache und mit dem Anwachsen der deutschen Siedler auch zur allgemeinen Umgangssprache. Damit besaß die deutsche Sprache nicht nur ein höheres Prestige, sondern war auch im Alltagsleben nützlicher als das Slawische.

Der ganze Vorgang zeigt also deutlich, wie eine autochthone Sprache von einer anderen überschichtet wird, hinter der politische Macht und wachsender demografischer Einfluss steht. - Dass es auch gegenteilige Beispiele gibt, wurde oben schon ausgeführt.

- aber es muss ja nicht immer und permanent kriegerisch zugegangen sein ...

Die Verdrängung des Slawischen und die Assimilierung ans Deutsche war ein überwiegend friedlicher Prozess. In Mecklenburg war es sogar eine slawische Fürstenfamilie, die die Landnahme deutscher Siedler steuerte und es ist interessant zu sehen, wie lange noch slawische Vornamen beim mecklenburgischen Herzogshaus in Gebrauch blieben. Bis etwa um 1300 finden wird dort noch einen Pribislaw, Niklot und Borwin, in den späteren Jahrhunderten folgen nur noch deutsche Namen.

Bei der slawischen Herzogsfamilie von Pommern - den Greifen - hielt man länger an slawischen Vornamen fest. Da gibt es noch im 15. Jh. Wartislaw, Swantibor, Bogislaw und Kasimir.

Wenn auch diese Assimilierung weitgehend friedlich verlief, so konnte sie dennoch nur erfolgen, weil dahinter die deutsche Oberherrschaft stand. Die Aspekte der Nützlichkeit, des Prestiges und der politischen Machtverhältnisse waren somit ausschlaggebend. Ob es in einem slawischen Staat zu einem Sprachwechsel gekommen wäre, ist zu bezweifeln - wenn auch nicht ausgeschlossen.
 
Bei dem, was Quijote hier sicherlich fachlich richtig eingeführt hat, gefällt mir die dem inne wohnende deutliche Färbung in den Begriffsdefinitionen nicht. Ich möchte zunächst einmal noch gar nicht betrachten, wer hier wen beherrscht haben mag. Wenn ich das von vornherein betrachten muss, wird der Überlegung ein bestimmtes Szenario als gegeben aufgezwungen. Ich möchte die Folgerung aber nicht vor der Betrachtung der Fakten haben. Schade, dass das Wort Substrat, das ich als Nährboden übersetzen würde, so abweichend von der wörtlichen Bedeutung eingeführt ist.

Insofern werde ich dann lieber von aufnehmender Sprache reden, in dem Sinne, das die Menschen sicherlich entweder weiter ihre bisherige Sprache sprechen und fremde Elemente darin aufnehmen oder eine fremde Sprache annehmen und Elemente ihrer bisherigen Sprache darin weiter benutzen.
 
dir ist aber bekannt, wie verwandt die Wörter pater, pere, vater, father sind? :winke:

Richtig. Sie sind durchaus verwandt. Nichtsdestotrotz sagen wir immer noch Vater und nicht Père. Die beiden Wörter werden ja durchaus nicht als leicht lautverschoben EMPFUNDEN, wie etwa Vater und Father. Ein Austausch wäre also ebenso gut in Frage gekommen, wie den Ohm gegen den Onkel zu tauschen.
 
Bei dem, was Quijote hier sicherlich fachlich richtig eingeführt hat, gefällt mir die dem inne wohnende deutliche Färbung in den Begriffsdefinitionen nicht.
der Anschlag kann ein Attentat oder die Klangerzeugung am Klavier bedeuten - das Fachsprachen ihre eigenen Definitionen und Konnotationen haben, daran muss man sich gewöhnen.

Insofern werde ich dann lieber von aufnehmender Sprache reden, in dem Sinne, das die Menschen sicherlich entweder weiter ihre bisherige Sprache sprechen und fremde Elemente darin aufnehmen oder eine fremde Sprache annehmen und Elemente ihrer bisherigen Sprache darin weiter benutzen.
das ist sicherlich im Falle sehr friedlicher Zeiten ohne Dekrete von oben etc der Fall - so weit mir bekannt, wird das sich verändern einer Sprache im Lauf der Zeit auch (nicht nur) mt dem Kontakt zu anderen Sprachen erklärt. Und darin kann auch ein Grund liegen, dass sich ausgehend vom ie die einzelnen verschiedenen ie-Sprachzweige entwickelt haben.
 
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