inwiefern die Begriffe Massenverführung und Überwältigung für die Reichserntedankfeste zutreffen. Welche Ursprünge haben die Erntedankfeste eigentlich und wie haben es die Nationalsozialisten missbraucht?
Ein diktatorisches Regime ist auf die massenhafte Legitimation seiner Herrschaft angewiesen, da das reine repressive Erzwingen von Legitimation durch Polizei etc. in der Regel zu aufwendig wäre für einen Staat. In diesem Sinne kommt der Integration des Sozialwesens im Rahmen von Veranstaltungen, die freiwillige Loyalität zum Staat erzeugen ein hoher Stellenwert zu.
Dieses ist vor dem Hintergrund zu gewichten, dass im Rahmen der Industrialisierung eine zunehmende Mobilität in der Weimarer Republik erzeugt wurde, die neue Formen von Zusammenleben vor allem in den Städten hervorbrachte ("Goldenen Zwanziger"). Und nicht selten zu einer erhöhten "Individualisierung" bzw. dann auch zur "Vereinzellung" geführt hatten. So zumindest sieht H. Arendt im Rahmen ihrer Theorie zum Faschismus / Totalitarismus die Entwicklung und schließt sich der Analyse von Riesman und seiner Sicht auf Industriestaaten an (Die einsame Masse).
Vor allem die Arbeiten von G.L. Moss (Die Nationalisierung der Massen, S. 91ff) beschreiben den Prozess der Verschränkung von politischer Herrschaft und kultureller bzw. auch religiöser Praktiken, die für das NS-Regime in seiner politischen Ritualen so zentral werden.
Und so schreibt Moss: "aber die nationalsozialistischen Feiern, Versammlungen und Aufmärsche konnten ihre Herkunft aus der christlichen Tradition nicht verschleiern" (ebd. S. 100). und fährt fort: "Kein Wunder, dass es Protestanten, nicht Katholiken waren, die während des Dritten Reichs den Versuch unternahmen, christliche Liturgie und nationalen Kult naher zusammenzubringen. "ebd. S. 101)
Durch das Praktizieren dieser Feiern schrieb sich die NS-Bewegung eine quasi religiöse "Sendung" zu und der "Führer" erhielt dabei die Rolle eines "politischen Mythos" wie in Cassirer beschreibt (Vom Mythos des Staates, S. 387).
Durch diese politischen und religiösen Praktiken stellte sich das NS-Regime einerseits in den Kontext der Entwicklung des Abendlandes, es bot aber auch eine - wenn auch diffuse Vision - alternative Idee zu Spenglers Sicht auf den Untergang des Abendlandes an. Und war in der Lage die Idee des Messias auf die Person von Hitler zu projizieren.