Dass Jesus tot war, lässt sich eigentlich nicht sinnvoll bestreiten. Die Quellen sind eindeutig und betonen dies ganz besonders, indem sie Zeugen für den Lanzenstich mit Blut und Wasser benennen und dann noch deren Glaubwürdigkeit besonders betonen. Das lässt darauf schließen, dass der Tod bereits vor der Abfassung der Evangelien bezweifelt wurde.
Etwas anderes ist das Problem der Auferstehung. Das für einen Mythos zu halten, halte ich für verfehlt. Für einen Mythos lässt sich keiner als Märtyrer hinrichten. Ich denke, die rationale Frage nach dem physikalischen Vorgang ist anachronistisch.
In einer Welt ohne Kenntnis der Grenzen physikalischer Möglichkeiten ist das Hirn, salopp formuliert, anders strukturiert. Es gibt Erkenntnisse, hinter die man nicht mehr zurückgehen kann. Ich kann mir auch bei aller Anstrengung nicht vorstellen, wie ein Analphabet die FAZ sieht. Rational weiß ich, dass er nur schwarze Kringel sieht, während ich zwangsläufig Bedeutungen sehe - und dies, obgleich ich das gleiche erlebe, wenn ich auf eine arabische Zeitung blicke. Ich kann mit keinem Mittel hinter meine Alphabetisierung zurückgehen. Das gleiche gilt für das Weltbild vor der Begründung der Naturwissenschaft. Es gibt für uns keine Möglichkeit, das Seiende so zu erfassen, wie es die Menschen zur Zeit Jesu erfasst haben. Wenn es keine Trennung von Materie und Nichtmaterie, von Diesseits und Jenseits gibt, das Unsichtbare mit dem Sichtbaren untrennbar vermischt ist, dann sind Erlebnisse möglich, die wir nicht mehr nachvollziehen können. Das bedeutet, dass man ruhig davon ausgehen kann, dass die Jünger den Auferstandenen "gesehen" haben, auch wenn eine Kamera auf Zeitreise in die Vergangenheit nichts aufgenommen hätte. Wenn gleiches heute geschieht, spricht man von Psychose und Halluzination. Diese Begriffe auf die damalige Zeit anzuwenden, wird dem Erleben nicht gerecht, weil das, was heute eine Anomalie ist, damals durchaus normal gewesen sein kann. Was wir sehen, ist ja nicht die Wirklichkeit, sondern ein Konstrukt des Gehirns aus den Signalen des Sehnervs. Wir können einfach nichts anderes mehr "sehen", als was durch diese Signale vorgegeben ist. Das muss aber nicht immer und überall so sein. Die Halluzination beweist, dass das Gehirn auch Bilder ohne diese Signale erzeugen kann. Dabei können auch externe, aber nicht messbare Einflüsse Bilder erzeugen. Denn das Seiende ist mehr als das Messbare - jedenfalls ist nicht bewiesen, dass beides kongruent sei.
Ich denke schon, dass die Jünger tatsächlich einen Auferstandenen gesehen haben. Aber ich denke auch, dass wir in gleicher Situation niemanden sehen würden.