Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Ein Wall ohne vorgelagerten Graben ist mir aus der Antike ebenfalls nicht bekannt.


Wenn Du mir jetzt noch sagen könntest, welcher Legion diese erste Kohorte angehörte, wäre ich zufrieden.

Na der Legio Prima Augusta kann sie ja eigentlich nicht gehört haben, den Namen gabs 9 n.chr. nicht (mehr).

So ziemlich jede Fliehburg auf steinigem Grund ist ohne Graben ausgestattet, da fallen mir ad hoc einige Beispiele aus meiner heimatlichen Gegend ein..

Zur germanischen Fundsituation wie schon geschrieben:
Die Germanen waren nunmal spartanischer ausgerüstet als die Römer-sie kämpften nicht in Rüstungen. Es wurde schon sehr oft beschrieben das die Hauptwaffe ein Speer (Schwerter waren Mangelware) war und wenn der runterfällt hebt man ihn eben wieder auf… Gewandspangen, Kettenhemdringe, Schuhnägel, Helme oder weitere Rüstungs- und Ausrüstungsteile sucht man eben bei ihnen vergeblich und was es nicht gibt/gab das kann man nunmal auch nicht finden…….
Vergleicht einmal den Anteil metallischer Ausrüstungsteile eines vollverchromt dastehenden Legionärs mit dem eines germanischen Kriegers. Auf welches Verhältnis kommt man da wohl???? 200 : 1 oder noch größer? Genauso muß sich das dann in der Fundsituation widerspiegeln.

Vielleicht haben sich die „Berserker“:yes: ja auch wirklich halb nackt auf die Römer gestürzt…..weiß mans? So wäre die geringe Funddichte jedenfalls auch erklärt…:pfeif:
Zumindest nach der Varusschlacht war m.E. jedoch jeder Germane mit einer römischen Hightech Waffe ausgerüstet.

Es können einfach nicht sehr viele metallische Gegenstände germanischen Ursprungs gefunden werden...
 
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Wenn die Version des Cassius stimmt, konnten sich die Germanen sogar völlig gefahrlos mit größeren Kontingenten in der Nähe der Römer bewegen, ohne Argwohn zu erwecken. Letztlich lässt auch der Zeitgenosse Velleius eine solche Deutung zu.
Und nicht zu vergessen: Noch wneige Jahre vor der Varusschlacht, acht vor Christus, ist der spätere Kaiser Tiberius mit nur einem Germanen Begleitung, vom Rhein bis an die Saale geritten, um seinen schwer verletzten Bruder Drusus zu ersetzen. Wieso hätte Varus also aufklären sollen?

Das sehe ich auch so. Die Aufklärung wurde von Varus offensichtlich vernachlässigt, sonst wäre er nicht in diese fatale Lage geraten. Wenn man den Quellen glauben darf, vertraute er auf die Bündnistreue der Germanen und wähnte sich in befreundetem Gebiet.
 
Na der Legio Prima Augusta kann sie ja eigentlich nicht gehört haben, den Namen gabs 9 n.chr. nicht (mehr).

So ziemlich jede Fliehburg auf steinigem Grund ist ohne Graben ausgestattet, da fallen mir ad hoc einige Beispiele aus meiner heimatlichen Gegend ein..

Du hast es selbst beantwortet.
 
Ein Wall ohne vorgelagerten Graben ist mir aus der Antike ebenfalls nicht bekannt.

Wieso? Einen vorgelagerten Graben gibt es doch.

Rein statistisch gesehen war nach den Funden von Kalkriese das Zahlenverhältnis zwischen Römern und Germanen ca. 4500:1. Für die äußerst geringe Menge an germanischen Funden muss es eine Erklärung geben.

Das ist ein Problem, welches auch für andere Römer-Germanen-Schlachten bestehn würde. Dafür gibt es mehrere Erklärungen:
- die germanischen Ausrüstungsgegenstände wurden mit den Gefallenen geborgen.
- die germanischen Ausrüstungsgegenstände waren zum größten Teil organischer Natur (vgl. auch die Holzwaffenfunde nach Pieper vom Bohlenweg XXV).
- die Germanen waren als Hilfstruppen römisch gerüstet, Römer und Germanen sind nicht zu unterscheiden
- das Schlachtfeld wurde nach der Schlacht zunächst zum germanischen Sakralort, die Ausrüstung intentionell deponiert (vgl. Claus v. Carnap-Bornheim, Beitrag 273 in diesem Thread)

Wenn man "Verstärkung" braucht, heißt es doch im Klartext dass eine bedrohliche Situation vorliegt und bekannt ist. Gut, was sollte aus römisch-arroganter Sicht 3 Elitelegionen im primitiven Germanien bedrohen? Eigentlich nichts. Deshalb marschiert man aber nicht sehenden Auges in einen Engpass. Und wenn sich die Hilfstruppen vom Acker machen, dann spätestens sollte man doch merken, dass etwas faul ist und nicht blind durch die Landschaft stolpern.

Bekannt war, dass man, gemeinsam mit den Verbündeten Germanen zu einem Aufstand marschierte. Die wichtigsten Führer der Hilfstruppen verabschieden sich dann, um weitere Einheiten auszuheben. Wo liegt das Problem, siebzehn Jahre, nachdem der Kaiserschwiegersohn Tiberius quasi alleine durch Germanien reisen konnte, wenn man mit drei Legionen plus Hilfstruppen, also mehr als 18.000 Mann unterwegs ist? Wer kann denn vorher wissen, dass die eigenen Hilfstruppen der Gegner sind, man plötzlich also mit ≤ 18.000 Mann unterwegs ist?
 
Bekannt war, dass man, gemeinsam mit den Verbündeten Germanen zu einem Aufstand marschierte. Die wichtigsten Führer der Hilfstruppen verabschieden sich dann, um weitere Einheiten auszuheben. Wo liegt das Problem, siebzehn Jahre, nachdem der Kaiserschwiegersohn Tiberius quasi alleine durch Germanien reisen konnte, wenn man mit drei Legionen plus Hilfstruppen, also mehr als 18.000 Mann unterwegs ist? Wer kann denn vorher wissen, dass die eigenen Hilfstruppen der Gegner sind, man plötzlich also mit ≤ 18.000 Mann unterwegs ist?

3 Legionen + Hilfstruppen + geplante weitere Verstärkungen!!! Varus wollte einen lokalen Aufstand niederwerfen und nicht Augustus vom Thron schubsen. Weshalb dann dieser "Overkill-Aufwand"???
 
Wenn man "Verstärkung" braucht, heißt es doch im Klartext dass eine bedrohliche Situation vorliegt und bekannt ist. Gut, was sollte aus römisch-arroganter Sicht 3 Elitelegionen im primitiven Germanien bedrohen? Eigentlich nichts. Deshalb marschiert man aber nicht sehenden Auges in einen Engpass. Und wenn sich die Hilfstruppen vom Acker machen, dann spätestens sollte man doch merken, dass etwas faul ist und nicht blind durch die Landschaft stolpern.

Wie gesagt ist dies auch und gerade in der römischen Geschichte bereits geschehen, auch gegen Gegner die zu dem Zeitpunkt bereits bewiesen hatten, dass sie mehrere Legionen vernichten konnten. Logischer Ausschluß ist durch historische Abläufe also bereits widerlegt.
Der römische Weg am Trasimenische See ist ein Engpaß, das karthagische (Söldner-)Heer hatte zuvor den Römern empfindliche Niederlagen zugeführt und das Territorium war den Römern sogar vertraut. Trotzdem liefen sie hinein und wurden vernichtend geschlagen (oder besser abgeschlachtet).
Nun liegen dazwischen zwei Reformen des Heeres, aber die vorgehensweise kann also durchaus die gleiche gewesen sein.

Auch gehst du wie bereits gesagt von bestimmten Abläufen aus wie von einem gut funktionierenden Informationsfluß. In der Tat sind aber die Legionen während des Marsches darauf angewiesen, dass die vor Ort befindlichen Offiziere und Soldaten wissen, was zu tun ist, wenn eine Situation auftaucht.
Wenn plötzlich der Kontakt einer Abteilung zu einer anderen abreißt heißt das nicht zwangsläufig, dass der Feldherr davon sofort informiert wird oder das Gefechtsformation eingenommen wird. Wir wissen um die Details des Vorganges zu wenig, um derartige Überlegungen vorzunehmen.
 
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Kohortenkennungen sind in Bezug auf die Identifizierung der beteiligten Truppen belanglos.


Irrtum, da hast Du Recht. Richtigerweise müsste es heißen: Kohortenkennungen sind in Bezug auf die Identifizierung der beteiligten Legionen belanglos.


Es ist eine mögliche Lesung. Gesichert ist sie nicht, es gibt wie gesagt mehr als einen Punkt der Kritik daran.

Ich verlasse mich diesbezüglich auf das Urteil der Experten, die sich immerhin zwölf Jahre mit der Deutung der Inschrift befasst haben.

„Für die betreffende Zeit nicht ungewöhnlich ist die Schreibweise P für prima an Stelle einer Ziffer, was zum Beispiel auch in einer weiteren Ritzinschrift auf einem Mundblech einer Schwertscheide aus Kalkriese in dieser Form geschah; dort aber wohl zur Bezeichnung einer Legion, nicht einer Kohorte diente.“
(R. Wiegels in: Varuskurier 8, S.3, 2006)

Wenn Du, lieber Tib. Gabinius eine weitere Möglichkeit weißt, werden Frau Paz und Herr Wiegels sicher dankbar dafür sein.

Er will damit sagen, dass hier eine Kennzeichnung 30 Jahre lang transportiert worden sein müßte. Diese lange Zeit einer Ausrüstungsweitergabe (gerade einem so geringwertigen aber starkem Verschleiß ausgesetzten Ausrüstungselement) ist eher unwahrscheinlich oder zumindest kritisch zu betrachten.

Natürlich lässt die Inschrift Fragen offen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand, und auf dieser Grundlage diskutieren wir, wird sie der Legio I zugeordnet, auf keinen Fall jedoch der Legio XVII, XVIII oder XIX.
Natürlich kann sie aber auch das Geschenk eines Großvaters aus der Legio I an seinen Enkel in der Legio XVII sein…

Gruß
Cato
 
Ich verlasse mich diesbezüglich auf das Urteil der Experten, die sich immerhin zwölf Jahre mit der Deutung der Inschrift befasst haben.

„Für die betreffende Zeit nicht ungewöhnlich ist die Schreibweise P für prima an Stelle einer Ziffer, was zum Beispiel auch in einer weiteren Ritzinschrift auf einem Mundblech einer Schwertscheide aus Kalkriese in dieser Form geschah; dort aber wohl zur Bezeichnung einer Legion, nicht einer Kohorte diente.“
(R. Wiegels in: Varuskurier 8, S.3, 2006)
Dies nimmt aber keinen Bezug zur gelieferten Kritik an der Lesung des A als Augusta. Dies bezieht sich nahezu ausschließlich darauf, dass L als Legio gelesen und P als Prima gelesen werden kann, und dies habe ich nicht in abrede gestellt.
Zudem wird auch in dem zitierten Abschnitt von Wiegels von "wohl" gesprochen, also nicht von "gesichert".

Wenn Du, lieber Tib. Gabinius eine weitere Möglichkeit weißt, werden Frau Paz und Herr Wiegels sicher dankbar dafür sein.
Ich vermute eher, dass die Kritik an der Lesung die nächsten Jahre auch ohne mein Zutun diskutiert wird, so wie Teile der von dir wiederholten / geäußerten Kritik durch die seit 20 Jahren in Kalkriese arbeitenden Experten ebenfalls disktuiert werden.




Natürlich kann sie aber auch das Geschenk eines Großvaters aus der Legio I an seinen Enkel in der Legio XVII sein…
In dem Zusammenhang möchte ich dich selbst zitieren:
Leibhusaren sind ja bekannt dafür, dass sie schnell losstürmen, aber mit „was hätte ich in dieser Situation getan“, kommt man wissenschaftlich kaum weiter.

Die Frage ob ein Großvater derartiges könnte ist nicht förderlich, die Realtiät macht dies extrem unwahrscheinlich (Lebensdauer, Kostenfaktor, Generationenwechsel der Beruflichkeiten). Sog. Soldatenfamilien wie sie von dir angezeichnet werden sind zum von uns behandelten Zeitpunkt extrem selten bzw. m.W. bislang nicht nachgewiesen.
 
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3 Legionen + Hilfstruppen + geplante weitere Verstärkungen!!! Varus wollte einen lokalen Aufstand niederwerfen und nicht Augustus vom Thron schubsen. Weshalb dann dieser "Overkill-Aufwand"???

Z.B. eine reine Machtdemonstration - die in die Hose ging. Drei Legionen, Hilfstruppen und Verstärkungen ist das, was wir den Schriftquellen entnehmen können und was wir im Vergleich mit anderen Schriftquellen, aber auch archäologischen Befunden, z.B. von römischen Militärlagern als durchaus normal annehmen dürfen. Man bewegte sich quasi in einem seit gut einer Generation als befriedet geltenden, aber nicht wirklich beherrschten Gebiet.
 
Z.B. eine reine Machtdemonstration - die in die Hose ging. Drei Legionen, Hilfstruppen und Verstärkungen ist das, was wir den Schriftquellen entnehmen können und was wir im Vergleich mit anderen Schriftquellen, aber auch archäologischen Befunden, z.B. von römischen Militärlagern als durchaus normal annehmen dürfen. Man bewegte sich quasi in einem seit gut einer Generation als befriedet geltenden, aber nicht wirklich beherrschten Gebiet.

Ich denke diese Überlegungen bringen uns nicht weiter. Wir wissen leider gar nichts über diesen Ablauf, ja nicht mal über die Zusammensetzung der Hilfstruppen des Varus.
Wie also genau die Falle funktionierte, wie viel Verrat nun genau dahinter steckt oder wie stark simple militärische Probleme der Zeit in die Hände spielten bleiben Spekulationen.
 
Nach derzeitigem Erkenntnisstand, und auf dieser Grundlage diskutieren wir,

...und hier sollten wir nicht außer Acht lassen, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand die Schlacht bei Kalkriese von der übergroßen Masse der wissenschaftlichen Experten mit teilweise weltweiter Reputation der Varusschlacht zugeordnet wird....!!!
 
Der römische Weg am Trasimenische See ist ein Engpaß, das karthagische (Söldner-)Heer hatte zuvor den Römern empfindliche Niederlagen zugeführt und das Territorium war den Römern sogar vertraut. Trotzdem liefen sie hinein und wurden vernichtend geschlagen (oder besser abgeschlachtet).
Nun liegen dazwischen zwei Reformen des Heeres, aber die vorgehensweise kann also durchaus die gleiche gewesen sein.
Bitte mit linearen Vergleichen etwas vorsichtiger sein. Es kommt sonst allzu schnell zu falschen Rückschlüssen.
Die Situation vor der Schlacht am Lago Trasimeno war grundsätzlich anders. Flaminius war gezwungen, rasch aufzubrechen, um den Kontakt zum Karthagischen Heer nicht zu verlieren. An den Hängen entlang des Seeufers hatten sich die Karthager verborgen, jedoch keinen Wall errichtet. Er wäre auch, wie jener in Kalkriese, für einen überfallartigen Angriff wenig sinnvoll gewesen. Der Engpass entlang des Seeufers ist auch bei weitem länger, als die Engstelle von Kalkriese. Ein Einmarsch eines Großteils des römischen Heeres war am Lago Trasimeno gegeben, in jedoch Kalkriese nicht.
Wenn man dennoch eine Gemeinsamkeit in den Schilderungen beider Schlachten ziehen will, so beträfe es am ehesten das Wetter (Nebel bzw. Regen), das den Römern zum Verhängnis wurde. Diese Details sollte man jedoch kritisch betrachten.
Gruß Cato

@eibhusar@lquijote
Und noch etwas zum unsäglichen Wall: Auf ca. 400 m Länge verfügen gerade einaml ca. 30 m (an den Enden) über einen vorgelagerten Graben.
 
@eibhusar@lquijote
Und noch etwas zum unsäglichen Wall: Auf ca. 400 m Länge verfügen gerade einaml ca. 30 m (an den Enden) über einen vorgelagerten Graben.
...ein Graben ist und bleibt ein Graben, ob (bis jetzt) mit 30 oder mit 300 Metern...... und-wie du schon sagst: Ein "vorgelagerter Graben"!!!!!!!!!
 
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Wie also genau die Falle funktionierte, wie viel Verrat nun genau dahinter steckt oder wie stark simple militärische Probleme der Zeit in die Hände spielten bleiben Spekulationen.

Danke, Tib.Gabinius ! So sehe ich das auch.


@El Quijote

Als Varus 7 n.Chr. nach Germanien kam, war die Lage in der Tat ruhig. Allerdings hatte Tiberius noch 4 und 5 n.Chr. Feldzüge und Flottenoperationen bis zur Elbe durchführen müssen, um Aufständische zu besiegen. Denn in den Jahren nach Christi Geburt war es in Germanien zum "immensum bellum" gekommen, über den wir allerdings so gut wie gar nichts wissen.
 
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