Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Hallo Leute,

wir könnten die Diskussion endlos weiterführen und schließlich zum immer wieder gleichen Ergebnis kommen: Historiographisch lässt sich die Varusschlacht nur mit sehr, sehr viel Mühe nach Kalkriese verlegen.

Die quantitative Argumentation, wie sie auch hier im Forum schon geführt wurde, ist aus wissenschaftlicher Sicht belanglos. Die große Anzahl der Funde in Kalkriese und deren grobe zeitliche Einordnung lassen auf ein Schlachtfeld aus augusteisch-tiberischer Zeit schließen. Ein Ereignis von Dutzenden in diesem Zeitraum und Gebiet.

Der Versuch, durch eine numismatische Feindatierung den "Beweis" zur These von der Varusschlacht in Kalkriese zu führen ist bislang nicht gelungen und wird auch in Zukunft nicht gelingen.

Tatsächlich aussagekräftig sind einzig und allein Graffiti (also Ritz-oder Punzinschriften) auf diversen Fundobjekten, die Aufschluss über die dort am Kampf beteiligten Legionen geben könnten. Deren Interpretation ist der Kasus Knaxus.
Es gibt durchaus Funde, deren Inschrift auf die I. bzw. V. Legion schließen lassen könnten. Diese Legionen unterstanden bekanntlich dem Germanicus bzw. dessen Legaten Caecina.
Andererseits liegen bis dato keine Objekte vor, die auf die Beteiligung der Varuslegionen (XVII., XVIII., XVIIII. oder auch XIX.) hinweisen.

Über die Interpretation dieser Inschriften wird sich die wissenschaftliche Diskussion im nächsten Jahr entzünden, soviel kann man schon vorwegnehmen.

Gruß Cato
 
Hallo Tib Gabinius,
Du schreibst
..... Wir sind hier über eine Zeit am diskutieren, in der die auxilia sich gerade dank augusteiischer Reformen aus den socii entwickelt haben. Hier zu glauben, dass diese Verbände bereits zu diesem Zeitpunkt "romanisiert" waren ist zu verallgemeinernd.
Da sie z.T. unter ihren eigenen Anführern dienen konnten und bis zum Bataveraufstand auch oft in ihren Heimatregionen (oder ortsnah) dienten, ist die Annahme, dass die Auxiliare allgemein in der Varusschlucht mit genuin römischer Bewaffnung ausgestattet waren eher unwahrscheinlich bis abzulehnen.
Sicherlich trifft dies auf einige zu, aber längst nicht alle.........
Gibt es hierzu Quellen oder Funde die dies bestätigen oder ist dies nur eine Schlussfolgerung Deinerseit.
Trifft dies nämlich tatsächlich zu, dann wäre das Fehlen von Fundstücken germanischen Ursprungs wirklich ein Argument gegen Kalkriese als Ort der Varusschlacht. Das Verlieren von entsprechend Ausrüstungsbestanteile wärent einer Schlacht ist unvemeidbar.
@Cato
das Vorliegen von Fundstücken in Kalkriese, die möglicherweise den Truppen des Germanicus zuzuordnen wären, ist meiner Meinung nach nicht zwangsläufig ein Argument gegen die Annahme des Orts der Varusschlacht, hat Germanicus den Ort doch offensichtlich aufgesucht. Im Gegenteil entsprechende Fundstücke müssen dort erwartet werden. So verwundert es mich sehr dass man unter den Münzfunden von Kalkriese nicht wenigstens ein oder zwei Münzen mit Tiberius Gegenstempel gefunden hat, die nach dem Tod von Augustus zu erwarten gewesen wären.
An alle
Was mich bei Kalkriese wirklich verwundert sind in der Tat die vorhandene Wallanlage. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich in eine solche Mausefalle begibt. Hatte dieser Heerwurm den keine Vorhut, der eine solche Anlage erkannte.
Auch der Versuch eines gewaltsammen Durchbruchs halte ich kaum für eine militärisch sinnvolle Entscheidung. Wenn überhaupt hätte die nur nach einer Eroberung der Wallanlage erfolgen können.
Einen sinn würde sich meiner Meinung nach wirklich nur dann ergeben, wenn dei Anlage von den römischen Truppen zur Absicherung errichtet worden wären.
Gruß Jörg
Wie ihr seht habe ich mir zu dem Theme Kalkriese = Varusschlacht noch keine entgültige Meinung gebildet. Es sind mir einfach noch zu viele wenn und aber vorhanden.
 
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An alle
Was mich bei Kalkriese wirklich verwundert sind in der Tat die vorhandene Wallanlage. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich in eine solche Mausefalle begibt. Hatte dieser Heerwurm den keine Vorhut, der eine solche Anlage erkannte.
Auch der Versuch eines gewaltsammen Durchbruchs halte ich kaum für eine militärisch sinnvolle Entscheidung. Wenn überhaupt hätte die nur nach einer Eroberung der Wallanlage erfolgen können.
Einen sinn würde sich meiner Meinung nach wirklich nur dann ergeben, wenn dei Anlage von den römischen Truppen zur Absicherung errichtet worden wären.
Gruß Jörg


Die Kalkrieser Archäologen haben auch ihre Meinung geändert. Anfangs wurde in Kalkriese eine Vernichtungsschlacht und das Ende des Varusheeres gesehen, d.h. die Legionen kamen nicht durch das "Nadelöhr".
Aber höchstwahrscheinlich aufgrund von Gesprächen mit ausländischen Wissenschaftlern (es waren wohl amerikanische Militärhistoriker), wurde die heutige Ansicht festgelegt: ein römisches Heer ist durch das "Nadelöhr" gezogen. Es ist keine Vernichtungsschlacht und somit kann man vom Beginn der Varusschlacht ausgehen.

Zum Stichwort "Durchbruch durch eine Enge". Bei PONTES LONGI wird beschrieben, daß die Römer eine Befestigungsanlage (Wall) bauen. Dieser wird durch von den Germanen umgeleitetes Wasser unterspült, sodaß sie ihn nochmals errichten mußten. Der römische Befehlshaber Caecina stellt seine 4Legionen (1.,5.,20. und 21.) in einer schmalen Front auf und will somit durch diesen Engpaß durchbrechen. Allerdings halten sich die 5. und 21. Legion (jeweils der Flankenschutz) nicht an den Plan und brechen am Tagesanbruch selbständig auf. Dadurch geraten die 1. und 20. Legion in große Probleme. Caecina wäre fast selbst gefallen.
Aber hier wird von Tacitus dargestellt, daß die Römer schon einen konzentrierten Angriff durch einen Engpaß geplant haben.

Deine Vermutung stimmt aber, daß die Römer so einen Wall vorher hätten erobern müssen. Ein Defilee-Gefecht, bei dem die Germanen den Wall besetzt gehalten hätten, ist einfach undenkbar und unsinnig. Die Römer wären wie Schlachtvieh daran vorbeigezogen. Laut Tacitus waren aber die Römer am Beginn der Varusschlacht noch nicht groß geschwächt. Sie konnten noch ein normales Marschlager errichten. Germanicus hat sich den Schlachtverlauf anhand der errichteten Marschlager angesehen. Auch hierzu haben die Kalkrieser eine Erklärung: anscheinend hat Germanicus den Wall verwechselt. Er hielt ihn für römisch, während der Wall nach Meinung der Kalkrieser aber germanisch ist. Da glaube ich doch eher, daß Germanicus das besser beurteilen konnte und nicht ein paar Wissenschaftler fast 2000Jahre später. Schließlich hatte Germanicus noch Überlebende der Schlacht dabei.
 
Was mich bei Kalkriese wirklich verwundert sind in der Tat die vorhandene Wallanlage. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich in eine solche Mausefalle begibt. Hatte dieser Heerwurm den keine Vorhut, der eine solche Anlage erkannte.

Im Museum gibt es bekanntlich eine elektronische Schautafel, die den Verlauf des Gefechtes simuliert. Auch wird das damalige Bodenprofil simuliert. Und ich muss zugeben, dass ich nicht nachvollziehen konnte, wie die vermutete germanische Position hätte unentdeckt bleiben können. Bodenprofil und Vegetation ermöglichten vielleicht, dass sich die germanischen Verbände unentdeckt annähern konnten, aber die baulichen Anlagen sind eigentlich zu auffällig.
 
Gibt es hierzu Quellen oder Funde die dies bestätigen oder ist dies nur eine Schlussfolgerung Deinerseit.
Ich werte das als Frage :)
Meine Aussagen, dass die Behauptung, alle Auxiliare wären bereits "römisch" eingerüstet gewesen zu Zeiten des Amtsantrittes des Tiberius zu verallgemeinernd ist stützt sich auf der nachzuvollziehenden Entwicklung der Auxiliare aus den ehemaligen socii, deren Ausrüstung ebenfalls nicht von Rom gestellt worden war, der Heraushebung der auf ihren regionalen Gewachsenen Hilfstruppen von Caesar über Tacitus bis Suetonius und sogar Vegetius sowie Funden wie bspw. der Sica aus Oberaden, der Entwicklung neuer Strömungen im Heer (etwa der Übernahme der keltischen Helmtypen) und den bildlichen Darstellungen immerhin noch einzelner Hilfstruppen und Verbündete bis in die Adoptivkaiserzeit.
Ebenso wie die ohnehin fehlenden Quellen zu einer Normierung, die Genese der Truppentypen Numerus und Exploratores im 2. Jh.n.Chr., die Verlegungsnorm nach dem Bataveraufstand und die Umstruktierung des Offizierschors der Auxiliare zeichnen diese Umstände ein Bild, dass von einer ohnehin fragwürdigen generellen Einrüstung der Hilfstruppen im römischen Stil und deren Ausbildung mit den neuen Waffen zweifelhaft erscheinen läßt.


Trifft dies nämlich tatsächlich zu, dann wäre das Fehlen von Fundstücken germanischen Ursprungs wirklich ein Argument gegen Kalkriese als Ort der Varusschlacht. Das Verlieren von entsprechend Ausrüstungsbestanteile wärent einer Schlacht ist unvemeidbar.
Deine Schlußfolgerung aber, dass dies die (Anti-)These untermauern würde ist ebenso abzulehnen. Germanische Bewaffnung (als Streufund) findet sich generell seltener, Herr Adler hat dazu beispw. gearbeitet.
Auch bei jeder anderen Theorie ist der Mangel an "Fremdausrüstung" zu bemerken und kritisieren, wenn man sie denn als Kritik an Kalkriese üben will.
Selbst in den Auxiliarlagern, die ohnehin oftmals zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung eher provisorisch waren, findet sich kaum "spezifisches", von der Übungssica einmal abgesehen und den legendären Helmmasken, "Fellhelmen" und gelegentlichen Helmtypen abgesehen. Deiner Verwendung dieses Umstandes zufolge würde dies das Fehlen der Auxiliare in ihren eigenen Lagern bedeuten.
Wie gesagt, das halte ich für fragwürdig.
 
Was mich bei Kalkriese wirklich verwundert sind in der Tat die vorhandene Wallanlage. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich in eine solche Mausefalle begibt. Hatte dieser Heerwurm den keine Vorhut, der eine solche Anlage erkannte.
Vellius Paterculus - der Zeitgenosse unter den relevanten Historiographen - berichtet, dass Varus sich mehr wie ein Prätor einer römischen Stadt, denn wie ein Feldherr aufführte, der den Germanen ihre Freundschaftsbekundungen abnahm. Ich halte diese Äußerung allerdings für nicht aussagekräftig genug, dass man deswegen davon ausgehen dürfte, dass auf sämtliche Vorsichtsmaßnahmen verzichtet worden wäre.

Einen Sinn würde sich meiner Meinung nach wirklich nur dann ergeben, wenn die Anlage von den römischen Truppen zur Absicherung errichtet worden wären.

Zum Stichwort "Durchbruch durch eine Enge". Bei PONTES LONGI wird beschrieben, daß die Römer eine Befestigungsanlage (Wall) bauen. Dieser wird durch von den Germanen umgeleitetes Wasser unterspült, so daß sie ihn nochmals errichten mußten. [...]Deine Vermutung stimmt aber, daß die Römer so einen Wall vorher hätten erobern müssen. Ein Defilee-Gefecht, bei dem die Germanen den Wall besetzt gehalten hätten, ist einfach undenkbar und unsinnig. Die Römer wären wie Schlachtvieh daran vorbeigezogen.

Eben das ist das Problem mit der Wallanlage: römische Funde wurden hauptsächlich im sumpfseitig nicht bergseitig gemacht; die Drainagegräben sind bergseitig, die Spitzgräben, die zur Verteidigung dienten, sumpfseitig.


Die Kalkrieser Archäologen haben auch ihre Meinung geändert. Anfangs wurde in Kalkriese eine Vernichtungsschlacht und das Ende des Varusheeres gesehen, d.h. die Legionen kamen nicht durch das "Nadelöhr".

Wann war diese Meinungsänderung? Mein letzter Besuch in Kalkriese ist sechs oder sieben Jahre her. Damals wurde bereits eine Karte dort gezeigt, die Kalkriese weder als Beginn noch als Ende der Schlacht markierte sondern als den Punkt mit der größten Funddichte - nach dem sich allerdings die Fund auch nach Westen hin auffächerten.
 
Hallo El Quijote
.............. Mein letzter Besuch in Kalkriese ist sechs oder sieben Jahre her. Damals wurde bereits eine Karte dort gezeigt, die Kalkriese weder als Beginn noch als Ende der Schlacht markierte sondern als den Punkt mit der größten Funddichte - nach dem sich allerdings die Fund auch nach Westen hin auffächerten.
Die Karte ist mir auch bekannt. Wobei die dort ausgewiesene Fundstreuung mehr Fragen aufwirft, wie sie beantwortet. Wieso fächert sich diese Fundstreuung auf in zwei Äste, die in ihren bis jetzt bekannten Endpunkten mehr als 2 km auseinander liegen. Militärstrategisch ist es nicht nachzuvollziehen, dass man von der Führung eine solche Aufspaltung und damit Schwächung zugelassen hat.
Das ganze ist für mich sehr suspekt.
Gruß Jörg
 
Hallo El Quijote

Die Karte ist mir auch bekannt. Wobei die dort ausgewiesene Fundstreuung mehr Fragen aufwirft, wie sie beantwortet. Wieso fächert sich diese Fundstreuung auf in zwei Äste, die in ihren bis jetzt bekannten Endpunkten mehr als 2 km auseinander liegen. Militärstrategisch ist es nicht nachzuvollziehen, dass man von der Führung eine solche Aufspaltung und damit Schwächung zugelassen hat.
Das ganze ist für mich sehr suspekt.
Gruß Jörg

Wenn man noch Herr der Lage ist und seine Kräfte kontrollieren kann...
Nichts geht schneller verloren in einer Schlacht, als die Übersicht und Kontrolle.
:scheinheilig:
 
Wann war diese Meinungsänderung? Mein letzter Besuch in Kalkriese ist sechs oder sieben Jahre her. Damals wurde bereits eine Karte dort gezeigt, die Kalkriese weder als Beginn noch als Ende der Schlacht markierte sondern als den Punkt mit der größten Funddichte - nach dem sich allerdings die Fund auch nach Westen hin auffächerten.


Das wurde auf Vorträgen von Frau Wilbers-Rost und ihrem Mann mehrmals dargestellt. Die Vorträge fanden an verschiedenen Orten in den letzten 4Jahren statt.
Man muß nicht nur einzelne Karten betrachten, sondern auch die Interpretation der Funde durch die zuständigen Archäologen. Nur so kamen die Kalkrieser Archäologen zu ihren Erkenntnissen. Und diese Erkenntnisse über den Schlachtverlauf sind sehr zweifelhaft.
 
Wenn man noch Herr der Lage ist und seine Kräfte kontrollieren kann...
Nichts geht schneller verloren in einer Schlacht, als die Übersicht und Kontrolle.
:scheinheilig:
Hallo Sascha,
da hast Du ansich grundsätzlich recht. Jedoch hat, soweit mir bekannt, der letztendliche Untergang von Varus in offenem Gelände stattgefunden und sich der Rest der Truppe um ihn geschart. Varus hat sich ins Schwert gestürzt als er sich und seine Truppe hoffnungslos umzingelt sah. Erst dann löste sich der Verband auf. Die Auffächerung wäre nur dann logisch zu erklären, wenn der Tod des Varus direkt bei Kalkriese stattgefunden hätte. Hier kann man aber nicht von einer freien Fläche reden. Momentan stellt sich für mich diese Fundauffächerung als nicht erklärbarer Befund da.
Gruß Jörg
 
Hallo Leute,

je weiter die Grabungen am Wall voranschritten, desto rätselhafter wurde die Anlage.
Der erste entdeckte Abschnitt stellte sich als zum Sumpf hin konvexer Bogen dar und wurde folglich als Befestigung zur Verengung des Durchganges am Oberesch gedeutet. Dieser Wall, ursprünglich etwa 4-5m breit und 1,5 m hoch, wies an der Innenseite einen Graben auf, der als Drainage angesprochen wurde. Zum Erstaunen der Ausgräber verzichteten die Erbauer offensichtlich auf einen Wall an der Feindseite, der die relative Höhe vergrößert hätte.

Mit fortschreitender Grabungstätigkeit stellte sich heraus, dass die Form des Walles nicht einen einzigen Bogen beschreibt, sondern eine Wellenlinie. Nun mag mancher Hobbystratege darin einen militärischen Vorteil erkennen, offen bleibt trotz allem die Frage, warum die beiden Enden nach Norden (zum Sumpf) abwinkeln.
Die Verteidiger des Walles hätten an dessen Ostende ein von Osten anrückendes Heer im Rücken gehabt.
Die Erklärung, der Wall würde an Bachläufen münden, ist unbefriedigend, da diese keinen wirksamen Schutz an den Flanken dargestellt hätten.

Der Wall wirft also mehr Fragen auf, als er beantwortet. Ihn als germanisches Bauwerk zu deuten und gar in die Geschehnisse um die Varusschlacht einzubetten, halte ich für sehr gewagt.
 
Vielleicht wurde dieser Wall für rein zivile Zewecke erbaut und hat mit der Schlacht gar nichts zu tun?
 
Ich fasse die wesentlichen Punkte noch einmal zusammen:

1.)
Die Kalkriese-Varusschlacht-Theorie lässt sich mit den historiographischen Quellen (und ich meine hier insbesondere die Annalen des Tacitus) nicht in Einklang bringen.

2.)
Aus archäologischer Sicht lassen sich in Kalkriese, streng wissenschaftlich betrachtet, keine germanischen Krieger durch Funde nachweisen.

3.) Aus der Schlussmünze, einem Caius-Lucius-Denar des Augustus, lässt sich schließen, dass das Ereignis nach 2 n.Chr. stattgefunden hat. Weist man den Gegenstempel VAR dem Varus zu, so hat das Ereignis nach 7 n.Chr. stattgefunden. Das Nichtauftreten der Emissionen von 10/11 n.Chr. ist nicht aussagekräftig, da im gesamten Bundesgebiet bisher gerade einmal vier der betreffenden Exemplare als Funde bekannt sind.

4.) Funktion und Bedeutung des entdeckten Walles sowie deren Erbauer sind aufgrund der bisherigen Erkenntnisse nicht eindeutig definierbar (vgl. Punkt 2).

Ich habe Verständnis für eine gewisse Euphorie bezüglich des Themas und seiner Bedeutung für die frühe deutsche Geschichte. Das Verlangen bei manchen Zeitgenossen, nach langer Suche schlussendlich die Wallstatt gefunden zu haben, mag groß sein.
Jedoch aus den vier oben genannten Punkten zu schließen, dass sich in der Kalkriese-Niewedder-Senke die Varusschlacht zugetragen hat, ist wissenschaftlich nicht haltbar.
 
Hallo Cato,
Du schreibst
"Das Nichtauftreten der Emissionen von 10/11 n.Chr. ist nicht aussagekräftig, da im gesamten Bundesgebiet bisher gerade einmal vier der betreffenden Exemplare als Funde bekannt sind."
Welche Münzemission meinst Du jetzt? Kannst Du mir die RIC nennen?
Gruß Jörg
 
Das Nichtauftreten der Emissionen von 10/11 n.Chr. ist nicht aussagekräftig, da im gesamten Bundesgebiet bisher gerade einmal vier der betreffenden Exemplare als Funde bekannt sind.

Wie aussagekräftig das ist, hängt davon ab, in welcher Relation diese vier Münzen zu ihren Fundzusammenhängen stehen. (Dazu kann ich leider so nichts sagen.)

Wenn die zeitgleichen Funde, aus denen die vier Münzen stammen, insgesamt aus sagen wir mal 100 Münzen bestehen, hätten wir ja eine recht gute Stichprobe und könnten die 4% (immer noch mit einer statistischen Streubreite) auf die Menge der Kalkrieser Funde hochrechnen.


Jedoch aus den vier oben genannten Punkten zu schließen, dass sich in der Kalkriese-Niewedder-Senke die Varusschlacht zugetragen hat, ist wissenschaftlich nicht haltbar.

Soweit stimme ich dem zu. Man kann allerdings auch nicht - in wissenschaftlicher haltbarer Weise - sagen, daß es eine andere Schlacht gewesen sein muß, die sich dort zugetragen hat.
 
Soweit stimme ich dem zu. Man kann allerdings auch nicht - in wissenschaftlicher haltbarer Weise - sagen, daß es eine andere Schlacht gewesen sein muß, die sich dort zugetragen hat.
Womit wir wiederum fast beim Eingang des Threads wären. Es gibt für wie wider scheinbar keine eindeutigen Beweise.

Wie umfangreich das Gefecht oder die Schlacht war, welche bei Kalkriese stattfand, kann man ja auch, wenn ich alles richtig verstanden habe, weil erst ein Teil freigelegt wurde, garnicht sagen. Im Falle der Varusschlacht müsste man allerdings auch kilometerweit Funde in einer Linie entdecken, fragt sich nur wieviele Generationen bei einer so umfangreichen Grabung suchen sollen, bis man Gewissheit oder zumindest etwas mehr Sicherheit hat.
 
Ich fasse die wesentlichen Punkte noch einmal zusammen
Das hilft sehr, es ist nicht einfach, diese ganze Diskussion nachzuvollziehen.

1.) Die Kalkriese-Varusschlacht-Theorie lässt sich mit den historiographischen Quellen ... nicht in Einklang bringen.
Meinst Du wirklich, die Quellen widersprechen der These?
Ich hatte aus der Diskussion nur den Eindruck, sie stützen sie nicht wirklich.

2.) Aus archäologischer Sicht lassen sich in Kalkriese, ... keine germanischen Krieger durch Funde nachweisen.
Ist dieser Nachweis notwendig (hilfreich wäre er selbstverständlich)?
Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es auch sonst selten solche Nachweise.
Und da es nun in Kalkriese massig tote Römer gibt und diese wohl nicht Selbstmord begangen haben - wer sonst als germanische Krieger könnten denn die Verursacher gewesen sein?

3.) Aus der Schlussmünze ...
Das verstehe ich so, daß die Münzdatierung wenig pro und kein contra in Bezug auf die These hergibt, d.h. für diese Diskussion fast vernachlässigt werden kann.

4.) Funktion und Bedeutung des entdeckten Walles sowie deren Erbauer sind aufgrund der bisherigen Erkenntnisse nicht eindeutig definierbar (vgl. Punkt 2).
Das ist wohl richtig.

Jedoch aus den vier oben genannten Punkten zu schließen, dass sich in der Kalkriese-Niewedder-Senke die Varusschlacht zugetragen hat, ist wissenschaftlich nicht haltbar.
Das kann ich logisch nachvollziehen (wobei ja niemand aus Deinem ersten Punkt so etwas schließen würde).
Aber gibt es denn wirklich keinen weiteren Argumentationspunkte der Kalkriese-Befürworter?
 
Vielleicht wurde dieser Wall für rein zivile Zwecke erbaut und hat mit der Schlacht gar nichts zu tun?

Mit einer Schlacht zu tun hat er auf jeden Fall. Zunächst einmal hat man Pfostenlöcher von Palisaden gefunden und des weiteren Militaria an seiner Nordseite, z.T. vom Wall verschüttet.

1.) Die Kalkriese-Varusschlacht-Theorie lässt sich mit den historiographischen Quellen (und ich meine hier insbesondere die Annalen des Tacitus) nicht in Einklang bringen.

Sehe ich anders. Stichwort Knochengruben. ("medio campi albentia ossa [...] Adiacebant fragmina telorum equorumque artus, simul truncis arborum antefixa ora. [...] Igitur Romanus, qui aderat, exercitus sextum post cladis annum trium legionum ossa nullo noscente, alienas reliquias an suorum humo tegeret") Lediglich der von Tacitus angenommene Grabhügel fehlt (bisher) ("Primum extruendo tumulo caespitem Caesar posuit"). Ob er existierte? Tib. Gabinius hat berechtigte Zweifel daran geäußert.

Allerdings sollte man vielleicht die Quellen einfach mal ganz aus der Hand legen, um ganz unbeeinflusst forschen zu können.

2.) Aus archäologischer Sicht lassen sich in Kalkriese, streng wissenschaftlich betrachtet, keine germanischen Krieger durch Funde nachweisen.
Demnach wäre hier was passiert?
 
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