Ich kann mir (weiterhin) gut vorstellen, dass
a. nicht alle (vielleicht auch nur wenige) das Konterfei auf den Münzen unterscheiden konnten
Das hatten wir bereits.
1. Steht es auf den Münzen drauf, wer dort zu sehen ist.
2. Derjenige, in dessen Auftrag die Münzen geprägt wurden war zudem auch derjenige, auf den die Soldaten schworen und der sie aus seiner (!) Tasche bezahlte, in dessen Namen sie kämpften usw.
3. Wird ein Kaiserkult betrieben, der dessen Abbild ÜBERALL verbreitet und präsentiert hat. Den Soldaten selbst war kein offizieller Schritt erlaubt ohne Abbild des Kaisers.
4. Tiberus selbst war erst kurze Zeit vorher Feldherr der Legionen gewesen, mindestens eine der Legionen hatte er persönlich ausgehoben..
Wie bekannt sollen die Herren und ihre (idealisierten) Abbilder noch sein? Wenn dir dies nicht reicht verlangst du nach verwandtschaftlicher Beziehung oder einem Tatoo auf dem Nacken des jeweiligen Vordermannes...
Anders gesagt, wenn du auf Kuba bist und einen Geldschein in die Hand bekommst, auf dem ein bärtiger Mann mit Zigarre und Käppi zu sehen ist, wen glaubst du da vor dir zu haben?
b. dass so einige bei großer Unzufriedenheit beim Zerkratzen der Münzen keinen Unterschied machten wer darauf abgebildet ist! Warum wurden in Griechenland Autos angezündet, wo man doch unzufrieden mit der Regierung war? Ich meine wir sollten da nicht zu rational an die Sache heran gehen! Eine Münze steht für den Kaiser, das hat möglicherweise schon gereicht?!
Komischerweise hab ich noch nie gesehen, dass die südafrikanische Fahne vor einer US Botschaft verbrannt wurde.
Es wurde auch kein vollbärtiger, blonder Hühne in Berlin im April 45 erschossen und als Hitler vorgestellt. Moderne Vergleiche... auch das hatten wir schon.
Es geht nicht darum wie WIR da rangehen, sondern was die von uns behandelten Herren getan haben. Und die Quellen berichten uns davon, dass es um Tiberius ging, dass sie diejenigen angriffen, die sich ihnen entgegen stellten und dass andere Vertreter der Obrigkeit nicht nur nicht angegriffen wurden, sondern sogar eine zeitlang Einfluß ausüben konnten, vielfach unangetastet bis zum Ende in der Mitte der Meuterei verbrachten oder sogar einer der ranghöchsten und bekanntesten Vertreter der Obrigkeit von ihnen zu ihrem Anführer gewählt werden sollte...
Wie viel genauer soll es also noch klar gestellt werden, dass wir hier keine Demonstration von Anarchisten zum 1. Mai haben, kein Krisengeschütteltes Land dem die Lebensgrundlage durcheinandergeworfen werden sollte weil Korruption geherrscht hatte...
Nb. in Griechenland herrschte nach dem Tod der Bänker einige Tage spontane Demonstrationsruhe und es würde kein Minister wagen ohne Bodyguards in diese Menge hinein zu tauchen, auch ganz ohne sein Konterfei auf Münzen. Moderne Vergleiche eben....
Wie man nach so einer Meuterei mit beschädigten Münzen umgegangen ist, darüber kann man nur spekulieren. Ich persönlich glaube nicht an eine "Ächtung" solcher Münzen. Die Münzen gelangten sicher schnell in den Verkehr und Beispiele für "natürliche" Beschädigungen gab es ja auch.
Selbst wenn der Eine oder Andere seine Münzen in die Latrine geworfen hat, so wurden diese im Laufe des Lagerbetriebes sicher des öfteren geleert.
Es geht dabei nicht um die Ächtung der Münzen sondern um die Ächtung der Meuterei. Tacitus beschreibt sehr drastisch und deutlich, wie die Soldaten sich im nachhinein schämten und bemühten, die eigene Treue und Unschuld zu beweisen. Um wieder die modernen Vergleiche anzubringen: nach 45 trug kein Mensch in Deutschland mehr den Anstecker des NSDAP oder gar die Armbinde. Kein Göbbels-,Göring oder Hitlerbild mehr an der Wand oder gar im Haus. Es ging darum, nicht mit dergleichen erwischt zu werden. Lange bevor ein offizielles Verbot erging.
Darum müßte man zumindest ein paar dieser Münzen finden, wenn nicht sogar eine gewisse Menge. Daher auch meine Frage.
Und nein, die Latrinen wurden nicht regelmäßig geleert. Jedenfalls nicht auf den Grund, wohin diese Münzen verschwinden müßten. Dank der Latrinen aus Legionslagern haben wir ja bspw. einen Einblick in essgewohnheiten und Co. Populär nachzulesendes Beispiel über die Forschungen hier: Junkelmann, Panis Militaris.
Nur zum Verständnis, meinst du mit "hier" Gräben und Latrinen oder das Lager allgemein?
Wurden denn in Lagern gar keine zerkratzten Münzen gefunden?
Hier meint die Lager allgemein, die Gräben und Latrinen im Speziellen. In diesem Thema wurde mehrfach danach gefragt und bislang konnte niemand solche Münzfunde in den beiden betroffenen Standorten nachweisen. Nun ist das ein argumentum ex silentio, allerdings eines, dass wie hier mehrfach aufgezählt Vergleichsfunde ausweist. Wenn also in Waldgirmes, wo nur zwei Barracken eindeutig auf Militärpräsenz hinweisen und alles andere über Veteranen reine, unbewiesene Spekulation darstellt, eine Reihe solcher Münzen aufweisen kann, dann sollte in den eigentlichen Zentren des Aufstandes um einiges mehr zu finden sein, entsorgt oder nicht.
Zumal die potentiellen Träger dieser Münzen in den Lagern mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte verweilten, in Waldgirmes maximal 1 - 2 jahre.
Mit anderen Worten, wenn so viele zerkratzte Münzen an Standorten zu finden sind, die mit der Meuterei nicht direkt in Verbindung standen, warum schweigen dann die Orte, an denen diese Münzen und in einer Hochrechnung hunderte wenn nicht tausende andere Münzen ebenfalls zerkratzt wurden?