Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass aufgrund der unregelmäßigen Zusammenstellung der Waffenbeigaben bei den Lebenden mehr vorhanden gewesen sind. Weniger geht ja nicht. Aber 20 bis 30% und auch 25% sind deutlich mehr als die Oberen Zehntausend, um es modern auszudrücken. Aber das ist Spekulation. Wir wissen eben nur, dass es mehr als 20-30% waren, was mehr als ungenau ist. Und dann sind noch die erbeuteten Römerschwerter, die entweder als unnütz eingeschmolzen wurden, oder als rituell nicht relevant betrachtet wurden, zu addieren. Da sie im Gegensatz zu den einheimischen Waffen eher zum Stich als für den Hieb konstruiert waren, mögen sie durchaus als wenig nützlich betrachtet worden sein. Dennoch wäre es höchst unwahrscheinlich, wenn nicht wenigstens ein Teil genutzt worden wäre.

Tacitus berichtet in der Germania nicht über die Okkupationszeit. Bezüglich der Waffen zeigt die schon angesprochene Germanicus-Rede, dass Tacitus um Veränderungen wusste. Allerdings ist fraglich, ob er sich mit dem Eisenhandel ebenso gut auskannte.

Wenn ich wieder an meine Bücher komme (und dann ausführlicher zitieren kann ;) ), werde ich nochmals das Wort der Archäologie zur Germanischen Schwerindustrie nachlesen.

Auch wenn wir von einem Drittel, oder gar von der Hälfte der Krieger als Schwertkämpfer ausgingen, bleibt die Frage nach dem Seitengewehr des Rests. Nicht jeder hatte ein entsprechendes Messer. Steitäxte kommen nur vereinzelt vor.
 
Aber 20 bis 30% und auch 25% sind deutlich mehr als die Oberen Zehntausend, um es modern auszudrücken. Aber das ist Spekulation. Wir wissen eben nur, dass es mehr als 20-30% waren, was mehr als ungenau ist.

Das Schwert, das Statussymbol der germanischen Mittelschicht... ;)

Auch wenn wir von einem Drittel, oder gar von der Hälfte der Krieger als Schwertkämpfer ausgingen, bleibt die Frage nach dem Seitengewehr des Rests. Nicht jeder hatte ein entsprechendes Messer. Steitäxte kommen nur vereinzelt vor.

Wenn die Hauptwaffe Speere und/oder Spieße sind, brauchts dann für jeden Kombattanten eine Seitwaffe? Ein Messer (weniger als Waffe denn als Werkzeug) kann man doch bei den meisten annehmen, Gräberfunde hin oder her. Und zur Not tuts der gute alte Knüppel, der mir häufiger als "germanische Waffe" untergekommen ist, auch wenn ich mir die Mühe gemacht habe, nach Quellen dafür zu suchen.
 
Mitteldeutsche Zeitung kurz vor der Wende: "Beinahe jede Woche ein fast 2000 Jahre alter römischer Bronzekessel!...dazu kommen Lanzenspitzen, eiserne Schwerter und Scheren, Fibeln, Tongefäße, Reste von Schilden, Schildbuckel und Trinkhornbeschläge." Ein Begräbnisplatz der Hermunduren auf dem Gelände der Buna-Werke bei Halle. Nun hatten die Hermunduren zwar ein besonderes Verhältnis zu Rom, aber man wollte klären, ob die Kessel Handelsware oder Beutegut waren. Die Schwerter waren germanischer Herkunft und verbogen. Römische Waffen waren nicht darunter. Sie waren offenbar keine Handelsware. In einer Urne aus Aschersleben fand sich ein römisches Arztbesteck. Seine Herkunft ist unbekannt. Aus der Rolle fällt ein römisches Militärmesser aus einer germanischen Urne von Großkühnau. Das Urnenfeld wird ins 2. bzw. 3 Jhd datiert. Das Messer ist sehr kräftig und länger als ein Dolch, aber nur mit einer spitzen Angel für das Heft versehen. Es handelt sich um einen der wenigen Funde römischer Militärtechnik in Mitteldeutschland. Warum ausgerechnet dieses als Grabbeigabe diente, ist unbekannt. Aber dieser Fall beweist, dass es solche Beigaben gab. Die Waffen der Varusschlacht müssen also auch irgendwo verblieben sein, wenn sie nicht allesamt zu Pflugscharen wurden. Sollten sie nicht gefunden werden, so könnte natürlich auch von einer kompletten Opferung ausgegangen werden. Hundert Jahre vorher hatten schließlich die Cimbern und Teutonen buchstäblich die gesamte Beute den Göttern geweiht.
 
... so könnte natürlich auch von einer kompletten Opferung ausgegangen werden. Hundert Jahre vorher hatten schließlich die Cimbern und Teutonen buchstäblich die gesamte Beute den Göttern geweiht.

Moin

Das wäre aber arg leichtsinnig gewesen, da die Römer ja nicht vollständig besiegt waren und mit einem Zurückschlagen gerechnet werden musste! :grübel:
 
Die Waffen der Varusschlacht müssen also auch irgendwo verblieben sein, wenn sie nicht allesamt zu Pflugscharen wurden. Sollten sie nicht gefunden werden, so könnte natürlich auch von einer kompletten Opferung ausgegangen werden. Hundert Jahre vorher hatten schließlich die Cimbern und Teutonen buchstäblich die gesamte Beute den Göttern geweiht.

Vieleicht ist das ja garnicht so unwahrscheinlich. Das wäre zumindest ein völlig neuer Aspekt. Es scheint zumindest nicht ganz unmöglich.

Im Fall von Kalkriese halte ich dies jedoch für äußerst unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu den Kimbern und Teutonen, welche auf Wanderschaft waren und vorher nie richtig mit den Römern zu tun hatten, ist die Situation hier im Jahre 9 n. Chr. eine wirklich andere. Die Germanen haben hier schon hautnah erlebt, was es bedeutet einer "Besatzungsmacht" gegenüberzustehen, welche die eigenen Rituale und Gesetze mißachtet und stattdessen fremde Gesetze einführen möchte. Und die Germanen hatten in Arminius einen Anführer, der die römischen Sitten und auch die römische militärische Stärke genau kannte. Da wird man auf tausende hochwertige Schwerter nicht so einfach verzichtet haben. Außerdem hatte man lt. Tacitus durchaus hochwertige "Menschenopfer" in Gestalt römischer Legionäre und Offiziere - vergl. die von Tacitus erwähnten Opfergruben, angenagelte Schädel etc.

Hätte man die Waffen und insbesondere die Schwerter geopfert, so hätte man diese sicherlich entdecken können, wohl im "Großen Moor" direkt gegenüber dem Engpass, welches längst trocken gelegt ist. Im Zuge dieser Trockenlegung wäre ein oder mehrere römische Waffen sicherlich aufgefallen.

Die Germanen haben wohl in Kalkriese die Schwerter geplündert und selbst verwendet. Alles andere scheint nicht plausibel.
 
Hat man überhaupt in germanischen Fundstätten römische Fundstücke gefunden, die mit der Varusschlacht in Verbindung stehen könnten?

Allerdings ist auch die Frage, wie eine Zuordnung als Beutegut geschehen könnte. Römische Fundstücke aus dieser Zeitspanne könnten auch als Tauschware in das freie Germanien gelangt sein. Mir fällt spontan nur der Hildesheimer Silberschatz ein, der vielleicht als Beute nach Germanien kam.
 
Carolus, man hat fast nichts gefunden, was eindeutig auf die Varusschlacht hindeutet. Aber nicht nur auf diese. Es gibt kaum militärische Funde aus dieser Zeit im freien Germanien. Vielleicht sollte man einmal Funde aus späteren Jahrhunderten bezüglich ihrer Materialzusammensetzung untersuchen. Möglicherweise wurden römische Waffen nur umgeschmiedet (bis hin zur Heiligen Lanze). Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein, mal abgesehen von dem großen Opferloch, in welchem zigtausend Schwerter auf ihre Entdeckung warten.
 
Carolus, man hat fast nichts gefunden, was eindeutig auf die Varusschlacht hindeutet. Aber nicht nur auf diese. Es gibt kaum militärische Funde aus dieser Zeit im freien Germanien. Vielleicht sollte man einmal Funde aus späteren Jahrhunderten bezüglich ihrer Materialzusammensetzung untersuchen. Möglicherweise wurden römische Waffen nur umgeschmiedet (bis hin zur Heiligen Lanze). Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein, mal abgesehen von dem großen Opferloch, in welchem zigtausend Schwerter auf ihre Entdeckung warten.

Ich denke, daß dies auch grundsätzlich schwierig ist. Germanische Waffen wie frame oder Schilde waren überwiegend organisch. Dies nach 2000 Jahren noch nachzuweisen ist natürlich schwierig. Auch die Kleidung war organisch. Da bedarf es wohl schon einer Moorleiche. Ein römischer Legionär hatte überwiegend Metall am Körper. Das halt sich durchaus 2000 Jahre. Nach der Varusschlacht gab es eine Unmenge an Beutewaffen. Allerdings werden auch diese schwer nachzuweisen seien. Ein römischer gladius bleibt eben römisch, auch wenn er in die Hand eines Germanen gerät. Da fällt eine Zuordnung schwer.

Das große Opferloch ist zwar durchaus möglich (bezogen auf die Varusschlacht) aber wie bereits dargelegt wohl eher unwahrscheinlich. Man sollte vieleicht auch bedenken, daß in der vorrömischen Eisenzeit die Germanen eher untereinander gekämpft haben. Dann erschienen die Römer, welche waffentechnisch deutlich überlegen waren. Ich denke, daß die Germanen sich daher über diese Beutewaffen gefreut haben und sie nicht geopfert haben.

Aber wer weiß das schon?
 
Ja, wenn es um Religion geht, wird nicht unbedingt rational gehandelt. Die Kimbern und Teutonen hätten nach der Schlacht bei Arausio mit der Beute mitten im Feindesland und in Erwartung möglicher weiterer Schlachten gegen die Römer sicher auch Besseres anfangen können als sie zu opfern. ("Besseres" nach heutigem rational-weltlichem Verständnis. Nach ihrem Verständnis wäre es vielleicht recht unklug gewesen, den Göttern mitten im Feindesland und in Erwartung möglicher weiterer Schlachten gegen die Römer die Beute vorzuenthalten und sie so zu erzürnen.)
 
Ich denke, daß dies auch grundsätzlich schwierig ist. Germanische Waffen wie frame oder Schilde waren überwiegend organisch. Dies nach 2000 Jahren noch nachzuweisen ist natürlich schwierig. Auch die Kleidung war organisch. Da bedarf es wohl schon einer Moorleiche. Ein römischer Legionär hatte überwiegend Metall am Körper. Das halt sich durchaus 2000 Jahre. Nach der Varusschlacht gab es eine Unmenge an Beutewaffen. Allerdings werden auch diese schwer nachzuweisen seien. Ein römischer gladius bleibt eben römisch, auch wenn er in die Hand eines Germanen gerät. Da fällt eine Zuordnung schwer.

Ein römischer Gladius bleibt römisch und läßt sich damit zuordnen. Eine andere Frage ist natürlich, ob er als Beutewaffe nach der Varusschlacht, Handelsgut etc. ins frei Germanien gekommen ist. Aber haben wir denn überhaupt solche Funde aus dieser Zeitstellung im freien Germanien?
 
Naja, so ein römischer Gladius ist nun nichts, womit ein Germane mit Rundschild nem Gener gefährlich werden kann. Das Teil ist ja für die meisten Germanen gerade eine Handbreit länger als der Unterarm und zum Parieren von Hieben von rechts kaum geeignet. Also maht man dann, so man es weiterbenutzen will, entweder aus 2 Gladii ein Schwert oder arbeitet es zum langen Messer mit weichem Rücken um.
Man kanns natürlich auch gleich den Göttern weihen und sich die Arbeit sparen. Mit den anderen Waffen der Römer ist das so ähnlich, die sind nur zusammen mit dem Scutum gut. Und die Schutzausrüstung wie Helm, Rüstung, Beinschienen dürfte den meisten Germanen schlicht nicht gepaßt haben.
 
Carolus, das ist ja der Knackpunkt! Wir haben buchstäblich nichts, was man der Varusschlacht zuordnen könnte. Die als Urnen benutzten Bronzekessel, die Weinsiebe und Trinkgarnituren, das Arztbesteck und sogar das Militärmesser sind jüngeren Datums. Bemerkenswert sind aber drei Phalerae, die in Mitteldeutschland gefunden wurden. Eine Datierung liegt mir leider nicht vor.
 
El Q, die Gegenstände stammen aus Urnenfeldern oder Grabhügeln germanischer Häuptlinge. Sowohl der Befund als auch die stilistische Einordnung der Funde weisen ins zweite bis dritte Jahrhundert. Bei den zivilen Objekten geht man von Handelsgut aus. Für Waffen scheint ein Exportverbot bestanden zu haben. Das Messer bildet eine seltene Ausnahme.
 
Carolus, das ist ja der Knackpunkt! Wir haben buchstäblich nichts, was man der Varusschlacht zuordnen könnte. Die als Urnen benutzten Bronzekessel, die Weinsiebe und Trinkgarnituren, das Arztbesteck und sogar das Militärmesser sind jüngeren Datums. Bemerkenswert sind aber drei Phalerae, die in Mitteldeutschland gefunden wurden. Eine Datierung liegt mir leider nicht vor.

Um welche Funde geht es hier? Hildesheim?


Wie kommst du denn darauf?!

Gute Frage!

El Q, die Gegenstände stammen aus Urnenfeldern oder Grabhügeln germanischer Häuptlinge. Sowohl der Befund als auch die stilistische Einordnung der Funde weisen ins zweite bis dritte Jahrhundert. Bei den zivilen Objekten geht man von Handelsgut aus. Für Waffen scheint ein Exportverbot bestanden zu haben. Das Messer bildet eine seltene Ausnahme.

Welche Fund, die wo gemacht worden sind?
 
Carolus, die Funde stammen ausschließlich aus Mitteldeutschland, z.B. aus den Fürstengräbern von Gommern oder Quetzdölsdorf, oder aus Urnenfeldern (z.B. Aschersleben, Großkühnau). Der Schildbuckel von Gommern wurde aus einem römischen Gefäß gefertigt. Die beigefügten Waffen sind aber aus Silber und nicht zum Kampf geeignet.
Ich habe hier etwas vom alten Vergil gefunden, was wir für die Varusschlacht gut gebrauchen könnten:
"Siehe der Tag kommt, wo in jenen Fluren der Landmann,
wenn mit gebognem Pflug er den Acker furchet,
von scharfem Rost zerfressene Lanzen entdeckt
mit der Schwere des Karstes,
auf hohl klingende Helme klopft
und die großen Gebeine
voller Verwunderung schaut in den aufgerodeten Gräbern."
 
Ich dachte, du sprächest über in Kalkriese gefundene Gegenstände, auch dort hat man z.B. ein Weinsieb und medizinisches Gerät gefunden.
 
Waffenfunde allgemein in germ. Gräbern war gemeint, und ihre Seltenheit überhaupt. Als Erklärung dafür, das "so garnichts" von den Schlachten Römer -Germanen im Fundgut ist.
Kalkriese liefert weni bis nichts, die Gräber der Germanen auch nicht, es fehlen also schlicht die Waffen, die die Römer in Germanien verloren haben, wo und wie auch immer..
 
Arminius erinnert in seiner Heerschau im Jahre 17 daran, dass sich noch viele römische Waffen im Besitz seiner Leute befanden. Da sie bisher nicht in Gräbern wiedergefunden wurden, können wir wohl nur davon aus gehen, dass sie nicht geopfert, sondern umgeschmiedet wurden.
 
Arminius erinnert in seiner Heerschau im Jahre 17 daran, dass sich noch viele römische Waffen im Besitz seiner Leute befanden. Da sie bisher nicht in Gräbern wiedergefunden wurden, können wir wohl nur davon aus gehen, dass sie nicht geopfert, sondern umgeschmiedet wurden.

Dazu einige Rückfragen:

Wie sahen die Bestattungsriten der Germanen um die Zeitenwende aus?

Wieviele germanische Gräber sind denn überhaupt erforscht?

Wieviele enthalten Waffen?

Gibt es Funde von rituell niedergelegten/geopferten Waffen in Norddeutschland? Spontan fällt mir bei diesem Thema nur ein Bereich in Dänemark (?) ein.
 
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