Kampf um Bazeilles im dt-franz- Krieg: Bayerische Kriegsverbrechen?

Teil I

Aber was ist solch ein Gewohnheitsrecht wert?
Es ist genausoviel "wert" wie Völkervertragsrecht. Im 19. Jahrhundert war das Völkergewohnheitsrecht die Hauptquelle des Völkerrechts. Selbst wenn eine Materie vertraglich geregelt wurde, stellte sich regelmäßig die Frage, wie diese Vereinbarung auszulegen war. Auch hierzu bildete sich im Regelfall Völkergewohnheitsrecht heraus.
Auch heute ist vieles in der Kriegführung, besonders einige bestimmte Waffen, international geächtet, aber so lange die sie einsetzenden Staaten keine Verträge ratifiziert haben, die diese Mittel beschränken, kann ein Feind nichts dagegen tun außer seinerseits selbst zu diesem Mittel zu greifen oder folgenlos öffentlich zu protestieren.
Es ist ein Grundproblem des Rechts, das es den Rechtsbruch nicht verhindern kann. Viele Strafrechtsordnungen kennen ein Verbot für Morrd, Raub, Vergewaltigung, etc. Gleichwohl kommen solche Taten vor. Ob der Einzelne das Recht bricht oder respektiert, ist eine Frage des Rechtsbewußtseins. - Weitere Grundprobleme des Völkerrechts sind der Mangel an unabhängigen Gerichtshöfen (jedenfalls in der Vergangenheit) und an den Vollstreckungsorganen. Das Völkerrecht ist eine Rechtsordnung "im Werden", auch in institutioneller Hinsicht.
Aber ist es nicht so, dass alles erlaubt ist, das nicht explizit verboten ist?
Im Prinzip ja, nur bin ich mir nicht sicher, ob Du mit "explizit" nicht schon auf dem Holzweg bist. "Unmissverständliche Verbote" sind doch nicht gemeint, oder? Die gibt es häufig noch nicht einmal im nationalen Strafrecht. Und auf ausDRÜCKliche Verbote kommt es nicht an, da sich ein solches Verbot auch aus dem Völkergewohnheitsrecht ergeben kann.
Im Fall der gefangenen Soldaten stimme ich der Wirkung eines gewissen "Gewohnheitsrechtes" zu, da das Erschießen von gefangen genommenen regulären Soldaten mindestens gemeinhin als unehrenhaft galt, wenn es nicht wie im Fall von Bayern sogar verboten war.
Wenn man dieser Frage genau nachgehen möchte, müsste man die damaligen Gewohnheiten erkunden und prüfen, ob diese in der Überzeugung rechtlicher Gebotenheit ausgeübt wurden.

Hierbei kommt es m. E. vor allem auf die Staatenpraxis (Vorsicht: gemeint sind die Erklärungen staatlicher Akteure, aus der sich eine rechtliche Bewertung bestimmter Sachverhalte ergibt) an und ob und wie stark diese übereinstimmt (Konsens?). Bei der Behandlung sich ergebender Gefangener könnte z.B. der Blick in die Militärdienstvorschriften den Ausgangspunkt bilden. Die Sache ist natürlich extrem aufwendig, da die Staatenpraxis einer Vielzahl von Ländern zu ermitteln und abzugleichen wäre. Hierzu müsste eine Vielzahl von Quellen ausgewertet werden.

Insofern zielte meine Gegenfrage von # 18 (am Ende) darauf ab, ob Du Quellen nennen kannst, nach denen um die Zeit von 1870 das Erschiessen sich ergebender Soldaten (völker-)rechtmäßig gewesen sein soll. Das müssen keine Rechtsquellen sein sondern können auch Darstellungen von Historiker oder Völkerrechtslehrer sein. Auch die Völkerrechts-GESCHICHTE will ein bißchen quellenbasiert diskutiert werden (um nicht ins ["unwiderlegte"] Es-war-alles-erlaubt-Blabla abzurutschen).
 
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