Kann die Pax romana und die Romanisierung ein Modell für die EU sein?

Zuerst bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich auf diesen Vortrag verwiesen habe, ohne ein paar Anhaltspunkte dazu zu liefern – ich war in Eile.
Ich weiß ja nicht, worauf Kathis Lehrer hinauswill. Ehrlich gesagt fasse ich ungern so einen komplexen und klugen Vortrag zusammen, weil ich fürchte, ihm nicht gerecht werden zu können.
Geza Alföldy spricht unter anderem von der abendländischen Geschichte, ihren Sprachen, ihrer Kultur als Grundlage einer (gemeinsamen) Identität. Er verweist auf das römische Recht, das bis heute nachwirkt, ebenso auf das Christentum.
Nun muss ich ein bisschen zitieren:

„Nie zuvor und nie danach hat es in der Geschichte eine staatliche Organisation wie das Römische Reich gegeben, in der so viele Völker Europas so fest und so dauerhaft zusammengefasst wurden und die zugleich auf einer so hohen Kultur und sogar auf einem beachtlichen Wohlstand vieler beruhte.
Freilich umfasste das Imperium Romanum nicht alle europäischen Völker, erstreckte sich aber dafür auch auf Nordafrika und auf den Vorderen Orient. Die Berechtigung eines historischen Vergleiches wird dadurch keinesfalls eingeschränkt. Denn mit seinem Zentrum in Italien, mit seiner griechisch-lateinischen Kultur und mit seiner Ausdehnung nach Norden bis zum Rhein, bis zur Donau und auch darüber hinaus war das Römische Reich insgesamt betrachtet entschieden ‚europäisch’ und selbst außerhalb Europas nur sehr begrenzt ‚afrikanisch’ oder ‚asiatisch’ geprägt. Dazu kommt, dass selbst die Europäische Union, zu der einzelne Völker des Kontinents nicht oder noch nicht hinzugehören und die eines Tages vielleicht auch die Türkei oder die asiatischen Teile Russlands umfassen wird, keineswegs so stark von einem fest abgegrenzten geografischen Raum gekennzeichnet ist, wie das viele glauben.“

Weiterhin geht es um die Akzeptanz und die Legitimation supranationaler Ordnungen. Es gibt kein „europäisches Volk“, ebenso, wie es kein „römisches Volk“ gab.

„Dem römischen Reich schlossen sich die meisten Völker nicht freiwillig an. ...Auf Dauer erwies sich das römische Imperium aber keineswegs als ‚Gefängnis der Völker’. Es ist vielmehr erstaunlich, wie schnell und wie fest sich die meisten Völker, die einst so erbittert für ihre Freiheit gekämpft hatten, in die römische res publica eingliederten... Roms Stärke lag mehr noch als in der Schlagkraft seiner Armeen in der Fähigkeit, die Nachkommen ehemaliger Feinde in das eigene soziopolitische System zu integrieren. ... Wie attraktiv Roms Ordnung für Außenstehende inzwischen war, verdeutlichen die seit Mark Aurel an Rom herangetragenen Bitten einzelner Völker, in das Reich aufgenommen zu werden, um dort Schutz zu finden....
Die Lehre aus allem ist, dass sich das Gefühl der Identität mit Rom als gemeinsamer patria bei den Völkern seines Reiches trotz unvergleichlich ungünstigerer Entstehungsbedingungen festigen konnte, als sie heute für die Einigung Europas vorhanden sind. Der Grund lag darin, dass Roms supranationale Ordnung allen früheren staatlichen Ordnungen überlegen war und dass dies von den meisten Völkern früher oder später auch so empfunden und akzeptiert wurde. Was wir heute brauchten, ist nichts anderes als eine ähnliche, allgemein geteilte Überzeugung, dass das vereinte Europa dem System von Nationalstaaten nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und kulturell überlegen ist.“

Geza Alföldy geht auf die unterschiedlichen Interessen einzelner Völker ein und die Bemühungen Roms, ihnen Rechnung zu tragen. Als Beispiel nennt er Trajans Provinzialverwaltung, die wir teilweise aus den Plinius-Briefen kennen. Er verweist darauf, dass Ökonomie nicht alles regeln kann.
Auch im Römischen Reich gab es große Unterschiede zwischen Gebieten, kein Nord-Süd-Gefälle wie in der Europäischen Union, sondern einen höheren Entwicklungsstand der Mittelmeerländer im Vergleich zu den Nordprovinzen an Rhein und Donau sowie Britannien. Diesen Unterschieden wurde mit entsprechenden Maßnahmen begegnet, ohne sie völlig aufheben zu können.
Weitere Punkte sind:
Die politischen Institutionen, die Bürokratie und die Rolle von Eliten
Die Globalisierung und das Primat der Wirtschaft
Die Rolle der Kultur und der Kulturpolitik
Das Verhältnis zu den anderen und zu sich selbst

Aus der Zusammenfassung:

"Rom vollbrachte die historische Leistung, einen Vielvölkerstaat zu errichten, in dem Völker, die nicht nur mit den Römern, sondern auch untereinander viele Kriege ausgetragen hatten, jahrhundertelang miteinander in Frieden lebten. Sie wurden 'Römer', ohne ihr eigenes Profil zu verlieren; ihre Leistungen bereicherten das Imperium. Zu verdanken war Roms Erfolg nicht nur der wirtschaftlichen 'Globalisierung', sondern avor allem auch der politischen Integration der einzelnen Völker und Regionen in den Römerstaat und der Überlegenheit seines geistigen Fundamentes, der griechisch-römischen Kultur."

Zitata aus "Das Imperium Romanum - ein Vorbild für das vereinte Europa? von Geza Alföldy
(Zitierfunktion klappt bei mir gerade nicht - sorry).

Ich hoffe, das hilft noch ein bisschen, Penseo hat ja schon Wichtiges zusammengefasst.
 
ehrlich gesagt, glaube ich kaum, das ein lehrer der 10. klasse so eine analyse von seinen schülern hören möchte. ich meine so eine komplexität.
 
Ich denke nicht, dass sich die EU mit dem Römischen Reich ernsthaft vergleichen lässt.

Das denke ich auch nicht, zumal ich die EU, so wie sie heute ist, nicht mal als einheitlichen Staat bezeichnen würde, da jedes Mitglied bis dato meistens immer noch seine eigene Außenpolitik betreibt und sogar die Staatsformen innerhalb der EU sind verschieden - es gibt Republiken, Bundesrepubliken und Monarchien. Damit ist die EU z. Z. ein Zwischending von Konfoderation und Staatenbund würde ich sagen, wärend das Römische Reich ein zentralistisch regierter Staat war - auch schon zur Zeit der Republik.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zuerst bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich auf diesen Vortrag verwiesen habe, ohne ein paar Anhaltspunkte dazu zu liefern – ich war in Eile.
Ich weiß ja nicht, worauf Kathis Lehrer hinauswill. Ehrlich gesagt fasse ich ungern so einen komplexen und klugen Vortrag zusammen, weil ich fürchte, ihm nicht gerecht werden zu können.
Geza Alföldy spricht unter anderem von der abendländischen Geschichte, ihren Sprachen, ihrer Kultur als Grundlage einer (gemeinsamen) Identität. Er verweist auf das römische Recht, das bis heute nachwirkt, ebenso auf das Christentum. ...

Eine Zusammenfassung wie ich sie mir wünsche, vielen Dank Marcia. So weis man wenigstens welche Thesen der Ungar(?) vertritt. Es liest sich auch alles sehr gut.

Die eigentlichen Thesen sind mmn aber im Wesentlichen so nicht haltbar und können nur durch verklärenden Rückblick so gesehen werden.
Fakt ist die 'supranationale Ordnung' des Römischen Imperiums über alte Völker hinweg. Sie kam aber nur durch massiven Druck, teils um den Preis der eigenen Vernichtung bei Widerstand zustande. Es gab ‚verhätschelte’ Volksstämme, die sich einige Erhebungen leisten konnten ohne allzu schwer bestraft zu werden wie die Häduer oder die Treverer. Andere, wie vor allem die Euburonen wurden so vollständig ausgelöscht, dass sich ihre Vernichtung sogar archäologisch und im Pollenbefund niederschlägt. Die ‚Aussöhnung’ mit den unterworfenen Völkern kam über eine Rechtspolitik, die Kollaboration mit der Besatzungsmacht belohnte und Widerstand mit Vernichtung bedrohte. Über die Kollaboration wurden vor allem die ‚Eliten’ eines Volksstammes gewonnen – also die Oberschicht indem sie mit römischen Ehren überhäuft wurden, reich beschenkt und man ihre Kinder als Geiseln römisch erzog. So vollzog sich in der Regel die erste Phase der Annektion um eine Akkulturation herbei zu führen.
Das allgemeine römische Bürgerrecht wurde Anfangs nur in Ausnahmefällen verliehen. Die lokalen Rechte der Peregrinus waren von geringerem Schutz. Die römischen Bürger waren Bürger erster Klasse, sie unterlagen einer härteren Rechtsprechung und mussten mehr Steuern zahlen. Nur lokalen Eliten wurde das Bürgerrecht für ihre Kooperation verliehen (siehe oben) und damit zu Funktionsträgern des römischen Reiches und einer der Hauptträger der Akkulturation neben der römischen Armee. Das später die Bürgerrechte häufiger verliehen wurde war ebenfalls ein Ausdruck des Wohlwollens. Erst 212 n.Chr. – also Jahre nach dem Ende der römischen Expansion und einer Zeit der Konsolidierung wurde das römische Bürgerrecht allen freien Einwohnern des Reiches verliehen. Ich lerne daraus nur, wie durch eine clevere Rechteverteilung ein Imperium sich selbst konsolidieren kann.


Weitere Punkte sind:
1. Die politischen Institutionen, die Bürokratie und die Rolle von Eliten
2. Die Globalisierung und das Primat der Wirtschaft
3. Die Rolle der Kultur und der Kulturpolitik

Ich habe mir erlaubt im Zitat zu Nummerieren:
1.) Politische Institutionen und ein gewisses Maß an Bürokratie sind allen Reichen und Staaten der Geschichte zu Eigen gewesen und auf keinen Fall eine spezifisch, römische Erscheinungsform. Das gilt erst Recht für ‚staatstragende Eliten’, kamen doch die Stämme und Gents der Menschheit vielleicht noch ohne Bürokratie aus, aber niemals ohne Führungsschichten.
2.) Zumindest in Städten und städtisch geprägten Kulturen hatte die Wirtschaft schon immer großen Einfluss auf die Politik. Im Mittelalter etwa ist Handel und Handwerk der Motor der Verstädterung gewesen, was nahezu für die gesamte Geschichte der Städte zutrifft.
3.) Die Kultur- und Kulturpolitik der Römer war rein Imperial und ausgerichtet die Größe des Reiches zu mehren und seinen Zusammenhalt zu festigen. Selbst die Inschriften von Münzen trugen politische Programme oder Leistungen des Reiches mit der gleichen Zielsetzung. Es war den Römern klar, das etwa die von Druiden beeinflussten Kelten sich niemals auf Dauer assimilieren würden, wenn man diese unbequeme Kaste nicht ersetzt indem man das Volk romanisiert und damit Akkulturiert. Durch die Romanisierung schwanden die Unterschiede zwischen den Völkern und die Tendenz zur Unabhängigkeit nahm entsprechend ab. So wird etwa im Ausstellungskatalog ‚Imperium Romanum’ Stellung bezogen auf die Rolle der Akkulturierung für die Stabilität des Reiches und das es ihr Scheitern unter Varus in Germanien war, welche den Verlust der Provinz nach sich zog: Die Unterschiede zwischen römischer und germanischer Kultur waren einfach zu groß!

Aus der Zusammenfassung:

"Rom vollbrachte die historische Leistung, einen Vielvölkerstaat zu errichten, in dem Völker, die nicht nur mit den Römern, sondern auch untereinander viele Kriege ausgetragen hatten, jahrhundertelang miteinander in Frieden lebten. Sie wurden 'Römer', ohne ihr eigenes Profil zu verlieren; ihre Leistungen bereicherten das Imperium. Zu verdanken war Roms Erfolg nicht nur der wirtschaftlichen 'Globalisierung', sondern avor allem auch der politischen Integration der einzelnen Völker und Regionen in den Römerstaat und der Überlegenheit seines geistigen Fundamentes, der griechisch-römischen Kultur."

Ohne Zweifel vollbrachte das römische Imperium gewaltige kulturelle-, wirtschaftliche-, logistische- und auch institutionelle Leistungen. Es war ein Versuch eines Schmelztiegels der Kulturen und Völker mit dem Leitbild ROM! Auch nach seinem Scheitern verhalf er doch Europa zu einer maßgeblichen Grundierung der neuen Nationen mit kulturellen & technischen Leistungen, sowie einer relativ einheitlichen religiösen (Christentum) Ausprägung. Aus dem daraus sich entwickelndem Weltbild, in dem noch ganz andere Kräfte maßgeblichen Einfluss ausübten entstand die Basis aus dem sich jetzt ein geeintes Europa entwickeln will. In den angeführten Punkten überschätzt m.E. der Autor die Rolle Roms jedoch maßlos. Rom basierte auf Gewalt, Eroberung und Anpassung. Das Europa von dem wir heute träumen basiert auf einer gemeinsamen kulturellen Basis und den furchtbaren Selbsterfahrungen vor allem seiner jüngeren Geschichte und der Erkenntnis nicht mehr der maßgeblich dominierende Kontinent auf der Welt zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Rom basierte auf Gewalt, Eroberung und Anpassung.
Nicht nur.
Wie ich schon schrieb: es ist schwer, wenn nicht unmöglich, einen solch komplexen Vortrag "zusammenzufassen", weil dadurch viel von den differenzierten Darlegungen des Autors verloren geht. Er verklärt nach meinem Empfinden nicht. Ich empfehle die komplette Lektüre, damit nichts missverstanden wird.
 
Nicht nur.
Wie ich schon schrieb: es ist schwer, wenn nicht unmöglich, einen solch komplexen Vortrag "zusammenzufassen", weil dadurch viel von den differenzierten Darlegungen des Autors verloren geht. Er verklärt nach meinem Empfinden nicht. Ich empfehle die komplette Lektüre, damit nichts missverstanden wird.

Das ist natürlich gut Möglich. Auch das von dir zitierte Schlagwort von mir ist eine sehr grobe Zuspitzung. Deine Zusammenfassung habe ich jedenfalls genossen! Eine Gleichsetzung des Imperium Romanum mit der EU erscheint für mich im Augenblick widersinnig, da würde ich wenn überhaupt eher mit dem Heiligen Römischen Reich vergleichen wollen. Trotzdem sind natürlich Wirkungen sowohl im Heiligen Römischen Reich bis hin zur heutigen EU zu erkennen, die vom Imperium Romanum ausgelöst wurden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Text von Alföldy ist nicht schlecht. Der einzige Punkt, der mir nicht so gefällt, ist jener hier:

Freilich umfasste das Imperium Romanum nicht alle europäischen Völker, erstreckte sich aber dafür auch auf Nordafrika und auf den Vorderen Orient. Die Berechtigung eines historischen Vergleiches wird dadurch keinesfalls eingeschränkt. Denn mit seinem Zentrum in Italien, mit seiner griechisch-lateinischen Kultur und mit seiner Ausdehnung nach Norden bis zum Rhein, bis zur Donau und auch darüber hinaus war das Römische Reich insgesamt betrachtet entschieden ‚europäisch’ und selbst außerhalb Europas nur sehr begrenzt ‚afrikanisch’ oder ‚asiatisch’ gepräg

Denn genau genommen konnte es ja wenigstens keine größeren "afrikanischen" und "asiatischen" Einflüsse geben. Obwohl gerade den "asiatischen" Besitzungen Roms eine starke eigene Identität nicht abzusprechen ist, wurden diese (wie auch die afrikanischen) ja nicht einem völlig neuen Kulturraum beigefügt. Vielmehr gehörten sie - vor allem durch die hellenistische Kultur, aber auch durch viel ältere Kulturen geprägt und vernetzt - schon lange vor der Eroberung durch das römische Reich zur mediterranen Städtezivilisation. Und ich behaupte einfach mal, dass die Bewohner von Antiochia, Cyrene oder Karthago kulturell von vornherein den Römern näher standen, als dies bei der Bevölkerung der gewaltigen "europäischen" Eroberungen in Gallien, Britannien oder an der Donau der Fall war. Schließlich ist noch zu bedenken, dass der Einfluss gerade der orientalischen Kulturen in Kunst und Religion auf das Gesamtreich wesentlich bedeutender war, als der der keltisch-germanischen Kulturen.
 
waren nicht gerade die oströmischen Teile später bedeutender, was unter anderem dazu führte, die Hauptstadt/Hauptstädte ostwärts zu verlagern?
Wieso wird das römische Imperium als Grundstein des christl. Europa gesehen? Wenn, dann doch eher das oström. Reich? Nicht eher Entstehung des europ. Christentum nicht wegen dem Röm. Imperium, sondern trotz dessen?
 
Alföldy vertritt durchaus interessante Thesen.
Aber ich kann nur tela und Ashigaru zustimmen, dass die Hegemonie der römischen Kultur ein wenig verklärt zu werden scheint.
Sicher ist es so, dass die Kulturen im Mittelmeerraum eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen, was die von Rom forcierte Akkulturation vereinfachte.
Aber schon aus den Anfängen der römischen Ausdehnung nach Kleinasien ist überliefert, dass das repressive Auftreten der Römer (Abgabenlast) auch sehr viel Widerstand provozierte.
Dann waren die Motivationen für weitere Ausdehnungen des römischen Reiches auch unterschiedlich. Mal wurden die Römer in der Tat selbst bedroht (vor der eigenen Haustüre durch Bergstämme, die ins Tiefland drängten) und schlossen Bündnisse mit den umliegenden Mächten, mal wurden sie als Vermittler bzw Schutzmacht angerufen (hier fällt mir vor allem Kleinasien ein, als krassestes Beispiel die kleinasiatische Erbschaft Pergamons der Römer), mal waren sie aber eindeutig auf Beutezug aus, auch wenn offiziell das eigene Sicherheitsstreben vorgeschoben wurde.
Aber immer war klar, dass Rom die zentrale Vormachtstellung innehatte und Auflehnung mit sehr unangenehmen Massnahmen geahndet wurde.
Bei aller Toleranz gegenüber lokalen Sitten und Gebräuchen wurde zumindest die Führungsschicht der befreundeten bzw. unterworfenen Völker im Sinne Roms umerzogen.
Mitbestimmung im Sinne Verleihung der Bürgerrechte wurde auch nur zögerlich gewährt, vor allem aber mit der Zielsetzung, die eigene Macht nicht völlig zu verlieren.
Da fällt mir der Vergleich mit der EU sehr schwer.
 
Die Überschrift mit dem Gleichheitszeichen darin legt nahe, dass EU und das Römische Imperium gleichgesetzt werden sollen. Die schriftlich ausformulierte Frage meint aber, ob sich EU und Römisches Reich miteinander vergleichen lassen. Und vergleichen lässt sich, wie Themistokles schon anmerkte, vieles – der Vergleich schließt Unterschiede nicht aus. Es mag sein, dass Kathis Lehrer als Antwort ein schlichtes „nein“ hören bzw. lesen möchte, nur hätte das in meinen Augen wenig Sinn.
Ich halte den Vergleich auch für gewagt, aber der Vortrag von Geza Alföldy zeigt, dass er durchaus Sinn macht, und mich hat er überzeugt.
Ich habe mich mit meinen Zitaten ja vor allem auf die Punkte konzentriert, wo sich Vergleiche mit einem sinnvollen Ergebnis für uns ziehen lassen. Der Autor gibt aber auch oft genug schwerwiegende Unterschiede und offene Fragen zu. Das kann in diesem Falle auch gar nicht anders sein.
Die Kernaussage des Vortrags ist für mich, dass die Befassung mit Geschichte – europäischer Geschichte – im konkreten Fall – mit dem antiken Rom zum Bewusstsein einer gemeinsamen europäischen Identität verhelfen kann. Kein Verklären, sondern eher die Frage: was ist damals, wenn auch unter anderen gesellschaftlichen, kulturellen – auch politischen – Bedingungen, in einer Weise gemacht worden, dass sich ein Blick zurück auf die Antike, konkret auf Rom, noch heute für uns lohnt – ohne das, was nach unseren modernen Maßstäben rückständig, fremd und grausam anmutet, auszublenden. Oder einfach: Lässt sich aus der Geschichte für das heutige Europa lernen? Der Autor legt das Gewicht verstärkt auf die Kultur. Er schreibt, dass in Rom Dichter, Schriftsteller und Historiker dieses gemeinsame geistige Fundament vermittelten, und sieht auch die heutigen Intellektuellen und Kulturschaffenden in dieser Pflicht. Sein Fazit: „Die Kultur darf nicht vergessen werden!“

@tejason: Damit, dass du die dunklen Erfahrungen der jüngsten Geschichte erwähnst, hast du völlig Recht. Ich möchte aber noch auf etwas anderes hinweisen. Vor nicht zu langer Zeit war Europa durch den Eisernen Vorhang getrennt. Menschen, die in diktatorischen Systemen lebten, wurde auch eine ganze Menge dieser gemeinsamen kulturellen Identität vorenthalten, so dass viele (gemeinsame) geistige und kulturelle Inhalte aus dem Bewusstsein verschwunden sind.
Ich weiß ja nicht, wie es anderen geht, und möchte so etwas auch nicht verallgemeinern, aber selbstkritisch muss ich feststellen, meine eigene Mauer im Kopf noch nicht völlig abgebaut zu haben. Was mir hilft, ist meist – wenn nicht als Einziges - Kultur.
Ich meine auch, in dem Vortrag von Herrn Alföldy die Bemühung zu lesen, gegen heute noch verbreitete Klischeevorstellungen vom antiken Rom zu argumentieren, Vorstellungen, die beispielsweise durch Fernsehdokumentationen genährt werden. (Ich erinnere mich an die Bemerkung in einer Doku, die Gegner Roms hätten der perfekten Kriegsmaschinerie des Imperiums oftmals nur mit einem Knüppel in der Hand gegenüber gestanden. Maximilian Schell hat den imaginären Knüppel so schön theatralisch in der Hand geschwungen.)
Im Bemühen, die im allgemeinen Bewusstsein noch weniger bekannten Seiten Roms zu betonen, mag der Vortrag etwas überambitioniert erscheinen.
Ich hatte Plinius erwähnt und dabei vorausgesetzt, die Briefe des Buches X der Briefsammlung Plinius des Jüngeren seien bekannt, weil sie so oft zitiert werden, deshalb bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich nicht präzisiert habe. Diese Briefe, eher zufällig überlieferte Zeugnisse römischer Verwaltung, zeigen sehr gut, wie viel Freiraum die kaiserliche Verwaltung den Provinzen und deren Städten auch ließ: Immer wieder betonte Traian, die Privilegien und bisherigen Rechte der Städte bewahren zu wollen, und oft bestärkte er Plinius nach dessen Anfrage in Rom, seine Kompetenz wahrzunehmen und dieses oder jenes vor Ort selbst zu entscheiden. (Ich möchte betonen, dass ich diesen Monarchen keineswegs idealisieren will – er hat ja mit den von ihm in Auftrag gegebenen Massenabschlachtungen von Mensch und Tier in der Arena geradezu Maßstäbe gesetzt und diese Spiele nicht nur dem Volk gewährt, sondern auch selbst Gefallen daran gehabt, wie überliefert ist, was seine Beliebtheit noch steigerte.)

@ Penseo: Eins verstehe ich nicht ganz, nämlich deine Aussage, die Führungsschicht der unterworfenen Völker wurde im Sinne Roms umerzogen. Auf welche Weise soll so ein „Umerziehen“ erfolgt sein? Spielst du auf die Geiseln an, die besiegte Völker stellten?
 
@Ashigaru: Ein sehr richtiger Aspekt! Das römische Reich hat nicht in allen seinen Reichsteilen eine gemeinsame Identität geschaffen. Vor allem nicht im hellenistischen-, asiatischen- und ägyptischen Raum. Romanisiert wurden vor allem der Westen und der Norden.
@Penseho: Das sind sehr zutreffende Anmerkungen. Die geschickte Vereinnahmung der provinzialen Eliten war ein festes Programm zur Stabilisierung der Eroberungen vor allem in Europa. Die römische Erziehung von Geiseln und des mit römischen Titeln & Rechten geschmückten lokalen Führungsschicht trug wesentlich zu Romanisierung und Akkulturation weiter Teile des Imperiums bei.

Davon ungeachtet…
Im Bemühen, die im allgemeinen Bewusstsein noch weniger bekannten Seiten Roms zu betonen, mag der Vortrag etwas überambitioniert erscheinen.
…Es scheint jedenfalls ein lesenswerter Ansatz zu sein den er verfolgt, wobei mir dein von mir zitiertes Urteil recht gut zu passen scheint. Ich bin auch der Ansicht, dass man aus der Geschichte lernen kann, wenn auch nicht so wie Faschismus und Marxismus/Leninismus für sich jeweils reklamiert haben. Vor allem wenn man etwas Neues aufbauen will – und die EU ist etwas grundsätzlich neues, in diesem Ausmaß niemals vorher gewesenes – ist es immer gut Gemeinsamkeiten zu finden und zu betonen. Das dabei Rückgriffe und Lehren bis in die Zeit des Imperium Romanum gemacht werden, tut existierenden Gemeinsamkeiten keinen Abbruch. Warum sollte man diese langen Traditionen nicht mit in das neue, europäische Haus einbauen, wenn sie tragen können?
Das gilt auch für die Überwindung der Zeit des Eisernen Vorhangs! Ein Vorhang der eigentlich widersinnig und von Vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sein sollte, hat doch die Herzen und Köpfe der Menschen mehr geprägt als man es für Möglich halten sollte. Es war neben dem Freiheitswillen von Völkern wie dem Ungarischen und dem Polnischen auch die deutsche kulturelle Identität die – hüben wie drüben zwar aus dem jeweiligen Blickwinkel verzerrt oder für sich reklamiert wurde, letztlich aber doch zum Fall der Mauer beigetragen hat. So lange wie die BRD nicht in der Lage ist die einstige Teilung zu überwinden, so lange sehe ich das Experiment der EU mit großer Skepsis vor den Risiken. Aber ich weis es ist genug Potential für beide Projekte vorhanden um sie zu einem guten Abschluss zu bringen.

Mich hat es sehr gestört, das Geza Alföldy ausgerechnet ein waschechtes Imperium mit dem Staatenbund der EU scheinbar ‚gleichsetzen’ will und doch hat auch dieses Imperium viel zur gemeinsamen Identität der Völker Europas beigetragen. Da die Wurzeln dieses antiken Imperiums pure Expansion gewesen ist, stößt mir manches weiterhin bitter auf. Doch im Gegensatz zu anderen Imperien wie etwa dem Mongolischen hat das römische Reich es vermocht Gemeinsamkeiten zu schaffen! Geza Alföldy und seine Perspektive ist ungewöhnlich. Hat man sich doch längst an den Aachener Karlspreis in Erinnerung an Karl den Großen und das auf seiner Idee eines neuen westlichen Reiches basierenden späteren ‚Heiligen Römischen Reiches’ gewöhnt hier Parallelen zur europäischen Einigung zu ziehen. Warum also nicht auch das Imperium Romanum bemühen um die m.E. wirklich notwendige Einigung Europas zu stärken?
 
@ Penseo: Eins verstehe ich nicht ganz, nämlich deine Aussage, die Führungsschicht der unterworfenen Völker wurde im Sinne Roms umerzogen. Auf welche Weise soll so ein „Umerziehen“ erfolgt sein? Spielst du auf die Geiseln an, die besiegte Völker stellten?

Ja, in der Tat meinte ich vor allem die Geiselerziehung.
Dann dachte ich aber auch noch an die Ansiedlung der Veteranen (vor allem in Gallien), die Ansiedlung von Römern in verbündeten Städten (fällt mir spontan wieder Kleinasien ein, aber auch die Anfänge der römischen Expansionspolitik kannten dieses Instrument der Siedlungspolitik). Wichtig ist mir, dass bei aller Toleranz der Römer gegenüber der Kultur, insbesondere der religiösen Kultur, der "unterworfenen Völker" die Leitkultur eindeutig römisch war.
Allerdings fanden kulturelle Elemente anderer Völker auch Eingang in den römischen Alltag (vor allem religiöse Elemente fallen mir da ein, als wichtigstes die Verbreitung des Christentums).
Ich erhalte den Eindruck, dass Herr Alföldy sich bei seinen Ausführungen vor allem auf das römische Imperium zur Zeit Hadrians bezieht.
Zu seiner Zeit bei der grössten Ausdehnung unter gleichzeitiger Konsolidierung stehen tatsächlich Dinge im Vordergrund wie grosse Wirtschafts- und Rechtszone, relative Rechtssicherheit, Schutz der Grenzen und damit Wahrung des Friedens für die im Imperium lebenden Völker, weitgehende Beteiligung auch unterworfener Völker (grosszügige Verteilung des römischen Bürgerrechts), Primat der Kultur.
Aber wie schon gesagt, das Imperium hat eine lange Zeit bestanden und da gab es vor allem in den Anfängen durchaus auch Zeiten, die für die unterworfenen Völker nicht so positiv waren, trotz oder gerade wegen der grossen Unabhägigkeit der römischen Verwalter.
Und wegen der Andersartigkeit der EU (freiwillig, souverände Staaten, allgemeine Mitsprache) fällt mir das Ziehen von Parellelen schon schwer.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo leute,

kann mir jemand sagen,ob die pax romana und die Romanisierung ein Modell für die Eu sein kann?Vielleicht kann mir das jemand beantworten :)


mfg
hunter-x
 
Äh.. Wie bitte?
Und wer soll denn die Rolle von Augustus übernehmen?

Sofern ich weiss, ist die Frage nicht so dumm, der neue Londoner OB Boris Johnson hat dazu wohl ein Buch verfasst.

Das heisst "The Dream Of Rome"

Ich habe es nicht gelesen, gebe ich zu.
 
Ich bin aus zwei Gründen verwirrt:
- Die Pax Romana/Pax Augusta beendet in erster Linie den Bürgerkrieg, und sichert zweitens - offensiv! - die äußeren Grenzen.
- Romanisierung bedeutet gleiche Sprache und gleiche Kultur allüberall.

Das scheinen mir alles nicht so in die Zeit zu passen...

Allerdings könnte die Expansion ein interessantes Thema: Stößt die heutige EU an die gleichen Grenzen wie das RR? Zu groß? Zu viel "Entwicklungshilfe" nötig? Zu viele "Feinde"?
 
Man nähert sich hier dem Bereich aktuelle Politik, die Frage ist nicht dumm, aber sie mag von Politikern wie Herrn Johnson beantwortet werden. Wir sollten uns da hier im Forum nicht einmischen, sondern den Stimmzettel benutzen. Historische Ereignisse mit der Gegenwart zu vergleichen finde ich legitim, aber ich ziehe nur Rückschlüsse von heute auf damals und mache das niemals umgekehrt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
oke,ihr habt ja jetzt eigentlich nur gesagt wer darüber geschrieben hat usw.,aber niemand hat so eine richtige Antwort auf meine frage:winke:
 
Zurück
Oben