Karthago besiegt Rom; und dann?

Das sind auch für mich die zentralen Punkte: Konkurrenzneid, die Fremdheit der karthagisch-phönizischen Kultur, unbekannte Götter, der Vorwurf ritueller Opferung von Kindern (obwohl das bis heute entweder widerlegt oder zumindest strittig ist) und die Präsenz punischer Kaufleute im ganzen Mittelmeer, was für bestimmte Zeiträume einem Handelsmonopol nahegekommen sein mag - zumindest im westlichen Mittelmeer.
Laut Plinius schufen die Römer selbst Menschenopfer erst 657 ab urbe condita (96 v. Chr.), also deutlich nach dem Dritten Punischen Krieg, ab.[1] Und Livius berichtet, dass man nach der Schlacht von Cannae ein gallisches und ein griechisches Paar geopfert habe.[2]


Ein staatliches Selbstverständnis des karthagischen Staates wird es gegeben haben, doch beschränkte sich das möglichwerweise auf die Stadt Karthago und ihr Umland, wo die Punier konzentriert siedelten. Der Charakter des Stadtstaates bleibt ja trotz der Kolonialgebiete in Spanien und im Mittelmeer unverkennbar und verweist auf das Erbe der phönikischen Stadtstaaten im Osten.

Auch Rom blieb bis weit in die Kaiserzeit hinein von seiner Verfassung her ein Stadtstaat, obwohl es da schon den gesamten Mittelmeerraum beherrschte.

Auch auf dem Gipfel seiner Macht war Karthago nie ein imperialer Staat im üblichen Sinn des Wortes. Wenn die phönikischen Kolonien des Westens an Karthago gebunden und von ihm abhängig waren, so geschah es objektiv durch die größere Macht, aber nicht durch eine Politik der Annexion und unmittelbaren Oberherrschaft.
Die Barkiden führten Kriege, die haben die Iberer nicht etwa durch die Kunst der Überredung zum freiwillig-lockeren Anschluss an Karthago herangeführt.

Berücksicht man all diese Elemente, so erscheint Karthago doch als einmaliges Staatswesen, das sich von der Struktur des römischen Staates und der griechischen Polis deutlich abhebt. Nimmt man dann noch die in den Westen verpflanzte orientalische Religion hinzu, vertieft sich dieser Eindruck.

Auch römische municipia hatten ihre eigenen Gesetze und ihren eigenen Verwaltungen etc. Niemand käme aber deswegen auf die Idee, eine Autonomie von Rom zu behaupten.

Das alles sind Gründe, warum die Karthago von Römern und Griechen als Fremdkörper betrachtet wurde, was in zeitgenössischen Quellen zum Ausdruck kommt.
Mir schwebt dagegen etwas vor, dass die karthagischen Šophtim/Suffetae, die jeweils zu zweit regierten von römischen Autoren als die Entsprechung ihrer Konsuln gesehen wurden.

[1] DCLVII demum anno urbis Cn. Cornelio Lentulo P. Licinio Crasso cos. senatusconsultum factum est, ne homo immolaretur, palamque fit, in tempus illut sacra prodigiosa celebrat.
[2] Interim ex fatalibus libris sacrificia aliquot extraordinaria facta, inter quae Gallus et Galla, Graecus et Graeca in foro bouario sub terram uiui demissi sunt in locum saxo consaeptum, iam ante hostiis humanis, minime Romano sacro, imbutum.
 
Mir schwebt dagegen etwas vor, dass die karthagischen Šophtim/Suffetae, die jeweils zu zweit regierten von römischen Autoren als die Entsprechung ihrer Konsuln gesehen wurden.

Den Quellenbeleg für obige Behauptung liefere ich den hiermit nach:
Titus Livius, ab urbe condita XXX, 7: "senatum itaque sufetes, quod uelut consulare imperium apud eos erat, uocauerunt."

Die Šophtim/Sufeten, bei denen die konsularische Befehlsgewalt lag, riefen deshalb den Senat.
 
Dass die Phönizier und Punier ganz allgemein ein schlechtes Image im Mittelmeerraum genossen, wird hier ausgeführt:
Das so schlechte Image ist zum Teil aber eher neuzeitlicher Natur und in der Antike nur bedingt zu finden. Es stimmt, es gab viele negative Beurteilungen griechischer und römischer Autoren, aber nicht ausschließlich und durchgängig.

Manches, was antike Autoren an Negativem über Karthago schrieben, ist nur durch die neuzeitliche Brille so negativ. El Quijote hat schon auf die römischen Menschenopfer hingewiesen. Ich möchte dazu ergänzen, dass Diodor zwar gerne als Hauptbeleg (sei es, um die Karthager schlecht zu machen; sei es, um Diodor als unglaubwürdig, weil er die Karthager verleumdet habe, zu verwerfen) für karthagische Kinderopfer herangezogen wird, dabei aber unterschlagen wird, dass auch aus Diodor hervorgeht, dass die Kinderopfer ein antiquiertes Ritual waren, das nur noch zu Notzeiten hervorgekramt wurde - nicht anders als die Menschenopfer in Rom.

Ignoriert - wohl weil nicht ins Bild passend - wird bei den Belegen für das schlechte Image u. a. die römische (!) (nach griechischer Vorlage) Plautus-Komödie "Poenulus", die in Rom bald nach Ende des 2. Punischen Krieges uraufgeführt wurde (!) und in der ein reicher karthagischer Kaufmann als positive Figur vorkommt, während die Schurken Griechen sind.
Ignoriert wird auch, dass in der antiken griechischen Geschichtsschreibung über die punischen Kriege manche Autoren mit den Karthagern sympathisierten, z. B. Philinos und Chaireas.
 
Ravenik, Hanno im "Poenulus" ist zwar kein Böser, aber ich sehe ihn doch als ziemliches comic relief - fürchten wird man ihn nicht, aber ernst nehmen auch nicht, mit seinem ungegürteten Gewand. Insofern passt der Poenulus schon in die Argumentation, und da habe ich ihn auch schon oft zitiert gefunden.

Woher sollte auch eine neuzeitliche negative Bewertung Karthagos kommen, wenn nicht aus den antiken Quellen? Nach 146 hat man ja von den Karthagern als solchen nicht mehr so schrecklich viel gehört. ;) Oder meinst du, dass sich da ein neuzeitlicher Antisemitismus breit machte, der vorher nicht dagewesen war? Ich habe es bisher so verstanden, dass auf die bestehende Verunglimpfung der Phönizier und Karthager der Antisemitismus noch obendrauf gestülpt wurde.

Interessant, dass der Poenulus auf einer griechischen Vorlage basierte - aber eigentlich klar; von eigenständiger lateinischer Literatur waren wir im 2. Jh v. Chr. ja noch etwas entfernt...
 
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Woher sollte auch eine neuzeitliche negative Bewertung Karthagos kommen, wenn nicht aus den antiken Quellen? Nach 146 hat man ja von den Karthagern als solchen nicht mehr so schrecklich viel gehört. Oder meinst du, dass sich da ein neuzeitlicher Antisemitismus breit machte, der vorher nicht dagewesen war? Ich habe es bisher so verstanden, dass auf die bestehende Verunglimpfung der Phönizier und Karthager der Antisemitismus noch obendrauf gestülpt wurde.
Ich vermute als Ursache weniger Antisemitismus, sondern dass die Karthager die Antagonisten der in der Neuzeit bewunderten Griechen und Römer waren: Auf der einen Seite die Griechen mit ihren herrlichen Kunstwerken und ihrer großartigen Literatur und Philosophie, die tapferen Vorkämpfer der Freiheit und des Liberalismus, und die Römer, das wackere Bauernvolk mit hohem Bürgersinn, einem weisen Senat und edlen Helden - und auf der anderen Seite die Punier, die nur Geld scheffeln und Mietlinge für sich fechten lassen (wie manche Fürsten des Absolutismus!) und uns nichts Schönes hinterlassen haben. Ein bisschen eine Rolle spielte vielleicht auch, dass die Punier im Wesentlichen Götter verehrten, die schon aus der Bibel bekannt waren und von ihr her ein schlechtes Image (Orgien, Menschenopfer etc.) hatten. Was soll man schon von Menschen halten, die solche widerlichen Götzen anbeten statt strahlender edler Götter wie Apollon und Athene? Obendrein wurden die nicht ins schöne Bild passenden negativen Aspekte der einen - z. B. Päderastie - gerne ausgeblendet, hingegen die der anderen (z. B. Kinderopfer) überbetont.
Wenn man derartige vor allem im 19. Jhdt. verbreitete Sichtweisen zugrundelegt, ist nicht erstaunlich, dass die Karthager im Vergleich schlecht abschnitten.
 
Ravenik, soweit auseinander liegen unsere Ansichten vermutlich gar nicht: Du hast Recht, dass wir über Details der Senatspolitik erst ab Cicero/Plinius Bescheid wissen, wir haben aus der vorhergehenden Geschichte durch Livius eine ergebnisorientierte und heroisierende Dokumentation, sehr oft wird die Einigkeit beschworen, oft genug wird sie auch tatsächlich gegeben gewesen sein: auch heute noch lassen sich Parlamentarier mit dem Ruf zur Geschlossenheit oft genug um Skrupel, Prinzipien und besseres Wissen bringen. Der Senat des ersten und zweiten punischen Krieges wird allerdings als eine ziemlich stabile Kraft geschildert, aus deren Mitte viele (heterogene) Heerführer hervorgehen; auch wenn einige von denen jämmerlich scheitern, wachsen immer wieder neue nach. Die Karthager haben häufig genug nach dem Scheitern eines Heerführers das ganze Unternehmen abgebrochen, was mir den Schluss nahelegt, dass einer der 104 viel schwieriger zu ersetzen war als einer der 300. Die Entschlossenheit nicht Aufzugeben ist so auch einer der römischen Prävalenzargumente, das Du selber aufführst; eine leichter regenerierbare Führungsschicht gehört dazu.

Karthagische Menschenopfer haben wir schon diskutiert, ich möchte hier nur darauf hinweisen, dass die Karthager ihre eigenen Kinder opferten (das beste Argument der Apologeten ist heute, dass darunter Totgeborene oder Frühverstorbene einen großen Teil einnahmen, auch, dass es offensichtlich nicht alle Erstgeborenen sein konnten) im Gegensatz zu römischen Menschenopfern, die an Fremden vollzogen wurden. Nun kann man in der Antike einen generell laxen Umgang mit dem menschlichen Leben feststellen – Kinder galten erst dann als existent, wenn sie in der Familie akzeptiert wurden, das Niedermetzeln einer unterlegenen Bevölkerung gehörte zu den Standardmustern der Kriegsführung. Nichtsdestotrotz ist das rituelle Opfern der eigenen Kinder für Griechen und Römer enorm entfremdend: und auch wir haben keine Ahnung, was für ein Transzendenz- Seelen- oder Gottesverständnis dahinter steckt.

Und Entfremdung, 2. Teil: Poenulus. Der unverständlich vor sich hin brabbelnde Hanno wird immer wieder missverstanden und ist so der Lacher des Stücks, das ihn ansonsten eigentlich sehr liebenswürdig und ehrbar zeigt. Ohne den Hintergrund der Komödie wurde die Fremdheit von Schrift und Sprache als abstoßend und unverständlich hingenommen. Und generell war Karthago als Partner zwar lukrativ, aber nicht liebenswert: Der kulturelle Import aus Karthago wurde von Staats wegen in Auftrag gegeben - wie das Übersetzen des punischen Werks über die Landwirtschaft - und nicht über die Handelswege aufgedrängt, wie in griechischen Vasen und Kunstwerken. Wir können heute nur rätseln, ob da ein gewaltiger Schatz an Literatur und Kunst auf der anderen Seite der Sprachbarriere blieb. Zumindest in Hinblick auf Architektur und darstellende Kunst tauschten die Karthager ihre eigenen Formen gern gegen hellenistische ein (und hatten zuvor die "eigenen" selber aus Ägypten mitgebracht).
 
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Die Frage "warum mochte eigentlich niemand die Karthager" ist nicht leicht zu beantworten. Neben dem Konkurrenzempfinden mag sich da auch genuine Abgestoßenheit von der elitären, exklusiven Gesellschaft, der (für Griechen) schlappen kulturellen Leistung und der (für Römer) widerlichen Geschäftstüchtigkeit hineinmischen.
Nicht zuletzt: die mysteriöse, abgeschiedene, finstere Religion, Kinderopfer.
Das sind auch für mich die zentralen Punkte: Konkurrenzneid, die Fremdheit der karthagisch-phönizischen Kultur, unbekannte Götter, der Vorwurf ritueller Opferung von Kindern (obwohl das bis heute entweder widerlegt oder zumindest strittig ist) und die Präsenz punischer Kaufleute im ganzen Mittelmeer, was für bestimmte Zeiträume einem Handelsmonopol nahegekommen sein mag - zumindest im westlichen Mittelmeer.
Ich sehe den Grund hauptsächlich darin, dass die Karthager einfach für alle, von denen wir schriftliche Quellen über sie haben, Gegner waren: Auf Sizilien kämpften sie jahrhundertelang gegen die Griechenstädte, und natürlich galt auch die Sympathie der Griechen des "eigentlichen" Griechenlands eher ihren Stammverwandten als den Puniern. (Wobei freilich ignoriert wurde, dass oft einzelne Griechenstädte Siziliens auch mit Karthago verbündet waren oder gar selbst die Karthager gegen andere Griechenstädte zu Hilfe riefen.) Zu bedenken ist auch, dass sowohl Diodor als auch Polybios - also die beiden (erhaltenen) griechischen Autoren, die am meisten über Karthago geschrieben haben - zu einem Gutteil Autoren aus Sizilien benützten. Die Beziehungen zwischen Rom und Karthago waren zwar jahrhundertelang gut, allerdings haben wir aus dieser Zeit keine Quellen, die uns Aufschluss darüber geben würden, wie die Römer die Karthager damals gesehen haben. Die erhaltenen Quellen stammen erst aus einer Zeit, als die Römer bereits zwei schwere Kriege gegen die Karthager geführt hatten, dementsprechend war natürlich auch ihr Bild des Feindes. Bei den Griechen spielte für die Abneigung nicht nur gegen die Karthager, sondern generell gegen alle Phönikier sicher auch die schon angesprochene Handelsrivalität eine Rolle.

Der elitäre und exklusive Charakter der karthagischen Gesellschaft hingegen wird wohl weniger eine Rolle gespielt haben. Die karthagische Verfassung glich deutlich der römischen (nur ein vergleichsweise geringer Teil der Bevölkerung politisch berechtigt; zwei gewählte Oberhäupter; ein mächtiger oligarchischer Rat und eine Volksversammlung), und auch viele griechische Schriftsteller waren eher oligarchisch gesinnt und gaben der Verfassung Spartas (nur ein vergleichsweise geringer Teil der Bevölkerung politisch berechtigt; zwei erbliche Oberhäupter; ein mächtiger Rat und eine Volksversammlung) den Vorzug vor der athenischen - wobei aber auch die athenische Gesellschaft eher exklusiv war.

Die Unbekanntheit der Götter dürfte auch weniger eine Rolle gespielt haben, da sie ohnehin mit den griechischen und römischen identifiziert wurden (Melqart=Herakles, Tanit=Iuno, etc.). Das Problem war, wenn überhaupt, wohl eher der andersartige Kultus.
 
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In der Zeit, in der die Beziehungen zwischen Rom und Karthago "gut" waren, traten sich diese beiden Gesellschaften auch noch nicht auf die Füße: Rom war damit beschäftigt, Etrurien und das restliche Italien zu unterwerfen, Karthago schlug sich als Hegemonialmacht mit den Griechen in seinem Einflussgebiet und ging ansonsten seinen Geschäften nach. Der erste Vertrag zwischen Rom und Karthago ist gekennzeichnet von einem deutlichen Tenor der Nicheinmischung.
Aber ansonsten meine ich auch wirklich "Gesellschaft" und nicht "Staat". Zum einen war sie offensichtlich längst nicht so kriegerisch wie Rom, Syrakus, Athen und schon gar nicht Sparta: Karthager erscheinen als Offiziere von Söldnerheeren und Kapitäne/Admirale, die Option, mit riesigen Bürgerheeren über ihre Nachbarn herzufallen muss wohl schon an einem sehr exklusiven Bürgerstatus gescheitert sein. In die Enge getrieben kämpften die Karthager wie die Teufel – das zeigten sie in Mozia und Karthago selbst. Aber der Mut der Verzweiflung ist etwas anderes als die disziplinierte Aggressivität, die einen expansiven Staat ausmacht.

Sicher hast Du recht, wenn Du den andersartigen Kultus (keine andersartigen Götter) als Grund für die Entfremdung festmachst: "andersartige Götter" hat auch erst H. P. Lovecraft erfunden. Vor der großen Götter-Relativierung durch den Monotheismus konnte man einen Gott gar nicht als etwas anderes als seine Entsprechung begreifen. Die Karthager bauten keine repräsentativen Säulentempel, ihnen haftete der Ruch des Kinderopfers an (berechtigt oder nicht), sie missionierten nicht und verbreiteten keine Legenden ihrer Götter unter den anderen Völkern –
aber das kann auch ein dritter Grund der Entfremdung sein: die unverständliche Sprache. Wir wissen von den Karthagern, dass sie mit vollkommen fremden Stämmen ohne persönliche Interaktion auf Tauschbasis handelten, weshalb sollte man also punisch lernen? Für den Handel reichten sicher ein paar Brocken griechisch. Wir wissen zwar, dass es punische Bibliotheken gab, doch dass der römische Senat nur ein Buch übersetzen liess wirft ein deutliches Buch auf dessen Bildungsinteresse und auch auf die Verbreitung von Punisch als Fremdsprache.
 
@ MP: ein schöner Beitrag! :winke:

Aber ansonsten meine ich auch wirklich "Gesellschaft" und nicht "Staat". Zum einen war sie offensichtlich längst nicht so kriegerisch wie Rom, Syrakus, Athen und schon gar nicht Sparta:

Das ist tatsächlich offensichtlich. Bis zu den Punischen Kriegen hat Karthago in den 500 Jahren seines Bestehens weder große Gebiete erobert noch weiträumige expansive territoriale Ziele erkennen lassen. Karthago war mit seinen mittelmeerischen Faktoreien und Handelsstützpunkten zufrieden und zog nur in den Krieg, wenn es seine Hegemonie zur See im westlichen Mittelmeer gefährdet sah.

Selbst die Scharmützel zwischen Karthagern und Griechen, die sich jahrhundertelang hinzogen, entzündeten sich stets an griechischen Provokationen und militärischen Vorstößen. Karthago war mit seinem kleinen Gebietsteil im westlichen Sizilien um die phönizisch-punische Gründung Motye zufrieden und reagierte - abgesehen von wenigen Ausnahmen - nur auf Angriffe der Griechen, die der festen Überzeugung waren, ganz Sizilien sei griechisches Eigentum.

Sicher hast Du recht, wenn Du den andersartigen Kultus (keine andersartigen Götter) als Grund für die Entfremdung festmachst ...

Was an Reaktionen der Griechen und Römer über die Punier überliefert ist, bezeugt deutlich ein Gefühl der "Andersartigkeit" und des "Fremdseins". Dafür gibt es einleuchtende Gründe. Vor allem waren weder die Phönizier noch die ihnen stammverwandten Karthager Teil der hellenistischen Ökumene oder später der griechisch-römischen Kultur. Allein die angebliche Opferung ihrer lebenden Kinder - an der die Archäologen heute berechtigte Zweifel haben - stieß in der gesamten Mittelmeerwelt auf Ekel und Ablehnung.

Heute nehmen viele Archäologen an, dass die in Urnen gefundenen Überreste von Kindern Totgeburten oder früh verstorbene Kinder waren, die die Eltern opferten. Auf jeden Fall trug das zum ruinösen Ruf der Punier bei, ferner auch ihre Hegemonie zur See und ihr sprichwörtliches händlerisches Geschick, das bereits Homer in der Ilias erwähnt. Allerdings werden sich griechische Händler nicht sonderlich davon unterschieden haben. Hinzu kommen andere Götter wie Tanit, Baal oder Melkart, eine andere Sprache, andere Architektur usw. usw.
 
Das ist tatsächlich offensichtlich. Bis zu den Punischen Kriegen hat Karthago in den 500 Jahren seines Bestehens weder große Gebiete erobert noch weiträumige expansive territoriale Ziele erkennen lassen. Karthago war mit seinen mittelmeerischen Faktoreien und Handelsstützpunkten zufrieden und zog nur in den Krieg, wenn es seine Hegemonie zur See im westlichen Mittelmeer gefährdet sah.

Selbst die Scharmützel zwischen Karthagern und Griechen, die sich jahrhundertelang hinzogen, entzündeten sich stets an griechischen Provokationen und militärischen Vorstößen. Karthago war mit seinem kleinen Gebietsteil im westlichen Sizilien um die phönizisch-punische Gründung Motye zufrieden und reagierte - abgesehen von wenigen Ausnahmen - nur auf Angriffe der Griechen, die der festen Überzeugung waren, ganz Sizilien sei griechisches Eigentum.
Die Karthager wurden provoziert.
Die Karthager wollten nur ihre gefährdete Position verteidigen.
Fehlt eigentlich nur noch: Die Karthager wollten bloß einem Angriff zuvorkommen. - Und schon hätten wir so ziemlich das gesamte Sammelsurium an Rechtfertigungsfloskeln für Angriffskriege beisammen.

Man sollte bei aller quellenbedingter Fokussierung auf Sizilien aber auch nicht vergessen, dass das karthagische Gebiet in Nordafrika keineswegs nur die Stadt Karthago und andere phönizische Städte umfasste, sondern tief ins - damals noch fruchtbare - Landesinnere reichte, wo zahlreiche einheimische Städte und Stämme unter karthagischer Herrschaft standen. Das beruhte wohl kaum auf Freiwilligkeit.

Übrigens bestand Rom (wenn man das sagenhafte Gründungsdatum zugrundelegt - aber bei Karthago ist ebenso unsicher, wann es wirklich gegründet wurde) etwa 400 Jahre, ehe es über seine unmittelbare Umgebung hinaus expandierte, und fast 500 Jahre, ehe es über Italien hinaus expandierte. (Da war Karthago wesentlich schneller fleißig.) Trotzdem würde wohl kaum jemand den Römern einen Hang zur Expansion absprechen.

Natürlich kann man Römer, Griechen und Karthager nicht 1:1 vergleichen. Aber auch die Karthager waren bereit, sich alles auch mit Waffengewalt zu nehmen, was sie wollten, bloß dass sie das in der Regel mit Söldnern machten und nicht mit Bürgersoldaten.
 
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Ich bin der letzte, der in Apologetentum für die Karthager ausbrechen möchte, und Unschuldslämmer gab es (und gibt es) in der Geschichte nur auf den Weiden. Nichtsdestotrotz kann ich diese Anwürfe nicht so stehen lassen: wir wissen herzlich wenig über die Hegemonie, in der Karthago die dickste Nummer war. Sicher gab es "Territorialherrschaft", aber wenn Du, Ravenik, behauptest, dass Karthago damit früher angefangen habe, musst Du es beweisen: die Städte im afrikanischen Landesinneren hatten mindestens dieselbe Souveränität wie die Latiums und Etruriens, die karthagischen und phönikischen Gründungen im westlichen Mittelmeer sogar noch mehr. Utica war mit Karthago so überzwerch, dass es im dritten punischen Krieg an der Seite Roms kämpfte. Und die in der späteren Provinz Africa lebenden Libyer waren so selbständig, dass sie z. B. für den Söldnerkrieg mit Mühe und Gold gewonnen werden mussten – und den dritten punischen Krieg erst vom Zaune brechen halfen. Unterwerfung sieht anders aus (dazu schaue man nach Italien).

Das "über Afrika hinauswachsen" begann erst nach dem ersten punischen Krieg mit den barkidischen Eroberungen in Spanien (die man übrigens auch als "Privateroberungen" der Barkiden ansehen kann und bei denen es nicht klar ist, wieviel durch Bündnisse und wieviel durch kriegerische Handlungen zusammengerafft wurde). In Afrika war aber auch nichts mehr zu holen! Die schmalen Küstenstreifen des Maghreb gaben zu wenig her, die Grenzen nach Cyrene waren seit langem abgesteckt und respektiert. Wohin sollten sie sonst expandieren? Kein Wunder, dass sie in Spanien sofort auf römischen Füßen standen. Eher bemerkenswert, dass die Römer auch schon ihre Einflusssphäre an den Alpen und Gallien vorbei bis dorthin erstreckten.
 
Aber auch die Karthager waren bereit, sich alles auch mit Waffengewalt zu nehmen, was sie wollten, bloß dass sie das in der Regel mit Söldnern machten und nicht mit Bürgersoldaten.

Taten sie aber nicht!

Während Rom innerhalb von 200 Jahren Europa eroberte, begnügte sich Karthago im Verlauf von 600 Jahren mit einigen Stützpunkten im Mittelmeer und einem kleinen Drittel Siziliens im Westen der Insel. (Die großen spanischen Eroberungen erfolgten erst im Zuisammenhang mit den Punischen Kriegen).

Ganz zweifellos waren die Römer von einem starken Expansionsdrang beseelt, einem Hunger nach großen Territorien, was für die Regierung Karthagos nie eine große Rolle spielte. Karthago hätte bereits im 5. Jh. v. Chr. seine Armee aufrüsten und Italien, Südspanien und Südfrankreich besetzen können, woran offensichtlich kein Interesse bestand. Rom tat das dann an seiner Stelle.

Es ist offensichtlich, dass die geopolitischen Ziele Roms und Karthagos weit auseinanderlagen und auch das Selbstverständnis beider Staaten differierte.
 
Na ja, ich sehe schon einen Unterschied zwischen der Bereitschaft zur Expansion bei Rom und Karthago, aber es ist zu berücksichtigen, daß Karthago mehrfach die Eroberung von ganz Sizilien versuchte und scheiterte. Die geringe Expansion war wenigstens zum Teil keine weise Selbstbeschränkung, sondern Unfähigkeit gepaart mit Unentschlossenheit. Die Unentschlossenheit ist verständlich, da man als Handelsnation nicht unbedingt auf territoriale Ausdehnung aus war, aber ein zwiespältiges Gefühl bleibt.
 
Im Prinzip sind doch auch Sizilien und Spanien von den Römern eher akzidentell erobert worden. Man wollte einerseits die von den Karthagern übernommenen Städte halten, hatte aber Probleme mit dem Hinterland. Deshalb dauerte es auch ziemlich genau 200 Jahre, bis die iberische Halbinsel ganz erobert war. Rom vor den Punischen Kriegen war auf die italische Halbinsel beschränkt, ähnlich wie Karthago.
Auch Caesar hatte ja nicht den Auftrag Gallien zu erobern (und zusätzlich den Rhein zu überschreiten und nach Britannien überzusetzen), sondern tat sies auf eigene Faust. Insofern ist dieser Unterschied zwischen Rom und Karthago der hier postuliert wird nicht die Ursache des tatsächlichen Geschichtsverlaufs sondern sein Resultat. Wer konnte denn vor dem Ersten Punischen Krieg voraussehen, dass die mittelitalische Regionalmacht mal das Mittelmeer beherrschen würde, vom Euphrat bis Westafrika/Iberien und von Schottland bis zur Sahara?
Insofern sind Aussagen darüber, ob und wie Karthago expandiert wäre, wenn es nicht den Ersten und Zweiten Punischen Krieg verloren hätte (und im Dritten zerstört worden wäre) nicht wirklich zu fällen.
 
Na ja, ich sehe schon einen Unterschied zwischen der Bereitschaft zur Expansion bei Rom und Karthago, aber es ist zu berücksichtigen, daß Karthago mehrfach die Eroberung von ganz Sizilien versuchte und scheiterte.

In der Regel reagierte Karthago auf Sizilien lediglich auf militärische Provokationen der Griechen, die unerschütterlich der Meinung waren, Sizilien gehöre ihnen und Karthago müsse von der Insel vertrieben werden.

Die geringe Expansion war wenigstens zum Teil keine weise Selbstbeschränkung, sondern Unfähigkeit gepaart mit Unentschlossenheit.

Dass Karthago zu größeren Eroberungen unfähig war, möchte ich doch sehr bezweifeln. Dass das rasch gelingen konnte, zeigt die schnelle Eroberung Südspaniens. Das alles beweist, dass die geopolitischen Zielsetzungen Roms und Karthagos verschieden waren. Im Verlauf der Geschichte hat es stets Staaten gegeben, die starke expansive Kraft entfalteten, und andere, die eher den Status quo bewahren wollten. Dafür gibt es sicher jeweils unterschiedliche Gründe, aber "Unfähigkeit zu Expansion" würde ich Karthago nicht unterstellen.
 
Die geringe Expansion war wenigstens zum Teil keine weise Selbstbeschränkung

Wenn man davon ausgeht, dass Karthago erst nach 576 als eigenständige Militärmacht in Erscheinung tritt, muss man doch sagen, dass die Karthager schon recht bald in einem großen Radius militärisch aktiv wurden: Sizilien, Sardinien, Korsika, anscheinend auch schon Iberien.

Die Römer scheinen dagegen in den ersten hundert Jahren ihrer "Unabhängigkeit" vergleichsweise defensiv veranlagt gewesen zu sein.
Immerhin gelang es ihnen 396 v. Chr., das gerade mal 18 km entfernte Veii zu erobern...
 
Es gab erst spät - nach dem ersten punischen Krieg - ein größeres "karthagischen Territorium", zuvor war das ein Sammelsurium von Kolonien und Handelsposten, die teils von Karthago, teils schon lange vorher von den levantischen Städten gegründet waren und mehr oder minder lose unter karthagischer Hegemonie standen. In den Kämpfen auf Sizilien ging es nie um ein karthagischen Imperium, sondern um die Unterdrückung griechischer Hegemonialbestrebungen.
 
Taten sie aber nicht!

Während Rom innerhalb von 200 Jahren Europa eroberte, begnügte sich Karthago im Verlauf von 600 Jahren mit einigen Stützpunkten im Mittelmeer und einem kleinen Drittel Siziliens im Westen der Insel. (Die großen spanischen Eroberungen erfolgten erst im Zuisammenhang mit den Punischen Kriegen).
Dass Rom Ende des 6. Jhdts. v. Chr. bereits Europa beherrschte, ist mir neu.

Man sollte beim Vergleich schon fair bleiben: Rom und Karthago wurden der Überlieferung nach nicht allzu weit auseinander gegründet (Karthago 814, Rom 753). In der Realität wurden eventuell beide Städte erst etwas später gegründet.
Rom aber begnügte sich in seinen ersten Jahrhunderten mit einem Dasein als Stadtstaat und strebte lediglich nach der Hegemonie in Latium. Mit Ausnahme der Zerstörung Alba Longas ging es lange Zeit nicht zerstörerisch-aggressiv gegen seine Nachbarn vor. Kriege (die sich, wenn man der Überlieferung folgt, anscheinend häufig aus Grenzzwischenfällen wie Räubereien ergaben) wurden nach gewonnener Schlacht durch einen Vergleichsfrieden ohne große Änderungen am Status quo wieder beigelegt. Sogar die ersten (latinischen) Kolonien erhielten formell den Status souveräner Städte (Römer, die sich dort niederließen, verloren sogar ihr römisches Bürgerrecht), hatten auch faktisch weitreichende Autonomie und entstanden anfangs als latinische Gemeinschaftsprojekte, können also nur sehr bedingt als Anzeichen eines römischen Expansionsstrebens interpretiert werden. Erst Anfang des 4. Jhdts. v. Chr. brachte Rom mit der Zerstörung von Veii wenigstens den Tiberlauf unter Kontrolle. Erst in der 2. Hälfte des 4. Jhdts. v. Chr. brachte es Latium endgültig unter seine Kontrolle und expandierte kurz darauf nach Kampanien. Erst mit dem 1. Punischen Krieg expandierte es über Italien hinaus.
Karthago hingegen war spätestens im 6. Jhdt. v. Chr. auf Sizilien präsent (wohl kaum auf Einladung der Einheimischen) und ging aktiv gegen Griechen, die im westlichen Mittelmeerraum Kolonien gründen wollten, vor. (Hatte Karthago mehr Recht auf Kolonien als die Griechen?) Auch am Untergang von Tartessos soll Karthago nicht unbeteiligt gewesen sein. Im 6. Jhdt. machte sich Karthago auch auf Sardinien militärisch breit.
Spätestens zur Zeit des Feldzugs des Agathokles war auch das Landesinnere Tunesiens unter karthagischer Kontrolle.

Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die Verträge zwischen Rom und Karthago:
Im ersten wurde lediglich Latium als römische Interessensphäre anerkannt, während Karthago bereits ausdrücklich Sizilien als von ihm beherrschtes Gebiet bezeichnete und auch Libyen und Sardinien als seine Interessensphäre beanspruchte.
Im zweiten Vertrag nahm Karthago dann das Recht für sich heraus, auch für Utica zu sprechen, während für Rom nach wie vor nur sein Anspruch auf Latium anerkannt wurde.

Ganz zweifellos waren die Römer von einem starken Expansionsdrang beseelt, einem Hunger nach großen Territorien, was für die Regierung Karthagos nie eine große Rolle spielte. Karthago hätte bereits im 5. Jh. v. Chr. seine Armee aufrüsten und Italien, Südspanien und Südfrankreich besetzen können, woran offensichtlich kein Interesse bestand. Rom tat das dann an seiner Stelle.
Rom war von einem starken Drang nach Hegemonie beseelt - ganz wie Karthago. Dazu kam bei Rom noch ein starker Drang nach Sicherheit. Einen starken Expansionsdrang kann man den Römern aber nicht unterstellen. Eroberungen der Eroberung willen war die Ausnahme (z. B. Caesar in Gallien). Ganz im Gegenteil versuchte Rom lange Zeit tunlichst zu vermeiden, Gebiete direkt kontrollieren zu müssen, und ging erst wenn eine indirekte Kontrolle nicht klappte zur direkten Herrschaft über. Schon in Italien begnügte sich Rom großteils damit, den Städten einen Bundesgenossenstatus aufzuzwingen, übernahm aber nur die (verstreuten) Gebiete direkt, auf denen es (römische) Kolonien anlegte. Ein gutes Beispiel sind auch Griechenland und Kleinasien: Nach dem 2. Makedonischen Krieg war Rom die Hegemonialmacht Griechenlands, beschränkte sich aber darauf, den einzelnen Städten und Staaten bei Bedarf Weisungen zu erteilen bzw. als Schiedsrichter bei innergriechischen Streitigkeiten aufzutreten. Erst als sich sogar der lange Zeit zuverlässige Achaische Bund als unberechenbar erwies, ging Rom zur direkten Herrschaft über, beließ den Städten aber freilich ihre innere Autonomie. Bereits nach dem Syrischen Krieg gegen Antiochos III. hätte Rom die Herrschaft über den Großteil Kleinasiens übernehmen können, überließ die ehemals seleukidischen Gebiete aber seinen regionalen Verbündeten, insbesondere Pergamon und Rhodos. Kurz nach dem Syrischen Krieg eroberte Rom erstmals Galatien - zu einer Provinz machte es das Gebiet aber erst unter Augustus. Als Pompeius den Großteil des Nahen Ostens unter römische Kontrolle gebracht hatte, machte er trotzdem nur Syrien (das in seinen letzten Jahrzehnten als unabhängiger Staat von permanenten Bürgerkriegen zwischen zeitweise einem halben Dutzend gleichzeitigen Königen heimgesucht worden war, weswegen Rom die Hoffnung aufgegeben hatte, dass sich dort ein zuverlässiger Vasall würde halten können) zur Provinz, nicht aber den Großteil Kleinasiens, Armenien oder Iudaea. Es kam sogar vor, dass römische Provinzen wieder in Klientelstaaten rückgewandelt wurden. (Übrigens war Rom bei seinem Hegemoniestreben auch der Schutz italischer Geschäftsleute stets ein großes Anliegen.)
Andere Gebiete eroberte Rom, um seine Gegner zu schwächen (z. B. Spanien), wieder andere im Sinne einer Vorfeldsicherung, um römisches Territorium gegen Raubzüge angrenzender "Barbaren" zu schützen (z. B. Norditalien, Balkan) - was freilich oft ein Fass ohne Boden war, weil jenseits der neuerworbenen Gebiete wiederum Barbaren hausten. Sogar der Angriff auf Karthago im 3. Punischen Krieg war innenpolitisch heftig umstritten, weil es massive Bedenken gab, selbst nach Nordafrika zu expandieren, man das karthagische Gebiet aber auch nicht Massinissa überlassen wollte. Ein weiteres Motiv war das Streben einzelner Feldherrn nach Ruhm und Triumphzügen, z. B. die zahlreichen Feldzüge römischer Konsuln in Ligurien im 2. Jhdt. v. Chr., in denen sie eine Schlacht schlugen und ein bisschen plünderten und dann triumphierten, aber ohne Ligurien wirklich erobern zu wollen. Auch Caesars Gallienkrieg fällt von der Motivation her eher in diese Kategorie, auch wenn er Gallien dauerhaft besetzte.
 
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Ravenik, ich glaube, Du übersiehst da was: zum einen sträubst Du Dich gegen das unterschiedliche "Territorialkonzept" Karthagos und Roms (Handelsstationen und Küstenstädte mit relativ wenig Hinterland gegen raumgreifende Agrikultur und zentrale, befestigte Landstädte). Sardinien und Korsika mussten nach ihrer Annektion von den Römern wieder erobert werden, und zwar nicht von den Puniern, sondern den Ureinwohnern. Du wirst keine einzige genuin punische Stadt finden, die im Landesinneren liegt; auch Städte wie Thougga waren libysche Siedlungen, die einer allmählichen "Punisierung" unterlagen.
Zum anderen: wie machten Römer ein Land zur Provinz, also zu "ihrem Eigentum?" Abgesehen davon, dass erst Pompeius überhaupt das Provinzsystem ordnete und gesetzlich regelte: nur in einem Fall kam Rom ohne Vernichtung an eine Provinz – die Erbschaft von Asia. Ansonsten wurde das Gebiet erobert und die Widerstand leistenden Einwohner zum großen Teil umgebracht und/oder versklavt. Anschließend wurden dort Römer angesiedelt. Um diese Landnahme zu betreiben, braucht man ein stark wachsendes Volk und auch ein adaptives System, was Bürgerschaft anbelangt (die Integration der Adelsschichten unterworfener Stämme leistete einen Gutteil der Romanisierung).
Zumal letzteres können wir bei Karthago mit der Lupe suchen und nicht finden. Das Volk blieb klein, es blieb unter sich, auch wenn es gerne Kontakte knüpfte und Handel trieb (dass dieser Handel fugenlose Grenzen zur Räuberei hatte ist unbestritten). In der Gründungslegende Karthagos erfolgt die Ansiedlung übrigens überaus friedlich, wenn auch listig; ich weiß von keiner einzigen punischen Siedlung, die gegen den entschiedenen Willen der Ureinwohner gegründet worden ist (und Tartessos muss erst einmal gefunden werden).
 
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