Keltische Oppida in germanischer Hand

Die Auflösung findet sich bei Ammianus (18,2,7) selbst: Iulianus lehnte es ab, den Rhein über die bei Mainz bestehende Brücke zu überqueren ("per pontem illic constitutum transiri"), weil die unmittelbaren Anrainer mit den Römern befreundet waren und er sie nicht durch den Durchzug eines Heeres (mit seinen unerfreulichen Begleiterscheinungen) provozieren wollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
wann soll die Brücke denn im 4.Jahrhundert zerstört worden sein ?
Die Siedlung Kastel ist in der Mitte des 3. Jahrhunderts zerstört worden, war aber,um 300 n.Chr. als Brückenkopfbefestigung mit samt der römischen Rheinbrücke wiederhergestellt worden wie das Lyoner Bleimedaillion zeigt
Daneben soll auch eine Mainbrücke aus Holz zwischen Kostheim und Gustavsburg existiert haben.
Ich könnte mir allerdings folgendes vorstellen:
Es scheint damals auch üblich gewesen zu sein bei grösseren
militärischen Operationen Schiffbrücken über den Rhein zu schlagen, besonders wenn diese anfänglich geheim bleiben sollten. Valentinian hat das bei seiner (erfolglosen) Operation gegen Macrian 374 auch getan und sogar zufällig vorbeikommende Händler erschlagen lassen um die Geheimhaltung zu wahren. Julian wird diese Taktik daher vermutlich ebenfalls angewendet haben.
 
Niemand sieht die Quellen als obsolet an. Aber man muss doch den Kontext sehen, sonst ist eine solche Quelle wertlos. Tacitus zählt sicherlich schön brav Namen auf, die ihm genannt wurden, beschreibt Lebensgewohntheiten, wie sie ihm berichtet wurden, aber er kann nicht die Dynamik von Gesellschaften beschreiben. Er kann nicht unterscheiden, zwischen einem Traditionsverband ("Stamm?"), der irgendwo siedelt, und einem kurzzeitigen Zusammenschluss als Krieger. Von Umbildungen, Neubildungen, Zweckgemeinschaften hat er keine Ahnung. Er beschreibt eine Statik, die es schon um 100, definitiv aber um 300, 400 überhaupt nicht mehr gab.
Zustimmung.

Es ist sehr problematisch, hier Tacitus und Ammianus gemeinsam als Zeugen heranzuziehen, die Veränderungen dieser 200+ Jahre waren enorm. Die Situation an der Rheingrenze findet man allerdings bei Historikern wie Michael Kulikowski oder Mischa Meier wesentlich treffender beschrieben, und die hat nichts mehr mit den romantischen Vorstellungen des Kriegerbauern zu tun, auch wenn es selbigen tatsächlich 500 Jahre früher noch gegeben hat.

Auch diesbezüglich Zustimmung. Hier sind mehr als 200 Jahre ins Land gezogen und die antiken Gesellschaften haben sich deutlich geändert.
Bei den aktuellen Autoren ist es halt als Leser so, dass man dem einen eher zuneigt als als den anderen. Aber das Lesen von Büchern ist eigentlich nie verkehrt, wenn es sich nicht als esoterischen Stuss entpuppt.
 
Belegt ist jedoch, dass zwischen den Völkern im Westen (keltische Kultur) und im Osten (Steppenvölker) einen dazwischen liegenden einheitlichen Kulturraum gab.
"Einheitlich" war der ja nicht wirklich, wie Du gleich im nächsten Satz einräumst. Natürlich kann man regionale Kulturen nach bestimmten Merkmalen zusammenfassen (siehe folgendes Beispiel). Ob die nach diesen Merkmalen definierten "Kulturräume" für die jeweiligen Träger dieser Kulturen aber irgend eine Relevanz besessen haben, muss gleichwohl offen bleiben.
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Ich wüsste keinen Grund, warum Tacitus sich die Mühe gemacht haben sollte, einfach Namen von Stämmen zu erfinden und diese nach Himmelsrichtungen aufzureihen. Um irgendwelchen Nazis mehr als 1.800 Jahre später und ihren selbsternannten heutigen Erben einen Gefallen zu tun?
Wogegen versuchst Du gerade zu argumentieren bzw. zu polemisieren?
Hat denn jemand versucht, Tacitus als Erfinder von Stammesnamen hinzustellen?

Die Schriftquellen geben meines Erachtens einfach eine Situation wieder, so wie sie irgendwann zu Zeiten der julisch/claudischen Dynastie und vielleicht auch noch unter den Flaviern bestand.
Tacitus bemüht sich in seiner "Germania" ganz offensichtlich, die zeitgenössische Situation (also in bereits nachflavischer Zeit) zu beschreiben.
Ptolemaios hingegen scheint zum Teil ältere Quellen verwendet zu haben. Am Oberrhein verortet Tacitus die agri decumates, während Ptolemaios noch von der Einöde der Helvetier schreibt.
Die Liste der Stämme unmittelbar am Rhein, also in direkter Nachbarschaft der Römer, liest sich doch sehr unterschiedlich:
Bei Ptolemaios finden wir links des Rheins von Nord nach Süd:
- Kleine Brukterer
- Sugambrer
- Langobardische Sueben
- Tenkterer
- Inkrionen
- Intuerger
- Vargionen
- Karitner
- Visper
- Einöde der Helvetier

Bei Tacitus finden wir links des Rheins von Nord nach Süd:
- Friesen
- Chasuarier
- Dulgubner*
- Angrivarier*
- Chamaver
- Tenkterer
- Usiper
- Chatten
- Agri Decumates
* auf dem ehemaligen Gebiet der Brukterer, die jetzt gänzlich vertrieben und ausgerottet seien

Die Liste des Plinius ist leider wegen einer Abschreibfehlers verloren gegangen; wir wissen aber, dass er wie Ptolemaios die Chatten nicht am Rhein, sondern im Inneren Germaniens verortete (im Gegensatz zu Dio und Tacitus, wo sie als Rhein-Anrainer erscheinen.)
Es ist sehr problematisch, hier Tacitus und Ammianus gemeinsam als Zeugen heranzuziehen, die Veränderungen dieser 200+ Jahre waren enorm.
Der Unterschied zwischen Tacitus und Ptolemaios ist bereits enorm.

Professor Meyer verweist in einem Artikel in der "Archäologie für Deutschland" auch auf eine feinere kulturelle Trennung innerhalb der Rhein-Weser-Gruppe zwischen westlich und östlich der Weser. Und schon darf sich der Anhänger von Tacitus hier zwei unerschiedliche germanische Stämme vorstellen
Wo erwähnt denn Tacitus (oder sonst einer der altrömischen Autoren) die Weser als Grenzfluss zwischen germanischen Stämmen?
Soweit uns die antiken Gewährsleute Hinweise liefern, siedelten die Cherusker zu beiden Seiten der Weser.
Ptolemaios erwähnt die Weser als "Grenzfluss" nur zwischen den Chaukern und - den Chaukern...

Das von Mommsen und Co. in Übereinstimmung mit den antiken Schriftstellern als germanisch bezeichnete Gebiet schloss im Westen und Süden an das Römische Reich an. Man hatte mit den römischen Provinzen nachweislich umfangreichen Handelsaustausch. Und trotzdem tauschten die Bewohner Germaniens nur ein eingeschränktes Warenprogramm ein. Obwohl die Möglichkeit bestand, wollte man nicht so leben, wie es die römischen Provinzbewohner taten. Man wollte keine römischen Häuser, man wollte keine römischen Hierarchien, nicht einmal römische Rüstungen waren zum Weitergebrauch gewollt.
Hier lässt Du die linksrheinischen Germanen außer Acht, die sich anscheinend recht schnell romanisierten. Damit entstand an Rhein, Limes und Donau eine ziemlich scharfe Kulturgrenze, eine solche hatte es in vorrömischer Zeit nicht gegeben, und es gab sie auch in römischer Zeit nicht an der Weichsel (oder wo immer Du die germanische "Ostgrenze" ansetzen möchtest).

Tauchen in römische Quellen Rex oder Dux auf, so verschwinden diese schnell wieder. Es gibt keine Dynastien über einen längeren Zeitraum.
Und welche gallischen Dynastien über einen längeren Zeitraum würdest Du im Gegensatz dazu benennen?
 
Die Auflösung findet sich bei Ammianus (18,2,7) selbst: Iulianus lehnte es ab, den Rhein über die bei Mainz bestehende Brücke zu überqueren ("per pontem illic constitutum transiri"), weil die unmittelbaren Anrainer mit den Römern befreundet waren und er sie nicht durch den Durchzug eines Heeres (mit seinen unerfreulichen Begleiterscheinungen) provozieren wollte.

Allerdings hatte Severus schon in 17.10.1 eine Brücke gebaut, da ist von Rücksichtnahme keine Rede.
Schon in 17.1.1. ist davon die Rede, dass Julian eine Brücke plant, das Militär aber dagegen ist.
Offensichtlich bestand da keine feste Brücke. Möglicherweise wurde sie genau zu dieser Zeit wieder errichtet und war zur Zeit von 18.2.7 vorhanden
 
Wogegen versuchst Du gerade zu argumentieren bzw. zu polemisieren?
Hat denn jemand versucht, Tacitus als Erfinder von Stammesnamen hinzustellen?
Das ist noch der Nachklang zu einer anderen Diskussion.
https://www.geschichtsforum.de/them...sonderausstellungen.15025/page-24#post-826986

"Einheitlich" war der ja nicht wirklich, wie Du gleich im nächsten Satz einräumst. Natürlich kann man regionale Kulturen nach bestimmten Merkmalen zusammenfassen (siehe folgendes Beispiel).
Hilf mir mal bitte, was ist durch die gelbe Farbe in dem eingefügten Bild gemeint?
Ich komme mit meinen bescheiden Fähigkeiten nicht drauf, was diese Länder verbinden könnte.

Tacitus bemüht sich in seiner "Germania" ganz offensichtlich, die zeitgenössische Situation (also in bereits nachflavischer Zeit) zu beschreiben.
Für die Germania ist das ein Argument. Was ist mit den Annales von Tacitus?

Ich gehe auf Deinen weiteren Beitrag noch ein, muss aber gerade etwas anderes erledigen.
 
Hilf mir mal bitte, was ist durch die gelbe Farbe in dem eingefügten Bild gemeint?
Ich komme mit meinen bescheiden Fähigkeiten nicht drauf, was diese Länder verbinden könnte.

Dann bist Du offensichtlich mit den Kulturkreisen des frühen 21. Jahrhunderts nicht gut vertraut. ;)

Rot sind die Länder, in denen überwiegend Wein konsumiert wird.
Gelb sind die Länder, in denen überwiegend Bier konsumiert wird.
Blau sind die Länder, in denen überwiegend die harten Sachen (Wodka, Borovička) konsumiert werden.
Liste der Länder nach Alkoholkonsum – Wikipedia

Archäologen künftiger Jahrtausende würden das anhand der vorzugsweise verwendeten Trinkgefäße sicher noch etwas differenzierter kartieren, wobei die Grenzen der archäologischen Kulturzonen natürlich nicht entlang der politischen Grenzen verlaufen würden, sondern z. B. entlang von Mosel und Oberrhein etwas weiter ostwärts...
 
Archäologen künftiger Jahrtausende würden das anhand der vorzugsweise verwendeten Trinkgefäße sicher noch etwas differenzierter kartieren, wobei die Grenzen der archäologischen Kulturzonen natürlich nicht entlang der politischen Grenzen verlaufen würden, sondern z. B. entlang von Mosel und Oberrhein etwas weiter ostwärts...

Und der legendäre Grenzkrieg zwischen den Rieslingern und den Bocksbeutlern kann am Main ganz eindeutig archäologisch nachgewiesen werden.
 
Und der legendäre Grenzkrieg zwischen den Rieslingern und den Bocksbeutlern kann am Main ganz eindeutig archäologisch nachgewiesen werden.

Ah ja, die Bocksbeutler, wie konnte ich die nur vergessen!!!

Der Bock heißt auf althochdeutsch buc, da werden die Römer die antiken Bocksbeutler wohl zu Bucinobantes verballhornt haben - nun haben wir am Ende doch die Urheimat der Bucinobanten gefunden und den Beweis für eine Jahrtausende überdauernde Stammeskontinuität erbracht!
 
Ich dachte schon, dass wären die Länder, in denen Du Tankstellen des BFT finden konntest.

:D

Tacitus bemüht sich in seiner "Germania" ganz offensichtlich, die zeitgenössische Situation (also in bereits nachflavischer Zeit) zu beschreiben.
Ptolemaios hingegen scheint zum Teil ältere Quellen verwendet zu haben. Am Oberrhein verortet Tacitus die agri decumates, während Ptolemaios noch von der Einöde der Helvetier schreibt.
Die Liste der Stämme unmittelbar am Rhein, also in direkter Nachbarschaft der Römer, liest sich doch sehr unterschiedlich:
Bei Ptolemaios finden wir links des Rheins von Nord nach Süd:
- Kleine Brukterer
- Sugambrer
- Langobardische Sueben
- Tenkterer
- Inkrionen
- Intuerger
- Vargionen
- Karitner
- Visper
- Einöde der Helvetier

Bei Tacitus finden wir links des Rheins von Nord nach Süd:
- Friesen
- Chasuarier
- Dulgubner*
- Angrivarier*
- Chamaver
- Tenkterer
- Usiper
- Chatten
- Agri Decumates
* auf dem ehemaligen Gebiet der Brukterer, die jetzt gänzlich vertrieben und ausgerottet seien

Die Liste von Claudius Ptolemäus ist an sich diskussionswürdig. Ptolemäus wurde zeitlich sicherlich deutlich nach Tacitus geboren. Durch die Helvetiereinöde kann dessen Liste frühestens eine Zeit ab 55 vuZ wiedergeben.

Der Liste von Ptolemäus können wir durch die Informationen aus den Annales als auch den Historien von Tacitus prüfen. Diese decken einen Zeitraum von 14 uZ bis zum Bataveraufstand 69/70 uZ ab. Die Stämme, die Tacitus nicht kennt - aber eigentlich erwähnen müsste - können wir dann in der Zeit davor einordnen oder aber - soweit begründet - als falsch verortet streichen. Die Langobardischen Sueben erscheinen mir gleich als diskussionswürdig. Brukterer, Sugambrer und Tenkterer sind dagegen anderweitig belegt. Auffällig ist, dass Ptolemäus hier wohl den Niederrhein nicht abdeckt.

Wo erwähnt denn Tacitus (oder sonst einer der altrömischen Autoren) die Weser als Grenzfluss zwischen germanischen Stämmen?
Soweit uns die antiken Gewährsleute Hinweise liefern, siedelten die Cherusker zu beiden Seiten der Weser.
Ptolemaios erwähnt die Weser als "Grenzfluss" nur zwischen den Chaukern und - den Chaukern...
Nehm ich. Ein Grenzfluss zwischen den Chaukern und den Chaukern.

Hier lässt Du die linksrheinischen Germanen außer Acht, die sich anscheinend recht schnell romanisierten. Damit entstand an Rhein, Limes und Donau eine ziemlich scharfe Kulturgrenze, eine solche hatte es in vorrömischer Zeit nicht gegeben, und es gab sie auch in römischer Zeit nicht an der Weichsel (oder wo immer Du die germanische "Ostgrenze" ansetzen möchtest).

Ich hoffe hier auf Konsens - da eigentlich Stand der Wissenschaft. Die Gemania Inferior war nie so romanisiert wie die Germania Superior. In der Germania Inferior finden Ausgräber Wohn-/Stallhäuser germanischen Typs auch noch aus claudischer Zeit. Jedoch wurde hier ein Druck auf die dort siedelnde Bevölkerung ausgeübt. Sie mussten dem römischen Staat oder den Steuerpächtern Steuern abliefern. Das ging aber nur mit einer Überschusswirtschaft. Will heißen, Leben unter römischer Herrschaft bedingte ein Leben nach gallorömischen Regeln. Jedoch sind da die Schriftquellen schlecht. Vielleicht gab es immer wieder Menschen, die auf die rechte Rheinseite übersiedelten, weil ihnen die römische Lebensweise nicht gefiel. Wer weiß.

Und im Osten der Germania gab es einen Übergang zu den nomadischen Lebensweisen der Steppenvölker. Hast Du dich mit der entsprechenden russischen und ukrainischen Literatur beschäftigt? Besitzt Du da Literatur, welches sich mit diesen Grenzgebieten beschäftigt? Mein Eindruck ist der, dass sich deutsche Archäologen nicht in diesen Gebieten betätigen. Das mag sicherlich historische Gründe haben. Dementsprechend sind auch Fundberichte in deutscher Sprache nach 1944 wohl eher rar.


Und welche gallischen Dynastien über einen längeren Zeitraum würdest Du im Gegensatz dazu benennen?

https://de.wikipedia.org/wiki/Orgetorix

Es soll bei den Galliern ein todeswürdiges Verbrechen gewesen sein, die Königswürde anzustreben. Wir haben ja einen scharfen Kulturbruch zwischen Hallstadt- und La Tene-Zeit. Aus der Hallstadt-Zeit sind Dynastien zu belegen, in dem wir mehrere Grabhügel von Fürstengräbern an einem Ort finden, welche sich zeitlich aneinanderreihen lassen. Da es sich um eine schriftlose Zeit handelt, können wir jedoch keine Namen nennen. Du wirst jetzt sicherlich einwenden, dass es sich nicht unbedingt um Dynastien handeln muss. Da wärst Du aber wissenschaftlich in einer Minderheitenposition.

Für die Frühlatene-Zeit wurden reich ausgestattete Gräber gefunden, welcher einer Herrschaftsschicht gehörten. Laut Caesar wurde in der Zeit des gallischen Krieges die Gallier von Druiden und Rittern geführt. Wenn wir nach keltischen Königen suchen, werden wir im Noricum fündig. Da gibt es ein Königreich, von welchem aber nur zwei Könige namentlich auf uns gekommen sind. Daher ist auch hier keine Dynastie belegbar.

Was nun zur Konsequenz hätte?
Zwischen Kelten und Germanen gab es kulturell keinen Unterschied? Das meinst Du sicher nicht. Also haben wir uns einmal sinnlos im Kreis gedreht.
 
Zwischen Kelten und Germanen gab es kulturell keinen Unterschied?

Hier möchte ich nochmal einhaken. Zumindest die Funde im heutigen Deutschland verwischen und vermischen sich doch arg, da finden wir eine breite Grauzone. Wenn wir HEUTE also nicht das Vorwissen hätten, dass es dort Großgruppen gab, die wir "Kelten" bzw. "Germanen" nennen, würden wir die Unterscheidungen vielleicht ganz anders treffen.
Die Menschen damals ahnten aber gar nicht, dass sie Germanen oder Kelten sein sollten. Fühlte sich ein vermeintlicher Kelte vom Neckar einem Gallier aus Nantes näher verbunden als einem Cherusker aus Bielefeld?
Konnten sie sich zumindest sprachlich besser verständigen, oder nicht mal das?

Stülpen wir diesen Kulturen nicht etwas über, was es in der Realität nie gab ?

Wenn wir lange genug suchen, finden wir sicher auch im archäologischen Befund Übereinstimmungen zwischen Tolteken und Tamilen. Was konstruieren wir nun daraus?
 
Hier möchte ich nochmal einhaken. Zumindest die Funde im heutigen Deutschland verwischen und vermischen sich doch arg, da finden wir eine breite Grauzone. Wenn wir HEUTE also nicht das Vorwissen hätten, dass es dort Großgruppen gab, die wir "Kelten" bzw. "Germanen" nennen, würden wir die Unterscheidungen vielleicht ganz anders treffen.
Bis hierher gehe ich mit.

Die Menschen damals ahnten aber gar nicht, dass sie Germanen oder Kelten sein sollten. Fühlte sich ein vermeintlicher Kelte vom Neckar einem Gallier aus Nantes näher verbunden als einem Cherusker aus Bielefeld?
Konnten sie sich zumindest sprachlich besser verständigen, oder nicht mal das?
Hier gehe ich nicht mehr mit.
 
Anhand überlieferter Ortsnamen und z.T. bis heute tradierter Toponyme kannst du unterstellen, dass Südwestdeutschland zur Keltike gehörte. Ich halte nichts davon, den Relativismus zum Prinzip zu erheben und das Kind mit dem Bade auszuschütten. Dort wo wir nur archäologisches Material haben, müssen wir vorsichtig sein, weil die Kulturkreise bei weitem nicht so scharf umrissen sind, wie das manchmal erscheint, wenn wir von La Tène, Jastorf etc. sprechen.
 
Anhand überlieferter Ortsnamen und z.T. bis heute tradierter Toponyme kannst du unterstellen, dass Südwestdeutschland zur Keltike gehörte.

Dem widerspricht ja keiner. Trotzdem finde ich die Frage berechtigt, in wie weit man sich mit einem Gallier verständigen konnte. [Das habe ich oben unklar ausgedrückt] Angesichts der Tatsache, dass man etwa hier im Mittelhessischen Raum oft schon Mühe hat, den Dialekt des Nachbardorfes zu verstehen, ist das nicht so abwegig.
Noch dazu kann man fragen, ob alle Untertanen eines "Keltenfürsten" keltisch sprachen, wie weit da die Vermischung ging. Wenn es die scharfe Abgrenzung nicht gab, wenn es Mischzonen gab, wovon auszugehen ist, welche Bedeutung hat das dann für die jeweilige "Ethnie"? Kann ich das archäologisch überhaupt fassen, wenn ich das Hügelgrab des Kriegerfürsten ausgrabe?
 
Die Liste von Claudius Ptolemäus ist an sich diskussionswürdig.
Diskussionswürdig sind alle Angaben der antiken Autoren. Wenn ich schreibe: "Tacitus bemüht sich...", heißt das nicht, dass Tacitus grundsätzlich aktuellere und bessere Informationen vorlagen als Ptolemaios. Manchmal ist sogar tatsächlich das Gegenteil der Fall. Ptolemaios kennt zum Beispiel die Burgunder, die bei Plinius erstmals erwähnt werden, bei Tacitus aber nirgends auftauchen.

Ptolemäus wurde zeitlich sicherlich deutlich nach Tacitus geboren. Durch die Helvetiereinöde kann dessen Liste frühestens eine Zeit ab 55 vuZ wiedergeben.
Andererseits kennt Ptolemaios in derselben Ecke die zweifellos flavische Gründung Arae Flaviae.

Ich hoffe hier auf Konsens - da eigentlich Stand der Wissenschaft. Die Gemania Inferior war nie so romanisiert wie die Germania Superior. In der Germania Inferior finden Ausgräber Wohn-/Stallhäuser germanischen Typs auch noch aus claudischer Zeit.
Das wäre noch Jahrzehnte vor der "Germania". Die Romanisierung erfasste natürlich nicht alle Regionen und alle Lebensbereiche gleichzeitig. Auch die Wohnumstände lassen nicht unbedingt erkennen, was in den Köpfen der Bewohner vorging. Wohn-Stall-Häuser in "germanischer" Tradition finden sich noch sehr lange im Gebiet der Bataver. Ausgerechnet in diesen ländlichen Siedlungen wurden aber überraschend viele Siegelkapseln gefunden, was belegt, dass in diesen Häusern lateinisch gelesen, geschrieben und demnach wohl auch gesprochen wurde.

Und im Osten der Germania gab es einen Übergang zu den nomadischen Lebensweisen der Steppenvölker.
An der Weichsel, die als Ostgrenze der Germania galt, sind wir noch ein gutes Stück von der eurasischen Steppe entfernt.
Es ist archäologisch bislang nicht gelungen, die Vorfahren der Slawen zu entdecken, die ja auch irgendwo gewohnt haben müssen, ebenso wie die Vorfahren der Pruzzen. Und die Kategorisierungen, die Tacitus anbietet, sind auch nicht wirklich hilfreich. Was sollen wir mit Tacitus' Angaben zu den Aestiern anfangen, die hinsichtlich der Bräuche eher zu den Sueben, hinsichtlich der Sprache eher zu den Briten gehören?

Was nun zur Konsequenz hätte?
Zwischen Kelten und Germanen gab es kulturell keinen Unterschied? Das meinst Du sicher nicht. Also haben wir uns einmal sinnlos im Kreis gedreht.
Wenn ich mich nicht irre, hattest Du das Fehlen von Dynastien über einen längeren Zeitraum ins Spiel gebracht, um die Unterschiede zwischen Kelten und Germanen zu illustrieren.
 
das Problem wurde ja öfter diskutiert insbesondere für den Bereich rechts und links des Rheins, wo wir in vielen Fällen auch die gleiche keltisch geprägte Sachkultur vorfinden . M-E. war in diesem Bereich die Unterteilung in Kelten und Germanen eine politisch-propagandistische die seit Caesars Gallierkriegen bestand und von den antiken Schriftstellern schlicht übernommen wurde, ohne dass es dafür eine sachliche Basis gab, . will heissen nach römischer Tradition waren halt alle Linksrheiner Kelten, alle Rechtsrheiner Germanen unabhängig von ethnologisch-kultureller Ausprägung.

Aber um nochmal auf die Mainzer Rheinbrücke zu kommen,-Wann soll diese denn nun im 4.Jahrhundert zerstört worden sein und von wem ?
 
Auch heute - nach gut 170 Jahren archäologische Forschung - gibt es immer noch keine Funde germanischer Herrschersitze. Die germanische Gesellschaft zeichnete sich durch eine flache Hierarchie aus. Tauchen in römische Quellen Rex oder Dux auf, so verschwinden diese schnell wieder. Es gibt keine Dynastien über einen längeren Zeitraum.
Wenn ich mich nicht irre, hattest Du das Fehlen von Dynastien über einen längeren Zeitraum ins Spiel gebracht, um die Unterschiede zwischen Kelten und Germanen zu illustrieren.
Du irrst. Ich hatte keinen Vergleich zwischen Germanen und Kelten vorgenommen. Ich habe als besonderes germanisches Merkmal erwähnt, dass sie keine Dynastien und flache Hierarchien hätten. Dies könnte man nun auch mit dem östlichen Mittelmeerraum oder Ägypten vergleichen. Ist aber egal, da ich diese Position nun ein Stück weit revidiere.

Obige Passage ist vorrangig von Professor Schmauder übernommen. Dies ist aber bei Thomas Fischer und bei anderen namhaften Autoren ähnlich zu lesen. Leider bin ich hier wegen Home Office in einer Wohnung ohne meine Büchersammlung. Bis auf einem Übersichtsband über das römische Reich (von Roms Stadtgründung bis zum Untergang des Weströmischen Reiches) habe ich hier nichts. Als Einstieg für Laien geeignet. :( Ich muss also aus dem Gedächtnis schreiben. Danke Sars-Cov-2.

Heute habe ich einen sehr interessanten Artikel von dem nunmehrigen Professor Jan Schuster von der Universität Lodz gelesen. Hier ein Einstieg in das damalige Projekt.
https://www.vfgarch.uni-bonn.de/forschung-europa/abgeschlossene-projekte/luebsow

Er berichtet im "Archäologie in Deutschland" Ausgabe 05/2020 von den sechs Elitegräbern in Lübsow.
https://de.wikipedia.org/wiki/Prunkgräber_von_Lübsow

Der Artikel ist überschrieben mit "Ihre Eliten - ein unvollständiges Puzzle". Schuster plädiert dafür, sich von einer Vorstellung von germanischen Königen, Fürsten und Herzöge zu lösen. Er plädiert für Begriffe wie Häuptling oder "Big Man", welche diese Eliten eher beschreiben würde.

Erkennbar werden diese Eliten anhand von Gold- und Silberschmuck, welchen er als möglichen Ornatcharakter beschreibt. Eine Besonderheit in den Grablegen der Eliten sei, dass diesen mehrere Sätze von Prunkbekleidung in das Grab mitgegeben wurde. Diese Ausstattung wurde extra für die Beerdigung produziert und war nicht gebrauchsfertig. Körpergräber und Brandgräber wechselten je nach Ort, aber auch am selben Ort in der zeitlichen Abfolge. Schuster schreibt, dass über mehrere Generationen wertvolle Gegenstände gesammelt wurden, teilweise Antiquitäten - um diese dann einer Person der Familie nach mehreren Generationen mit ins Grab zu geben. Kann man das schon als Dynastie beschreiben? Auf jeden Fall stammen die schlecht dokumentierten Gräber aus Lübsow aus dem 1. bis 2. Jahrhundert uZ. Also über mehrere Generationen.

Ähnliche Prunkgräberansammlungen finden wir in Mitteldeutschland, Dänemark und in der Slowakei. Auch hier wurden über Generationen an einem Ort Prunkgräber angelegt. Wir finden also auch in der Germania Zentren mit Prunk und Machtdemonstration.

Wohn-Stall-Häuser in "germanischer" Tradition finden sich noch sehr lange im Gebiet der Bataver. Ausgerechnet in diesen ländlichen Siedlungen wurden aber überraschend viele Siegelkapseln gefunden, was belegt, dass in diesen Häusern lateinisch gelesen, geschrieben und demnach wohl auch gesprochen wurde.
Die Bataver stellten in der julisch-claudischen Zeit Kavallerie-Einheiten für die Römer. Diese hatten einen hohen Nimbus, was über die übliche Auxilia hinausging. Wir kennen aus Ausgrabungen besonders prächtige und teure Reiterhelme und andere Militärausrüstung. Ich könnte mir vorstellen, dass die Tätigkeit in römischen Diensten den Gebrauch der lateinischen Sprache und der Schrift zumindest für Vorgesetzte bei den Batavern zwingend machte. Trotzdem war dieser Stamm dann in dem Bataveraufstand namensgebende Partei.
An der Weichsel, die als Ostgrenze der Germania galt, sind wir noch ein gutes Stück von der eurasischen Steppe entfernt.
Nein. die Weichsel durchfloss das Gebiet der östlichen Germanen. Deren Gebiet geht deutlich weiter nach Osten.

Wiki schrieb:
Przeworsk-Kultur (ältere Bezeichnungen: Oder-Warthe-Gruppe für die frühen Phasen der Przeworsk-Kultur, in Deutschland traditionell Wandalische Kultur) ist der Name einer eisenzeitlichen archäologischen Kultur auf dem Gebiet des heutigen Polens zwischen Warthe/Netze, Oder, Bug und Karpatenbogen.

...
Einflüsse der Przeworsk-Kultur finden sich bei der in der Lausitz liegenden Gubener Gruppe und bei der Poienești-Lukaševka-Kultur auf dem Gebiet des heutigen Moldawien. Przeworsk-Siedlungen neben und Keramikfunde in einheimischen Fundstellen sind im 2. Jahrhundert v. Chr. im Elbgermanischen Gebiet um Mittelelbe und Saale deutlich zu fassen. In geringerem Umfang sind im 1. Jahrhundert v. Chr. Przeworsk-Funde auch bis in die noch keltische Wetterau hinein feststellbar, was als Ansiedlung von aus dem Osten eingewanderten Bevölkerungsteilen gedeutet wird.[4]
https://de.wikipedia.org/wiki/Przeworsk-Kultur
Der Bug und Moldawien sind östliche Marken der wandalischen Gruppen.

Es ist archäologisch bislang nicht gelungen, die Vorfahren der Slawen zu entdecken, die ja auch irgendwo gewohnt haben müssen, ebenso wie die Vorfahren der Pruzzen. Und die Kategorisierungen, die Tacitus anbietet, sind auch nicht wirklich hilfreich.
Wenn Du das Rätsel löst, bekommst Du sicherlich in Polen den Weißen-Adler-Orden und zusätzlich freien Eintritt auf Lebenszeit in den Wawel
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber um nochmal auf die Mainzer Rheinbrücke zu kommen,-Wann soll diese denn nun im 4.Jahrhundert zerstört worden sein und von wem ?

Ich weiß nicht, wen diese regionalgeschichtliche Seite zitiert, aber hier wird es erwähnt:
https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/mainz/kulturdenkmaeler/rheinbruecken.html

Zudem spricht meiner Ansicht nach die oben erwähnte Stelle in Ammianus 17 dafür, dass zu dieser Zeit keine bestand.
In 17.1. ist Julian noch in Zabern und muss sein Militär erst überzeugen, dass eine Brücke gebaut werden muss.
In 17.10 wird eine weitere Brücke gebaut. Und in 18. noch einmal, und erst dort ist davon die Rede, nicht die exisitierende feste Brücke zu benutzen.
Klingt auch für mich danach, als wäre sie in den Wirren der 350-ern zerstört worden, als Alamannen auch auf linksrheinisches Gebiet vordrangen und dann wieder aufgebaut worden
 
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