Belegt ist jedoch, dass zwischen den Völkern im Westen (keltische Kultur) und im Osten (Steppenvölker) einen dazwischen liegenden einheitlichen Kulturraum gab.
"Einheitlich" war der ja nicht wirklich, wie Du gleich im nächsten Satz einräumst. Natürlich kann man regionale Kulturen nach bestimmten Merkmalen zusammenfassen (siehe folgendes Beispiel). Ob die nach diesen Merkmalen definierten "Kulturräume" für die jeweiligen Träger dieser Kulturen aber irgend eine Relevanz besessen haben, muss gleichwohl offen bleiben.
Ich wüsste keinen Grund, warum Tacitus sich die Mühe gemacht haben sollte, einfach Namen von Stämmen zu erfinden und diese nach Himmelsrichtungen aufzureihen. Um irgendwelchen Nazis mehr als 1.800 Jahre später und ihren selbsternannten heutigen Erben einen Gefallen zu tun?
Wogegen versuchst Du gerade zu argumentieren bzw. zu polemisieren?
Hat denn jemand versucht, Tacitus als Erfinder von Stammesnamen hinzustellen?
Die Schriftquellen geben meines Erachtens einfach eine Situation wieder, so wie sie irgendwann zu Zeiten der julisch/claudischen Dynastie und vielleicht auch noch unter den Flaviern bestand.
Tacitus bemüht sich in seiner "Germania" ganz offensichtlich, die zeitgenössische Situation (also in bereits nachflavischer Zeit) zu beschreiben.
Ptolemaios hingegen scheint zum Teil ältere Quellen verwendet zu haben. Am Oberrhein verortet Tacitus die agri decumates, während Ptolemaios noch von der Einöde der Helvetier schreibt.
Die Liste der Stämme unmittelbar am Rhein, also in direkter Nachbarschaft der Römer, liest sich doch sehr unterschiedlich:
Bei Ptolemaios finden wir links des Rheins von Nord nach Süd:
- Kleine Brukterer
- Sugambrer
- Langobardische Sueben
- Tenkterer
- Inkrionen
- Intuerger
- Vargionen
- Karitner
- Visper
- Einöde der Helvetier
Bei Tacitus finden wir links des Rheins von Nord nach Süd:
- Friesen
- Chasuarier
- Dulgubner*
- Angrivarier*
- Chamaver
- Tenkterer
- Usiper
- Chatten
- Agri Decumates
* auf dem ehemaligen Gebiet der Brukterer, die jetzt gänzlich vertrieben und ausgerottet seien
Die Liste des Plinius ist leider wegen einer Abschreibfehlers verloren gegangen; wir wissen aber, dass er wie Ptolemaios die Chatten nicht am Rhein, sondern im Inneren Germaniens verortete (im Gegensatz zu Dio und Tacitus, wo sie als Rhein-Anrainer erscheinen.)
Es ist sehr problematisch, hier Tacitus und Ammianus gemeinsam als Zeugen heranzuziehen, die Veränderungen dieser 200+ Jahre waren enorm.
Der Unterschied zwischen Tacitus und Ptolemaios ist bereits enorm.
Professor Meyer verweist in einem Artikel in der "Archäologie für Deutschland" auch auf eine feinere kulturelle Trennung innerhalb der Rhein-Weser-Gruppe zwischen westlich und östlich der Weser. Und schon darf sich der Anhänger von Tacitus hier zwei unerschiedliche germanische Stämme vorstellen
Wo erwähnt denn Tacitus (oder sonst einer der altrömischen Autoren) die Weser als Grenzfluss zwischen germanischen Stämmen?
Soweit uns die antiken Gewährsleute Hinweise liefern, siedelten die Cherusker zu beiden Seiten der Weser.
Ptolemaios erwähnt die Weser als "Grenzfluss" nur zwischen den Chaukern und - den Chaukern...
Das von Mommsen und Co. in Übereinstimmung mit den antiken Schriftstellern als germanisch bezeichnete Gebiet schloss im Westen und Süden an das Römische Reich an. Man hatte mit den römischen Provinzen nachweislich umfangreichen Handelsaustausch. Und trotzdem tauschten die Bewohner Germaniens nur ein eingeschränktes Warenprogramm ein. Obwohl die Möglichkeit bestand, wollte man nicht so leben, wie es die römischen Provinzbewohner taten. Man wollte keine römischen Häuser, man wollte keine römischen Hierarchien, nicht einmal römische Rüstungen waren zum Weitergebrauch gewollt.
Hier lässt Du die linksrheinischen Germanen außer Acht, die sich anscheinend recht schnell romanisierten. Damit entstand an Rhein, Limes und Donau eine ziemlich scharfe Kulturgrenze, eine solche hatte es in vorrömischer Zeit nicht gegeben, und es gab sie auch in römischer Zeit nicht an der Weichsel (oder wo immer Du die germanische "Ostgrenze" ansetzen möchtest).
Tauchen in römische Quellen Rex oder Dux auf, so verschwinden diese schnell wieder. Es gibt keine Dynastien über einen längeren Zeitraum.
Und welche gallischen Dynastien über einen längeren Zeitraum würdest Du im Gegensatz dazu benennen?