Kolonien und Kriegsschiffe

War wohl ein Missverständnis meinerseits, denn ich dachte, die von dir als Vollschiff bezeichneten Schiffe, wären als Kriegsschiffe in Verwendung gewesen.

Eien kleine Anmerkung noch: 80-Kanonen-Schiffe gehörten noch zu den Linienschiffen dritter Klasse, zumindest ab dem ausgehenden 18. und frühen 19. Jh.
Zur zweiten Klasse gehörten nur die "kleinen" Dreidecker mit 90-98 Kanonen.
(Frank Howard: Segel-Kriegsschiffe 1400-1860; Frank Adam: Hornblower, Bolitho & Co.)
 
Teil 4.: Überseeaktionen am Vorabend des Norddeutschen Bundes

Nach dem mit der Ostasien-Expedition 1859-1862 erste Wirtschaftsverträge zu den Ländern Japans, Chinas und Siams abgeschlossen werden konnten, die nun auch ratifiziert werden mussten. Für den Austausch der Verträge und Urkunden entsandte die preußische Regierung als völlig ausreichend ein Handelschiff. Doch die japanische Regierung bestand auf einen Offiziellen, der nur in Form eines Kriegsschiffes der preußischen Marine in betracht kam.
Dafür wurde am 23.10. 1862 die Schraubenfregatte Gazelle ausgerüstet und zu Ausreise befohlen. Dabei lief das Schiff den Hafen von Gibraltar an, um ein Denkmal der Gefallenen Danzig Besatzung 1856 bei Tres Forcas aufzustellen.
Anfang 1863 fuhr Gazelle über Rio de Janerio und dem Kap der Guten Hoffnung nach Singapore und weiter nach Hongkong.
In Hongkong schiffte sich Generalkonsul v. Rehfues und sein Stab ein, die die Übergabe der Verträge in China bereits abgeschlossen hatten und nun mit dem Kriegsschiff nach Japan fuhren.
Als die Preußen mit Gazelle am 8.8.1863 in Jokohama ankamen, fanden Sie allerdings keine günstige politische Situation vor, um diplomatische Formalitäten auszutauschen.
Der zu jener Zeit die japanischen Regierungsgewalt im Namen des Kaisers innehabende Shogun der Dynastie Tokugawa hatte alle Verträge mit europäischen Staaten und den USA aufgehoben und mit der Ausweisung der Ausländer begonnen. Der Bürgerkrieg der Daimyos verschärft zusätzlich die Lage in Japan.
Übergriffe der Daimyos auf britische Bürger rief ein aus 14 Schiffen bestehendes Geschwader an die japanische Küste, während der Admiral der Gazelle sich nicht imstande sah, die Fremdsiedlungen zu schützen.
Als britische und französische Marinesoldaten angelandet wurden, kamen auch zur Unterstützung 3 Offiziere, 50 Matrosen, 50 Seesoldaten, 4 Seekadetten und 2 – 12 Pfd Geschütze von Gazelle zum Einsatz.
Generalkonsul v. Rhefues gelang es Nov 1863 das Zurückziehen des Aufenthaltsverbotes nicht nur für die Preußen bzw. Deutschen, sondern aller Ausländer zu erreichen. Anfang 1864 konnte dann auch der Austausch der ratifizierten Verträge stattfinden.
Die nach den Verträgen zu erwartende Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeit und Erfahrungen hinsichtlich Piraterieakte führten im Marineministerium zu Überlegungen einer möglichen Erwerbung eines Marienstützpunktes oder einer Stationierung eines Depotschiffes.
Auf der Weiterreise erreichte Gazelle die Nachricht vom Krieg um Schleswig-Holstein und den Befehl erhielt Kreuzerkrieg gegen dänische Handelschiffe zu führen.
Dabei wurde die dänische Brigg Caterine am 5.5.1864 aufgebracht und auch der dänische Schoner Chin-Chin wurde gekapert.
Nach dem abgeschlossenen Frieden befand sich Gazelle noch zum Flagge zeigen in westindischen Gewässern und erreichte Mitte 1865 die Heimat.

Das Schwesterschiff der Gazelle, die Vineta war zu beginn des Krieges Preußens gegen Dänemark 1864 noch nicht vollständig fertig gestellt, als in ein kurzes Gefecht mit dem dänischen Linienschiff Skjold verwickelt wurde, was letztlich eine enge Blockade der Häfen Danzig und Pillau verhinderte.
Ende 1865 entschloß sich die preußische Regierung Vineta zum Schutz deutscher Siedler nach Lateinamerika zu schicken. Grund war der Krieg zwischen Paraguay, Brasilien, Uruguay und Argentinien
Am 23.1.1866 lief Vineta Rio de Janeiro an und später auch Montevideo. Dort desertierten, einmalig in der preußischen Marine, 24 Mann der Besatzung, ausgelöst durch die harte Behandlung seitens des Kommandanten KzS Hans Kuhn. Die angewendete Prügelstrafe wegen Insubordination wurde erst durch das Militärgesetzbuch von 1872 offiziell abgeschafft.
Das Schiff fuhr noch um Kap Horn in chilenische Gewässer, doch Mitte 1866 hatte sich die Lage soweit beruhigt, dass Vineta Südamerika Ende 1866 wieder verlies und die Mitwirkung von Aktionen gegen das Piratenwesen in chinesischen Gewässern zusammen mit britischen Schiffen antreten konnte. Ein erfolgreiches Vorgehen war allerdings nicht möglich, da große Kriegsschiffe zu Aktionen in Küstennähe sowie Flussmündungen ungeeignet waren. Der Befehl zu Heimreise traf Okt 1867 auf Vineta ein. Nach einem Sturm musste das Schiff zu provisorischen Reparatur nach Nagasaki dampfen und von da nach Schanghai.
Als das Schiff am 19.November 1865 Kiel unter preußischer Flagge verließ, ahnte noch niemand, dass diese Reise mit der Weltumsegelung eines preußisch-norddeutschen Schiffes enden sollte – die Kriegsflagge des neu gegründeten Norddeutschen Bundes sollte am 23. März 1868 gesetzt in Schanghai werden.
 
Zweifellos,
dem Admiral v. Müller aber immerhin so wichtig, dass er in seinen Erinnerungen davon schreibt.
Also sooo alltäglich wird das 1897 doch nicht gewesen ein.

Und das Kaisers Bruder wurde damit auf Auslandskommando geschickt. Vermutlich wird die Auswahl an Alternativen auch nicht sooo groß gewesen sein.


Klar, denn das war für Müller eine ganz entscheidene Station in seiner Karriere. Es war Heinrich, der Müller über den grünen Klee lobte und diesem für den Posten der Chef des Marinekabinetts empfahl. Und Müller wurde 1906 ja auch der Nachfolger von Senden-Bibran. Später im Krieg allerdings sägte Heinrich kräftig an Müller seinen Stuhl, weil er des Kaiser Verhalten, konkreter seine Faulheit, kritisierte. Und die Hofgesellschaft kam auch nicht gerade gut weg und ganz schlimm, er hat sich zugunsten Bethmann-Hollwegs positioniert.
 
Klar, denn das war für Müller eine ganz entscheidene Station in seiner Karriere.

Ja, man schickte dem Ostasiengeschwader eine zweite Kreuzerdivision hinterher.

Schließlich ging es um die Sicherung der gerade China abgepressten Gebiete um Tsingtao, den lang erstrebten fernöstlichen Marinestützpunkt. Da meinte man wohl, mit den schon dort befindlichen Schiffen nicht auskommen zu können.
 
Liegt schon auf dem Nachttisch :winke:

Ich bitte nach Durcharbeitung um eine Rezension zum Buch.

Den Titel finde ich im Blick auf die historische Entwicklung der kaiserlichen Marine etwas verfehlt oder irreführend.

So war nicht das Kreuzergeschwader im politischen Sinn, daß Werkzeug der deutschen Seemacht - oder Weltpolitik, sondern die viel von Tirpitz angestrebte Schlachtflotte DAS Instrument dieser Politik.
Das Kreuzergeschwader oder Auslandsgeschwader war ein immer hinter allen Seemächten zurückgesetztes "Kleinvieh" der kaiserlichen Marine, vor allen in dem Zeitraum 1885 - 1901. Es diente operativ zur Durchsetzung regionaler Konflikte und selbst dafür waren die Schiffe meist unzureichend.
Ohne den Schlachtflottenbau und den Flottengesetzen ab 1898, wäre das Auslandsgeschwader der kaiserlichen Marine nur maximal drittklassig, aber auf keinen Fall so politisch schwergewichtig anzusetzen zu sehen.
 
Mache ich gerne.:winke:

Nach dem ersten Durchblättern liegt der Dissertation der rote Faden zugrunde, das Auslandsengagement der Kaiserlichen Marine im Kontext zu sehen, das heißt über die Jahrzehnte Grundlinien herauszuarbeiten.

Die Stützpunktfrage (bzw. die fehlenden Großstützpunkte) spielt natürlich auch eine Rolle. Es geht wohl nicht darum, dass heimische Schlachtschiff-Bautenprogramm in Konkurrenz zu stellen, etwa was der überseeischen Ambitionen mehr genützt haben soll. Herausgestellt wird weiter das China-engagement, 2.größtes der beteiligten Mächte.

Beides (Überseestationierungen und heimische Schlachtflotte) wird eher als Einheit bzw. Zielbündel gesehen.

Später mehr im Detail.
 
Mache ich gerne.:winke:

Nach dem ersten Durchblättern liegt der Dissertation der rote Faden zugrunde, das Auslandsengagement der Kaiserlichen Marine im Kontext zu sehen, das heißt über die Jahrzehnte Grundlinien herauszuarbeiten.

Die Stützpunktfrage (bzw. die fehlenden Großstützpunkte) spielt natürlich auch eine Rolle. Es geht wohl nicht darum, dass heimische Schlachtschiff-Bautenprogramm in Konkurrenz zu stellen, etwa was der überseeischen Ambitionen mehr genützt haben soll. Herausgestellt wird weiter das China-engagement, 2.größtes der beteiligten Mächte.

Beides (Überseestationierungen und heimische Schlachtflotte) wird eher als Einheit bzw. Zielbündel gesehen.

Später mehr im Detail.


Vielen Dank für die erste Einschätzung.:)
 
Die Stützpunktfrage (bzw. die fehlenden Großstützpunkte) spielt natürlich auch eine Rolle. Es geht wohl nicht darum, dass heimische Schlachtschiff-Bautenprogramm in Konkurrenz zu stellen, etwa was der überseeischen Ambitionen mehr genützt haben soll. Herausgestellt wird weiter das China-engagement, 2.größtes der beteiligten Mächte.

Wie steht das o.g. Buch in seinen Inhalt zu der Ausgabe - Kolonialpolitik und Marine: Die Rolle der Kaiserlichen Marine bei der Gründung und Sicherung des deutschen Kolonialreiches 1884-1914 von Walter Nuhn?

In - Kolonialpolitik und Marine - wird der Großteil der Ereignisse über die Berichte der Kommandanten der jeweiligen Schiffe bzw. deren Logbücher geschildert. Das politische Thema wird dabei weniger berührt.
 
Genau, das ist eine Betrachtung ganz unterschiedlicher Ebenen.

Herold legt eine (die?) umfassende Politikgeschichte der Marine in Übersee vor, endend 1900/1901 mit der größten, jemals durchgeführten, deutschen maritimen Expedition (Boxerkrieg).

Die Kapitel habe ich nun durch, und das Buch schließt die Lücke dieser übergreifenden Sicht. Lesenswert sowohl für die, die aus der politischen (übergreifenden) Sicht die maritimen Aspekte der Grossmachtpolitik ergänzen möchten, als auch für diejenigen, die aus der Detailsicht der Marine in die übergeordneten politischen Zusammenhänge einsteigen.

Am Beispiel Boxerkrieg: Herold zeigt die Instrumentalisierung des Marineaufmarsches für die Politik unter den Großmächten, den Druck auf China, aber auch die internen deutschen Kontroversen um den kostspieligen Einsatz. Nach diesem Höhepunkt war die deutsche überseeische Marinepräsenz kaum noch von Bedeutung (die Aktion hatte auch die Abhängigkeit von vorwiegend britischen Stützpunkten und Kohle bei Ferneinsätzen deutlich gezeigt). Der Tirpitz-Plan setzte im Rüstungswettlauf auf das Prinzip "Messer an der Kehle" (=Nordsee), und damit den Schwerpunkt, den er bereits deutlich während des Boxeraufstandes vertreten hatte (Tirpitz lehnte insbesondere die Entsendung der 4 modernen Linienschiffe ab).

Alles in allem: sehr lesenswert, erstklassige Gesamtdarstellung der Marine in der Kolonial- und Weltpolitik bis zum Höhepunkt ihres Engagements und dem Beginn der deutschen Isolierung mit dem Britisch-japanischen Bündnis 1902.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe es noch nicht ganz gelesen, sondern erst einige Kapitel herausgepickt.

Der gute Eindruck (wie eigentlich bei allen Bänden aus der MGFA-Serie, die häufig Forschungsarbeiten dieses Kalibers umfassten) bestätigt sich aber beim Durchblättern.:winke:
 
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