Kriegsverbrechen der Wehrmacht

Die Division war übrigens zugeordnet der Panzergruppe 2 (Guderian -> siehe die dortigen Erinnerungen, nach denen der Kommissarbefehl nicht weitergegeben worden sei); der Auszug ist auch in den übrigen Passagen recht interessant und aufschlußreich:
Zur Panzergruppe 2, die von Guderian befehligt wurde, gehörte auch das 47. Panzerkorps, deren Kommandeur, General Lemelsen, sich bereits am 25. Juni 1941 - also 3 Tage nach dem Überfall auf die SU (!) - genötigt sah, folgenden Befehl zu erteilen:

"Ich habe festgestellt, daß in sinnloser Form Erschießungen stattgefunden haben, sowohl von Gefangenen wie von Zivilisten. Der russische Soldat, der in Uniform gefangengenommen wird und tapfer gekämpft hat, hat Anspruch auf ehrenvolle Behandlung.
Diese Anordnung ändert nichts an dem Befehl des Führers über rücksichtsloses Vorgehen gegen Freischärler und bolschewistische Kommissare."
(Quelle: Dokument BA-MA, RH27-18/24, 25.6.41.)

Fünf Tage später musste General Lemelsen erneut an seine Soldaten appellieren, da sie offenbar seinen ersten Befehl völlig ignoriert hatten (es wurde dennoch niemand zur Rechenschaft gezogen):

"Trotz meiner Verfügung vom 25.6.41 ... werden immer wieder Erschießungen von Gefangenen, Überläufern und Deserteuren festgestellt, die in unverantwortlicher, sinnloser und verbrecherischer Weise stattfinden. Das ist Mord!
[...]
Der Erlaß des Führers befiehlt ein rücksichtsloses Vorgehen gegen den Bolschewismus (politische Kommissare) und jedes Freischärlertum! Einwandfrei als hierzu gehörig festgestellte Leute sind abseits zu führen und ausschließlich auf Befehl eines Offiziers zu erschießen."
(Quelle: Dokument BA-MA, RH27-18/175, 30.6.41.)

Es zeigt sich zum einen, dass schon während der ersten Tage des Überfalls auf die SU willkürlich Gefangene und Zivilisten massakriert wurden, zum anderen, dass der Kommissarbefehl bestand hatte. Denn viele Befehlshaber hatten nach dem Krieg behauptet, der Kommissarbefehl sei in ihrer Truppe nicht ausgeführt worden. So auch Heinz Guderian, der in seinem Buch "Erinnerungen eines Soldaten" schrieb, dass die Panzergruppe 2 den Kommissarbefehl nie erhalten habe.

Warum solche Übergriffe sowohl an Zivilisten, als auch an Kriegsgefangenen gerade im Osten geschehen konnten, hat vielerlei Gründe. Erstens hatte die ideologische Indoktrination seit 1933 das Denken und Handeln der Soldaten mehr geprägt und beeinflusst, als manch einer glauben möchte (man lese bspw. wie sich dtsch. Soldaten in privaten Briefen äussern). Zum zweiten spielte die Pervertierung von Moral und Disziplin eine wesentliche Rolle: auf der einen Seite versuchte man zu unterbinden (Willkür und Gleichgültigkeit), was man auf der anderen legitimierte ("Barbarossa"-Erlass, Kommissarbefehl). Unter anderem trug genau das zu einer allgemeinen und zunehmenden Verrohung der Truppe bei, die den Soldaten unempfänglich für die Leiden der Zivilisten und der gegnerischen Soldaten machte, wie diverse Befehlshaber bereits in den ersten Tagen und Wochen von "Barbarossa" besorgt nach oben meldeten...


Literatur:
Bartov, Omer: Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und die Brutalisierung des Krieges.
Überschär, Gerd R.: "Unternehmen Barbarossa". Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion 1941: Berichte, Analysen, Dokumente.
Messerschmidt, Manfred: Kommandobefehl und NS-Völkerrechtsdenken, in "RDP" 11 (1972)
Hrsg. Dierwege, W.: Deutsche Soldaten sehen die Sowjetunion. Feldpostbriefe 1941.
Kempowski, Walter: Das Echolot. Barbarossa '41. Ein kollektives Tagebuch.



Saludos!
 
@Rodriguez: vielen Dank für die Ergänzungen!

Ich hätte aus dem Kriegstagebuch einen weiteren Abschnitt zitieren können, zu einer Besprechung bei Guderian, an der der Divisionskommandeur teilgenommen hat. Die Verkürzung lautet: Guderian beschwert sich über die Zielsetzung des OKH, möglichst viele Gefangene zu machen. Das würde seine Operationsabsichten hindern.

Der kurze Hinweis zeigt, dass der Kontext solcher Aussagen wichtig ist. Wie aus dem weiteren Verlauf der Besprechung deutlich wird, ging es Guderian nicht um die Gefangenen, sondern um die Vorgaben zur "Gefangennahme" durch die vorrückenden motorisierten Divisionen. Diese Aufgabe sollte offenbar den nachrückenden Verbänden überlassen werden, was die Dinge anders darstellt, als zunächst zu vermuten ist.

Warum diese Vorgeschichte? Es geht um die oben #21 zitierte Stellungnahme von Lemelsen (die oben so auch zitiert ist bei Römer: Der Kommissarbefehl - Wehrmacht und NS-Verbrechen an der Ostfront 1941/42, 2008). Wichtig ist auch hier allerdings der Kontext, um Römer zu zitieren:

"Da der kommandierende General, Lemelsen, ein 'rücksichtsloses Vorgehen' unter bestimmten Vorzeichen bekanntlich nicht ablehnte und Erschießungen im Juni 1941 in erster Linie aus utilitaristischen Gründen verurteilt und verboten hatte, dürfte ihm ein pragmatischer Wechsel in eine schärfere Gangart persönlich nicht allzu schwer gefallen sein. Auch Lemelsen sah zu dieser Zeit in den gegnerischen Soldaten vielfach nur noch 'Tiere in _Menschengestalt', zu deren Tötung es lediglich einer geringfertigen Berechtigung bedurfte." (S. 247)

Zu den "utilitaristischen" Gründen: hierbei ging es - und das ist für die Wertung der obigen Zitate entscheidend - der Führung (1) lediglich um die Aufrechterhaltung der Disziplin in der eigenen Truppe zur Erreichung der operativen Aufgaben, (2) um die Bemühungen, die russischen Soldaten zum Überlaufen und zur Aufgabe zu bewegen, nicht durch die Brutalisierung zunichte zu machen. Dazu die Feststellung im Korpsbefehl 9.8.1941:
"... dass 'der Rotarmist' vom Überlaufen in erster Linie abgehalten werde durch 'die bei ihm fest verwurzelte Überzeugung, er würde bei uns erschossen. In dieser Ansicht wurde er (und wird er zT noch heute) bestärkt durch die überall nach Kampfhandlungen umherliegenden Soldatenleichen ohne Waffen mit erhobenen Händen, Nahschußverletzungen.'"

Das korrigiert den möglichen Eindruck, Lemelsen sei hier etwa über die Erschießungen und Kriegsverbrechen entsetzt. Keineswegs: es ging ihm lediglich um die bestmögliche Fortsetzung der Angriffsoperationen.



Daher auch drei Hinweise auf die aktuelle Literatur:

Römer, Felix: Der Kommissarbefehl, 2008 (siehe oben)
Römer, Felix: "Seid hart und unerbittlich..." Gefangenenerschießungen und Gewalteskalation im deutsch-sowjetischen Krieg 1941/42, in: Sönke Neitzel/Daniel Hohrath (Hrsg.), Kriegsgreuel. Die Entgrenzung der Gewalt in kriegerischen Konflikten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, 2008
Römer, Felix: „Im alten Deutschland wäre solcher Befehl nicht möglich gewesen“. Rezeption, Adaption und Umsetzung des Kriegsgerichtsbarkeitserlasses im Ostheer 1941/42, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), S. 53-99
 
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Hallo, Gemeinde!

Wir sollten hier nicht über Krieg im Allgemeinen reden. Das führt in die Irre. Jeder Mensch, der die allgemein akzeptierten moralischen Grundsätze teilt, muss Krieg ablehnen. Trotzdem unterhält die demokratische Bundesrepublik Deutschland ein Militär und führt gegenwärtig Krieg - jedenfalls nach der Definition des ollen Clausewitz. Wir sollten auch nicht darüber diskutieren, dass es in ALLEN Kriegen zu Verbrechen und Untaten kommt. Auch das hat schon Clausewitz konstatiert, als er die Faktoren aufgezählt hat, die im Krieg eskalierend oder mäßigend wirken.

Auf den Zweiten Weltkrieg bezogen heißt das: Wir müssen einfach feststellen, dass die Wehrmacht den Krieg an der Ostfront grundsätzlich anders geführt hat als an allen anderen Fronten: Im Osten wurde ein Vernichtungskrieg geführt. Meiner Ansicht nach hatte das keine ideologischen Gründe, sondern folgte einer kalten militärischen Logik. Diverse Kriege in der Vergangenheit hatten gezeigt, dass es sehr schwierig ist, Russland von Westen her zu besiegen/erobern: Für den Angreifer werden die Nachschubwege immer länger und die eigenen Kräfte verteilen sich über immer größere Flächen, die Verteidiger hingegen werden immer mehr zusammengeschoben und gewinnen allein dadurch an Kraft. Das Kalkül der deutschen Militärs lautete deshalb: Wenn überhaupt eine Aussicht bestehen soll, mit diesem Wahnsinnsunternehmen Erfolg zu haben, dann muss der Krieg mit maximaler Vernichtung einhergehen. Sie wollten nach dem Durchzug möglichst nichts hinter sich zurücklassen, was zu einer ernsthaften Bedrohung werden konnte.

Wenn ich schrieb, dass ich dafür keine ideologischen Gründe sehe, dann beziehe ich das übrigens nur auf die ART der Kriegführung. Für die Entscheidung, diesen Krieg vom Zaun zu brechen, gab es natürlich ideologische Gründe.

Übrigens will ich das Vorgehen der Wehrmacht keineswegs rechtfertigen. Es war insgesamt verbrecherisch.

MfG
 
...

Auf den Zweiten Weltkrieg bezogen heißt das: Wir müssen einfach feststellen, dass die Wehrmacht den Krieg an der Ostfront grundsätzlich anders geführt hat als an allen anderen Fronten: Im Osten wurde ein Vernichtungskrieg geführt. Meiner Ansicht nach hatte das keine ideologischen Gründe, sondern folgte einer kalten militärischen Logik. Diverse Kriege in der Vergangenheit hatten gezeigt, dass es sehr schwierig ist, Russland von Westen her zu besiegen/erobern: Für den Angreifer werden die Nachschubwege immer länger und die eigenen Kräfte verteilen sich über immer größere Flächen, die Verteidiger hingegen werden immer mehr zusammengeschoben und gewinnen allein dadurch an Kraft. Das Kalkül der deutschen Militärs lautete deshalb: Wenn überhaupt eine Aussicht bestehen soll, mit diesem Wahnsinnsunternehmen Erfolg zu haben, dann muss der Krieg mit maximaler Vernichtung einhergehen. Sie wollten nach dem Durchzug möglichst nichts hinter sich zurücklassen, was zu einer ernsthaften Bedrohung werden konnte.


MfG

Ehrlich gesagt, entsetzt mich Dein Posting. :motz:

"Meiner Ansicht nach hatte das keine ideologischen Gründe, sondern folgte einer kalten militärischen Logik."

Dann schau mal z.B. unter dem Stichwort "Einsatzgruppen" nach und, wenn Du magst, kannst Du noch viele andere Gegenargumente zu Deiner These bekommen.

"Diverse Kriege in der Vergangenheit hatten gezeigt, dass es sehr schwierig ist, Russland von Westen her zu besiegen/erobern"

Deswegen lasse ich Millionen von Menschen ermorden oder verhungern? Welche Kriege gab es denn vorher mit dem Ziel Rußland aus dem Westen zu erobern, Napoleons Feldzug, der Krimkrieg (wäre allerdings eher Süden), WK I. und der Frieden von Brest-Litowsk? Und aus alledem liest Du eine Berechtigung zur Planung eines Vernichtungskrieges heraus; "Wenn überhaupt eine Aussicht bestehen soll, mit diesem Wahnsinnsunternehmen Erfolg zu haben, dann muss der Krieg mit maximaler Vernichtung einhergehen.?"

"Sie wollten nach dem Durchzug möglichst nichts hinter sich zurücklassen, was zu einer ernsthaften Bedrohung werden konnte."

O.K., wenn jüdische Kids eine Bedrohung darstellten. Weißt Du was Du da schreibst?

M.
 
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@Maelonn: Eine durchaus konträre Meinung. Sicherlich kannst Du auch Quellen anführen, die Deine Meinung, durch Befehle, Anweisungen etc. untermauern.

Interessant ist natürlich auch die Frage, in welchem Kreis der Wehrmacht diese "kalte militärische Logik" erdacht worden sein soll und wie sie der Truppenführung kommuniziert wurde?

Fragen über Fragen zu Deiner These.
 
@ Maelonn. Ich vermute, du willst mit deinem Posting eine Art "advocatus diaboli" spielen und wiedergeben, bzw. argumentieren, wie ein kalt berechnender Militär gedacht haben könnte? So weit, so gut. Das kreide ich dir nicht an. Aber du solltest mit sowas sehr vorsichtig sein, das kommt in Foren meist völlig falsch an und wird als eigene Ansicht interpretiert. Ich bin da leidenserfahren...


Aber....deine Argumentation, daß der Krieg der Wehrmacht im Osten ein "sauberer" militärischer Einsatz war, frei von ideologischen Gründen für Kriegsverbrechen, ist einfach nicht haltbar. Die "Untermenschen" wurden völlig anders behandelt, als die Kriegsgegner im Westen. Das ist nicht durch militärische Notwendigkeiten zu begründen.
 
Meiner Ansicht nach hatte das keine ideologischen Gründe, sondern folgte einer kalten militärischen Logik.
Mal abgesehen davon, daß es für die ideologischen Gründe eines an Belegen gibt: Gerade eine "kalte militärische Logik" hätte dazu raten müssen, sich an die normalen Kriegsregeln zu halten und Zivilbevölkerung und Gefangene bestmöglichst zu schonen.

Die Wehrmacht fiel ja in ein Land ein, in dem die aktuelle Regierung ziemlich unpopulär, in vielen Landesteilen geradezu verhaßt war.
Sowohl bei den diversen nationalen Minderheiten wie bei der politisch eher konservativen bzw. orthodox-gläubigen Landbevölkerung gab es ein großes Potential an Kooperationsbereitschaft. Anstatt mit Grausamkeit und Massenmord Partisanen zu "züchten", hätten die Deutschen in großer Zahl verbündete Truppen rekrutieren können (das gelang ja sogar später noch, bei viel schlechteren Rahmenbedingungen - aber da war es dann zu spät).

Die Hitler'sche Art der Kriegsführung war nicht nur unmoralisch, sie war in ihrer verblendeten Arroganz auch dumm und führte direkt in die Niederlage.
 
Mal abgesehen davon, daß es für die ideologischen Gründe eines an Belegen gibt: Gerade eine "kalte militärische Logik" hätte dazu raten müssen, sich an die normalen Kriegsregeln zu halten und Zivilbevölkerung und Gefangene bestmöglichst zu schonen.

Danke nochmals für den Hinweis auf diese Vorgänge.

Wenn man oben in den Quellen blättert, sind genau die Befürchtungen von der Führungsseite geäußert worden bzw. den Anweisungen indirekt zu entnehmen!


EDIT: es gibt gerade aus der jüngsten Zeit eine Reihe von Publikationen, die sich mit Besatzung und Wehrmacht 1941/43 beschäftigen, so u.a. auch zur Krim, zu Weißrußland etc.
 
Mal abgesehen davon, daß es für die ideologischen Gründe eines an Belegen gibt: Gerade eine "kalte militärische Logik" hätte dazu raten müssen, sich an die normalen Kriegsregeln zu halten und Zivilbevölkerung und Gefangene bestmöglichst zu schonen.

Die Wehrmacht fiel ja in ein Land ein, in dem die aktuelle Regierung ziemlich unpopulär, in vielen Landesteilen geradezu verhaßt war.
Sowohl bei den diversen nationalen Minderheiten wie bei der politisch eher konservativen bzw. orthodox-gläubigen Landbevölkerung gab es ein großes Potential an Kooperationsbereitschaft. Anstatt mit Grausamkeit und Massenmord Partisanen zu "züchten", hätten die Deutschen in großer Zahl verbündete Truppen rekrutieren können (das gelang ja sogar später noch, bei viel schlechteren Rahmenbedingungen - aber da war es dann zu spät).

Die Hitler'sche Art der Kriegsführung war nicht nur unmoralisch, sie war in ihrer verblendeten Arroganz auch dumm und führte direkt in die Niederlage.


Volle Zustimmung.

Außer dazu:
verblendeten Arroganz auch dumm
Letztendlich hat die rücksichtslose Ausplünderung zum Hass und Widerstand geführt.
Die Hitler für notwendig hielt, um die Deutschen bei der Stange zu halten.

Woanders haben wir gesehen, dass auch im 2.WK die Düngerproduktion bei weitem nicht ausreichte.

Die Deutschen wollten 1939 keinen Krieg, das ist unübersehbar. Die erwachsene Bevölkerung hat überwiegend 14-18 sehr bewusst erlebt.
Andererseits ist auch unübersehbar, dass es den Deutschen 1943 noch materiell eher besser ging als 1939. (wenn keine Bomben und keine Todesmeldungen gekommen wären, lebten sie offensichtlich sehr kommod...)
Die Deutschen, Zivilbevölkerung 1942 oder 1943, hielten Hitler für einen Wundermann!

Und wenn ich da jetzt 2+2 zusammenzähle = offensichtlich eiskalt kalkuliert.
 
Ehrlich gesagt, entsetzt mich Dein Posting. :motz:
...O.K., wenn jüdische Kids eine Bedrohung darstellten. Weißt Du was Du da schreibst?
Von jüdischen Kids hatte ich jedenfalls nichts geschrieben.

Hast Du in Deinem Zitat eigentlich bewusst die folgenden Zeilen unterschlagen?

Wenn ich schrieb, dass ich dafür keine ideologischen Gründe sehe, dann beziehe ich das übrigens nur auf die ART der Kriegführung. Für die Entscheidung, diesen Krieg vom Zaun zu brechen, gab es natürlich ideologische Gründe.

Übrigens will ich das Vorgehen der Wehrmacht keineswegs rechtfertigen. Es war insgesamt verbrecherisch.

Also unterstellt mir bitte nicht, dass ich hier etwas verharmlosen oder gar legitimieren wollte. Das Gegenteil ist der Fall. Genaue Zahlen sind bis heute nicht bekannt, aber inzwischen geht man davon aus, dass bis zu 30 Millionen "Russen" (waren ja nicht nur Russen) in diesem Krieg umgekommen sind. Mit der "üblichen" Zahl von Kriegsverbrechen oder mit dem Einsatz von irgendwelchen Sonderkommandos, die hinter der Front Erschießungen vorgenommen haben, ist das nicht zu erklären. Das ist nur möglich, wenn die Wehrmacht selbst ihren Krieg in Vernichtungsabsicht geführt hat.

Vielleicht kann man der Wehrmacht nachsagen, dass sie sich an einigen anderen Fronten "sauber" verhalten habe. Auf den Russlandfeldzug trifft das aber ganz gewiss nicht zu. Da ist das Militär ohne Rücksicht auf jegliche Regeln vorgegangen. Die Ausstellung, die hierzulande für so viel Wirbel gesorgt hat, hieß übrigens ganz zu Recht "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht".


Hier ist nach Belegen gefragt worden. Hier zwei, die ich auf die Schnelle finden konnte

"Eure Aufgabe ist in einem Landstreifen durchzuführen, in dem 1914 Ströme deutschen Blutes durch die Hinterlist der Serben, Männer und Frauen, geflossen sind. Ihr seid Rächer dieser Toten. Es muss ein abschreckendes Beispiel für ganz Serbien geschaffen werden, das die gesamte Bevölkerung aufs Schwerste treffen muss. Jeder, der Milde walten lässt, versündigt sich am Leben seiner Kameraden. Er wird ohne Rücksicht auf die Person zur Verantwortung gezogen und vor ein Kriegsgericht gestellt."
Verfügung von General Franz Böhme an die ihm unterstellten Truppen vom September 1941.

"Betr. Verhalten der Truppe im Ostraum.
Hinsichtlich des Verhaltens der Truppe gegenüber dem bolschewistischen System bestehen vielefach noch unklare Vorstellungen. Das wesentliche Ziel des Feldzuges gegen das jüdisch-bolschewistische System ist die völlige Zerschlagung der Machtmittel und die Ausrottung des asiatischen Einflusses im europäischen Kulturkreis. Hierdurch entstehen auch für die Truppe Aufgaben, die über das hergebrachte einseitige Soldatentum hinausgehen. Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch Träger einer unerbittlichen völkischen Idee und Rächer für Bestialitäten, die deutschen ..."
weiter mag ich nicht zitieren, es kommen noch Formulierungen wie "erbarmungslose Ausrottung" vor. Stammt jedenfalls aus dem Befehl, den Generalfeldmarschall von Reichenau im Oktober 1941 herausgegeben hat, angeblich aus eigenem Antrieb und ohne Weisung (aber mit nachträglichem Applaus) Hitlers.

Wenn ich mich recht entsinne, sind auch Vorschriften zur Ahndung von Kriegsverbrechen außer Kraft gesetzt oder die Taten zumindest außer Verfolgung gestellt worden. Dafür finde ich aber gerade keinen Beleg. Nur den folgenden "mittelbaren": "Dadurch hat der bolschewistische Soldat jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren." Stammt aus einer vom Oberkommando der Wehrmacht herausgegebenen "Anordnung für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener" von September 1941. Folge: Von 5,7 Millionen sowjetischen Gefangenen überlebten 3,3 Millionen die Gefangenschaft nicht. Mehr als 50 Prozent.

Noch ein Nachsatz: Zum Beispiel beim Feldzug in Weißrußland sind von insgesamt 10,6 Millionen Einwohnern 2,2 Millionen umgekommen. Da waren nicht nur "Sonderkommandos" am Werk. Da war die Truppe selbst in großem Umfang beteiligt. Und es wird doch immer bestritten, dass die Soldaten sämtlich glühende Nazis gewesen seien.

Deshalb mein Fazit: Diese Art der Kriegführung war militärisch gewollt. Vernichtung und Terror wurden als strategische Mittel angesehen. Ähnliches haben die USA in Vietnam mit dem "Bodycount"-System versucht.

MfG
 
Den Vergleich zum Vietnamkrieg halte ich für falsch, ist aber hier offtopic.

Den Beschreibungen stimme ich weitgehend zu, mit einem Hinweis: von der Zahl der Zivilopfer im Osten ist nicht arithmetisch auf die Wehrmacht zu schließen, etwa Opfer gesamt ./. Opfer Einsatzgruppen und Partisanenkrieg = Morde der Wehrmacht.

Zum einen ist auf die räumlich beschränkten Befehlbereiche hinter der Front hinzuweisen, so aus der Hand habe ich da 50 km im Regelfall in Erinnerung.

Zum anderen sind hohe Opferzahlen (-> siehe Gerlach) auf die herbeigeführten Zustände zurückzuführen (Hunger, sonstige Versorgung). Die Folgen führten teilweise zur regelrechten Entvölkerung von Städten, wobei hier wiederum ein Schwerpunkt auf die NS-definierten sog. "Zuschußgebiete" zu legen ist. Wie gesagt, es gibt inzwischen eine Reihe von Studien, die sich speziell mit der Herrschaft der Wehrmacht sowie der Besatzungsmacht im allgemeinen beschäftigen. Deren Inhalte und Detailierungsgrad gehen weit über die Wehrmachtsaufstellung hinaus.


EDIT: einige Hinweise

Oldenburg, Manfred: Ideologie und militärisches Kalkül - Besatzungspolitik der Wehrmacht in der Sowjetunion 1942
Johannes Hürter: Hitlers Heerführer. Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42.
Angrick, Andrej Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941-1943
Hasenclever, Jörn: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion - Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941-43
Hasenclever/Förster/Kroener/Wegner: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion: Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941-1943
Kunz, Norbert: Die Krim unter deutscher Herrschaft 1941-1944
Hartmann/Hürter/Lieb/Pohl: Der deutsche Krieg im Osten - Facetten einer Grenzüberschreitung
Hartmann, Christian: Wehrmacht im Ostkrieg - Front und militärisches Hinterland 1941/42
Curilla, Wolfgang: Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in Weißrußland 1941 - 1944
Quinkert, Babette: Wir sind die Herren dieses Landes - Barbarossa 1941
Quinkert, Babette: Propaganda und Terror in Weißrußland 1941-1944
Gerlach, Christian: Kalkulierte Morde - Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944
Zellhuber, Andreas: Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu - Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941-1945
Hoffmann, Jens: Das kann man nicht erzählen… "Aktion 1005" - Wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten

um eine Auswahl aus den letzten Jahren zu geben ...
 
Zuletzt bearbeitet:
[...]Also unterstellt mir bitte nicht, dass ich hier etwas verharmlosen oder gar legitimieren wollte. Das Gegenteil ist der Fall. Genaue Zahlen sind bis heute nicht bekannt, aber inzwischen geht man davon aus, dass bis zu 30 Millionen "Russen" (waren ja nicht nur Russen) in diesem Krieg umgekommen sind. Mit der "üblichen" Zahl von Kriegsverbrechen oder mit dem Einsatz von irgendwelchen Sonderkommandos, die hinter der Front Erschießungen vorgenommen haben, ist das nicht zu erklären. Das ist nur möglich, wenn die Wehrmacht selbst ihren Krieg in Vernichtungsabsicht geführt hat.
[...]

Also ich habe dazu eine Frage. Die vielen Gefallenen sowjetischen Soldaten wurden doch nicht nur gezählt, weil die Wehrmacht wie ein "blutrünstiges Monster" durch die östlichen Lande zog (allerdings möchte ich mit dieser Aussage nichts relativieren!).
War es nicht so, daß die sowejtischen Soldaten von den eigenen Generälen "verheizt" wurden, auf deutsch, Kanonenfutter darstellten?
Und mit dieser Einstellung standen nicht nur die Sowjets an der Front.
 
Also ich habe dazu eine Frage. Die vielen Gefallenen sowjetischen Soldaten wurden doch nicht nur gezählt,

Die Kriegstoten der Roten Armee werden etwa mit 8-9 Millionen eingeschätzt, zB nach Krivosheev: Russia and the USSR in the Wars of the 20th century: Casualties of the Armed Forces.

Darin enthalten sind die Opfer unter den Kriegsgefangenen, so dass etwa 6-7 Millionen mit Bezug auf die Kamphandlungen verbleiben.

Die Differenz entfällt im Wesentlichen auf Zivilbevölkerung.
 
Also ich habe dazu eine Frage. Die vielen Gefallenen sowjetischen Soldaten wurden doch nicht nur gezählt, weil die Wehrmacht wie ein "blutrünstiges Monster" durch die östlichen Lande zog (allerdings möchte ich mit dieser Aussage nichts relativieren!).
War es nicht so, daß die sowejtischen Soldaten von den eigenen Generälen "verheizt" wurden, auf deutsch, Kanonenfutter darstellten?
Und mit dieser Einstellung standen nicht nur die Sowjets an der Front.

Ich denke, die Ursache "des sich verheizt" vorkommen oder werden liegt in der Dynamik des Krieges. Sich ständig ändernde Bedingungen holen einmal getroffene Befehle ein, eine unübersichtliche Lage, fehlende Informationen führen zu Fehlentscheidungen. Und nicht vergessen sollte man, dass die Einnahme einer strategisch wichtigen Stellung des Gegners im Rahmen einer Gesamtoffensive in aller Regel höhere Opfer fordert. Hinzu kommt endlich, dass der Eindruck an einem Frontabschnitt immer subjektiv ist. Gerüchte, Wahres und Erfundenes und Hoffnungen tun ihr übriges.

Grüße
excideuil
 
Den Beschreibungen stimme ich weitgehend zu, mit einem Hinweis: von der Zahl der Zivilopfer im Osten ist nicht arithmetisch auf die Wehrmacht zu schließen, etwa Opfer gesamt ./. Opfer Einsatzgruppen und Partisanenkrieg = Morde der Wehrmacht.

Zum einen ist auf die räumlich beschränkten Befehlbereiche hinter der Front hinzuweisen, so aus der Hand habe ich da 50 km im Regelfall in Erinnerung.

Zum anderen sind hohe Opferzahlen (-> siehe Gerlach) auf die herbeigeführten Zustände zurückzuführen (Hunger, sonstige Versorgung). Die Folgen führten teilweise zur regelrechten Entvölkerung von Städten, wobei hier wiederum ein Schwerpunkt auf die NS-definierten sog. "Zuschußgebiete" zu legen ist. Wie gesagt, es gibt inzwischen eine Reihe von Studien, die sich speziell mit der Herrschaft der Wehrmacht sowie der Besatzungsmacht im allgemeinen beschäftigen. Deren Inhalte und Detailierungsgrad gehen weit über die Wehrmachtsaufstellung hinaus.


EDIT: einige Hinweise...

Deine Literaturliste schaue ich mir mal näher an. Nur zwei der Titel kenne ich auszugsweise.

Zum Rest: Die Wehrmachtsausstellung hatte ich als Beleg dafür angeführt, dass das Militär schon lange vor meinen obigen Ausführungen als "Mittäter" der damaligen Verbrechen angeklagt worden ist - was seinerzeit übrigens noch als Tabubruch empfunden wurde. Die Macher jener Ausstellung gingen aber noch davon aus, dass die Wehrmacht ideologisch gesteuert worden ist (was in Teilen auch richtig sein mag). Ich hingegen gehe einen Schritt weiter und behaupte, dass das Militär der ideologischen Steuerung gar nicht bedurfte, sondern aus eigenem Antrieb so vorgegangen ist.

Dabei muss man unterscheiden zwischen den Opfern direkter Kampfhandlungen und den Opfern der Bedingungen, die durch Kampfhandlungen entstehen. Das schreibst Du ja auch. Nur: Laut Haager Landkriegsordnung sollen Soldaten nur "Kombattanten" bekämpfen und Zivilisten so weit wie möglich schonen. Daran hat sich die Wehrmacht im Krieg an der Ostfront ganz offensichtlich nicht gehalten. Zitat aus Wikipedia: "Eine von Verteidigungsminister Dmitri Jasow eingesetzte Kommission ermittelte die Zahlen sowjetischer Kriegstoter von 1987 bis 1991 und bezifferte sie im Ergebnis auf 37 Millionen, davon 8,6 Millionen Soldaten und 27 bis 28 Millionen Zivilisten."

Bei "normaler" Kriegsführung hätten die Truppen nach Abschluss der direkten Militäraktionen die eroberten Gebiete unter Verwaltung stellen und nach Grundsätzen behandeln müssen, die ansatzweise als "humanitär" gelten können. Das ist nicht geschehen - und zwar in solch einem Ausmaß, dass es nicht bloß einigen Parteibonzen oder SS-Schergen oder Sonderkommandos angelastet werden kann. Dem Oberkommando ist von vornherein bewusst gewesen, dass die Wehrmacht völlig außerstande war, eroberte Gebiete solchen Ausmaßes zu sichern und zu verwalten. Deshalb lag es im militärischen Interesse der Invasionstruppen, dass es zu den Effekten kam, die Du unter dem Stichwort "Entvölkerung von Städten" angesprochen hast - dass es also nichts mehr gab, was gesichert oder verwaltet werden musste.

Jetzt muss ich wieder aufpassen, dass meine Worte nicht als zynisch fehlgedeutet werden: Ich werte oder rechtfertige hier nichts! Ich beschreibe bloß, was meiner Ansicht nach passiert ist.

Zu meiner Aussage, dass Kriegsverbrechen außer Strafe gestellt worden seien, habe ich noch was gefunden: Formaljuristisch blieben solche Taten strafbar. Es wurde aber in das Ermessen der kommandierenden Offiziere und Unteroffiziere gestellt, ob kriegsgerichtliche Verfahren eingeleitet wurden oder nicht. Maßgebend für diese Entscheidung war demnach "die Aufrechterhaltung der Manneszucht" in der Truppe. Sprich: Solange die Leute diszipliniert niedergemezelt haben, hat sich niemand drum gekümmert. Steht in einem Kommentar der Heeresgruppe B zu einem Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit (Juni 1941) unter dem Punkt "Hinsichtlich der Behandlung von Straftaten von Angehörigen der Wehrmacht und des Gefolges gegen Landeseinwohner".

MfG
 
Also ich habe dazu eine Frage. Die vielen Gefallenen sowjetischen Soldaten wurden doch nicht nur gezählt, weil die Wehrmacht wie ein "blutrünstiges Monster" durch die östlichen Lande zog (allerdings möchte ich mit dieser Aussage nichts relativieren!).
War es nicht so, daß die sowejtischen Soldaten von den eigenen Generälen "verheizt" wurden, auf deutsch, Kanonenfutter darstellten?
Und mit dieser Einstellung standen nicht nur die Sowjets an der Front.
Vollkommen richtig.
Die Rotarmisten waren quasi zwischen den eigenen Offizieren und dem taktisch überlegen agierenden deutschen Heer eingekeilt.
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Mir scheint das Bild welches hier dargeboten wird ist schon sehr einseitig. Als ob die Wehrmacht alles abknallte was ihnen vor die Flinte kam. Etwas mehr Differenzierung wäre nmM durchaus nötig.

Noch ein Nachsatz: Zum Beispiel beim Feldzug in Weißrußland sind von insgesamt 10,6 Millionen Einwohnern 2,2 Millionen umgekommen. Da waren nicht nur "Sonderkommandos" am Werk.
a.) eine Frage dazu
"Feldzug in Weißrußland" = Operationen der HG Mitte 1941 oder während des ganzen Krieges 1941-1944?
b.) Bitte eine Quelle dazu
 
Die Macher jener Ausstellung gingen aber noch davon aus, dass die Wehrmacht ideologisch gesteuert worden ist (was in Teilen auch richtig sein mag). Ich hingegen gehe einen Schritt weiter und behaupte, dass das Militär der ideologischen Steuerung gar nicht bedurfte, sondern aus eigenem Antrieb so vorgegangen ist.

Eine kleine Zwischenfrage. Glaubst du denn das die Wehrmachtsangehörigen der Ideologie des NS-Regimes widerstanden haben? Wenn ich dich recht verstehe, gehst du davon aus, dass die Wehrmacht, egal welche Ideologie das NS-Regime gehabt hat, im Osten genau gleich verfahren wäre?
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir scheint das Bild welches hier dargeboten wird ist schon sehr einseitig. Als ob die Wehrmacht alles abknallte was ihnen vor die Flinte kam. Etwas mehr Differenzierung wäre nmM durchaus nötig.

Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen.

Dass es durchaus ein solide antikommunistische Grundhaltung im Offizierkorps gab, darauf deuten eine Reihe von Studien hin. Das mag der Resonanzboden gewesen sein, dass der eine oder andere Offizier, die NS-Ideologie zur Kriegsführung im Osten mehr als bereitwillig übernahm und aus Überzeugung ausführte.

Nur war das Offizierkorps 1941 in der Mehrheit noch eher geprägt durch die elitären, konservativen Vorstellungen des Kaiserreichs bzw. der Seecktschen Vorstellungen zur Rolle des Militärs.

In diesem Sinne galt für die Mehrheit der Offiziere vermutlich eher Halders Haltung, die im Feldzug eine sehr ernsthafte militärische Herausforderung sahen, der man sich mit einer professionellen Ethik stellen wollte und erfolgreich abschließen.

Dass die Wehrmacht durch ihre Eroberungen erst die Tätigkeit der Einsatzgruppen ermöglichte ist ein anderes Thema.
 
a.) eine Frage dazu
"Feldzug in Weißrußland" = Operationen der HG Mitte 1941 oder während des ganzen Krieges 1941-1944?
b.) Bitte eine Quelle dazu
Weißrussland war von allen Sowjetrepubliken am längsten unter deutscher Besatzung - und ist davon mit an nachhaltigsten "geprägt" worden. Hier ein Link zu einem Aufsatz, der sich mit den Auswirkungen dieser Umstände auf die "weißrussische Identität" befasst: GRIN | Zwangsmigrationen in Weißrussland | Elzbieta Szumanska | Seminararbeit* . Auch dort ist die von mir genannte Opferzahl erwähnt. Die ist genauso unsicher wie alle anderen Zahlenangaben und bezieht sich natürlich auf den gesamten Krieg. Weder Deutsche noch Russen haben zu jener Zeit Monats- oder Jahresstatistiken geführt. Du fragst also von mir Zahlen ab, die selbst die Täter und Opfer nicht nennen können. Übrigens wurde der Westteil Weißrusslands nach der Besetzung unter Zivilverwaltung gestellt, der Ostteil verblieb unter Militärverwaltung. Und ehe Du fragst: Nein, ich weiß nicht, ob die Opferzahlen im Westteil niedriger waren als in der Osthälfte.

Warum eigentlich diese Frage? Hast Du Zweifel an der von mir genannten Zahl?

Eine kleine Zwischenfrage. Glaubst du denn das die Wehrmachtsangehörigen der Ideologie des NS-Regimes widerstanden haben? Wenn ich dich recht verstehe, gehst du davon aus, dass die Wehrmacht, egal welche Ideologie das NS-Regime gehabt hat, im Osten genau gleich verfahren wäre?
Ich glaube gerade nicht, dass die Wehrmacht "widerstanden" hat. Das ist ein Dogma, das im Nachkriegsdeutschland jahrzehntelang gepflegt worden ist. Diesem Dogma zufolge ist die Wehrmacht von der Nazi-Ideologie unbeeinflusst geblieben und hat nur in soldatischer Ehre ihre Pflicht getan. Meiner Ansicht nach stimmt das genauso wenig, wie die Behauptung, dass nur der harte Kern der Nazis an allem Schuld war und die Masse der deutschen Bevölkerung von den Untaten nichts wusste. Ganz Deutschland war von der Nazi-Ideologie durchdrungen, es gab eine Minderheit von Tätern und eine Mehrheit von "duldenden Mitläufern". Im gleichen statistischen Verhältnis trat diese Ideologie in der Wehrmacht in Erscheinung. Die "Haupttäter" rekrutierten sich aus dem harten Kern der Nazi-Partei, aber die "duldenden Mitläufer" wussten mehr als sie nach dem Zusammenbruch zugeben wollten. Dafür habe ich in meiner eigenen Familie (die überwiegend nicht den Nazis anhing) Belege gefunden.

Was Deine Frage nach dem Vorgehen der Wehrmacht angeht: Welche Ideologie im Reich herrschte, spielt natürlich insofern eine wichtige Rolle, als hier eine der Ursachen für die Entscheidung liegt, diesen Krieg überhaupt zu beginnen. In dem Moment, da die Entscheidung gefallen war, standen die Militärs dann aber nicht vor einem ideologischen sondern vor einem ganz praktischen Problem: Sie sollten einen Krieg führen, der nach menschlichem Ermessen nicht zu gewinnen war. Und von dem Moment an spielte Ideologie keine Rolle mehr. Die Militärs denken da ganz mechanistisch. Sie haben nach Wegen gesucht, wie sie das Unmögliche doch noch möglich machen konnten. Die "Lösung", die sie ersonnen haben, war eine Strategie der verbrannten Erde und der Entvölkerung. Es ging dabei nicht darum, der Nazi-Ideologie Geltung zu verschaffen, sondern darum, einen unmöglich erscheinenden militärischen Sieg zu erringen. Wie die von mir zitierten Quellen zeigen, wurden die Soldaten dafür systematisch "scharf" gemacht und der juristischen Verfolgung von Kriegsverbrechen entzogen. Nur auf "soldatische Disziplin" wurde weiterhin geachtet. Das ging nicht von der Partei sondern vom Militär aus. Das System zielte auf eine Eskalation des Krieges ab, die (auch laut Clausewitz) "automatisch" eintreten kann und die ein "anständiger" Staat deshalb normalerweise zu verhindern sucht.

Das "Ergebnis" dieser Strategie entsprach dann "zufällig" ganz den Zielen der Ideologen. Deshalb hat die Politik ja auch keinen Versuch unternommen, die Raserei des Militärs zu bremsen. Und sicherheitshalber versichere ich wieder, dass ich nur beschreiben und keinesfalls rechtfertigen will!

Dass es durchaus ein solide antikommunistische Grundhaltung im Offizierkorps gab, darauf deuten eine Reihe von Studien hin. Das mag der Resonanzboden gewesen sein, dass der eine oder andere Offizier, die NS-Ideologie zur Kriegsführung im Osten mehr als bereitwillig übernahm und aus Überzeugung ausführte.

Nur war das Offizierkorps 1941 in der Mehrheit noch eher geprägt durch die elitären, konservativen Vorstellungen des Kaiserreichs bzw. der Seecktschen Vorstellungen zur Rolle des Militärs.

In diesem Sinne galt für die Mehrheit der Offiziere vermutlich eher Halders Haltung, die im Feldzug eine sehr ernsthafte militärische Herausforderung sahen, der man sich mit einer professionellen Ethik stellen wollte und erfolgreich abschließen.

Dass die Wehrmacht durch ihre Eroberungen erst die Tätigkeit der Einsatzgruppen ermöglichte ist ein anderes Thema.

Zwei Anmerkungen dazu:

Wenn Du Recht hast - wieso ist dann gerade der Krieg im Osten so erbarmungslos geführt worden? Der "Erbfeind" war doch Frankreich. Für "Rachegefühle" gegenüber Russland gab es dagegen kaum Anlässe.

Es wäre aufschlussreich, wenn man sich darüber klar werden würde, was "professionelle Ethik" im Zusammenhang mit Militär bedeutet - und wohin diese professionelle Ethik führen kann! Sie hat nichts mit Ethik oder Moral zu tun, sondern kennt nur den Grundsatz, dass der Zweck die Mittel heiligt. Der Krieg an der Ostfront ist diesbezüglich geradezu ein Lehrstück.

MfG
 
1. Wenn Du Recht hast - wieso ist dann gerade der Krieg im Osten so erbarmungslos geführt worden? Der "Erbfeind" war doch Frankreich. Für "Rachegefühle" gegenüber Russland gab es dagegen kaum Anlässe.

2. Es wäre aufschlussreich, wenn man sich darüber klar werden würde, was "professionelle Ethik" im Zusammenhang mit Militär bedeutet - und wohin diese professionelle Ethik führen kann! Sie hat nichts mit Ethik oder Moral zu tun, sondern kennt nur den Grundsatz, dass der Zweck die Mittel heiligt. Der Krieg an der Ostfront ist diesbezüglich geradezu ein Lehrstück.

zu 1. Ja ich habe Recht und werde die entsprechenden Quellen liefern. Erstaunlicher finde ich, dass Du bei Deinen Behauptungen diese Studien offensichtlich nicht kennst. :grübel:

Und Deine scheinbar plausible Argumentation in Bezug auf Frankreich übersieht, dass trotz der "Erbfeindschaft" die Soldaten der Gegenseite immer als Combatanten angesehen worden sind und die entsprechenden völkerrechtlichen Normen geachtet wurden.

Nebenbei wurden sie auch noch im Krieg gegen Polen geachtet und führte dazu, dass die Militärjustiz gegen Verstöße gegen Rechtsnormen gegen WM-und SS- Angehörige vorgehen wollte. Allerdings von Hitler die entsprechenden Urteil im Rahmen einer allgemeinen Amnestie aufgehoben wurden.

Es war somit in der Wehrmacht zu Beginn des Krieges durchaus ein intaktes Rechtsverständnis in Bezug auf das Völkerrecht vorhanden und dürfte bis 41 kaum komplett erodiert sein.

Es hat schon des Eklats im Rahmen der Verbreitung des "Kommissarbefehls" bedurft, um die Widerstände gegen die Vernichtungspolitik von Hitler zu verdeutlichen. So soll Halder auf nach der Konferenz vom 31 März 41 energisch dagegen protestiert haben, unter welchen Voraussetzungen (Kommissarbefehl etc.) in Russland völkerrechtlich Krieg geführt werden sollte.

In ähnlicher Form schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung:
[FONT=verdana,arial,geneva]"Die Befehle wurden unterhalb der Armee-Ebene in der Regel mündlich weitergegeben und riefen teilweise heftige Proteste hervor." [/FONT]

Weiter differenziert "jesusfreund" dieses Bild auf seiner Wikiseite : "Alfred Streim betont, „… dass es nicht wenige Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten gab, die sich an das Kriegsvölkerrecht oder Grundsätze der Menschlichkeit hielten.“ Der Sammelbegriff „Wehrmacht“ sei in Hinblick darauf zu relativieren. [26] Thomas Kühne schreibt speziell in Bezug auf den Partisanenkampf: „Das Bewußtsein für das Kriegsvölkerrecht war noch vorhanden. An den Verstößen dagegen beteiligten sich die Soldaten in unterschiedlichem Maße. [27]“zu 2: Der Unterschied ist eigentlich ganz einfach. Es hat der Sondereinheiten bedurft, um den Vernichtungsfeldzug durchzuführen und keine WM-Einheiten herangezogen wurden bzw. werden konnten. Es mag sein, dass einzelne Wehrmachtsoffiziere, auch im Sinne Deiner Zitate, bereit waren, diesen Vernichtungsfeldzug zu unterstützen.

Dennoch belegen diese einzelnen Äußerungen in keinster Weise, dass sich das Offizierkorps bereits 1941 der NS-Ideologie in Bezug auf die Rassenideologie unterworfen hat und die Zielsetzung der ethnischen Säuberungen aktiv unterstützt hat.
 
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