Rodriguez
Aktives Mitglied
Zur Panzergruppe 2, die von Guderian befehligt wurde, gehörte auch das 47. Panzerkorps, deren Kommandeur, General Lemelsen, sich bereits am 25. Juni 1941 - also 3 Tage nach dem Überfall auf die SU (!) - genötigt sah, folgenden Befehl zu erteilen:Die Division war übrigens zugeordnet der Panzergruppe 2 (Guderian -> siehe die dortigen Erinnerungen, nach denen der Kommissarbefehl nicht weitergegeben worden sei); der Auszug ist auch in den übrigen Passagen recht interessant und aufschlußreich:
"Ich habe festgestellt, daß in sinnloser Form Erschießungen stattgefunden haben, sowohl von Gefangenen wie von Zivilisten. Der russische Soldat, der in Uniform gefangengenommen wird und tapfer gekämpft hat, hat Anspruch auf ehrenvolle Behandlung.
Diese Anordnung ändert nichts an dem Befehl des Führers über rücksichtsloses Vorgehen gegen Freischärler und bolschewistische Kommissare."
(Quelle: Dokument BA-MA, RH27-18/24, 25.6.41.)
Fünf Tage später musste General Lemelsen erneut an seine Soldaten appellieren, da sie offenbar seinen ersten Befehl völlig ignoriert hatten (es wurde dennoch niemand zur Rechenschaft gezogen):
"Trotz meiner Verfügung vom 25.6.41 ... werden immer wieder Erschießungen von Gefangenen, Überläufern und Deserteuren festgestellt, die in unverantwortlicher, sinnloser und verbrecherischer Weise stattfinden. Das ist Mord!
[...]
Der Erlaß des Führers befiehlt ein rücksichtsloses Vorgehen gegen den Bolschewismus (politische Kommissare) und jedes Freischärlertum! Einwandfrei als hierzu gehörig festgestellte Leute sind abseits zu führen und ausschließlich auf Befehl eines Offiziers zu erschießen."
(Quelle: Dokument BA-MA, RH27-18/175, 30.6.41.)
Es zeigt sich zum einen, dass schon während der ersten Tage des Überfalls auf die SU willkürlich Gefangene und Zivilisten massakriert wurden, zum anderen, dass der Kommissarbefehl bestand hatte. Denn viele Befehlshaber hatten nach dem Krieg behauptet, der Kommissarbefehl sei in ihrer Truppe nicht ausgeführt worden. So auch Heinz Guderian, der in seinem Buch "Erinnerungen eines Soldaten" schrieb, dass die Panzergruppe 2 den Kommissarbefehl nie erhalten habe.
Warum solche Übergriffe sowohl an Zivilisten, als auch an Kriegsgefangenen gerade im Osten geschehen konnten, hat vielerlei Gründe. Erstens hatte die ideologische Indoktrination seit 1933 das Denken und Handeln der Soldaten mehr geprägt und beeinflusst, als manch einer glauben möchte (man lese bspw. wie sich dtsch. Soldaten in privaten Briefen äussern). Zum zweiten spielte die Pervertierung von Moral und Disziplin eine wesentliche Rolle: auf der einen Seite versuchte man zu unterbinden (Willkür und Gleichgültigkeit), was man auf der anderen legitimierte ("Barbarossa"-Erlass, Kommissarbefehl). Unter anderem trug genau das zu einer allgemeinen und zunehmenden Verrohung der Truppe bei, die den Soldaten unempfänglich für die Leiden der Zivilisten und der gegnerischen Soldaten machte, wie diverse Befehlshaber bereits in den ersten Tagen und Wochen von "Barbarossa" besorgt nach oben meldeten...
Literatur:
Bartov, Omer: Hitlers Wehrmacht. Soldaten, Fanatismus und die Brutalisierung des Krieges.
Überschär, Gerd R.: "Unternehmen Barbarossa". Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion 1941: Berichte, Analysen, Dokumente.
Messerschmidt, Manfred: Kommandobefehl und NS-Völkerrechtsdenken, in "RDP" 11 (1972)
Hrsg. Dierwege, W.: Deutsche Soldaten sehen die Sowjetunion. Feldpostbriefe 1941.
Kempowski, Walter: Das Echolot. Barbarossa '41. Ein kollektives Tagebuch.
Saludos!