@ excideuil
(hat der nickname eine Bedeutung?)
Hat er. Der Person Ch. M. de Talleyrand gilt mein besonderes hist. Interesse. Aber der Nickname Talleyrand erschien mir dann doch auf meine Person bezogen unangemessen. In der langen Liste der Titel der Fam. Talleyrand-Périgord findet sich auch Marquis d'Excideuil. Das passte dann besser.
Ja, es wundert(e) mich sowieso, wie schnell und mit welcher Macht (und Frechheit) nach dem 9. Thermidor, allerspätestens aber 1799ff. die monarchistische Reaktion sich zeigte. Vom skurrilen Schauspiel der jeunesse doree und Frerons Regie mal ganz abgesehen, zeugt dieses "Überwintern-Können" der Royalisten m.M.n. von einem, na ja, durch Macht- und Koalitionserwägungen hervorgerufenen Lavieren bzgl. der "Aristokraten" - aber immer mal unterbrochen durch Phasen von Radikalität, zB die akute Ausländerfeindlichkeit, der ja Cloots faktisch zum Opfer gefallen ist.
Na, ja, so verwunderlich ist das nicht. Dem Adel mögen seine Titel und seine Vorrechte genommen worden sein, das Eigentum verblieb ihm (mit Einschränkungen für Emigranten): Artikel 17 der Erklärung der Menschenrechte: "Da das Eigentum ein unverletzliches und geheiligtes Recht ist, kann es niemandem genommen werden, es sei denn, dass die gesetzlich festgestellte öffentliche Notwendigkeit dies eindeutig erfordert und verher eine gerechte Entschädigung festgelegt wird."
Sofern der Adel also Besitz hatte und sich ruhig verhielt, konnte er auf "bessere Zeiten" hoffen und unstrittig düfte auch sein, dass der Royalismus noch länger tief verwurzelt war und so z.B. Bonaparte 1815 eine ganz bestimmte Route auf dem Weg nach Paris aufzwang.
Ach ja, noch was. Du schreibst: "Und arm waren auch viele Aristokraten, einige schlossen sich der Revolution an." :grübel:
Das würde ich bezweifeln. Psychologisch plausibler wäre es, wenn GERADE die verarmte Edelschaft sich konservativ-reaktionär, um nämlich, wenn schon nicht materiell, so doch durch Privilegien (die auch der ärmste Graf oder "de" qua Geburt hatte) sich vom Volke zu unterscheiden. Außerdem denke ich nicht, dass die breite Masse der Edelleute auf dem Lande von aufklärerischen Ideen "infiziert" waren. Kann mich aber natürlich auch täuschen.
Bezogen auf den verarmten Provinzadel (den "hobereaux" - deutsch fälschl. übersetzt mit Krautjunker) gebe ich dir natürlich recht. Diese Adligen lebten "so nahe am Existenzminimum, dass ihnen nur noch der verblichene Glanz ihres aristokratischen Namens Selbstbewußtsein verlieh. Dieses war entsprechend übersteigert. Es war ihnen unmöglich, den Adelsstand als solchen in Frage zu stellen, und was blieb, war anmaßendes Auftreten gegenüber den von ihnen abhängigen Bauern." [1] Die Abwälzung der Belastungen nach unten durch den Provinzadel war Mitauslöser der "Grande Peur" im Sommer 1789.
Aber diese armen Adligen sind nicht gemeint.
Der Gegensatz von arm und reich durchzog nicht nur Frankreich sondern auch den Adel und selbst Frankreichs 1. Familien. Nur der erstgeborene Sohn war Erbe des Namens und des Vermögens, der Rest musste mehr oder minder zusehen. Und so nimmt es nicht Wunder, dass "Mitglieder des Adels - die allerdings zum Teil mittellos waren wie der Vicomte de Noailles - [] bei dieser sogenannten Abschaffung der Feudalrechte [Nacht zum 4. und 5. Aug. 1789] mit Anträgen voran [gingen] und leisteten den [...] längst fälligen Verzicht auf Vorrechte, die ohnehin unhaltbar geworden waren." [2]
Der Name Noailles ist nicht unbekannt, wie auch der Name Talleyrand-Périgord. Der Vater von Ch. M., Charles-Daniel Comte de Talleyrand, Mitglied des Hochadels, Gen-Ltn., vom König mit "Vetter" angesprochen war arm. Sicher ist arm relativ, aber immer dann prekär, wenn sie von der Gunst des Monarchen abhänig war. Ob angeboren oder Unfall, sein erstgeborener Sohn Charles Maurice war ein Krüppel, sein rechter Fuß war mißgebildet, der berühmteste Talleyrand war zeitlebens an den Gehstock gebunden. Mit Folgen: Die Rechte des Erstgeborenen gingen an seinen jüngeren Bruder Archambaud, ihm selbst blieb nur der Weg innerhalb der Kirche. Sicherlich bevorrechtet, denn er wurde Bischof von Autun, dennoch nicht seinen Neigungen entsprechend. Und so finden wir ihn in den Generalständen, bei der Erstellung der Erklärung der Menschenrechte. Den Artikel 6 hat er erstellt und auch durchgesetzt: "Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens. Alle Bürger haben das Recht, persönlich oder durch ihre Vertreter an seiner Gestaltung mitzuwirken. Es muss für alle gleich sein, mag es beschützen oder bestrafen. Da alle Bürger vor ihm gleich sind, sind sie alle gleichermaßen, ihren Fähigkeiten entsprechend und ohne einen anderen Unterschied als den ihrer Eigenschaften und Begabungen, zu allen öffentlichen Würden, Ämtern und Stellungen zugelassen."
Was heute banal klingt, war damals politischer Sprengstoff. Sein persönliches Interesse, das Auflehnen gegen familienpolitische Maßnahmen wurde Gesetz.
Grüße
excideuil
[1]
Michael Erbe: Die gesellschaftlichen Konflikte und der Ausbruch der Französischen Revolution, in :
Malettke, Klaus (Hrsg): Soziale und politische Konflikte im Frankreich des Ancien Régime – Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Bd. 32, Colloquium Verlag, Berlin, 1982, Seite 114
[2] M. Erbe, a.a.O. Seite 121