das macht auf mich folgenden Eindruck: die Durchfahrt von der Nordsee zur Ostsee um Dänemark herum (via Öresund, großer & kleiner Belt ins Kattegat) befand sich in dänischer und schwedischer Kontrolle/Zuständigkeit. Die brit. Nordseeblockade dürfte für Ex-Importe zum verbündeten Russland wohl nicht gesperrt gewesen sein.
Eine kaiserliche Totalsperre/beherrschung der Ostsee hätte es 1917 dem britischen U-Boot C32 eigentlich nicht gestattet, in der Bucht von Riga auf russischer Seite an maritimen Kampfhandlungen teilzunehmen (?!) siehe Unternehmen Albion / Eroberung der Ostseeinseln vor Riga.
- - entweder begreife ich hier mangels Kenntnis irgendwas nicht, oder meine Frage ist noch nicht beantwortet?
Da facto gab es keine Vollsperrung in dem Sinne, dass überhaupt nichts mehr durch den Sund gekommen wäre, schon deswegen nicht, weil das eine direkte Schädigung des schwedischen Handels bedeutet hätte.
Deutschlands Rüstungsindustrie war aber auf die "Schwedenerze" zur Ergänzung der eigenen Rohstoffbasis dringend angewisen, folglich war es angezeigt jede Maßnahme zu vermeiden, die Stockholm vor den Kopf stoßen und die Einfuhr schwedischer Erze hätte gefährden können.
Vollsperrung war schon deswegen keine Option, aber natürlich genügte die deutsche Seeüberlegenheit in der Ostsee um zu verhindern, dass Schiffe mit Kriegsgütern Russland ohne weiteres anfahren konnten.
Ich kann Dir Dein Frage auch nicht mit Sicherheit beantworten, denke aber nicht, dass es noch nennenswerten Handel zwischen Russland und den anderen Alliierten über die Ostsee gab. Die Ostsee ist ja auch kein Riesenmeer und deutsche Schiffe konnten von der gesamten deutschen Ostseeküste zwischen Kiel und Memel aus operieren. Man konnte die westliche Ostsee auch ohne Kontrolle über die Belte weitgehend kontrollieren.
Gab es nicht.
Es gab Unterstützungslieferungen der Entente für Russland im Norden, das lief aber vor allem über die norwegischen Häfen von da mit der Bahn durch Schweden und weiter mit der Bahn zur Schwedisch-Russischen (Finnischen) Grenze.
Das ging in begrenzten Maße, weil Deutschland gegen Schweden wegen der Erzproblematik nicht viel unternehmen konnte, war aber natürlich im mehrfacher Hinsicht limitiert:
- Zum einen hatte natürlich Schweden ein Interesse seine Neutralität aufrecht zu erhalten (zumal die durch die Kriegskonjunktur wirtschaftlich durchaus vorteilhaft war) und konnte daher nicht zu offensichtlich die eine oder andere Seite begünstigen.
- Zum anderen waren natürlich die Bahnkapazitäten in diesen Gegegenden eher beschaulich, so dass die Transportlisstung limittiert war.
Ein interessantes Panorama des Güterumschlags an der Schwedisch-Russischen Grenze (Grenzübergang von Haparanda nach Tornio), liefert Catherine Merridale in
"Lenins Zug" (das Werk vollzieht die Reise Lenins und seiner Genossen von der Schweiz über Deutschland und Schweden nach Russland nach).
[...] "Vom Moment ihrer Ziehung an schien die Grenze nie völlig ungefährdet zu sein.
Die Schwedische Regierung konnte nicht vergessen, das Russland Expansionsgelüste hatte. Als riesige Erzvorkommen in Kriuna, weniger als fünfhundert Kilometer nordwestlich, entdect wurden, mussten Investoren in Stockholm ihre Pläne für eine moderne Eisenbahnstrecke zügeln, da sie fürchteten, dass Haparanda ein Tor für eine neue Welle einfallender russischer Horden werden könne. Das Dampfzeitalter Schwedens hatte seinen Höhepunkt erreicht, doch während sich die Gleise wie Nervenstränge nach Norden vorschoben, wurden keine Schienen nach Haparanda verlegt. Im Sommer, wenn die Schlittn der Jäger kein Eis mehr überqzeren konnten, war eine Holzbrücke die einzige solide Verbindung nach Finnland.
Die Situation änderte sich durch den Ersten Weltkrieg. Die Großmächte der europäischen Atlatikküste, Großbritannien und Frankreich waren mit dem Russischen Reich verbündet. Sie mussten MMenschen hin und her schicken und hatten sich einverstanden erklärt, die Russen mit lebenswichtigen Kriegsmaterialien, etwa Zündschnühren, Präzisionsvisieren, zu versorgen, doch der direkte Kontakt zwischen West und Ost war blockiert. Die Routen durch Deutschland hatte man natürlich versperrt, und wo die Seewege durch Nord- und Ostssee nicht voll Minen waren, wurden sie von U-Booten abpatroulliert. Allein der Landweg durc Nordschweden war benutzbar, wiewohl aufreibend und abgeschieden. Thomas Cook starb im Jahre 1892. Wenn er Haparanda einmal für exotisch gehalten hatte, hätte er es sich 1917 anschauen sollen.
Die Eisenbahnverbindung wurde 1915 fertiggestellt. Es handelte sich nur um eine einspurige Nebenstrecke, und die Lokomotiven mussten von Karungi im Norden heruntertuckern. Obwohl die Strecke nun eine Lebensader für den Kriegshandel war, machte sie vor Finnland halt, dessen Schienen (wie alle von Russland kontrollierten) ohnehin eine andere Spurbreite hatten. Da die beiden Seiten so nervös miteinander umgingen, musste alles (einschließlich der Passagiere) am Bahnhof von Haparanda entladen, über den Fluss befördert, am gegenüberliegenden Steilufer hochgewuchtet und auf russische Züge verladen werden. [...]
Merridale, Catherine: "Lenins Zug", Frankfurt am Main, 2017 S.12-S.13 (Titel der englischen Orriginalausgabe: "Lenin on the train" 2016).
Rein zahlenmäßig soll die baltische Flotte der Russen sogar stärker als die deutsche Ostseeflotte gewesen sein, beschränkte sich aber weitgehend auf eine defensive Rolle.
Könnte zahlenmäßig hinkommen, allerings handelt es sich bei den russischen Schiffen in der weitüberwiegenden Mehrzahl um veraltete Modelle, die ihren deutschen Kontrahenten zum Teil wenig entgegenzusetzen gehabt hätten.
Die Verluste von 1904/1905, hatten die Probleme der russischen Marine ja durchaus aufgezeigt und durch die prekäre Lage von Russlands Staatsfinanzen und die folgende Priorisierung der Landrüstung und des Bahnbaus, waren natürlich entsprechend wenig Mittel vorhanden, die Probleme bei der Marine zu beseitigen, während ein guter Teil der deutschen Einheiten brandneu war und natürlich durch Abzüge aus der Nordsee via Nord-Ostsee-Kanals jederzeit verstärkt werden konnte.
Insofern geügte es, wenn Deutschland weitgehend die Kontrolle über die südliche Ostsee hatte und Schweden es nicht erlaubte, dass die Entente die schwedischen Hoheitsgewässer regelmäßig als Korridor zum Transfer von Kriegsgüter nach Russland per See nutzte um weitere Verwicklungen zu vermeiden und die eigene Neutralität nicht zu gefährden, um Russland von Nachschub über die Ostsee weitgehend abzuschneiden.