Luther scheint eine Entwicklung durchlaufen zu haben. Das erste Mal (meines Wissens), dass er sich bzgl. der Juden äußerte war 1521 in der Schrift "Das Magnificat verdeutscht und ausgelegt." Seine Äußerungen wirken recht gemäßigt, er sieht es als notwendig, die Juden zu bekehren - und von daher dürfe man sie nicht schlecht behandeln. Sollten sich Juden weigern, sich zu bekehren, solle man sie "mit Frieden gehen" lassen.
Allerdings scheint Luther seine Ansichten recht rasch geändert zu haben, denn schon 1523 betont er die Notwendigkeit der Bekehrung, lässt aber den Teil "mit Frieden gehen" weg (Schrift: "Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei"). Aber die Behandlung der Juden solle immer noch freundlich sein.
Als sich ein Vertreter der Juden (Josel von Rosheim) 1537 an Luther mit der Bitte wandte, er möge sich bei den protestantischen Kurfürsten von Sachsen für die Juden einsetzen (Juden durften sächsisches Territorium nicht betreten), antwortete Luther, dass er nicht mehr die Absicht habe, die Juden freundlich zu behandeln und sie in ihren Irrtum zu bestärken, denn sie hätten den Dienst, den er ihnen mit der Schrift "Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei", erwiesen habe, "schändlich missbraucht".
Im gleichen Jahr sagt Luther in einer Genesisvorlesung, die Juden hätten "alles, was dem Abraham [in der Genesis] verheißen wird, schon verloren" und seien nicht mehr Gottes Volk. Natürlich würden sie das bestreiten, aber das sei "des Teufels Glosse".
Weitere Vorwürfe aus dieser Vorlesung: sie würden "dem Staate mit ihrem großen und unmäßigen Wucher ... Schaden thun."
Die Juden würden für die Türken spionieren.
In der gleichen Zeit kritisierte Luther die dt. Fürsten, dass die "mit den Juden so gemein machen und dieselben begünstigten". Die (indirekte) Aufforderung an die Fürsten, die Juden so schnell wie möglich zu vertreiben, ist die logische Konsequenz.
1538 schrieb Luther "Wider die Sabbather an einen guten Freund": Die Juden hätten schwere SChuld auf sich geladen, für die sie nach Gottes Wille seit 1500 Jahren büßen müssten.
1543: "Von den Juden und ihren Lügen": Die Juden hätten der freundlichen Aufforderung, sich zu bekehren, nicht Folge geleistet, im Gegenteil, sie hätten noch versucht, "die Christen an sich zu locken". Luther warf ihnen hier genau die Dinge vor, die er 20 Jahre früher noch als "Narrenwerk" bezeichnet hatte: Sie würden Brunnen vergiften und Kinder stehlen, die Juden seien "Kinder des Teufels", sie seien Wucherer, Geizhälse und bösartige Neider, von Natur aus arbeitsscheu und auf leichten Gewinn aus.
"Jawohl, sie halten uns Christen in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten im Schweiß der Nasen, Gold und Gut gewinnen, während sie derweil hinter dem Ofen sitzen, faulenzen, pompen [feiern] und Birnen braten, fressen, saufen und von unserem erarbeiteten Gut leben. Sie haben uns und unsere Güter durch ihren verfluchten Wucher in ihre Gewalt gebracht. Sie sind unsere Herren, wir ihre Knechte."
Deshalb forderte Luther, den Juden ihre religiösen Schriften wegzunehmen, ihre Synagogen zu verbrennen und den Rabbinern "bei Leib und Leben verbieten, hinfort zu lehren." Die Berufe des Händlers und Geldverleihers sollten ihnen ebenso verboten werden und die Juden sollten enteignet und zur Arbeit gezwungen werden: "dass man den jungen starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nasen."
Und weiter: "Drum immer weg mit ihnen ... [man muss sich] der teuflischen Last der Juden" entledigen.
1543 "Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi": Hier wird die jüdische Religion als "letzter Dreck" bezeichnet.
alle Ausführungen und Zitate (der Einfachheit halber, sonst müsste ich eine ganze Menge Einzelnachweise schreiben) aus: Wolfgang Wippermann, Wie die Zigeuner, Berlin, 1997, S. 32 - 39.