Das Problem sehe ich gerade in diesem "Tasten". Wie wollte Joffre aus diesem Tasten herauskommen? Der deutsche rechte Flügel befand sich wenigstens von vornherein in einer gewaltsamen Bewegung. Joffre hätte sich festgefahren, bevor er überhaupt ordentlich in Bewegung gekommen wäre.Den Plan XVII sehe ich eher als Verlegenheitsplan, weshalb ich annehme, die Franzosen wären aus ihrem verlustreichen Tasten nicht hinausgekommen. Joffre wird vom Charakter her zwar als beliebt aber auch behäbig beschrieben.
Rurik, laß den Charakter mal beiseite. Zum einen ist so etwas klischee-durchtränkt (an der Marne ließ er in die deutschen Armeen hinein antreten), zum anderen hatte Joffre einen Stab, der Entscheidungen mit beeinflusst hat (-> Marne).
Wenden wir uns besser dem "fog of war" zu.
Joffre (mit seinem Stab) kommandierte gegen die kaiserlich deutsche, im Kern preußische "Militärmaschinerie". Sie wurde 1875/1905 für unbesiegbar gehalten, im August 1914 wird von ihm nun der Sieg verlangt. Lange hat er um den Plan gerungen, die Aufstellung vorsichtig gewählt. 20 Divisionen hält er in Reserve.
Nun weiß er nicht: rollen da 2 Mio. Mann, 80+ Divisionen vom Rhein und durch Belgien auf ihn zu. Oder sind die deutschen Pläne doch in 1914 nochmal geändert worden, und die Musik spielt im Osten?
Am 14.8.1914 verlangt die russische Seite den Antritt im Westen, zur Entlastung. Noch am 20./23.8.1914 stritt man im französischen Stab, ob durch Belgien auf den linken französischen Flügel nun 300.000 Mann der Kaiserlichen Armee marschieren, oder 1.300.000. Die Berichte werden immer dichter, die neue "Luftaufklärung", Meldungen über deutsche Kavallerie an der äußersten rechten Seite.
(May, Ernest: Knowing One's Enemies - Intelligence Assessment before the Two World Wars).
20 Divisionen hält er in Reserve, wohin damit? Zentrum, links, oder doch rechts?
Was anderes soll er tun außer "tasten"? Da ist sonst nichts: es dient vielmehr zur Lokalisierung des deutschen Schwerpunktes. Und daraus ist auch nichts abzuleiten: an der Marne läßt er sich vom Stab überreden, erst die Lücke zwischen den deutschen Armee zu behaupten, trotz Umfassungs- und Vernichtungsgefahr für das BEF (der Verbündete wird ihm den Kopf abschlagen, wenn das schiefgeht), und dann mit den versammelten Reserven in die deutschen Armeen hineinzustoßen, auf die Aisne zu. Und er plaziert eine Armee in v.Klucks äußerster Flanke, ... dann doch zu wenig, um zum totalen Erfolg gegen zwei deutsche Armeen, rund ein Drittel der Kampfstärke zu kommen und sie zu zerschlagen!
Aber: er wurde offensiv, auf Grundlage der Meinungsbildung, dass man den deutschen Schwerpunkt klar vor sich habe, ihn umfassen und zerschlagen könne. Joffre und sein Stab gehen aufs Ganze, wobei man wieder sagen könnte: was bleibt ihm übrig? Aber dieser "cult of offensive", die mutige Schwächung des rechten Flügels, das Hoffen auf Halten der Festungslinie von Verdun im Zentrum abwärts (Bedeutung von Festungen!), passiert aus der Ausgangslage heraus, einen extrem schwierigen Rückzug gerade hinter sich zu haben, bei dem mit Mühe die Auflösung der rückflutenden Verbände vermieden werden konnte. Dass die deutschen Verbände ähnliche Verluste erlitten hatten, kann er aufgrund seines eigenen Rückzuges kaum erahnt haben.
Wenn Dir das alles nachvollziehbar erscheint, sollten wir ihn nicht in eine Schublade stecken, weil schon der Vorgänger seines Kontrahenten meinte: ...
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