Jetzt hat er das zurückgeschrieben:...
Dieses Spiel über Bande ist etwas dubios. Hier liegt eine Umgehung der Schreibrechte für die Neuzeit nahe. Ich gebe aber mal noch ein paar Hinweise:
Was man vielmehr anhand der Faktenlage sehen kann, ist, daß Polen (wenn man einmal Ungarn ausklammert) Anfang Oktober 1938 völkerrechtswidrig Teile der Slowakei besetzte.
Formale völkerrechtliche Betrachtung: Da das von sämtlichen abkommenstragenden Teilen sanktioniert wurde, ist es im März 1939
Schnee von gestern - ganz abgesehen von der (in materieller Betrachtung) geringeren Dimension.
Zählt man diese Dinge zusammen - die Faktenlage, daß von drei Nationen (Tschechei, Polen und Ungarn) das Völkerrecht mißachtet wurde, um sich nach und nach die Slowakei einzuheimsen - so ergibt sich ein recht deutliches Bild.
Dein "Freund" ist nicht mit der
Vorgeschichte und den Hintergründen des Handelns von Polen und Ungarn vertraut, insbesondere nicht mit den diesbezüglichen deutschen Aktivitäten.
Wie oben erwähnt, gehen insbesondere die ungarischen Aktivitäten (die polnischen sind vernachlässigbar) unmittelbar auf die Steuerung Deutschlands bzw. Hitler/Ribbentrop zurück.
Bezeichnenderweise wird in der "Antwort" oben auf die politisch-militärischen Vorbereitungen Hitlers zur Besetzung der Tschechei
nicht weiter eingegangen. Diese Anordnungen wurden wenige Tage nach dem Münchener Abkommen erlassen, wieso wohl? Aber das Ganze hat auch einen diplomatischen Hintergrund, über den sich Dein "Freund" Informationen beschaffen sollte:
Im Gespräch Hitler-Horthy wurde von Hitler Ungarn in Umsetzung seiner territorialen Revisionsansprüche bereits im November 193
7 ein Teil der Slowakei zugesagt. Die Zusagen
wiederholten sich im November 1938 und im Januar 1939, insfern war die ungarische Aktivität Teil des Machtpokers Hitlers um Südosteuropa und die Tschechoslowakei mit dem Ziel ihrer Zerschlagung.
Ungarn war zu diesem Zeitpunkt (Münchener Abkommen 1938) bereits faktisch (nach den internen Gesprächen) fest an die Achse Berlin-Rom angeschlossen, lediglich die öffentliche Publikation des Schrittes wurde von Hitler und Horthy auf einen "politisch günstigen" Zeitpunkt 1939 vertagt. Ungarn hatte sich zwecks Realisierung der angestrebten territorialen Revision an die beiden faschistischen Staaten "verkauft" (ökonomische/politische Unterstützung gegen Gebietsansprüche), und war überdies bereits ökonomisch mit dem Dritten Reich verflochten. Die ungarische Revisionspolitik war in den Jahren zuvor durch die SU und die nun zerfallende Balkan-Entente, insbesondere durch Rumänien weitgehend neutralisiert. Mit der Unterwerfung unter die Außenpolitik Hitlers versprach man sich, die Blockade lösen zu können.
Hitler
dirigierte Zeitpunkt und Umfang der ungarischen Revisionsforderungen, ebenso wie ihre Realisierung im Bund mit Italien (das graduell abweichende Positionen vertrat, aber auf Kurs gebracht wurde). Man kann über die Relevanz und völkerrechtliche Bedeutung des 1. Wiener Schiedsspruchs streiten: legt man ihn "zugunsten" der Tschechoslowakei zugrunde, wären damit die Zusatzabkommen betr. Polen und Ungarn aus dem Münchener Abkommen
erledigt. Selbst auf dieser Basis würden sich keine weiteren Ansprüche gegen die Tschechoslowakei ergeben können. Abgesehen davon wurde die Gültigkeit bestritten.
Hitler wies Ungarn direkt an, nach seiner Direktive zu handeln: dabei verglich er sehr dreist im Gespräch mit den ungarischen Diplomaten und Horthy Deutschland, Italien, Ungarn und die slowakischen Separatisten mit einer
Fußballmannschaft, die abgestimmt und schnell "spielen" müsse, um die Ansprüche (=Vertragsverletzungen zum Münchener Abkommen) politisch-militärisch so blitzartig zu realisieren, dass die Westmächte und die SU bei der kommenden Zerschlagung nicht reagieren könnten (ADAP November 1938). Zugleich wurden die ungarischen Ansprüche kommuniziert, um die Instabilität der Tschechoslowakei zu erhöhen, und die Tschechei "übernahmereif" zu machen.
Die Annexion war entgegen das Abkommen, richtig - jedoch hatte die Tschechei durch den Einmarsch in die Slowakei das Abkommen bereits hinfällig werden lassen. Von Polen und Ungarn ganz zu schweigen.Deutschlands Reaktion war genau das: Eine Reaktion."
So war die Lesart der Goebbels-Presse und Hitlers politischer Propaganda.
Völkerechtlich ist das Unsinn, da
selbst eine in zwei Teilstaaten zerfallene Tschechoslowakei (in der Nazi-Propaganda 1938/39 übrigens mit "-" getrennt) in Sukzession
unter den Schutz des Abkommens fällt.
Ich kenne keinen renommierten Völkerrechtler bzw. daraus resultierender Literatur, der ernsthaft anderes behaupten würde, ganz abgesehen vom Schutz der Rest-Tschechei durch das
Briand-Kellog-Abkommen.
Die Behauptung, Hitler habe hier nicht aktiv gehandelt, entbehrt
jeder faktischen Grundlage. Wer sich dazu ausläßt, sollte sich einmal die Akten des Auswärtigen Amtes Deutschlands (ADAP) anschauen. Dort wird die Strategie unverblümt offengelegt.
Literatur:
Hoensch, Jörg: Die Slowakei und Hitlers Ostpolitik
Riemenschneider, Michael: Die deutsche Wirtschaftspolitik gegenüber Ungarn 1933 - 1944
Durucz, Peter: Ungarn in der auswärtigen Politik des Dritten Reiches 1942-1945
Liment/Nakladal: Germanys First Ally - Armed Forces of the Slovak State 1939-1945
Kiszling, Rudolf: Die militärischen Vereinbarungen der Kleinen Entente 1929-1937
Steiner, Zara: The Triumph of the Dark - European International History 1933-1939
Karski, Jan: The Great Powers and Poland 1919-1945
Prazmowska, Anita: Britain, Poland and the eastern Front 1939
Newman, Simon: March 1939: The British Guarantee to Poland - a Study in the Continuity of British Foreign Policy
Teichova, Alice: An Economic Background to Munich
Gillard, David: Appeasement in Crisis - From Munich to Prague October 1938 - March 1939
Celovsky, Boris: Das Münchener Abkommen von 1938
Zum Münchener Abkommen, Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei findest du im Forum auch einige weiterführende Diskussionen.