Napoleon in Spanien 1808

excideuil

unvergessen
In der Ausgabe 03/2010 von GGeschichte wird, man kann sagen, wieder einmal, auf vielen Seiten über Napoleon unter dem Titel "Triumph und Tragödie" berichtet.

Auf Seite 57 zum Spanienfeldzug Napoleons ist folgendes Zitat eines Dabeigewesenen zu lesen:
"François Lavaux, ein französischer sergent, schreibt in seinen Memoiren:
"Während unseres ganzen Marsches fanden wir am Wegrand ermordete Soldaten. Die einen waren halb verbrannt, den anderen hatte man alle vier Gliedmaßen abgetrennt, wieder andere hatte man an Bäume genagelt oder an den Füßen aufgehängt. Wir hatten Befehl, im ersten besten Dorf, in dem man einen Schuss auf uns abfeuern sollte, alle zu töten und alles niederzubrennen, ohne die Kinder in den Wiegen zu schonen. Sechs Wochen lang taten wir nichts anderes als zu töten und zu sengen.""

Dass Napoleons Kriege auch unendliches Leid über Europa gebracht haben, dürfte unbestritten sein, auch, dass der Spanienfeldzug wohl eines der unrühmlichsten Kapitel des Korsen sein dürfte.

Aber, und das meine Frage: Sind solche Befehle nicht Aufforderung zum Völkermord? Ich bin mir nicht sicher, ob aus heutiger Sicht der Begrifflichkeit eine Bejaung standhält. Sicher bin ich mir aber, dass nach der Clausewitzschen Definition, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, die Wahl der Mittel irgendeine Rechtfertigung für solche Befehle in sich trägt. Niemand hat das Recht, sich an der Zukunft eines Volkes zu vergreifen!

Was meint Ihr?

Grüße
excideuil
 
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Aber, und das meine Frage: Sind solche Befehle nicht Aufforderung zum Völkermord? Ich bin mir nicht sicher, ob aus heutiger Sicht der Begrifflichkeit eine Bejaung standhält. Sicher bin ich mir aber, dass nach der Clausewitzschen Definition, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, die Wahl der Mittel irgendeine Rechtfertigung für solche Befehle in sich trägt. Niemand hat das Recht, sich an der Zukunft eines Volkes zu vergreifen!

Was meint Ihr?

Grüße
excideuil

Das waren damals die üblichen Vorgehensweisen wenn sich Zivillisten gegen das Militär erhoben.

Die Hager Landkriegsordnung wurde ja erst ca. hundert Jahre später eingeführt um die gröbsten Exzesse im Krieg einzudämmen, rabiates Vorgehen gegen "Partisanen" gehörten aber auch da noch zum Repertoire.

Auch Städte die sich einer Kapitulation verweigerten, nach dem bei der Belagerung eine Bresche in die Mauern geschossen wurde, drohten solche Schicksale nach der Einnahme. Auch wenn die Bevölkerung zumeist gar nichts zu sagen hatte. So plünderten die Briten Badajoz und San Sebastian, obwohl es die französischen Besatzer waren, die sich nicht ergeben wollten.

Das hatte aber Tradition: In Shakespeares "Henry V" droht dieser den Bürgern Harfleurs, nicht einmal die Kinder in der Wiege zu verschonen, wenn sie die Stadt nicht übergeben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Heinrich der Fünfte, Dritte Szene:

König Heinrich.
Was hat der Hauptmann dieser Stadt beschlossen?
Wir lassen kein Gespräch nach diesem zu;
Darum ergebt euch unsrer besten Gnade,
Sonst ruft, wie Menschen, auf Vernichtung stolz,
Uns auf zum Ärgsten; denn, so wahr ich ein Soldat
(Ein Nam, der, denk ich, mir am besten ziemt):
Fang ich noch einmal das Beschießen an,
So laß ich nicht das halbzerstörte Harfleur,
Bis es in seiner Asche liegt begraben.
Der Gnade Pforten will ich alle schließen,
Der mordgewohnte Krieger, rauhen Herzens,
Soll schwärmen, sein Gewissen höllenweit,
In Freiheit blutger Hand und mähn wie Gras
Die holden Jungfraun und die blühnden Kinder.
Was ist es mir denn, wenn ruchloser Krieg
Im Flammenschmucke, wie der Bösen Fürst,
Beschmiert im Antlitz, alle grausen Taten
Der Plünderung und der Verheerung übt?
Was ist es mir, wenn ihr es selbst verschuldet,
Daß eure reinen Jungfraun in die Hand
Der zwingenden und glühnden Notzucht fallen?
Was für ein Zügel hält die freche Bosheit,
Wenn sie bergab in wildem Laufe stürmt?
So fruchtlos wendet unser eitles Wort
Beim Plündern sich an die ergrimmten Krieger,
Als man dem Leviathan anbeföhle,
Ans Land zu kommen. Darum, ihr von Harfleur,
Habt Mitleid mit der Stadt und eurem Volk,
Weil noch mein Heer mir zu Gebote steht,
Weil noch der kühle, sanfte Wind der Gnade
Das ekle, giftige Gewölk verweht
Von jähem Morde, Raub und Büberei.
Wo nicht, erwartet Augenblicks besudelt
Zu sehn vom blinden blutigen Soldaten
Die Locken eurer gellend schreinden Töchter;
Am Silberbart ergriffen eure Väter,
Ihr würdig Haupt geschmettert an die Wand;
Gespießt auf Piken eure nackten Kinder,
Indes der Mütter rasendes Geheul
Die Wolken teilt, wie das der jüdschen Weiber
Bei der Herodes Knechte blutger Jagd.
Was sagt ihr? Gebt ihr nach und wollt dies meiden?
Wo nicht, durch Widerstand das Ärgste leiden?


http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=2617&kapitel=13&cHash=c4ea3620492#gb_found
 
@ excideuil
Also das Verhalten selbst überrascht mich weniger. Mich würde eher interessieren, wer denn genau die Befehle dazu gab.
Waren das Befehle des Korpskommandanten? Des Königs von Spanien? Des Oberkommandierenden? Oder waren das so die Art von Befehlen, die man nicht schriftlich fixiert, die sich aber einfach rumsprechen?
 
@Bdaian

fast habe ich es geahnt, danke für Deine Ausführungen!

@Brissotin

Gute Frage, ich war schon überrascht, überhaupt dieses Zitat zu lesen, auch bin ich, was die Schlachten Napoleons selbst angeht, nicht fit genug, um mir da ein wertiges Urteil zu erlauben.

Grüße
excideuil
 
Oder waren das so die Art von Befehlen, die man nicht schriftlich fixiert, die sich aber einfach rumsprechen?
Das waren damals die üblichen Vorgehensweisen wenn sich Zivillisten gegen das Militär erhoben.

Man wird sicherlich keinen schriftlichen Befehl finden, worin die Tötung von unbewaffneten Zivilisten angeordnet wird, weder von Napoleon (von seinem Bruder ganz abgesehen, der die Spanier für sich gewinnen wollte) oder einem seiner Armee- oder Divisionsgeneräle. Auch faktisch kann man nicht von einem "Völkermord" oder einem Versuch dazu sprechen.

"Üblicherweise" hat ein militärischer Befehlshaber das Recht und die Pflicht, alle Maßnahmen zu treffen, die den Feind schwächen und die eigene Truppe schützen. Dazu gehört auch das Recht, Repressalien anzuordnen und durchzuführen, freilich nur solche, die "angemessen" sind; Frauen und Kinder zu töten, geht weit darüber hinaus und war auch damals ein Verbrechen.

Viele Grausamkeiten, die sich zwischen 1808 und 1813 ereigneten, wurden durch die ganz unübersichtliche Situation begünstigt: Das spanische Königshaus hatte (gezwungenermaßen) den Thron aufgegeben, worauf jetzt der Naopleonbruder saß; das Volk selbst erhob sich nach dem 2.5.1808 spontan gegen die Franzosen, ohne dass eine zentrale Instanz dazu aufgefordert hätte; die einzelnen Erhebungen waren nicht oder nur locker koordiniert, eine starke reguläre spanische Armee war zeitweise kaum vorhanden; nüchternes Kalkül trat, besonders auf der Seite des Volkes, zurück hinter dem unbändigen Hass auf die Fremden. Der "kleine Krieg" hielt sich von Anfang an nicht an die "Regeln", wie aus dem eingangs zitierten Bericht hervorgeht: Der Zweck heiligte alle Mittel, man tötete die Franzosen, wo man ihrer habhaft werden konnte.

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Ich habe mich vergewissert, was zum Guerillakrieg hier schon geschrieben wurde. Auszüge:
Guerillakrieg gab es schon in der Antike.
...dort [in den Cevennen] bahnte sich schliesslich etwas an, welches heute als "Krieg der Kamisarden" bezeichnet wird und als erster neuzeitlicher Guerillakrieg gilt.
...Guerillakrieg in Spanien zur napoleonischen Zeit, hier wurde heftigst gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen. [...] Einzig die Waffenwirkung und die Taktik setzen die Grenzen, wenn sich durch das Töten von Zivilisten ein militärischer Vorteil ergibt, wurde und wird es immer auch gemacht.
Schon Clausewitz hat unter dem Eindruck des spanischen Volkskrieges gegen Napoleon über den "Kleinkrieg" referiert. Das Meiste davon ist bis heute gültig. Guerillakrieg ist eine Unterart des Krieges überhaupt und kein Merkmal der "Modernität" auch wenn aktuell solch asymetrische Kriege häufiger vorkommen als "Symetrische".
Es ist nicht ganz einfach, die Dinge überhaupt auf den Begriff zu bringen. Das gilt auch fürs Spanien-Beispiel: Waren diejenigen, die den "Volkskrieg" gegen die Franzosen führten, Soldaten? Angehörige einer Miliz? Partisanen? War das, was sie taten, völkerrechtlich legal (Widerstandsrecht) oder illegal? usw.
 
Napoleon in Spanien

Spanien war ja zur Zeit Napoleons nicht unbedingt der freieste Ort der Welt, und so weit mir bekannt hätte Napoleon doch einiges für Spanien geplant das die Situation verbessert hätte.
Wieso aber stellten sich die Spanier so sehr gegen diese Möglichkeit und unterstützten repressive Strukturen wie die Kirche?
Nationalstolz?
 

Vereinfacht gesagt: Ja. Man hat einen auslændischen König aufgezwungen bekommen, und obendrein fremde Truppen im Land gehabt.

Da spielte es fuer die (auch sehr religiøsen) Spanier keine Rolle, welche tollen Ideen und Freiheiten man damit hætte bekommen sollen.

Gruss, muheijo
 
Da spielte es fuer die (auch sehr religiøsen) Spanier keine Rolle, welche tollen Ideen und Freiheiten man damit hætte bekommen sollen.
Zumal einem diese tollen Freiheiten erstmal gefallen müssen. Wie ich immer sage, "mancher Bauer auf der Scholle sah seinen Vorteil nicht" in den Reformen, sondern vor allem eine Veränderung von dem, woran er gewöhnt war und was ihm teilweise heilig war.:winke:
 
Ich denke, der Widerstand in Spanien bei der Landbevölkerung wurde in erster Linie durch den katholischen Glauben + aktive Pfarrer befeuert, wider die "gottlosen frz. Revolutionäre". An nationale Dinge wurde dabei primär nicht gedacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Spanien war ja zur Zeit Napoleons nicht unbedingt der freieste Ort der Welt...
Nein, aber auch nicht der unfreieste. :nono: Es hatte wie anderswo eine Reformperiode gegeben, die unter Karl III. im Zeichen des "aufgeklärten Absolutismus" stand [1], wobei der Widerstand aus den Reihen von Adel und Kirche aber deutlich stärker war als etwa in Preußen und letztlich eine Lösung der sehr gravierenden ökonomischen Probleme des Landes verhinderte.

Wie dann auch in der napoleonischen Zeit war das zweite Haupthindernis das Unverständnis breiter Volksschichten für die Reformbemühungen - "nicht weiter verwunderlich" angesicht einer hohen Analphabetenrate: Spanien gehörte zu den Ländern mit dem niedrigsten Bildungsgrad und blieb es auch noch lange Zeit - "noch 1850 [!!] bezifferte man die Zahl der Analphabeten auf über 75 %"!

Die Beteiligung an den Revolutionskriegen - angefangen vom US-Unabhängigkeitskrieg - führte dann zu einer immer höheren Staatsverschuldung, zuletzt auch durch die von Napoleon erzwungene Beteiligung an der Blockade Großbritanniens.

...und so weit mir bekannt hätte Napoleon doch einiges für Spanien geplant das die Situation verbessert hätte. Wieso aber stellten sich die Spanier so sehr gegen diese Möglichkeit und unterstützten repressive Strukturen wie die Kirche? Nationalstolz?
Wichtige Faktoren wurden schon genannt, z.B.
- die fehlende "Aufnahmefähigkeit" für modernere Ideen und Strukturen
- der Widerstand gegen das "Fremde" an sich
- beides gefördert/gestärkt durch die Staatskirche

Hinzu kam, dass König Joseph zwar guten Willens war und um die Zustimmung des Volkes warb, die "große Politik" seines Bruders aber von jener Rücksichtslosigkeit geprägt war, die ihn kurz über lang in beinahe allen Ländern, über die er herrschte, verhasst machte.

Joseph konnte kaum auf Verbündete im Innern rechnen: "Der spanische Liberalismus trat, ohne daß er eigene starke Wurzeln und eine breite soziale Basis besessen hätte, in einer einzigartigen politischen Konstellation zu Beginn des Jahrhunderts mit revolutionärem Anspruch auf, blieb aber stets zu schwach, um diesen nachhaltig durchzusetzen." [2] Der Nationalismus andererseits, der erfolgreich gegen die Franzosen mobilisiert werden konnte, war/blieb "rückwärtsgewandt und defensiv. Er erwuchs aus der Abwehrhaltung gegenüber der Moderne als romantische Aufbereitung vergangener nationaler Größe (Costumbrismo) ..."


[1] Siehe Peer Schmidt in: ders. (Hg.), Kleine Gescbichte Spaniens. Liz. Bonn 2005, S. 224-242; nächste Zitate S. 241
[2] Hans-Otto Kleinmann in: aaO., S. 254; hier auch das folgende Zitat.
 
Hinzu kam, dass König Joseph zwar guten Willens war und um die Zustimmung des Volkes warb, die "große Politik" seines Bruders aber von jener Rücksichtslosigkeit geprägt war, die ihn kurz über lang in beinahe allen Ländern, über die er herrschte, verhasst machte.

Interessant wære gewesen, ob Joachim Murat, der ja auch gerne die spanische Krone genommen hætte, der bessere Kandidat gewesen wære.
In Berg, spæter Neapel soll er ja einigermassen beliebt gewesen sein.

Ich glaube aber, man war einigermassen ueberrascht ueber die Stærke des Widerstandes - und da man den Aufstand gleich am Anfang mit aller Hærte versuchte niederzuschlagen, war der Kæs' schnell gegessen: Die Gewaltspirale hatte begonnen.

Gruss, muheijo
 
Zuletzt bearbeitet:
Kronprinz Ferdinand war recht beliebt in Spanien. Als also Carlos IV. und sein Sohn Fernando nach Bayonne gingen, um ihren Streit beizulegen, den sie u.a. wegen des beim Volk unbeliebten Premierministers Godoy hatten (der die Franzosen aus Eigeninteressen ins Land geholt hatte, er hatte sich die portugiesische Algarve als "Lehen" ausersehen), setzte Napoleon in einem ganz und gar nicht liberalen Akt beide gefangen. Carlos' IV. Macht war damit endgültig dahin (es waren dem Streit Aufstände vorausgegangen) und Fernando wurde zum Deseado ('Herbeigesehnten'). Auf der konservativen Bevölkerung lag die Last des Befreiungskriegs, das liberale Bürgertum - insbesondere in den Seestädten - fürchtete um seine Handelsprivilegien mit den amerikanischen Vizekönigreichen (das Wirtschaftsssystem war ja noch merkantilistisch): Insofern hatten die französischen und ihnen alliierten Besatzungstruppen (z.B. aus der Grafschaft Lippe) wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Im Prinzip hatte die Besatzung mit Massakern angefangen und Joseph wurde insbesondere wegen seiner Saufgelage und seiner kleinen Plätze bekannt, die er letztlich durch den Abriss von Kirchen und Klöstern schuf. Er ist daher bis heute als Pepe Botellas oder als Rey Plazuelas bekannt.
Zusammengefasst:
- Konservatismus der Landbevölkerung
- ökonomische Überlegungen der Bourgeoisie
- Überrumpelung der spanischen Bevölkerung/Verhalten der frz. BEsatzungtruppen/Josephs

Leider erwies sich Fernando el Deseado nach seiner Befreiung nun Fernando VII. als äußerst undankbar gegenüber seinen Unterstützern. Die liberale Verfassung von Cádiz ("La Pepa", die demnächst ihr 200jähriges feiert), schaffte er wieder ab, einige der führenden Guerilleros wurden hingerichtet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant wære gewesen, ob Joachim Murat, der ja auch gerne die spanische Krone genommen hætte, der bessere Kandidat gewesen wære.
In Berg, spæter Neapel soll er ja einigermassen beliebt gewesen sein.

Ich glaube aber, man war einigermassen ueberrascht ueber die Stærke des Widerstandes - und da man den Aufstand gleich am Anfang mit aller Hærte versuchte niederzuschlagen, war der Kæs' schnell gegessen: Die Gewaltspirale hatte begonnen.

Gruss, muheijo

Murat hat sich in den Tagen vor und nach dem Aufstand vom 02. Mai 1808 so arrogant und brutal verhalten, dass er jede Akzeptanz verspielt hatte.

Unter anderem stiess der Bevölkerung von Madrid sehr unangenehm auf, mit welchen Pomp er Sonntags den Kirchgang beging. Er liess sich mit schlagender Trommel in Galauniform von seiner Eskorte zur Kirche begleiten, also praktisch wie ein König. Ich vermute dass er sich mit dem Kirchgang selbst, den örtlichen Gepflogenheiten anpassen wollte, der Effekt war jedoch negativ.
 
Murat hat sich in den Tagen vor und nach dem Aufstand vom 02. Mai 1808 so arrogant und brutal verhalten, dass er jede Akzeptanz verspielt hatte.

Unter anderem stiess der Bevölkerung von Madrid sehr unangenehm auf, mit welchen Pomp er Sonntags den Kirchgang beging. Er liess sich mit schlagender Trommel in Galauniform von seiner Eskorte zur Kirche begleiten, also praktisch wie ein König. Ich vermute dass er sich mit dem Kirchgang selbst, den örtlichen Gepflogenheiten anpassen wollte, der Effekt war jedoch negativ.

Nun, ich denke, dass die staatsmännischen Fähigkeiten eines Joachim Murat sehr überschätzt werden. Dass der Sohn eines Gastwirtes Marschall von Frankreich wurde, mag noch durchgehen; seine Karriere zum Großherzog von Berg und Kleve, später dann König von Neapel hat er ganz klar seiner Heirat mit Caroline Bonaparte zu danken. Und ich denke auch, dass Caroline der ergeizigere und auch fähigere Part in dieser Beziehung war.

J. Murat als König von Spanien? Ich denke, nach Bonapartes Nummer von Bayonne war egal, wer König wurde. Unter Murat wäre wohl die Gewalt größer gewesen, er hätte mit allen Mitteln "seinen Königstitel von Spanien" verteidigt.

Nicht nur der Krieg in Spanien ließ die beiden besten Männer Frankreichs ihre Rivalität vergessen. Talleyrand und Fouché demonstrierten eine plötzliche Freundschaft, die in ganz Paris widerhallte. Ihre dynastische Sorge war, dass Bonaparte nicht aus Spanien zurückkommen könnte. Ihre Wahl eines Nachfolgers war Murat. Aus Sicht der beiden eine sehr clevere Wahl: Ein akzeptierter Militär, der nicht zuletzt über seine Frau wesentlich lenkbarer zu sein versprach als Bonaparte. Für Murat nicht gerade ein Kompliment, zumal zudem vermutet werden kann, dass er nur als eine Übergangslösung gedacht war, um sich auch der anderen Bonapartes zu entledigen.

Seine politische "Weisheit" wurde ein paar Jahre später deutlich. Caroline hatte dafür gesorgt, dass Österreich (Metternich) zu Beginn des Wiener Kongresses Murat den Thron Neapels nicht streitig machen wollte, zunächst.
Allein das Auftauchen Bonapartes von Elba genügte, um Murat zu Reaktionen zu verleiten, die dann wenig später Metternich und Talleyrand Zufriedenheit in die Antlitze prägte: Österreich war einen Störenfried los, in Neapel regierten wieder die Bourbonen.

Murat mag ein guter Militär gewesen sein, als Staatsmann war er eine Null.

Grüße
excideuil
 
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