Ich will Pflug und Schoppe gar nicht verteidigen, sondern das Unkonventionelle in der Forschung, gern auch das von Außenseitern gebrachte – Schliemann, der auch nicht vom Fach war, lässt grüßen; er hatte zuerst eine Idee, und selbst als die sich durch Ausgrabungen bestätigte, gab es trotzdem Widerspruch von den damaligen Koryphäen der Zunft.
Und wieder der alte Schliemann-Mythos, der
so überhaupt nicht stimmt. In Hirsalik war schon vor Schliemann gegraben worden.
Bessere Beispiele wären die Holocaustforschung, wo sich anfänglich Historiker kaum heranwagten, und wo Juristen die ersten großen Forschungserfolge hatten oder die prähistorische Archäologie, deren Verwissesnchaftlichung in hohem Maße von Biologen vorangetrieben wurde.
Mich hat z.B. sauer aufgestoßen, dass du @Lehye ziemlich barsch die Rosinenpickerei vorwarfst, so nach dem Motto, er müsse z.B. vom Cassius Dio alles nehmen, nicht nur Teile, die er dann mit Zitaten anderer Autoren kombinierte.
Ich erkläre es auch dir noch mal.
Leyhe beruft sich bei seiner Strecke, die Varus gegangen sei, auf Cassius Dio. Damit startet Cassius Dio an der Weser. Das kann ich akzeptieren. Nur ist die Weser ein 400 km langer Fluss. Leyhe setzt aber Corvey als Startpunkt an und das, obwohl es in Corvey überhaupt keine römischen Funde gibt.
Nun sagt Cassius Dio aber gar nicht, dass Varus an der Weser startete, nur, dass er an der Weser war. Dann wird ihm irgendwann gemeldet, dass es in entfernten Gegenden einen Aufstand gäbe. Ob Varus zu diesem Zeitpunkt noch an der Weser weilte, erfahren wir de facto nicht.
Ich akzeptiere, trotz des Einwandes, dass gar nicht zu 100 % sicher ist, dass Cassius Dio die Weser als Startpunkt ansetzte, wegen der hohen Wahrscheinlichkeit, die dafür spricht, dass Cassius Dio das tat.
Dann aber sagt Leyhe, Kalkriese könne ja gar nicht Ort der Varusschlacht sein, weil die Varusschlacht nicht auf dem Weg von der Weser zu den Winterlagern läge.
- es steht nirgends - in keiner unserer Hauptquellen zum Varusschlachtgeschehen - dass Varus auf dem Weg in die Winterlager war
- im Gegenteil: Cassius Dio - und das ist der Autor, auf den sich Leyhe explizit stützt - sagt, dass Varus auf dem Weg war, einen Aufstand niederzuschlagen
- nach der Auskunft von Velleius Paterculus verlegte Asprenas nach der Varusniederlage zügig seine zwei obergermanischen Legionen in die unteren Lager, als mutmaßlich von Mainz nach Köln, Neuss und Xanten.
So, und genau an dieser Stelle werfe ich Leyhe Rosinenpickerei vor, weil er nämlich erst unbedingt von der Weser ausgehen muss (und präzise von Corvey, was eine Chimäre in Bezug auf die Römer ist), sich also auf Cassius Dio stützt, dann aber ohne Grund und Anlass von Cassius' Darstellung abweicht, dass Varus auf dem Weg war, einen Niederstand aufzuschlagen und
quellenwidrig behauptet, Varus sei auf dem Weg ins Winterlager gewesen.
Du kennst meine Haltung zu Cassius Dio, ich halte diesen für nicht vertrauenswürdig. Hier ist es aber der willkürliche Umgang mit der Quelle, der herausgreift, was in den Kram passt und verwirft, was nicht in den Kram passt.
Verwerfen kann man Angaben aus Quellen dann, wenn sie
- im Widerspruch mit der physischen Wirklichkeit stehen
- im Widerspruch mit anderen Quellen stehen
- textimmanente Widersprüche aufweisen.
- es begründbare Gründe gibt, eine Angabe aus einer Quelle unstimmig zu halten: Cui bono?
All das ist aber hier nicht der Fall.
Es ist völlig legitim, aus den wenigen schriftlichen Quellen, die wir haben, sich ein eigenes Gesamtbild zu komponieren,
Das ist das tägliche Brot des Historikers. Das ist nicht das, was Leyhe gemacht hat. Der hat willkürlich eine Stelle an der Weser bestimmt, wo Varus losgelaufen sein soll und willkürlich einen Satz ignoriert.