Novemberrevolution 1918

War die Novemberrevolution eine abgeschlossene Revolution ?

Wie der name des threads schon sag möchte ich wissen, ob die Novemberrevolution eine abgeschlossene Revolution war ?

Wäre toll wenn ihr mir Argumente dafür/dagegen nenen könnent :)
 
Man bezeichnet sie oft als "stecken gebliebene" Revolution, denn das, was die Revolutionäre z.T. wollten, wurde nur teilweise erreicht. Der Kaiser war zwar weg, es gab erste Schritte Richtung mehr Demokratie, aber die alten Eliten wurden nicht entmachtet, an den sozialen Verhältnissen änderte sich kaum etwas.

Das sollte als Basis für eigene Recherchen ausreichen.
 
"Stecken geblieben" is ein passender Begriff. Beendet wurde die Revolution sicherlich, doch ist es eine Frage des Zeitpunktes, zu dem man sie als beendet/gescheitert/stecken geblieben bezeichnet.
Immerhin wird ja der weitere geschichtliche Verlauf in erheblichem Ausmaß durch die Konterrevolution der militarisierten reaktionären Kräfte beeinflußt.
 
"Stecken geblieben" is ein passender Begriff.
Finde ich nicht - denn diese Bezeichnung beinhaltet ja eine negative Bewertung, und bei der historischen Faktenbeschreibung sollte man neutral bleiben.

Manche Revolutionäre haben das so gesehen - andere dagegen waren mit dem Endergebnis der Revolution völlig zufrieden (die Weimarer Verfassung ist ja auch ein echter Erfolg im demokratischen Sinne).
 
Na, so positiv würde ich die Weimarer Verfassung nun doch nicht sehen. Sicher, es gab das allgemeine, gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen, es gab Volksbegehren und Volksentscheid und viele waren zunächst zufrieden ... und dann gab es einen Reichspräsidenten, mit dem man sich einen "Ersatzkaiser" geschaffen hat.

Davon abgesehen finde ich nicht, dass "stecken bleiben" eine deutlich negative Bewertung beinhaltet. "Mein Auto ist stecken geblieben" ... mag zwar für mich negative Konsequenzen haben, beinhaltet doch aber keine Bewertung des Autos.
"Der Angriff ist stecken geblieben" ... auch hier eine ganz neutrale Aussage, kein Urteil über z.B. den kommandierenden Offizier.
 
Na, so positiv würde ich die Weimarer Verfassung nun doch nicht sehen. Sicher, es gab das allgemeine, gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen, es gab Volksbegehren und Volksentscheid und viele waren zunächst zufrieden ...
Nun ja, es waren eigentlich alle Forderungen drin, die die Demokraten sich seit Vorfeld 1848 gewünscht hatten - und einiges mehr, was sie sich kaum getraut hatten, zu fordern.
Insgesamt war die Weimarer Verfassung modern und mit in Bezug auf Grundrechte und demokratische Freiheiten gab es zeitgenössisch wohl nichts Besseres.

... und dann gab es einen Reichspräsidenten, mit dem man sich einen "Ersatzkaiser" geschaffen hat.
Ja, aber das wurde erst später im Zusammenhang mit einer sehr problematischen Parlamentszusammensetzung ein Problem.
Wo jemand 1918 mit der Verfassung unzufrieden war, hatte das nichts mit diesen Paragraphen zu tun.

Davon abgesehen finde ich nicht, dass "stecken bleiben" eine deutlich negative Bewertung beinhaltet.
Na ja, ist doch letztlich nur eine andere Formulierung für "hat nicht geklappt". Das ist eigentlich immer negativ gemeint.

"Mein Auto ist stecken geblieben" ... beinhaltet doch aber keine Bewertung des Autos.
Vielleicht nicht des Autos, aber der Fahrt. Angestrebt war, irgendwohin zu kommen - und das hat nicht geklappt. Mißerfolg. Negativ zu werten.

"Der Angriff ist stecken geblieben" ... auch hier eine ganz neutrale Aussage, kein Urteil über z.B. den kommandierenden Offizier.
Dito: Vielleicht keine Aussage über den Offizier, aber eine über den Angriff.
Dieser Angriff ist gescheitert, das Ziel wurde nicht erreicht. Mißerfolg. Negativ zu werten.


Und so ist es doch auch hier gemeint. Wer die Revolution 1918 für "stecken geblieben" erklärt, der wollte eben andere Ziele erreichen (Fürsten enteignen, oder alle enteignen, oder ein Rätesystem, da gibt es viele Varianten).

Für andere aber war die Revolution völlig erfolgreich und brachte die gewünschten Ergebnisse, nämlich Verfassung und Demokratie.

Und wenn man die Wahlergebnisse anschaut liegt eher die Annahme nahe, daß eine deutliche Bevölkerungsmehrheit letztere Position vertrat, die Revolution also nicht als "stecken geblieben" bewertete.
 
Da sind wir wieder beim Begriff "Revolution" - je nachdem, wie man Revolution definiert, kommt man zum Urteil "Erfolg" oder "hat nicht geklappt".

Wenn man unter einer Revolution eben auch eine starke Veränderung der Gesellschaft / eine Umwälzung / einen Umsturz der bestehenden - auch gesellschaftlichen - Ordnung versteht, kann man durchaus von "hat nicht geklappt" reden.

Denn Träger der Revolution von 1918 war ja nicht das Bürgertum, das sich mit "mehr Demokratie" zufrieden gegeben hätte und hat. Träger der Revolution waren insbesondere die Arbeiter - und deren Forderungen gingen weiter.

Sebastian Haffner hat das in "Die deutsche Revolution 1918/19" sehr pointiert dargestellt, frühere Ausgaben hießen soweit ich weiß noch "Der Verrat" (gemeint ist, dass die MSPD die Revolution eingebremst hat und ihre eigentlichen Ziele und ihre eigentliche Klientel verraten hat). Man muss Haffner hier nicht in allem zustimmen, aber ich bleibe dabei "stecken geblieben" ist eine durchaus treffende Beschreibung dieser Revolution (je nach Revolutionsbegriff) und in keiner Weise "unwissenschaftlich".

Edit: Und wenn das Feststellen eines Misserfolgs eine unzulässige Wertung wäre, dürfte auch niemand mehr sagen "Napoleon ist in Russland gescheitert." oder "Napoleon hat die Schlacht bei Waterloo verloren".
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man unter einer Revolution eben auch eine starke Veränderung der Gesellschaft / eine Umwälzung / einen Umsturz der bestehenden - auch gesellschaftlichen - Ordnung versteht, kann man durchaus von "hat nicht geklappt" reden.
Das sich 1918 auch gesellschaftlich viel verändert hat, kann man aber schon feststellen (Verlust der Vormachtstellung des Adels, Frauengleichberechtigung ...).

Wenn ich mir die Wiki-Liste der politischen Revolutionen ansehe (nur so als Indikator, nicht als wissenschaftliche Abgrenzung), dann fallen locker 2/3 der üblicherweise als Revolution geltenden Umwälzungen weg, weil die gesellschaftlichen Veränderungen geringer waren als im Deutschland des Jahres 1918.

Träger der Revolution waren insbesondere die Arbeiter - und deren Forderungen gingen weiter.
Sie stellten wohl die Mehrheit, aber beteiligt waren wohl fast alle gesellschaftlichen Gruppen.
Und auch bei den Arbeitern war es eben so, daß nur ein Teil von ihnen weitergehende Forderungen hatte. Die Mehrheit identifizierte sich eher mit den SPD-Positionen.

Und wenn das Feststellen eines Misserfolgs eine unzulässige Wertung wäre ...
Wenn man etwas als Mißerfolg bezeichnet, ist das natürlich eine Wertung. Unzulässig wird sie aber erst, wenn man diese Wertung verallgemeinert.

Wenn Haffner als persönliche Wertung mehr von 1918 erhofft hat, dann kann er gerne von Scheitern sprechen.
Aber ein Schulbuch sollte das nicht, weil es damit die Wertung einer politischen Richtung übernimmt.

dürfte auch niemand mehr sagen "Napoleon ist in Russland gescheitert." oder "Napoleon hat die Schlacht bei Waterloo verloren".
Das kommt doch auf die Zielsetzung an!

Napoleon (und er war Alleinentscheider) hatte als Ziele, Rußland zu besiegen und bei Waterloo zu gewinnen. Und man kann objektiv feststellen, daß er damit gescheitert ist.

Bei der Revolution 1918 gab es aber diverse beteiligte Gruppen mit sehr unterschiedlichen Zielen.
Die Kommunisten und diverse ähnliche Gruppen wollten eine sehr weitgehend Revolution - dieses Ziel haben sie nicht erreicht. Sie sind also gescheitert.
Die Liberalen oder die Sozialdemokraten wollten eine demokratische Verfassung und eine neue Regierung - diese Ziele haben sie erreicht. Aus ihrer Sicht war also die Revolution ein Erfolg.

Wenn man also nun die Revolution als Mißerfolg bezeichnet, hat man schon inhaltlich Stellung genommen für eine bestimmte politische Richtung .
 
Die Liberalen bzw. das liberale/demokratische Bürgertum war doch nun nicht wirklich 1918 an der Revolution überhaupt beteiligt.
Und wenn man die Sozialdemokraten vorher reden hörte, haben sie ihre Ziele ebenfalls nicht erreicht, schon gar nicht die Arbeiter- und Soldatenräte.

Edit: und "Wenn man also nun die Revolution als Mißerfolg bezeichnet, hat man schon inhaltlich Stellung genommen für eine bestimmte politische Richtung ."

Finde ich sehr gewagt. Ich stelle auch keinen in eine politische Richtung, der sagt: "Schröder ist bei der Wahl gescheitert."
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Liberalen bzw. das liberale/demokratische Bürgertum war doch nun nicht wirklich 1918 an der Revolution überhaupt beteiligt.
Beim Matrosenaufstand und in den Arbeiterräten in der Tat nicht.
Die großen Demonstrationen waren aber nicht exklusiv nur von Arbeitern besucht. Liberale und Zentrum haben den Machtwechsel von Anfang an aktiv unterstützt, insbesondere Ebert als neuen Regierungschef.
Nur mal als Beispiel: Erzberger hat für Ebert die Verhandlungen mit der Entente geführt.
Die neue demokratische Verfassung wurde dann ja auch gemeinsam von SPD, DDP und Zentrum beschlossen.

Und wenn man die Sozialdemokraten vorher reden hörte
Welche genau? Die Ideen des linken SPD-Flügels (dessen Protagonisten ja auch zu einem großen Teil bei USPD/KPD landeten) wurden natürlich nicht umgesetzt.
Aber mir ist nicht bekannt, daß Ebert, Scheidemann oder Wels in ihrer Vorkriegsrhetorik so stark vom 1918 erreichten weg waren.

Ich stelle auch keinen in eine politische Richtung, der sagt: "Schröder ist bei der Wahl gescheitert."
Nochmal: Das kommt darauf an, was Schröder als Ziel hatte. Wenn man davon ausgeht, daß er 2005 hohe SPD-Verluste und eine große Koalition haben wollte - dann wäre er nicht gescheitert.
Man kann aber wohl eher vom Gegenteil angehen, und dann ist das Feststellen des Scheiterns keine unzulässige Wertung.
 
Die Arbeiter und Soldaten waren die auslösende und treibende Kraft der Revolution, bürgerliche Demonstrationen besuchen ist da eher weniger revolutionär.
Ich glaube in keiner Weise, dass das, was erreicht wurde, alles war, was diese Arbeiter und Soldaten erreichen wollten. Von daher passt immer noch "stecken geblieben" im Sinn von "Ziele nicht ganz erreicht" sehr gut.

Dazu auch: Es ist richtig, dass der Reichsrätekongress schließlich mit großer Mehrheit für eine Nationalversammlung und gegen eine sofortige Schaffung einer Räterepublik stimmte - das würde Deine These bestärken, dass das, was am Ende stand, auch alles so gewollt war. Die Nationalversammlung wurde ja dann auch gewählt.
Aber: es wurde auch mit großer Mehrheit (!) beschlossen, "dafür reife Industrien", insbesondere den Bergbau, sofort zu sozialisieren ... das wusste Ebert hinaus zu zögern bzw. zu verhindern.

Es wurde auch mit großer Mehrheit beschlossen, das Militär völlig neu zu gestalten:

Die militärische Kommandogewalt sollte unter Kontrolle des neu zu schaffenden Zentralrates der Arbeiter- und Soldatenräte stehen. Alle Rangabzeichen und das Waffentragen außerhalb des Dienstes sollten abgeschafft werden, die Soldaten ihre Anführer zukünftig selbst wählen und für die Aufrechterhaltung der Disziplin letztlich die Soldatenräte verantwortlich sein sollten. An die Stelle des stehenden Heeres sollte eine milizähnliche Volkswehr treten.

Statt dessen kam es zum Ebert-Groener-Pakt, der genau wie das Stinnes-Legien-Abkommen nicht wirklich mit der Linie der SPD vereinbar war.

Es wäre also festzustellen - wenn man den Reichskongress der Räte (der übrigens mehrheitlich von MSPD Anhängern besetzt war ... 60% oder so) als Sprachrohr für diese Revolution nimmt, dann wurde etwas erreicht und - gegen den Willen der dortigen Mehrheit - anders nicht erreicht. Man kam also nicht ganz zum Ziel - man blieb stecken.
 
Zurück
Oben