Kevin547

Neues Mitglied
Es geht um einen Vater und einen Sohn, welche ein Rundfunkgerät, in deren Gaststätte aufgestellt hatten.

Mit diesem wurde regelmäßig ein Londoner Sender eingestellt, und Vater und Sohn ließen die Gäste mithören.

Gäste die mitgehört haben, haben diese ausländischen Nachrichten dann weitererzählt und dadurch wurde die Bevölkerung durch die Berichterstattung beeinflusst

Diese wurden dann verhaftet ... denn ihnen wurde vorgeworfen, dass das Gasthaus zu einer „feindlichen Propagandazentrale“ gemacht zu haben. (und später umgebracht)

,,Als fanatischer Tscheche (der Vater) war er sich auch dessen bewusst, dass diese Nachrichten vor allem den Zweck verfolgten, die nationale Feindschaft der Zuhörer gegen das Reich zu erregen und zum Kampf für die Befreiung des tschechischen Volkes und somit zur gewaltsamen Losreissung des Protektoratsgebietes vom Reiche aufzufordern.“

Also ich denke, dass die Begriffe mild nicht angemessen sind, da die beiden ja die höchste Strafe (Todesstrafe) bekommen haben.

Schreibt mir was ihr denkt und warum.
 
Ich gehe jetzt mal nicht auf das ein, worauf meine Vorredner zu Recht eingegangen sind. Das Urteil ist gewissermaßen in der perversen NS-Ideologie folgerichtig.
Folgerichtig, weil es für die Arroganz des NS-Staates gegenüber den Bewohnern der besetzten Territorien steht.

Noch eine linguistische Anmerkung zum Terminus fanatisch: Das Wort fanatisch, welches wir heute rein negativ verwenden (wenn wir von dem Kurzwort-Anglizismus Fan absehen), war bei den Nazis wertneutral, wenn nicht sogar positiv besetzt. Die Nazis charakterisierten sich selbst als fanatisch. Im Falle des fanatischen Tschechen gilt diese Bedeutung aber wohl eher nicht.

Was macht das Urteil (bzw. der Auszug)? Es/er betreibt eine Art der Täter-Opfer-Umkehr. Wir erinnern uns: Dtld. hatte sich mittels des Münchener Abkommens zunächst das Sudentengebiet einverleibt. Nicht beteiligt am Münchener Abkommen war die Tschechoslowakei, zu der die Sudeten gehörten. Nicht, dass diese sich einer Stimme enthalten hätte, die Tschechoslowakei wurde gar nicht erst konsultiert... Nachdem sich auch Polen und Ungarn ein paar Stücke vom Kuchen geholt hatten (strittige und/oder im WKI verlorene Gebiete), beschloss Hitler die "Zerschlagung der Resttschechei", die fortan als "Protektorat Böhmen und Mähren" galt. Also als Schutzgebiet. Politische Verfolgung und Plünderung der tschechischen Goldreseren folgten. Es ist also keinem Tschechen zu verdenken, dass er (heimlich) Sender hörte, die ihn mit anderen Nachrichten versorgten, als der deutschen Besatzungsmacht genehm waren. Und hier beginnt eben die Täter-Opfer-Umkehr: Indem der Urteilsspruch den Tschechen das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung aberkennt und die eigene Besatzung Tschechiens legitimiert, macht es "Feindsender" hörenden Vater und Sohn zu Hochverrätern, aus deren Sicht allerdings dürfte die Fügung unter das deutsche Joch Hochverrat gewesen sein. Das "Verbrechen" was sie begingen, war etwas, was für uns in der Demokratie selbstverständliches Recht ist, nämlich uns aus den zur Verfügung stehenden Quellen zu informieren, ohne, dass der Staat das kontrolliert oder gar eingreift. Und wenn ich meine, dass ein Medium aus redaktionellen Gründen eine Information vorenthält, auf die ich scharf bin, dann wechsele ich halt zu einem anderen Medium. Also wenn der Sender Deutsches Reich mir nur Siege vermeldet, dann höre ich halt auch die BBC, um zu erfahren, was denn auf der anderen Seite der Front berichtet wird und entscheide dann, was mir am Ende, weil faktenbasiert, glaubwürdiger erscheint. Nehmen wir an, die Wehrmacht stand letztes Jahr noch in den Vororten von Moskau und dieses Jahr wird es mir als Sieg verkauft, dass es Marschall Schukow bei Rschew nicht gelang, die 9. Armee zu zerschlagen, und mir das komisch vorkommt, dann will ich doch mal wissen wie eine andere Kriegspartei oder eine neutrale Partei auf diese Ereignisse blicken.

Das Fazit: Es hätten nicht die beiden Tschechen auf die Anklagebank gehört, sondern diejenigen, welche das als Tschechei verhöhnte Tschechien besetzten und seine Bewohner um ihre Freiheitsrechte brachten und ausplünderten und sich dann auch noch das Recht herausnahmen, Gegenwehr zum Hochverrat zu erklären.
 
Der für Strafrechtsfälle des BGH zuständige Senat, mit Beschluß vom 17. Juni 2004 5 StR 115/03, hat indirekt, aber deutlich auf ein Widerstandsrecht in "Einmarschfällen" (so beim Ex-Verbündeten Italien ab Sept 43) hingewiesen.

Juristisch ist das geklärt. Die Todesurteile stellen folgerichtig Verbrechen/Kriegsverbrechen dar.
Zitat:
Die Tat ist daher nach geläuterter Auffassung als derart menschenverachtend einzustufen, daß sie nur als rechtswidrig zu werten ist (vgl. auch BGHSt 2, 333, 334 f.). Es bedarf daher nicht einmal der Vertiefung, ob eine Rechtmäßigkeit von Reaktionen [der deutschen Wehrmacht gegen italienische Partisanen] wegen der Rechtswidrigkeit der deutschen Besetzung [Italiens] vor dem Hintergrund der deutschen Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg nicht grundlegend in Frage zu stellen ist.

Deswegen hatte ich danach gefragt, ob die "Qualifikationen" provozierend gemeint sind.
 
Das Fazit: Es hätten nicht die beiden Tschechen auf die Anklagebank gehört, sondern diejenigen, welche das als Tschechei verhöhnte Tschechien besetzten und seine Bewohner um ihre Freiheitsrechte brachten und ausplünderten und sich dann auch noch das Recht herausnahmen, Gegenwehr zum Hochverrat zu erklären.
Warum ist Tschechei abwertend und Slowakei nicht? Oder wolte man nur nach dem Zerfall der CSR nicht in die Sprache der NS-Zeit verfallen? Wenn man dann konsequent sein will, dann muss auch anderes umbenannt werden (Mongolei, Türkei)

Ansonsten volle Zustimmung zu Deinem Beitrag.
 
Zurück
Oben