Paulus Bedeutung für das Christentum

In den 380er Jahren, zur Zeit des Papstes Siricius, war Augustinus ebenfalls bereits aktiv, wenn auch erst als Laie.

"Zu den herausragenden Zeugnissen des frühen Papsttums gehört das Schreiben des Papstes Siricius an Bischof Himerius von Tarragona vom 10. Februar 385. Es enthält als erster Papstbrief wesentliche Merkmale der päpstlichen Dekretale, wie Siricius Äußerungen über Grundlagen seines Pontifikats im Proömium, seine rechtsauslegenden und rechtsetzenden Antworten auf die Fragen des Bischofs von Tarragona und den Befehl, diese päpstlichen Entscheidungen möglichst weit zu verbreiten. Dass diese Anordnung befolgt wurde, dokumentiert die umfangreiche handschriftliche Verbreitung der Dekretale in fast allen frühmittelalterlichen Kirchenrechtssammlungen historischer Ordnung."
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Zu diesem Zeitpunkt war Augustinus noch kein Christ. Sein Bekehrungserlebnis datiert auf August 386, getauft wurde er ein Jahr später.
 
Zu diesem Zeitpunkt war Augustinus noch kein Christ. Sein Bekehrungserlebnis datiert auf August 386, getauft wurde er ein Jahr später.
Ist aber etwas knapp, 1 Jahr . Abgesehen davon, das sein Bekehrungserlebnis etwas legendenhaft ist, fällt die Entdeckung seiner Frauenfeindlichkeit auch in jenen Zeitraum. Im Jahr 385 trennte sich Augustinus von seiner langjährigen Geliebten (mit der er einen Sohn hatte), da sie ein Hindernis für eine standesgemässe Heirat darstellte - "blutenden und verletzten Herzens", wie er schreibt. Seine Mutter (ich glaube sie war schon Christin) suchte und fand eine Braut für ihn, die seiner Karriere nutzen konnte. Da die Erwählte allerdings noch zu jung war, nahm sich Augustinus, um die Wartezeit zu überbrücken, eine neue Geliebte, allerdings nur kurz. Jedenfalls kam 387 für Augustinus - im Jahr seiner Taufe - eine Ehe nicht mehr in Frage, und da war er noch nicht Kleriker. Seine Einstellung gegen Ehe (und Sex) kam offenbar erstmals gerade zur Zeit seines "Bekehrungserlebnisses" 386 auf, zur gleichen Zeit, als seine ersten philosphischen Schriften entstanden (unter dem Einfluss des Neuplatonismus ?, vorher war er ja auch u.a. Manichäer gewesen). Dass der frisch bekehrte Mann sich von der Welt abwenden wollte, hatte offenbar nicht nur mit seinen philosophischen Studien zu tun, sondern auch, wie er meinte, mit seiner grössten Schwäche – den Frauen. Er fand, dass die Sehnsucht nach einer Frau jeden anderen Gedanken verdrängen würde und dass der Geschlechtsverkehr einen enormen Kontrollverlust bedeute. Für ihn hiess die Konsequenz daraus, sich vollkommen von Gott zu entfernen. Als Bischof sprach er später hierzu sogar die Idee, dass man gänzlich auf Sex verzichten sollte.

Berücksichtigt man Augustinus' Einfluss auf die mittelalterlichen Theologie und deren Vertreter (von Thomas von Aquino über die Scholastiker bis zu den spätmittelalterlichen Theologen - sogar Krames Hexenhammer beruft sich in einigen Abschnitten auf ihn) so ist es naheliegend, dass er nicht nur massgeblich für die Frauenfeindlichkeit und verkelemmte Sexualmoral der mittelalterlichen Kirche verwantwortlich war, sondern die Durchsetzung des Pflichtzölibats dürfte ebenfalls zum grossen Teil auf dem Einfluss seiner Schriften beruhen.
Dass der Kirchenvater Augustinus in der Ostkirche praktisch unbekannt war spricht, angesichts des Umstands dass in der orthodoxen Kirche kein Pflichtzölibat für Priester besteht, ebenfalls dafür, dass seine Schriften massgeblich waren für die Durchsetzung der Pflichtzölibats in der mittelalterlichen (katholischen) Kirche.
 
In der Antike gab es kein Zölibat
Das ist so nicht ganz richtig. Die Vestalinnen in Rom waren zu strengster Enthaltsamkeit verpflichtet; wer dagegen verstieß, konnte lebendig begraben werden.

Von Epiktet ("Über den Kynismus") ist eine Begründung der Ehelosigkeit überliefert, wie wir sie ganz ähnlich auch von christlichen Verfechtern des Zölibats kennen: Ehe und Familie lenken nur davon ab, sich ganz in den "Dienst der Gottheit" zu stellen:
"... muss da der Kyniker nicht ungehindert sein, ganz im Dienst der Gottheit stehen, imstande sein unter den Menschen herumzugehen, nicht gefesselt durch bürgerliche Pflichten, nicht gebunden durch persönliche Beziehungen, durch deren Verletzung er nicht mehr den Charakter des Ehrenmannes bewahren, durch deren Wahrnehmung er aber den Boten, den Kundschafter und Herold der Götter zerstören würde? Denn siehe, er müsste zeigen, was einer seinem Schwiegervater schuldig ist, was den übrigen Verwandten seiner Frau und seiner Frau selbst."
Epict. Diss. III 22 (zit. nach Neuer Wettstein II/1, S. 291)

Und ein Rabbi musste damals – wie heute noch in im orthodoxen Judentum – verheiratet sein.
Vom heutigen rabbinischen Judentum darfst du aber nicht ausgehen, denn das rabbinische Judentum ist ein Resultat aus Entwicklungen die mit der Zerstörung des Tempels 70 (Vespasian, Titus) und der Vertreibung der Juden aus Iudaea und der Umbennenung Iudaeas in Palaestina (Hadrian) - also gewissermaßen einer das Judentum betreffenden damnatio memoriae - zusammenhängen.
Das Judentum zu Beginn unserer Zeitrechnung war ziemlich vielgestaltig und übrigens auch weit weniger übersichtlich, als Flavius Josephus das mit seiner Einteilung in drei "philosophische Schulen" (Pharisäer, Sadduzäer, Essener) suggeriert.

2. Es giebt nämlich bei den Juden drei Arten von philosophischen Schulen; die eine bilden die Pharisäer, die andere die Sadducäer, die dritte, welche nach besonders strengen Regeln lebt, die sogenannten Essener. Die letzteren sind ebenfalls geborene Juden, aber untereinander noch mehr als die anderen durch Liebe verbunden. Die sinnlichen Freuden meiden sie wie die Sünde, und die Tugend erblicken sie in Enthaltsamkeit und Beherrschung der Leidenschaften. Über die Ehe denken sie gering, dagegen nehmen sie fremde Kinder auf, so lange dieselben noch in zartem Alter stehen und bildungsfähig sind, halten sie wie ihre Angehörigen und prägen ihnen ihre Sitten ein. Doch wollen sie damit die Ehe und die Erzielung von Nachkommenschaft durch dieselbe nicht gänzlich aufheben, sondern sich nur vor den Ausschweifungen der Weiber sichern, da sie glauben, dass keines derselben dem einen Gatten die Treue bewahre.
[...]
13. Ausserdem giebt es nun noch einen zweiten Zweig der Essener, der in Lebensart, Sitten und Gebräuchen mit dem anderen ganz überein stimmt, in der Ansicht über die Ehe dagegen von ihm abweicht. Sie glauben nämlich, dass die, welche nicht in die Ehe träten, den wichtigsten Lebenszweck, die Erzielung von Nachkommenschaft, ausser acht liessen, oder vielmehr, dass, wenn alle so dächten, das ganze Menschengeschlecht in kürzester Zeit aussterben müsse. Doch erproben sie die Bräute drei Jahre lang, und wenn sie nach dreimaliger Reinigung deren Fähigkeit, Kinder zu gebären, erkannt haben, nehmen sie dieselben zur Ehe. Während der Schwangerschaft enthalten sie sich des Beischlafes zum Beweise, dass sie nicht aus Wollust, sondern um Kinder zu erzielen geheiratet haben.
Flavius Josephus Werke: Altertümer, Krieg, Apion, Leben. Übersetzt von Heinrich Clementz : Heinrich Clementz : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive


Man kann sich natürlich streiten, ab wann sich hellenistisch-römische Vorstgellungen in Luft aufgelöst hatten. Ich meine, dass dies spätestens 529 nach der Schliessung der letzten Philosophenschule in Athen als "Stätte heidnischer und verderbter Lehren" geschehen ist. Natürlich hat sich das Christentum in der römisch-hellenistischen Welt entwickelt und ist auch ensprechend beeinflusst worden, dass heisst aber ja wohl nicht, dass das mittelalterliche Christentum eine Fortsetzung oder "Weiterentwicklung" dieser Welt und deren Vorstellung gewesen ist.
Die (neuplatonische) Philosophenschule, die 529 geschlossen wurde, war m. W. erst im frühen 5. Jahrhundert gegründet worden. Neuplatonische Denkweisen waren damals aber auch im Christentum präsent und wurden ins Mittelalter weitertradiert, siehe Boethius: Der Trost der Philosophie – Wikipedia

Was würdest Du denn zum Judentum sagen? Von den vielfältigen Spielarten, die sich zu Beginn unserer Zeitrechnung belegen lassen, sind alle untergegangen; nur das rabbinische Judentum (das sich erst im 1. Jahrhundert bildete) hat die Antike überlebt. Trotzdem würde niemand behaupten, das Judentum habe sich "in Luft aufgelöst."
 
Ist aber etwas knapp, 1 Jahr . Abgesehen davon, das sein Bekehrungserlebnis etwas legendenhaft ist, fällt die Entdeckung seiner Frauenfeindlichkeit auch in jenen Zeitraum.
Ja, ein Jahr ist knapp, aber in diesem Zusammenhang unerheblich, weil man seine Religion nicht wie ein Hemd wechselt, sondern unterliegt einem längeren Denkprozess.
 
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