Beschäftigt man sich mit dem Eroberer Perús, Francisco Pizarro, findet man immer wieder, bis hin in die geschichtswissenschaftliche Literatur, die Legende, dass Pizarro Schweine hütend aufgewachsen sei bis dahin, dass er von einer Sau gesäugt worden sei, wie Romulus und Remus von einer Wölfin. Einig sind sich fast alle Darstellungen darin, dass Pizarro Analphabet war. Pizarro sei von seinem Vater mit einer Magd gezeugt und verstoßen worden, manchmal heißt es, sein Vater habe ihn vor eine Klostertür gelegt.
De facto wissen wir zwischen Pizarros Geburt und seinen ersten militärischen Erfahrungen nichts über Pizarros Leben. Was wir wissen, ist, dass er trotz seiner illegitimen Geburt den Namen seines Vaters - Pizarro - trug, genauso wie seine Halbbrüder, sowohl der ehelich geborene Hernando, als auch die von einer anderen Mutter geborenen Brüder Gonzalo und Juan. Das spricht dafür, dass die Kinder von ihrem Vater anerkannt waren, sie keine Namen trugen, wie sie für vaterlose Kinder oder Conversos üblich waren, nach dem Geburtsort o.ä.
Vermutlich ist Francisco Pizarro sogar von seinem Vater mit nach Italien genommen worden, denn beide kämpften dort unter dem Kommando des Gran Capitán. Er nahm seinerseits die ältesten drei seiner jüngeren Brüder (den legitim geborenen Hernando, Gonzalo, Juan) mit nach Perú. (Der Vater hatte Kinder von mindestens vier verschiedenenen Frauen.)
Damit können wir die Legende vom verstoßenen Kind wohl ad Acta legen.
Aber woher kommt die Erzählung, Pizarro sei als Schweinehirt aufgewachsen oder gar von einer Sau gesäugt worden?
Esteban Mira Caballos:
En relación a la leyenda porcina fue creada y divulgada por Francisco López de Gómara, quien no dudó en atacar y ridiculizar a todo aquel que pudiera hacer sombra a su héroe. Según su testimonio, no sólo se pasó su infancia y juventud rodeado de piaras a las que cuidaba sino que en el momento de su nacimiento fue amamantado por una cerda. […] obviamente las leyendas lupina y porcina no eran exactamente equivalentes. La primera trataba de ensalzar a sus protagonistas y la segunda justo de lo contrario.
Die Schweinelegende wurde von Francisco López de Gómara in die Welt gesetzt und verbreitet, den nichts hemmte, all diejenigen zu attackieren und lächerlich zu machen, welche auch nur den geringsten Schatten auf seinen Helden (Hernán Cortés) werfen könnten. Nach seinem Zeugnis verbrachte Pizarro nicht nur seine Kindheit und Jugend umringt von Schweineherden, die er versorgte, sondern wurde im Augenblick seiner Geburt bereits von einer Sau gestillt. […] offensichtlich waren die Legende von Romulus und Remus und der Wölfin sowie die von der Sau nicht exakt gleich. Bei der Legende von Romulus und Remus ging es darum, die Protagonisten zu preisen, bei der von Pizarro das glatte Gegenteil.
Bei der Übersetzung habe ich mir stilistische Freiheiten genommen, bzw. nichtzitierte Passagen tw. mitgedacht. Sie gibt den Sinn von Esteban Miras Worten korrekt wieder.
Esteban Mira Caballos macht drei bzw. vier verschiedene Erzähltraditionen bzgl. Pizarro aus:
Primera, la de los historiadores cortesianos […]
Segunda, la de los pizarristas, […]
Y tercera, la de los almagristas, […]
Otros cronistas, […] también desacreditaron al trujillano, pero no por una cuestión personal sino porque lo hicieron así con todos los conquistadores
- also die Parteigänger Cortés‘, Pizarros und Almagros (Diego de Almagro war zunächst ein Verbündeter von Pizarro, aber nach der Eroberung des Inkareiches kam es zu Konflikten zwischen Pizarro und de Almagro, in deren Verlauf de Almagro hingerichtet wurde, Anhänger Almagros stürmten Pizarros Haus und töteten diesen) sowie Historiographen, die den Conquistadores grundsätzlich kritisch bis feindlich gegenüber standen.
So sei es der mit den Almagros befreundete Gonzalo Fernández de Oviedo gewesen, der herausgehoben habe, dass Pizarro ein Bastard ohne die Bildung zum Regieren gewesen sei (De hecho, del trujillano destacó su condición de bastardo y su nula formación para gobernar.)
Girolamo Benzoni (aus der vierten Gruppe) charakterisierte Pizarro in seiner Historia del Nuevo Mundo
(1565) als mit einer robusten Konstitution versehen, mutig und begeisterungsfähig/charismatisch, aber falsch, grausam, fahrlässig und ungebildet/analphabetisch (hier zitiert Esteban Mira Caballos direkt aus Benzoni: “constitución robusta, valiente y animoso, pero falso, cruel, negligente e iletrado”)
Obwohl wir Autographen von Pizarro haben: die freilich eine etwas zittrige und unbeholfene Handschrift zu zeigen scheinen (das ist mein Urteil, nicht das von Mira Caballos), wird behauptet, Pizarro habe nicht schreiben können. Klar, es ist nur seine eigene Unterschrift (und die können viele Analphabeten, die sonst nicht lesen und schreiben können auch), Pizarros Gegner sollen ihn vor seiner Ermordung gezwungen haben, sein eigenes Todesurteil zu unterschreiben. Aber was eben dagegen spricht, dass er vollkommen ungebildet war und nicht schreiben könnte, ist, außer, dass das praktisch nur in den ihm feindlich gesonnenen Quellen berichtet wird - mit der Wahrheit nehmen es alle vier Gruppen, also auch die Quellen pro Pizarro, nicht immer ganz genau - ist, dass er bereits vorher für die spanische Krone als Magistrat tätig war. So, wie seine von seinen Gegnern überlieferte Kindheitsgeschichte (vom Vater verstoßen, von Schweinen umgeben aufgewachsen) leicht als erfunden zurückzuweisen ist (Vatersname, in Italien mit den Vater unter dem Kommando des Gran Capitán, Kontakt zu seinen Halbbrüdern), steht die Legende von seinem Analphabetentum dazu im Widerspruch, dass Pizarro zeitweise Magistrat war, dass Autographen von ihm überliefert sind (wenn auch offensichtlich nur seine Unterschrift - aber wer weiß, was in Sevilla oder Simancas, in Lima oder Neapel noch unentdeckt liegt?) und dass er sein Todesurteil unterzeichnen musste.
De facto wissen wir zwischen Pizarros Geburt und seinen ersten militärischen Erfahrungen nichts über Pizarros Leben. Was wir wissen, ist, dass er trotz seiner illegitimen Geburt den Namen seines Vaters - Pizarro - trug, genauso wie seine Halbbrüder, sowohl der ehelich geborene Hernando, als auch die von einer anderen Mutter geborenen Brüder Gonzalo und Juan. Das spricht dafür, dass die Kinder von ihrem Vater anerkannt waren, sie keine Namen trugen, wie sie für vaterlose Kinder oder Conversos üblich waren, nach dem Geburtsort o.ä.
Vermutlich ist Francisco Pizarro sogar von seinem Vater mit nach Italien genommen worden, denn beide kämpften dort unter dem Kommando des Gran Capitán. Er nahm seinerseits die ältesten drei seiner jüngeren Brüder (den legitim geborenen Hernando, Gonzalo, Juan) mit nach Perú. (Der Vater hatte Kinder von mindestens vier verschiedenenen Frauen.)
Damit können wir die Legende vom verstoßenen Kind wohl ad Acta legen.
Aber woher kommt die Erzählung, Pizarro sei als Schweinehirt aufgewachsen oder gar von einer Sau gesäugt worden?
Esteban Mira Caballos:
En relación a la leyenda porcina fue creada y divulgada por Francisco López de Gómara, quien no dudó en atacar y ridiculizar a todo aquel que pudiera hacer sombra a su héroe. Según su testimonio, no sólo se pasó su infancia y juventud rodeado de piaras a las que cuidaba sino que en el momento de su nacimiento fue amamantado por una cerda. […] obviamente las leyendas lupina y porcina no eran exactamente equivalentes. La primera trataba de ensalzar a sus protagonistas y la segunda justo de lo contrario.
Die Schweinelegende wurde von Francisco López de Gómara in die Welt gesetzt und verbreitet, den nichts hemmte, all diejenigen zu attackieren und lächerlich zu machen, welche auch nur den geringsten Schatten auf seinen Helden (Hernán Cortés) werfen könnten. Nach seinem Zeugnis verbrachte Pizarro nicht nur seine Kindheit und Jugend umringt von Schweineherden, die er versorgte, sondern wurde im Augenblick seiner Geburt bereits von einer Sau gestillt. […] offensichtlich waren die Legende von Romulus und Remus und der Wölfin sowie die von der Sau nicht exakt gleich. Bei der Legende von Romulus und Remus ging es darum, die Protagonisten zu preisen, bei der von Pizarro das glatte Gegenteil.
Esteban Mira Caballos macht drei bzw. vier verschiedene Erzähltraditionen bzgl. Pizarro aus:
Primera, la de los historiadores cortesianos […]
Segunda, la de los pizarristas, […]
Y tercera, la de los almagristas, […]
Otros cronistas, […] también desacreditaron al trujillano, pero no por una cuestión personal sino porque lo hicieron así con todos los conquistadores
So sei es der mit den Almagros befreundete Gonzalo Fernández de Oviedo gewesen, der herausgehoben habe, dass Pizarro ein Bastard ohne die Bildung zum Regieren gewesen sei (De hecho, del trujillano destacó su condición de bastardo y su nula formación para gobernar.)
Girolamo Benzoni (aus der vierten Gruppe) charakterisierte Pizarro in seiner Historia del Nuevo Mundo
(1565) als mit einer robusten Konstitution versehen, mutig und begeisterungsfähig/charismatisch, aber falsch, grausam, fahrlässig und ungebildet/analphabetisch (hier zitiert Esteban Mira Caballos direkt aus Benzoni: “constitución robusta, valiente y animoso, pero falso, cruel, negligente e iletrado”)
Obwohl wir Autographen von Pizarro haben: die freilich eine etwas zittrige und unbeholfene Handschrift zu zeigen scheinen (das ist mein Urteil, nicht das von Mira Caballos), wird behauptet, Pizarro habe nicht schreiben können. Klar, es ist nur seine eigene Unterschrift (und die können viele Analphabeten, die sonst nicht lesen und schreiben können auch), Pizarros Gegner sollen ihn vor seiner Ermordung gezwungen haben, sein eigenes Todesurteil zu unterschreiben. Aber was eben dagegen spricht, dass er vollkommen ungebildet war und nicht schreiben könnte, ist, außer, dass das praktisch nur in den ihm feindlich gesonnenen Quellen berichtet wird - mit der Wahrheit nehmen es alle vier Gruppen, also auch die Quellen pro Pizarro, nicht immer ganz genau - ist, dass er bereits vorher für die spanische Krone als Magistrat tätig war. So, wie seine von seinen Gegnern überlieferte Kindheitsgeschichte (vom Vater verstoßen, von Schweinen umgeben aufgewachsen) leicht als erfunden zurückzuweisen ist (Vatersname, in Italien mit den Vater unter dem Kommando des Gran Capitán, Kontakt zu seinen Halbbrüdern), steht die Legende von seinem Analphabetentum dazu im Widerspruch, dass Pizarro zeitweise Magistrat war, dass Autographen von ihm überliefert sind (wenn auch offensichtlich nur seine Unterschrift - aber wer weiß, was in Sevilla oder Simancas, in Lima oder Neapel noch unentdeckt liegt?) und dass er sein Todesurteil unterzeichnen musste.