Politisches Attentat - Vertretbar?

Es ist mWn der Grundsatz, der die rechtsstaatliche Gewalt bindet, nicht "mit Kanonenkugeln auf Spatzen zu schießen"; auch der Staat ist auf der einen Seite verpflichtet, bspw Rechtsbrüche zu ahnden bzw präventiv möglichst zu verhindern, aber dafür ist nicht jedes beliebige Mittel erlaubt.

Ich sehe hier tatsächlich Parallelen zur Legitimitätsfrage in Sinne dieses Threads; immerhin steht die Frage im Raum, welche Mittel erlaubt sind, eine solche rechtsstaatliche Ordnung zu verteidigen bzw ihr wieder Geltung zu verschaffen. Wenn man sich dabei völlig vom angestrebten Ziel distanziert kann irgendwas nicht stimmen... ;)

Die ganzen praktischen Fragen, die der winzige Unterschied zwischen der Staatsmacht und ein paar mehr oder minder hoffnungsfrohen Revoluzzern mit sich bringt, verbuche ich wie gesagt weit gehend unter Spekulation. :winke:

EDIT & P.S.:

Um noch einen weiteren Aspekt zu beleuchten: Eine solche zu bekämpfende, fiktive Diktatur ist ja nicht nur bzw nicht primär wegen der gewaltätigen Herrschaftsmittel ein Problem, sondern ganz grundsätzlich; Demokratie, Grundrechte und so. Die Frage ist grundsätzlich nicht, ob hier Widerstand legitim ist; das ist einfach gegeben. Die Frage bleibt: Welche Mittel sind erlaubt?

Wenn sich diese Diktatur faktisch v.a. durch die Akzeptanz der Bevölkerung hält und weitgehend auf den direkten Einsatz von Gewalt verzichten kann (trifft auf die DDR im Großen und Ganzen zu), so sind die Widerstandsfrormen natürlich daran auszurichten, ein Unzahl Tote in Kauf zu nehmen ist ethisch kaum vertretbar. Führen wenig(er) drastische Widerstandsformen zu einer Eskalation, setzte die Regierung bspw MG's gegen friedliche Demonstranten ein, ändert sich diese Grundlage, die Widerstandsformen anzupassen ist dann legitim.

Ganz anders sieht es aus, wenn die Diktatur von vorne herein v.a. auf nackter Gewalt beruht (Bsp NS, in anderen europäischen Ländern als tyrannische Fremdherrschaft). Hier als Mitglied der frz Resistance, als Partisan oder Mitglied der Widerstandsgruppen um den 20. Juli bei der Planung von Aktionen den Tod von Menschen in Kauf zu nehmen (seien das jetzt NS-Größen, Wehrmachtsangehörige o.ä.), ist etwas ganz anderes; je nach Aktion kann das durchaus berechtigt sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist mWn der Grundsatz, der die rechtsstaatliche Gewalt bindet, nicht "mit Kanonenkugeln auf Spatzen zu schießen"; auch der Staat ist auf der einen Seite verpflichtet, bspw Rechtsbrüche zu ahnden bzw präventiv möglichst zu verhindern, aber dafür ist nicht jedes beliebige Mittel erlaubt.

Ich sehe hier tatsächlich Parallelen zur Legitimitätsfrage in Sinne dieses Threads; immerhin steht die Frage im Raum, welche Mittel erlaubt sind, eine solche rechtsstaatliche Ordnung zu verteidigen bzw ihr wieder Geltung zu verschaffen. Wenn man sich dabei völlig vom angestrebten Ziel distanziert kann irgendwas nicht stimmen... ;)

Die ganzen praktischen Fragen, die der winzige Unterschied zwischen der Staatsmacht und ein paar mehr oder minder hoffnungsfrohen Revoluzzern mit sich bringt, verbuche ich wie gesagt weit gehend unter Spekulation. :winke:

Dann sollte die Eingangsfrage anders formuliert werden!

z.B. Waren die politischen Attentate im 3. Reich vertretbar?
 
Das GG, bes Art. 14, ist eine direkte Folge des 3. Reiches; jede fiktive oder (wenn nötig) reale Auseinandersetzung mit diesem Artikel kann nur vor diesem Hintergrund erfolgen, auch wenn es um mögliche zukünftige Entwicklungen geht.
 
Im Zweifelsfall lege ich selber fest, welche Widerstandsformen legitim sind, bzw (wie gesagt) wir beide und alle anderen Interessierten, irgendwo in einer konspirativen Wohnung, während draußen die Tyrannei am rumherrschen ist. ;)

Rechtsprechung zu dem Thema kann es nur im Nachhinein geben, und das setzt voraus, das die fiktive Diktatur, die da bekämpft wird, überwunden wird... das meinte ich mit "mir zu hypothetisch": Welche Widerstandsformen sinnvoll sind lässt sich erst sagen, wenn man weiß, was man eigentlich bekämpft. Wie das dann später gewürdigt wird ist nur noch spekulativ...

... und dennoch steht dieser Passus in der Verfassung. Jede Berufung darauf, während das demokratische System noch funzt, macht wenig Sinn (sagt das BVerfG, und hat das nie als Begrüdnung für Rechtbrüche hingenommen). Es ist der Notanker, wenn alle anderen Artikel des GG versagen.

Es ist keine Selbstjustiz. Widerstand bis hin zum Tyrannenmord ist Gegenwehr, Notwehr im großen Maßstab, keine Sanktionierung von Vergehen Wogegenauchimmer (das kann erst später geschehen) und im Idealfall auch keine Rache.

Ethisch-moralisch ist das im Zweifel nicht nur vertretbar, sondern geboten.

Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

Dei einzigen Fragen, die dann bleiben: Welche Taten sind zielgerichtet? Welches Engagment kann der einzelne mittragen?

Was ist mit dem Attentat auf Heydrich 1942 in Prag. Das Reichssicherheitshauptamt wurde von Ernst Kaltenbrunner weitergeleitet, im Sommer 1942 lief die "Operation Reinhard", die Ermordung zehntausender von Juden auf Hochtouren, und die Nazis schlugen mit der Vernichtung von Lidice zurück. Dennoch trug der Anschlag auf den stellvertretenden "Reichsprotektor von Böhmen und Mähren" zum Widerstandsgeist der Tschechen bei und zeigte vor allem, dass auch die höchsten Nazis nicht so sicher waren, wie Heydrich sich gefühlt hatte. In Hollywood drehte 1943 der emigrierte Fritz Lang den Film

"Also Hengmen die"

Wir sprachen bisher auch nur von Attentaten auf "Entscheidungsträger, auf Staats- oder Parteioberhäupter, doch was ist beispielsweise mit einer Häftlingsrevolte oder einem Ghettoaufstand. Was ist wenn, Bedingungen in einer völlig amoralischen rechtlosen Welt es für das Überleben einer Mehrzahl von Häftlingen notwendig geworden ist/scheint, Brotdiebe oder Spitzel zu beseitigen?

Es gab den Krieg der Lagerleitung gegen die Häftlinge und daneben, in allen deutschen KZs den Krieg der Häftlinge untereinander. In Sobibor gelang es im Herbst 1943 einer Gruppe von Häftlingen aus Rotarmisten und vor allem polnischen Juden die Aufseher zu überwältigen und aus dem Lager auszubrechen, wobei es vor allem den Rotarmisten gelang, sich der Partisanenbewegung anzuschließen.
 
Das GG, bes Art. 14, ist eine direkte Folge des 3. Reiches; jede fiktive oder (wenn nötig) reale Auseinandersetzung mit diesem Artikel kann nur vor diesem Hintergrund erfolgen, auch wenn es um mögliche zukünftige Entwicklungen geht.

Ich denke, an dieser Stelle sollte die Eingangsfrage wiederholt werden:

"Ich wollte euch über die Vertretbarkeit eines politischen Attentats befragen. Ist ein solches Attentat gerechtfertigt? Ihr könnt das gern in Verbindung mit der Geschichte bringen."

So langsam kommen mir die Ausführungen eher so vor, als wird nur darüber diskutiert, wann ein Attentat gerechtfertigt sein könnte. Aber um die Frage geht es nicht.

Da das GG wieder einmal angeführt wird, ich kann immer noch keine Legitimation für ein Attentat erkennen. Auch deshalb nicht, weil gleichzeitig Selbstmordattentäter im Irak oder das Attentat auf die Zwillingstürme verurteilt werden. Weil, wenn ich die einen verurteile, kann ich im GG nicht implizieren, dass dies unter bestimmten Umständen in Ordnung wäre.

Grüße
excideuil
 
IWeil, wenn ich die einen verurteile, kann ich im GG nicht implizieren, dass dies unter bestimmten Umständen in Ordnung wäre.

Doch, das geht, ist im "privaten" Bereich sogar geltendes Strafrecht.

Vielleicht wäre es sinnvoll, den "politischen Charakter" der Diskussion, die diesen Disput nur auf eine quasi höhere Ebene führt, auf den Kern zu reduzieren: das allgemeine Notwehrrecht.

Hier greift der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein. Wer den Tod des Angreifers zB bei Gefahr für bloße Vermögenswerte billigend in Kauf nimmt, ist durch das geltende Strafrecht selbstredend nicht gedeckt. Modifizieren wir den Fall: der Tod des Angreifers wird durch die Notwehr billigend in Kauf genommen, wenn das schon ohnmächtige Opfer am Boden liegt und der herbeigeführte Tod des Angreifers die Vollendung der Tötungsabsicht hemmt. [Würde diese Beurteilung anders, wenn dem ersten Angreifer ein zweiter Angreifer mit Tötungsabsicht nachfolgt, der sich wie auch immer nicht mehr abwehren ließe? - wohl kaum. Ohne jetzt tagespolitisch werden zu wollen, aber das hier ist eine Facette des Problems: Finaler Rettungsschuss: Information - Begriff - Definition im JuraForum.de ]

Soweit geltendes Strafrecht, bei dem für die Beurteilung bereits die erforderliche Abwägung der Abwehrhandlungen sichtbar wird. El Quijote hat dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit auf einer anderen, höheren Ebene dargestellt. Dieses Prinzip spiegelt sich im Grundgesetz im Widerstandsartikel auf die politische Ebene; das wiederum ist aus der Entstehungsgeschichte und den Diskussionen über diese Verfassungsregelung nur vor den Erfahrungen des millionenfachen Mordens im Dritten Reich erklärbar.

Es ist dabei unbeachtlich - wie das Beispiel Heydrich von Scorpio andeutet - ob an die Stelle des einen Angreifers/Mörders ein Nachfolger tritt. Die Verhältnismäßigkeit der Notwehrhandlung bei Abwehr eines Mordes kann nicht dadurch eingeschränkt werden, dass die Angreifer in Mehrzahl auftreten. Das Notwehrrecht gilt vielmehr gegen jeden Angreifer in der Folge.
 
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