Ein hochspannendes, kompliziertes Thema, an dem mich besonders die Frage interessiert, inwieweit man jeweils aus der Geschichte lernte.
Ist die Frage nach Vertretbarkeit des Politischen Attentats heute
noch so zu stellen, wie es hier inhaltlich diskutiert wird -
also auf Einzelpersonen / Tyrannen / Führer / Monarchen / Diktatoren
bezogen ?
Ich meine nicht.
Realität besitzen eher gewaltsame Staatsstreiche , wobei ganze
Gruppen der die Staatsmacht verkörpernden Politiker von der
Macht verdrängt werden.
Und zwar durch andere Gruppen , welche die Macht ausüben wollen.
Das ist erfolgreich ( zB. Putsch in Chile gegen Allende ) oder auch
nicht erfolgreich ( Putsch gegen Jelzin ).
Aus Sicht erfolgreicher Gruppen ist das im Nachhinein natürlich immer
berechtigt und sie werden Argumente anführen , welche diese Sicht stützen.
Solche erfolgreichen Machtübernahmen werden dann recht oft durch
Aufnahme politischer Beziehungen und Aufnahme in die UN anerkannt.
Auch wenn solche neue Machtinhaber ihren Erfolg oft nicht auf
Dauer verfestigen können und wiederum abgelöst werden.
Scheitert der Umsturz , sind das natürlich alles Terroristen , Faschisten ,
Kommunisten , religiös Fehlgeleitete etc gewesen ....
Und im Auge des Betrachters/ Bewerters /des politisch Interessierten
ist der Umsturz je nach Standpunkt entweder eine willkommene
Änderung oder eben ein ganz böses Verbrechen. Und auch aus der
veränderten Faktenlage , ob man daraus Vorteile ziehen kann
oder Nachteile hinnehmen muss.
Daher macht es mMn wenig Sinn , Zulässigkeit hypothetisch zu diskutieren -
Attentate/ Putsche sind Realität - und werden in günstigen Fällen
sogar international akzeptiert.
Dem möchte ich mich anschließen, ein politisches Attentat auf eine Einzelperson wird nur dann eine Wirkung erzielen, wenn diese Einzelperson besonders herausragt und sei es nur durch Charisma. Oder wenn diese Einzelperson unersetzlich für das herrschende System ist.
Damit bin ich bei der Frage, in welchen geschichtlichen Epochen politische Attentate überhaupt eine Wirkung haben konnten.
Ob sie vertretbar sind, ist mE eine darüberhinausgehende Frage, die man erst im zweiten Schritt untersuchen sollte.
Die bisher genannten Beispiele sind fast alle aus der Neuzeit. Nur Cäsar wurde in der Antike ermordet am Übergang von Republik zum Kaisertum.
Aus dem Mittelalter wurde kein Beispiel genannt, kann es da keins geben, weil alle poltischen Umstürze gescheitert sind? Oder war die Hinrichtung Müntzers im heutigen Sinn auch ein politisches Attentat?
Man könnte also der Meinung sein, dass politische Attentate so etwas wie ein Bewußtsein für allgemeine Menschenrechte voraussetzen und die werden meist erst der Aufklärung zugeschrieben.
Getötet wurde auch im Mittelalter, ging es da wirklich immer nur um Machtkämpfe innerhalb des Systems?
Wenn man sich damit intensiver beschäftigen würde, ließen sich sicher einige Beispiele finden. Wie wäre es mit dem Attentat auf Franz Ferdinand durch serbische Nationalisten? Diese wollten einen von Serbien dominierten Staat Südslawien gründen. Und das Ergebnis? 1918 hatten Sie - ausgelöst durch das Attentat - genau das bekommen.
In der Zeit um den ersten Weltkrieg fanden in Europa einige Attentate statt, die herrschenden politischen Systeme waren nicht mehr stabil, eine gewaltfreie Veränderung war wahrscheinlich noch nicht möglich, weil die Instrumente fehlten, wie Wahlrecht, Kontrolle über das Militär.
Außer Lincoln / Napoleon sind keine Beispiele vor dem 20. Jht. genannt worden oder habe ich die überlesen?
Das NUR halte ich für verfehlt angesichts von Krieg und Holocaust, von denen man ja schon damals etwas mitbekommen konnte. Mit dem Wissen, das die Generäle schon damals hatten, wären diese verpflichtet gewesen, Hitler abzusetzen.
Das gescheiterte Attentat auf Hitler halte ich für eine Zäsur bei der Bewertung, jedenfalls in Deutschland, was sich ja auch im GG niederschlägt.
Ich werfe hier mal Attentate zur Diskussion in die Runde:
Patrice Lumumba wurde ermordet weil - nun die Frage stellt sich waren es die Amis oder die Belgier. Beide hatten es befohlen. Wessen Mitarbeiter waren nun erfolgreich? Nun, es war wohl befohlen aus Angst vor dem Kommunismus (das wird für Belgien und die USA gelten), um den Kongo wirtschaftlich auspressen zu können (das mögen ebenfalls beide vorgehabt haben) und vielleicht auch aus Eitelkeit eines beleidigten Königs, der sich von seinem eben-noch-Untertanen sagen lassen musste, das Leopold II kein güter Herrscher, wie soeben von eben diesem König noch behauptet, sondern ein Schlächter war. Wirkung: ganz erheblich. Womöglich hat dies die Ausbreitung der sowjetischen Hägemoniehoffnungen im tropischen Afrika schon dadurch wirsam behindert, dass jeder sehen konnte, mit welchen Reaktionen des Westens zu rechnen war. Die Ergebnisse der so an die Macht gelangten Schergen können wir leider heute im Fernsehen betrauern.
Zu den Nachkriegsattentaten nach der Hitlerzäsur könnte man außer Lumumba und Allende zeitlich auch die Kennedys stellen, es gibt bestimmt weitere Beispiele. Ich sehe allerdings keine Übereinstimmung in der Richung.
Kann man die Fälle Allende, Lumumba, Luther King, Guevara als reaktionäre, systemerhaltende Attentate bezeichnen, deren Wirkung in beide Richtungen erheblich war? Sie waren einerseits reaktionär gemeint, hatten andererseits durch Märtyrermythenbildung eine gegenteilige Wirkung.
Andere könnten die Meinung vertreten, dass Guevara, Allende und Lumumba nicht ermordet worden wären, wenn es nicht ein Gefühl der Reue über das Gewährenlassen Hitlers gegeben hätte.
Die Kennedyattentate einzuordnen, finde ich schwierig. Werden doch nicht erst seit den Kennedys auch demokratisch gewählte Spitzenpolitiker akribisch durch Personenschützer bewacht.